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Lieber Onkel Ömer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am01.07.20091. Auflage
Deutschland aus türkischer Sicht Nach vielen, vielen Jahren in Deutschland löst Vorzeige-Einwanderer Osman endlich ein altes Versprechen bei seinem daheim in Anatolien lebenden Onkel Ömer ein und beschreibt ihm sein Leben in Alamanya einmal ganz genau. In vierundzwanzig Briefen greift er von Januar bis Dezember alle möglichen Anlässe auf, die einem Türken im Laufe eines Kalenderjahres in Deutschland »bemerkenswert« oder »eigenartig« vorkommen. Ob Karneval, Valentinstag, Tag der Arbeit, die Bundesliga, die Deutsche Einheit oder die Weihnachtszeit: Osman Engin beleuchtet alles mit seinem kritisch-satirischen Blick und erklärt es so, dass auch der alte anatolische Onkel sich etwas darunter vorstellen kann. Selbstverständlich kommt in dieser Völkerverständigung à la Osman auch die Gegenseite nicht zu kurz: zum Beispiel wenn Osman seinen Onkel darüber aufklärt, wie schwer es ist, den Deutschen den Ramadan oder das Opferfest nahezubringen.  

Osman Engin, 1960 in der Türkei geboren, lebt seit 1973 in Deutschland. Nach seinem Studium der Sozialpädagogik in Bremen wurde er freier Schriftsteller. Monatlich schreibt er Satiren für die Bremer Stadtillustrierte >BremerTitanictazKanaken-Gandhi< ist sein erster Roman.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextDeutschland aus türkischer Sicht Nach vielen, vielen Jahren in Deutschland löst Vorzeige-Einwanderer Osman endlich ein altes Versprechen bei seinem daheim in Anatolien lebenden Onkel Ömer ein und beschreibt ihm sein Leben in Alamanya einmal ganz genau. In vierundzwanzig Briefen greift er von Januar bis Dezember alle möglichen Anlässe auf, die einem Türken im Laufe eines Kalenderjahres in Deutschland »bemerkenswert« oder »eigenartig« vorkommen. Ob Karneval, Valentinstag, Tag der Arbeit, die Bundesliga, die Deutsche Einheit oder die Weihnachtszeit: Osman Engin beleuchtet alles mit seinem kritisch-satirischen Blick und erklärt es so, dass auch der alte anatolische Onkel sich etwas darunter vorstellen kann. Selbstverständlich kommt in dieser Völkerverständigung à la Osman auch die Gegenseite nicht zu kurz: zum Beispiel wenn Osman seinen Onkel darüber aufklärt, wie schwer es ist, den Deutschen den Ramadan oder das Opferfest nahezubringen.  

Osman Engin, 1960 in der Türkei geboren, lebt seit 1973 in Deutschland. Nach seinem Studium der Sozialpädagogik in Bremen wurde er freier Schriftsteller. Monatlich schreibt er Satiren für die Bremer Stadtillustrierte >BremerTitanictazKanaken-Gandhi< ist sein erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423400893
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2009
Erscheinungsdatum01.07.2009
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1416437
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Grippesaison


Mein lieber Onkel Ömer,

 

wie geht es Dir, und wie geht es meiner lieben Tante Ülkü? Wie geht´s der hübschen Kuh Pembe, wie geht´s der schwarz gepunkteten Ziege Fatima, wie geht´s Deinem störrischen Esel Tarzan, und wie geht´s unserem guten alten Dorfvorsteher Hüsnü?

 

Lieber Onkel Ömer, was eine Grippe ist, das weißt Du ja!

Wenn uns Männer diese hinterhältige Krankheit grauenhafterweise überfällt, liegen wir zwangsläufig im Sterben und müssen wochenlang vor dem Fernseher das Bett hüten. Grippekranke Männer muss man selbstverständlich mit tausend verschiedenen Medikamenten und dem leckersten Essen ganz langsam und sehr mühsam wieder aufpäppeln. Wenn die Frauen sich anstecken, passiert ihnen dabei komischerweise gar nichts. Sie können mit einer Grippe weiterhin munter hin und her laufen, stundenlang in der Küche kochen, putzen, abwaschen und von morgens bis abends problemlos die Kinder versorgen. Wie man sieht, ist die Welt wahrhaft ungerecht! Sogar von den Krankheiten werden die Frauen bevorzugt behandelt. Offenbar hat der liebe Allah extra für das schwache Geschlecht eine harmlosere Variante der Grippe erschaffen. Die Wege des Herrn sind unergründlich - das muss wohl so sein, damit die Frauen nicht wie die Dinosaurier einfach von der Bildfläche verschwinden. Aber extrem ungerecht ist das Ganze trotzdem!

