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Unter dem Nordlicht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
DuMont Buchverlag GmbHerschienen am16.01.20151. Auflage
Stockholm, 1897: Drei Männer begeben sich auf eine Expedition, sie wollen mit einem Heißluftballon den Nordpol erreichen. Darunter auch Nils Strindberg. Die Familie und seine Verlobte Anna sind gegen das Vorhaben, doch Nils setzt sich gegen alle Bedenken durch. Die Expedition scheitert. Trotz zahlreicher Rettungsversuche bleibt die Gruppe verschwunden. Bis 1930, als norwegische Robbenfänger die Leichen der drei Männer auf einer kleinen Insel im arktischen Ozean entdecken. Anna erreicht die Nachricht von dem Fund in England, wo sie mittlerweile lebt, und die Erinnerung holt sie mit aller Macht ein. Die Erinnerung an die verzweifelte Hoffnung, Nils werde doch irgendwann zurückkehren. Und an ihre Sehnsucht, die unstillbar war - und sich auf den falschen Mann richtete ... >Unter dem NordlichtUnter dem Nordlicht<.mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextStockholm, 1897: Drei Männer begeben sich auf eine Expedition, sie wollen mit einem Heißluftballon den Nordpol erreichen. Darunter auch Nils Strindberg. Die Familie und seine Verlobte Anna sind gegen das Vorhaben, doch Nils setzt sich gegen alle Bedenken durch. Die Expedition scheitert. Trotz zahlreicher Rettungsversuche bleibt die Gruppe verschwunden. Bis 1930, als norwegische Robbenfänger die Leichen der drei Männer auf einer kleinen Insel im arktischen Ozean entdecken. Anna erreicht die Nachricht von dem Fund in England, wo sie mittlerweile lebt, und die Erinnerung holt sie mit aller Macht ein. Die Erinnerung an die verzweifelte Hoffnung, Nils werde doch irgendwann zurückkehren. Und an ihre Sehnsucht, die unstillbar war - und sich auf den falschen Mann richtete ... >Unter dem NordlichtUnter dem Nordlicht<.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783832188290
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum16.01.2015
Auflage1. Auflage
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3689 Kbytes
Artikel-Nr.1413657
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 2

Diese Dinge hier in der Wüstenei, diese toten Gegenstände, die doch einst lebten oder dem Leben dienten, sie rückten uns den Gegensatz von Leben und Tod in jähe Helle. Menschen mit warmem Blut in den Adern, die das Leben liebten, sind hier über die Schwelle des Todes geschritten. Hier haben sie gelebt, sind hier untergegangen.

Knut Stubbendorff, 1930, »Die >IsbjørnKVITØYA, NORWEGEN
SEPTEMBER 1930

Der Journalist stieg vorsichtig aus der Schaluppe und betrat die trostlose, verschneite Tundra. Ein passender Ort für den Tod, dachte Stubbendorff. Er war völlig übermüdet, und hinter seinem rechten Auge kündigten sich Kopfschmerzen an. Mit einer Handbewegung strich er sich die weißblonden Strähnen aus dem Gesicht und betrachtete die Gegend.

Was für den Fünfundzwanzigjährigen vor einer Woche als Abenteuer begonnen hatte, als willkommene Abwechslung in seinem von Lokalnachrichten und Todesanzeigen geprägten Journalistenalltag, hatte sich schon bald als Mühsal entpuppt. Nachdem er ein seetaugliches Schiff mit Funk organisiert, mit betrunkenen, einfältigen Robbenfängern über Kosten und Reisezeiten verhandelt und die raue nächtliche Reise ins norwegische Niemandsland überstanden hatte, war vom Reiz der großen Aufgabe nicht mehr viel geblieben.

Im grellen Sonnenlicht kniff er die blassblauen Augen zusammen und ließ den Blick über das Eismeer und den wolkenlosen Himmel wandern. Stubbendorff war sich nicht sicher, was er hier finden würde, vielleicht nur einige jämmerliche Überreste, die die Eisbären und die Bratvaag-Expedition vor zwei Wochen zurückgelassen hatten. Eigentlich hätte er die Bratvaag bei ihrer Rückkehr nach Norwegen abfangen und den Geologen Dr. Gunnar Horn zu seine Entdeckung befragen sollen. Doch schlechtes Wetter hatte die Abfahrt verzögert, und das geplante Treffen war geplatzt. Horns Funde befanden sich mittlerweile in Norwegen und würden bald der wissenschaftlichen Kommission in Schweden übergeben werden, sodass Stubbendorff sich damit begnügen musste, seine Reise an den Ort zu dokumentieren, der über Nacht zum berühmtesten und abgelegensten Friedhof der Welt geworden war.

