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Die Nacht der Raben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am19.01.20101. Auflage
Weißt du, wem du trauen kannst? Winter auf den Shetland-Inseln. Still ruht die Welt unter einer weißen Decke. Das Mädchen im Schnee trägt einen roten Schal um den Hals. Um sie herum sitzen Raben. Als Fran Hunter die Leiche der Sechzehnjährigen findet, ist es um die Dorfidylle geschehen. Ein Schuldiger ist schnell gefunden. Die Polizei verhaftet Magnus Tait, einen menschenscheuen Sonderling. Doch dann verschwindet während des Wikingerfestivals «Up Helly Aa» Frans kleine Tochter Cassie ... «Ann Cleeves wirft einen Blick hinter die heile Fassade einer eingeschworenen Dorfgemeinschaft, in der jeder die Geheimnisse des anderen zu kennen glaubt, sich in Wahrheit jedoch Abgründe auftun. Eine fesselnde Lektüre.» (Val McDermid)

 Ann Cleeves lebt mit ihrer Familie in West Yorkshire und ist Mitglied des «Murder Squad», eines illustren Krimi-Zirkels. Für ihren Kriminalroman «Die Nacht der Raben» erhielt sie den «Duncan Lawrie Dagger Award», die weltweit wichtigste Auszeichnung der Kriminalliteratur. 2017 wurde sie für ihr exzellentes Lebenswerk mit dem «Diamond Dagger» ausgezeichnet. Sowohl die «Vera Stanhope»-Reihe, als auch Cleeves zweite Serie um das Shetland-Quartett, sind verfilmt worden.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextWeißt du, wem du trauen kannst? Winter auf den Shetland-Inseln. Still ruht die Welt unter einer weißen Decke. Das Mädchen im Schnee trägt einen roten Schal um den Hals. Um sie herum sitzen Raben. Als Fran Hunter die Leiche der Sechzehnjährigen findet, ist es um die Dorfidylle geschehen. Ein Schuldiger ist schnell gefunden. Die Polizei verhaftet Magnus Tait, einen menschenscheuen Sonderling. Doch dann verschwindet während des Wikingerfestivals «Up Helly Aa» Frans kleine Tochter Cassie ... «Ann Cleeves wirft einen Blick hinter die heile Fassade einer eingeschworenen Dorfgemeinschaft, in der jeder die Geheimnisse des anderen zu kennen glaubt, sich in Wahrheit jedoch Abgründe auftun. Eine fesselnde Lektüre.» (Val McDermid)

 Ann Cleeves lebt mit ihrer Familie in West Yorkshire und ist Mitglied des «Murder Squad», eines illustren Krimi-Zirkels. Für ihren Kriminalroman «Die Nacht der Raben» erhielt sie den «Duncan Lawrie Dagger Award», die weltweit wichtigste Auszeichnung der Kriminalliteratur. 2017 wurde sie für ihr exzellentes Lebenswerk mit dem «Diamond Dagger» ausgezeichnet. Sowohl die «Vera Stanhope»-Reihe, als auch Cleeves zweite Serie um das Shetland-Quartett, sind verfilmt worden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644407510
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2010
Erscheinungsdatum19.01.2010
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.1
SpracheDeutsch
Dateigrösse2430 Kbytes
Artikel-Nr.1435056
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Zwei


Fünf Minuten vor Mitternacht. In den Straßen von Lerwick rund um Market Cross war die Hölle los. Alle waren da, und alle waren ordentlich angetrunken, aber nicht aggressiv, einfach nur locker. Man hatte das Gefühl dazuzugehören, man war Teil der lachenden, trinkenden Menge. Ihr Vater hätte hier sein sollen. Dann hätte er gesehen, dass es gar keinen Grund gab, sich aufzuregen. Vielleicht hätte es ihm sogar Spaß gemacht. Hogmanay in Shetland. Das hier war schließlich nicht New York. Oder London. Was sollte ihr schon passieren? Die meisten Leute kannte sie sowieso.