Du weißt als lebenserfahrener Mann nur zu genau, was eine richtige Männergrippe ist, aber was eine Grippesaison ist, das weißt Du nicht, Onkel Ömer! Sei froh darüber.

Diese sogenannte Grippesaison fängt in Alamanya immer im November an und dauert bis Ende März, also den ganzen Winter. Aber die Hochphase, also die besonders gefährliche, in der auch die ganzen Boulevardblätter angesteckt werden und nur noch von Rhinovirus und Grippewelle faseln, ist im Januar. Die Hälfte der Arbeiter bleibt in dieser Zeit zu Hause, die ganzen frechen, rotznasigen Kinder schwänzen die Schule, und sogar mein tapferer Ford-Transit weigert sich, während dieser Saison anzuspringen.

Die Hälfte der deutschen Bevölkerung macht also blau und hockt gemütlich zu Hause, und die andere Hälfte liegt mit rotem Kopf und triefender Nase schweißgebadet im Bett.

Und ich bekomme in der Grippesaison immer regelrechte Wahnvorstellungen. Es ist zum Verrücktwerden, ich fühle mich ständig verfolgt! Aber nicht von dunklen Mächten, wie der CIA, dem türkischen Geheimdienst oder dem deutschen Verfassungsschutz, sondern von diesen rücksichtslosen Kreaturen, die unaufhörlich husten, niesen, rotzen und spucken, um ihre Bazillen in die Welt hinauszuschießen - besonders gerne tun sie das, wenn sie es geschafft haben, sich in meine Nähe zu schleichen.

Wenn ich im Winter zum Beispiel morgens Brötchen kaufen gehe, niest die Verkäuferin erst mal mit viel Lärm quer über die Theke, sodass ich mich spontan für das in Folie eingepackte Brot entscheide. Gehe ich mal in den Imbiss, höre ich wenig später lautes Gehuste aus der Küche und suche sofort das Weite, was aber nicht immer klappt. Meistens bestehen die Kellner darauf, dass ich gefälligst bezahle, was ich bestellt habe. Aber ich sehe nicht ein, dass ich für matschige Nudeln mit Tomaten-Bazillen-Soße auch noch blechen soll.

Das wirklich Tragische an der Sache ist, dass diese hinterhältige deutsche Männergrippe mit unseren naiven türkischen Mittelchen einfach nicht zu bekämpfen ist. Ich esse jeden Tag eine ganz große Knolle Knoblauch und ein Säckchen rohe Zwiebeln, ich koche literweise Engelgras (Melekotu), oder ich lasse eine große Handvoll Vogelzunge (Kus¸dili) über Nacht in Wasser ziehen - aber das nützt alles nichts. Für deutsche Ohren klingen Engelgras und Vogelzunge wie Indianerrezepte, sagt mein Arbeitskollege Hans von Halle 4.

Dann ist es wohl wahr, was ich gestern in der Zeitung gelesen habe: Ein amerikanischer Wissenschaftler hat herausgefunden, dass die Indianer in Wirklichkeit von uns Türken abstammen. Das erklärt auch, warum ich immer so am Heulen bin, wenn dieser John Wäyn die armen Indianer im Fernsehen ständig einen nach dem anderen erbarmungslos abknallt. Und es ist irgendwie beruhigend zu wissen, dass die Amis ihr Türkenproblem schon lange vor den Deutschen hatten. Dass die Deutschen aber auch alles von den Amerikanern abgucken müssen!

Lieber Onkel Ömer, zu dem ganzen Ärger mit den rotzenden Verkäufern und hustenden Köchen weigert sich meine Frau Eminanim leider auch noch, das tägliche Brot selber zu backen - selbst bei minus dreißig Grad.»Wir sind doch nicht bei deinem Onkel Ömer in Anatolien! Hier kannst du an jeder Ecke Brot kaufen, raus mit dir«, brüllt sie und schubst mich kalt lächelnd hinaus in die eisige Kälte. Nicht mal einen Hund jagt man bei so einem Mistwetter auf die Straße - mich schon!

Im Gegenzug würde ich zumindest von ihr erwarten, dass sie beim Kochen Handschuhe und einen Mundschutz trägt. Sie wehrt sich aber vehement dagegen, den ganzen Winter über mit Mundschutz herumzulaufen.

»Osman, du Memme, wie kann man denn vor der Grippe nur solche Angst haben, du Weichei«, hat sie mich gestern blöd von der Seite angemacht.