Er und seine Begleiter - ein kürzlich vom Aftonbladet engagierter Fotograf, der Kapitän und sechs Besatzungsmitglieder der Isbjørn - schritten zielstrebig auf den Felsrücken zu, der sich von Ost nach West über die Insel erstreckte. Auf dem Gipfel des Felsens stand ein mit drei Halteseilen befestigter Holzpfahl. Darunter befand sich ein Geröllhaufen, den Horn und seine Mannschaft aus herumliegenden Steinen zu einem Mahnmal aufgehäuft hatten. Stubbendorff hatte sich noch keine fünfzig Schritt vom Strand entfernt, da wurde er bereits belohnt: Am Fuß des Felsrückens lagen ein Schlitten sowie verschiedene Kleidungsstücke und diverse Alltagsgegenstände, die man zum Zelten verwendete, ein Kompass, ein Topf und ein Messer. Nach über dreißig Jahren im Eis waren diese Gegenstände nun durch die ungewöhnliche Wärme und den geringen Schneefall in diesem Sommer freigelegt worden. Der Journalist fragte sich, warum Horn sie wohl zurückgelassen hatte. Vielleicht war er zu sehr von der Entdeckung der beiden vom Eis konservierten Leichname gefesselt gewesen?

Stubbendorff blieb stehen und sah sich um. Der Fund übertraf seine Erwartungen. Alles lag dort noch so, wie die drei es zurückgelassen hatten, so als könnten sie jederzeit wiederkommen und ihren Alltag im Lager wieder aufnehmen. Plötzlich nahm sein Auftrag völlig neue Dimensionen an. Wenn die Mitglieder der Expedition gewusst hatten, dass es keine Chance mehr für sie gab, wie und warum waren sie dann trotzdem weitergezogen? Sie waren offenbar bis zum bitteren Ende nicht von ihrer täglichen Routine abgewichen. Dabei wäre es mehr als verständlich gewesen, wenn sie sich einfach im Eismeer ertränkt hätten. Wäre das nicht die einfachste Lösung gewesen? Der eiserne Überlebenswille dieser Männer beeindruckte Stubbendorff zutiefst.

Als Bergman ihm diesen Auftrag erteilt hatte, war er sofort darauf eingegangen, denn er betrachtete es als Fluchtmöglichkeit aus dem Alltag. Im Büro des Aftonbladet verging die Zeit nur schleichend. Auf der Uhr an der Wand über Bergmans Tür krochen die Zeiger bisweilen so langsam vorwärts, dass Stubbendorff glaubte, sie seien stehen geblieben. Außerdem würde ihm diese Arbeit bei der Zeitung zu größerem Ansehen und, mit etwas Glück, zu Bergmans Gunst verhelfen können. Für die drei Männer jedoch war das Eis zum Verhängnis und Kvitøya zu ihrem Gefängnis geworden. Und doch ließen die Fundstücke, die er hier entdeckt hatte, darauf schließen, dass sie nicht aufgegeben hatten. Plötzlich schnürte es ihm so heftig die Kehle zu, dass er fast zu ersticken glaubte.

Ein Matrose beugte sich hinab und zog eine kleine Axt aus dem Schlamm. Er holte aus und tat, als würde er kämpfen, wohl um seine älteren Gefährten zu unterhalten. »Nichts anfassen! Lasst alles so liegen. Ich will es so fotografieren und festhalten, wie wir es vorgefunden haben«, befahl Stubbendorff.

Überrascht ließ der Junge die Axt fallen. Stubbendorff zog rasch Notizbuch und Stift aus der Manteltasche. Sein ungewöhnlich scharfer Ton würde die stumpfsinnige Mannschaft hoffentlich davon abhalten, Souvenirs vom Fundort mitgehen zu lassen. Die gedankenlose Alberei des jungen Matrosen hatte ihn mit einem Zorn erfüllt, den er gar nicht von sich kannte. Doch es war ihm wichtig, alles zu dokumentieren.

Er lockerte seinen Schal, denn auf seiner Oberlippe hatten sich Schweißperlen gebildet. Auch wenn die Polarsonne noch so heiß brannte, wurde er sich schlagartig seiner Verantwortung bewusst. Wäre er nicht hier gewesen, hätten sich die Seemänner gegriffen, wonach ihnen der Sinn stand, und wären mit ihrer Beute nach Norwegen zurückgekehrt. Er war weder Geologe, Archäologe noch Historiker und erst recht kein Abenteurer. Dennoch hatte er das Gefühl, der Einzige hier zu sein, der die überragende Bedeutung dieses Fundes bemessen konnte und die Verantwortung, die dies nach sich ziehen würde.