Sally spürte das Wummern von Bässen unter den Füßen, es dröhnte in ihrem Kopf. Sie konnte nicht ausmachen, wo die Musik herkam, doch sie bewegte sich im Takt dazu, wie alle anderen auch. Dann schlugen die Glocken Mitternacht, alle sangen «Auld Lang Syne», und Sally fiel den Leuten, die gerade neben ihr standen, um den Hals. Als sie einen Typen küsste, merkte sie in einem Moment der Klarheit, dass es ein Mathelehrer aus der Anderson High School war. Er war noch sehr viel besoffener als sie.

Später konnte sie sich kaum noch an die nachfolgenden Ereignisse erinnern, zumindest nicht genau, nicht in der richtigen Reihenfolge. Vor der Lounge Bar war Robert Isbister, mit einer roten Bierdose in der Hand. Groß wie ein Bär stand er da und beobachtete das Treiben auf der Straße. Vielleicht hatte sie ihn ja gesucht. Sally sah sich selbst, wie sie sich im Rhythmus der Musik näherte, sich in den Hüften wiegte, fast auf ihn zutanzte. Sie blieb vor ihm stehen, sagte nichts, flirtete aber trotzdem. Und wie sie geflirtet hatte - das wusste sie noch ganz genau. Hatte sie ihn nicht sogar am Handgelenk gefasst, die feinen goldenen Härchen an seinem Unterarm gestreichelt, als wäre er ein Tier? Wäre sie nüchtern gewesen, hätte sie das niemals getan. Sie hätte sich nicht einmal getraut, zu ihm zu gehen, obwohl sie schon seit Wochen davon träumte, es sich bis ins kleinste Detail ausmalte. Trotz der Kälte hatte er die Ärmel bis zum Ellbogen hochgekrempelt. Er trug eine goldene Armbanduhr. Daran würde sie sich immer erinnern. Es war vermutlich kein echtes Gold, aber da konnte man sich bei Robert Isbister nie so ganz sicher sein.

Dann war Catherine plötzlich aufgetaucht und sagte, sie hätte ihnen eine Mitfahrgelegenheit organisiert, mindestens bis zur Abzweigung nach Ravenswick. Sally hatte eigentlich noch bleiben wollen, aber Catherine musste sie wohl überredet haben, denn kurze Zeit später fand sie sich auf dem Rücksitz eines Autos wieder. Es war wie im Traum, denn plötzlich saß Robert neben ihr, so nah, dass sie seine Jeans am Bein spürte und seinen bloßen Unterarm in ihrem Nacken. Sein Atem roch nach Bier. Ihr wurde übel davon, aber kotzen durfte sie auf keinen Fall. Nicht vor Robert Isbister.

Ein weiteres Pärchen zwängte sich neben sie auf den Rücksitz. Sally kannte die beiden flüchtig. Der Typ wohnte irgendwo im Süden von Mainland und studierte inzwischen in Aberdeen. Und das Mädchen? Lebte in Lerwick und war Krankenschwester im Gilbert Bain Hospital. Sie fielen sofort übereinander her. Das Mädchen war unten, der Typ lag halb auf ihr, knabberte an ihren Lippen, ihrem Hals und ihren Ohrläppchen und sperrte dann den Mund so weit auf, als wollte er sie Stück für Stück aufessen. Als Sally sich wieder zu Robert umdrehte, küsste er sie auch, aber langsam und sanft, nicht wie der Wolf aus dem Märchen. Sie hatte überhaupt nicht das Gefühl, aufgefressen zu werden.

Von dem Jungen am Steuer bekam Sally nicht allzu viel mit. Sie saß direkt hinter dem Fahrersitz und sah nur Hinterkopf und Schultern und dass er einen Parka trug. Er sagte auch nichts, weder zu ihr noch zu Catherine, die auf dem Beifahrersitz saß. Vielleicht war er ja genervt, weil er sie mitnehmen musste. Sally wollte ein bisschen mit ihm plaudern, einfach aus Höflichkeit, doch dann küsste Robert sie wieder, und das nahm sie völlig in Anspruch. Es lief keine Musik im Auto, man hörte nichts, nur den sehr lauten Motor und die Knutschgeräusche des anderen Pärchens.