»Wegen der gefährlichen Männergrippe machen sich doch alle Männer unheimliche Sorgen«, verteidigte ich mich.

»Wenn du so ein Feigling bist, dann lass dich doch impfen«, keifte sie mir ins Gesicht - und das ohne jeden Mundschutz!

»Also gut, ich gehe sofort zum Arzt, bevor die brutalen Viren, die du mir eben ins Gesicht geschleudert hast, ihre zerstörerische Arbeit aufnehmen können«, antwortete ich besorgt.

Mit meinem um den Mund gewickelten roten Schal, den mir meine liebe Tante Ülkü gestrickt hat, sprang ich in die Straßenbahn. Bei Allah, das war keine Straßenbahn, sondern ein mobiles Lazarett für Lungenkrankheiten. Wie ein Slalomläufer flitzte ich durch die Sitzreihen, wobei ich natürlich von allen Seiten mit bösartigsten Bazillen bombardiert wurde.

Lieber Onkel Ömer, warum halten sich die Idioten - wenn sie schon unbedingt in meine Richtung husten müssen - nicht ein Taschentuch vor ihren Mund? Jawohl, du hast recht, das ist ein Anschlag auf mich. Klarer Fall von Ausländerfeindlichkeit!

Ich flüchtete sofort ganz nach hinten und sah erschrocken, dass bei dieser sibirischen Kälte alle Fenster offen waren. Der unglaublich starke Durchzug in der Bahn ließ mich auf der Stelle erzittern wie bei einem Malariaanfall. Ich zog selbstverständlich sofort die Notbremse, sprang hinaus und hielt ein Taxi an.

»Haatschiiii ... wohin soll ich Sie bringen?«, fragte der Taxifahrer mit triefender, knallroter Nase.

»Fahren Sie sofort nach Hause, bevor Sie die ganze Stadt umbringen, Sie Selbstmordattentäter, Sie«, schrie ich ihn an und flüchtete panisch aus dem Taxi.

Über Seitenstraßen und versteckte Geheimwege erreichte ich zu Fuß doch noch meinen Arzt.

»Haaatschiii ... was fehlt Ihnen denn?«, bibberte zu allem Überfluss auch noch die Arzthelferin.

»Also mir fehlten bisher nur Ihre Bazillen. Aber jetzt haben Sie mich erfolgreich angesteckt, herzlichen Glückwunsch«, brüllte ich sie an und flüchtete umgehend ins Wartezimmer. Dort fanden bereits mehrere Wettbewerbe in verschiedenen Winter-Disziplinen statt: »Spuckeweitwurf«, »Virenstaffellauf« und »Bazillenmarathon«.

 

Lieber Onkel Ömer, was sollte ich machen? Bis ich vom Arzt aufgerufen wurde, versteckte ich mich zwei Stunden in der Toilette. Der Doktor fand das erst mal sehr lustig. Wenig später war er nicht mehr ganz so amüsiert, als ich darauf bestand, dass er mir meine Grippeimpfung selber aus dem Schrank holte. Ich weigerte mich nämlich entschieden, die Mikroben gespritzt zu bekommen, die die rücksichtslose Arzthelferin mit ihren keimverseuchten Fingern angeschleppt hatte.

 

Lieber Onkel Ömer, ob Du es glaubst oder nicht, als ich dann nach einer Stunde wieder zu Hause ankam, war ich todkrank! Mir war elend, mir war heiß, mir war kalt, ich zitterte, ich schwitzte, ich hatte schreckliche Kopfschmerzen!

Die Tabletten, die ich gegen Kopfschmerzen einnehmen musste, verursachten unerträgliche Magenkrämpfe - gut, dass ich vorher die Liste mit den Nebenwirkungen gelesen hatte. Die Tropfen, die ich gegen Magenkrämpfe schluckte, ließen meine Nieren aufheulen. Die Tabletten, die meine wahnsinnigen Nierenschmerzen etwas lindern sollten, sorgten dafür, dass man auf meiner Stirn Eier kochen konnte. Die drei großen Zäpfchen, die ich einführte, um mein hohes Fieber zu senken, verursachten plötzlich eisige ...

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Kritik
»Osman schickt Briefe an seinen Onkel in Anatolien. Er erklärt ihm, was er so in Deutschland treibt und wie die Leute hier ticken, und das in einer Sprache, die hinter ihrer scheinbaren Naivität mit viel Humor gespickt ihren eigentlichen satirischen Charakter enthüllt.«Chilli 01.09.2008mehr