Während er all die noch halb im Eis festgefrorenen Gegenstände sorgfältig auflistete, ertönte von der nördlichen Seite des Felsrückens ein Schrei. »Herr Stubbendorff, hierher! Wir haben was gefunden!« Schon von Weitem sah er, dass sich die vier Männer über einen Knochen beugten, der aus dem Schlamm ragte.

»Sieht aus wie ein Beinknochen, vielleicht vom Oberschenkel«, vermutete Stubbendorff. »Wie kommt es, dass Horn den übersehen hat?«

»Von wem stammt der Ihrer Meinung nach?«, fragte einer der Männer.

»Ich habe nicht die geringste Ahnung.« Stubbendorff räusperte sich. »Vielleicht von Frænkel, dem dritten Mann. Könnte aber auch von Andrée oder Strindberg sein. Ich vermute, die Bären haben sich bereits über die Leichen hergemacht. Die wissenschaftliche Kommission wird herausfinden müssen, welche Gebeine zu wem gehören.«

Die Männer warteten auf Stubbendorffs Anweisungen. »Wir sollten eine Aufnahme davon machen«, meinte er. »Wenn Horn diesen Knochen übersehen hat, gibt es hier unter Umständen noch mehr &hellip;« - Der Journalist fand nicht gleich das passende Wort - »Überreste.«

»Ich bezweifle, dass man irgendetwas übersehen hat, Herr Stubbendorff«, bemerkte Anton Hallen, der Kapitän der Isbjørn.

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Das Eis. Ich vermute, dass wie-heißt-er-noch &hellip;«

»Horn.«

»&hellip; dass Horn nicht alles aus dem Eis herausbekommen hat. Das ist zwei Wochen her. Seit seiner Abreise ist das Eis weiter abgeschmolzen.«

Stubbendorff nickte. Die Erklärung leuchtete ihm ein.

Den ganzen langen Tag über suchten die Männer die Insel weiter ab und stießen auf die Überreste eines Unterkörpers. Die Bären hatten die Gebeine in der unmittelbaren Gegend verstreut. Wie bei einem morbiden Puzzle wurden nun die Knochenfunde zusammengetragen und unter andächtigem Schweigen an die jeweils richtige Stelle gelegt.

Stubbendorff lief mit aufgekrempelten Hemdsärmeln um das Skelett herum, schob die Knochen hier und da vorsichtig an die richtige Stelle und legte neue, aus dem Eis geborgene, gesäuberte und ihm zur Begutachtung vorgelegte Funde dazu. Er war zwar kein Biologe, vermutete aber, dass die Knochen des Torsos und des Unterkörpers nahezu vollständig waren. Sollte es sich hier um die sterblichen Überreste Frænkels handeln, so war der Mann im Alter von erst siebenundzwanzig Jahren gestorben, sinnierte Stubbendorff. Er war nur zwei Jahre älter gewesen als er selbst.

Während er die Knochen immer wieder neu ordnete, damit sie auch wirklich an der passenden Stelle lagen, und vorsichtig um die Überreste herum schritt, dachte er über die drei Männer und ihre Leistung nach. Mut und Pioniergeist hatten sie zu Helden gemacht. Strindberg war, wie er selbst, erst fünfundzwanzig gewesen. Automatisch verglich Stubbendorff seine eigenen Leistungen mit denen des Forschers.

Er dachte zurück an den Augenblick, als die Weichen gestellt worden waren. Als er Bergman mit dem Telegramm in seinen dicken Fingern zur Tür hereinkommen und direkt auf seinen Schreibtisch zugehen sah. Er wäre am liebsten davongelaufen. Stattdessen war er wie angewurzelt sitzen geblieben und hatte den Blick starr auf die Schreibmaschine gerichtet.

»Der Herausgeber will etwas für sein Geld«, hatte Bergman erklärt. »Die Zeitung hat vor dreißig Jahren einen Großteil der Expedition finanziert und dafür die Exklusivrechte an der Geschichte verlangt. Damals sind sie leer ausgegangen. Ein paar Nachrichten von den Brieftauben, die sie...
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Autor

Jenny Bond wurde in Sydney geboren. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen in Canberra, wo sie als Journalistin und Werbetexterin arbeitet. Bei DuMont erschien zuletzt ihr Debütroman >Unter dem Nordlicht