«Halt!» Das kam von Catherine. Sie sprach gar nicht laut, doch nachdem es so still gewesen war, erschraken sie alle. Catherines englischer Akzent tat Sally in den Ohren weh. «Halt hier an. Sally und ich steigen aus, es sei denn, du willst uns bis zur Schule fahren.»

«Bloß nicht, Mann!» Der Student löste sich gerade lange genug für diesen Kommentar von der Krankenschwester. «Wir verpassen eh schon die halbe Party.»

«Kommt doch mit», sagte Robert. «Kommt mit zu der Party.»

Es war ein verführerisches Angebot, und es galt Sally, doch Catherine antwortete. «Nein, das geht nicht. Sally sollte eigentlich bei mir sein, sie durfte gar nicht in die Stadt. Wenn sie nicht bald heimkommt, machen sich ihre Eltern auf die Suche nach ihr.»

Sally war sauer, weil Catherine für sie sprach, wusste aber, dass sie recht hatte. Sie durfte es jetzt nicht noch vermasseln. Ihre Mutter würde ausflippen, wenn sie erfuhr, wo Sally gewesen war. Mit ihrem Vater konnte man ja noch reden, zumindest wenn man ihn allein zu fassen bekam, aber ihre Mutter war einfach nicht ganz dicht. Vorbei war der Zauber, jetzt hieß es: zurück in die Realität. Sie machte sich von Robert los und kletterte über ihn hinweg aus dem Wagen. Die Kälte nahm ihr den Atem, sie fühlte sich benommen und aufgekratzt, so als hätte sie noch mehr getrunken. Catherine und sie blieben nebeneinander stehen und sahen den Rücklichtern des Autos nach.

«Scheißtypen», sagte Catherine in so giftigem Ton, dass Sally sich fragte, ob sie vielleicht etwas mit dem Fahrer am Laufen hatte. «Die hätten uns doch ruhig noch nach Hause fahren können.» Sie griff in die Tasche, zog eine kleine Taschenlampe hervor und leuchtete ihnen damit den Weg. Das war mal wieder typisch Catherine: immer auf alles vorbereitet.

«Ist doch egal.» Sally spürte, wie sich ein albernes, seliges Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. «Es war ein toller Abend. Ein richtig toller Abend.» Als sie sich ihre Schultertasche umhängte, stieß ihr etwas Hartes gegen die Hüfte. Sie förderte eine schon geöffnete Flasche Wein zutage, die wieder zugekorkt worden war. Sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, wo die herkam. Trotzdem hielt sie sie Catherine hin, um sie aufzuheitern. «Schau mal. Eine Stärkung für den Heimweg.»

Kichernd stolperten sie die vereiste Straße entlang.

Das helle Viereck tauchte wie aus dem Nichts auf und überraschte sie. «Verflixt, wo sind wir? Wir können doch unmöglich schon zu Hause sein.» Zum ersten Mal wirkte Catherine besorgt, weniger selbstsicher, irgendwie verwirrt.

«Das ist Hillhead. Das Haus oben auf dem Hügel.»

«Wohnt da jemand? Ich dachte immer, es steht leer.»

«Es gehört einem alten Mann», sagte Sally. «Magnus Tait. Der soll nicht ganz richtig im Kopf sein. Er lebt dort ganz zurückgezogen. Wir mussten uns immer von ihm fernhalten.»

Catherines Furcht war schon wieder verflogen, vielleicht wollte sie auch nur angeben. «Dann ist er jetzt sicher ganz allein. Komm, wir gehen hin und wünschen ihm ein frohes neues Jahr.»

«Ich habe doch gesagt, er ist nicht ganz richtig im Kopf.»

«Du hast Angst.» Catherine flüsterte fast.

Und wie - ich habe eine Heidenangst und weiß selbst nicht, warum. «Blödsinn.»

«Ich wette, du traust dich nicht.» Catherine zog die Flasche aus Sallys Tasche, trank einen Schluck, korkte sie wieder zu und steckte sie zurück.

Sally trat von einem Bein auf das andere, um ihr zu zeigen, wie albern es war, hier in der Kälte herumzustehen. «Gehen wir nach Hause. Meine Eltern warten, das hast du doch selbst gesagt.»

«Wir sagen einfach, wir haben Neujahrsbesuche bei den Nachbarn gemacht. Na los. Du traust dich ja doch nicht.»

«Nicht allein.»

«Gut, dann gehen wir zusammen.» Sally konnte nicht sagen, ob Catherine das von Anfang an so geplant oder sich einfach in eine Lage manövriert hatte, aus der sie jetzt nicht mehr herauskam, ohne das Gesicht zu verlieren.

Das Haus lag ein Stück abseits von der Straße. Es führte kein richtiger Weg hin. Als sie fast angekommen waren, hob Catherine die Taschenlampe, und der Lichtstrahl fiel auf das graue Schieferdach und die Torfsoden, die sich vor der Veranda stapelten. Sie rochen den Rauch, der aus dem Schornstein kam. An der Verandatür blätterte die grüne Farbe vom nackten Holz ab.

«Na los», sagte Catherine. «Klopf an.»

Sally klopfte zaghaft. «Vielleicht ist er ja schon im Bett und hat nur das Licht angelassen.»

«Nein. Ich sehe ihn doch da drinnen sitzen.» Catherine betrat die Veranda und hämmerte mit der Faust an die eigentliche Haustür. Sie spinnt, dachte Sally. Sie weiß gar nicht, worauf sie sich da einlässt. Das ist doch Wahnsinn. Am liebsten wäre sie weggelaufen, nach Hause zu ihren langweiligen, bodenständigen Eltern. Doch ehe sie sich auch nur bewegen konnte, hörte man von drinnen ein Geräusch, Catherine öffnete die Tür, und sie stolperten hintereinander ins Zimmer, blinzelnd, geblendet von der plötzlichen Helligkeit.

Der alte Mann kam auf sie zu, und Sally starrte ihn an. Sie merkte es selbst, konnte aber nichts dagegen tun. Bisher hatte sie ihn immer nur von weitem gesehen. Ihre Mutter, die sonst so freigebig mit ihrer Unterstützung für ältere Nachbarn war, voll christlicher Nächstenliebe einkaufen ging und Suppe und Selbstgebackenes verteilte, vermied jeden Kontakt zu Magnus Tait. Wenn er draußen war, wurde Sally rasch an seinem Haus vorbeigescheucht. «Da darfst du niemals hingehen», hatte ihre Mutter ihr eingeschärft, als sie noch klein war. «Er ist ein böser alter Mann. Das ist kein...

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Autor

Ann Cleeves lebt mit ihrer Familie in West Yorkshire und ist Mitglied des «Murder Squad», eines illustren Krimi-Zirkels. Für ihren Kriminalroman «Die Nacht der Raben» erhielt sie den «Duncan Lawrie Dagger Award», die weltweit wichtigste Auszeichnung der Kriminalliteratur. 2017 wurde sie für ihr exzellentes Lebenswerk mit dem «Diamond Dagger» ausgezeichnet. Sowohl die «Vera Stanhope»-Reihe, als auch Cleeves zweite Serie um das Shetland-Quartett, sind verfilmt worden.Tanja Handels, geboren 1971 in Aachen, lebt und arbeitet in München, übersetzt zeitgenössische britische und amerikanische Literatur, unter anderem von Zadie Smith, Bernardine Evaristo, Anna Quindlen und Charlotte McConaghy, und ist auch als Dozentin für Literarisches Übersetzen tätig.  2019 wurde sie mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis ausgezeichnet.