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Jeder Mensch ist ein Kunstwerk

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am01.09.20101. Auflage
Erinnerungen an Menschen und Orte, Geschichten von Erfolg, Freiheit und Unabhängigkeit - von Thomas Bernhard bis Anna Wimschneider. Erinnerungen an Menschen und Orte, Geschichten von Erfolg, Freiheit und Unabhängigkeit - von Thomas Bernhard bis Anna Wimschneider. 20 sehr persönliche und faszinierende Porträts von: Thomas Bernhard, Rainer Werner Fassbinder, Cornelia Froboess, Erika Fuchs, Eva Christina Fuchs, Thomas Gottschalk, Werner Herzog, Patricia Highsmith, Wolfgang Koeppen, Brigitte Kronauer, Hermann Lenz, Udo Lindenberg, Eva Mattes,  Milva, Johannes Mario Simmel, Friedrich Torberg, Franziska Walser, Martin Walser, Wim Wenders, Anna Wimschneider. »Es waren die Siebziger, Achtziger, ich war Zeitschriftenredakteurin, arbeitete später frei für Tageszeitungen, Rundfunk und Fernsehen. Man hatte noch Zeit, seine Texte sorgfältig zu planen, ausgiebig zu recherchieren. Alle Persönlichkeiten, über die ich geschrieben habe, konnte ich aufsuchen, Stunden oder Tage mit ihnen verbringen ...« Diese Begegnungen mit Autoren, Künstlern, Schauspielern und Filmemachern in den Jahren 1975 bis 1993 waren meist freundschaftlich, von Vertrauen geprägt - und sie entpuppen sich als wichtige Bestandteile von Asta Scheibs Autobiographie. Sie ist inzwischen selbst zu einer bekannten Schriftstellerin arriviert, so wie viele der damals von ihr Interviewten richtig berühmt geworden sind. Eingebunden in den Kontext der Umstände, unter denen sie ihr Material gesammelt hat, der Stimmung und der Gesten, hat Asta Scheib wunderbare Kurzgeschichten mit dem Bezug zum Heute daraus geformt. Sie erzählen von Erfolg, Freiheit und Unabhängigkeit ...

Asta Scheib, geboren in Bergneustadt im Rheinland, arbeitete als Redakteurin bei verschiedenen Zeitschriften. Sie gehört heute zu den bekanntesten deutschen Schriftstellerinnen und lebt mit ihrer Familie in München.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,50
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextErinnerungen an Menschen und Orte, Geschichten von Erfolg, Freiheit und Unabhängigkeit - von Thomas Bernhard bis Anna Wimschneider. Erinnerungen an Menschen und Orte, Geschichten von Erfolg, Freiheit und Unabhängigkeit - von Thomas Bernhard bis Anna Wimschneider. 20 sehr persönliche und faszinierende Porträts von: Thomas Bernhard, Rainer Werner Fassbinder, Cornelia Froboess, Erika Fuchs, Eva Christina Fuchs, Thomas Gottschalk, Werner Herzog, Patricia Highsmith, Wolfgang Koeppen, Brigitte Kronauer, Hermann Lenz, Udo Lindenberg, Eva Mattes,  Milva, Johannes Mario Simmel, Friedrich Torberg, Franziska Walser, Martin Walser, Wim Wenders, Anna Wimschneider. »Es waren die Siebziger, Achtziger, ich war Zeitschriftenredakteurin, arbeitete später frei für Tageszeitungen, Rundfunk und Fernsehen. Man hatte noch Zeit, seine Texte sorgfältig zu planen, ausgiebig zu recherchieren. Alle Persönlichkeiten, über die ich geschrieben habe, konnte ich aufsuchen, Stunden oder Tage mit ihnen verbringen ...« Diese Begegnungen mit Autoren, Künstlern, Schauspielern und Filmemachern in den Jahren 1975 bis 1993 waren meist freundschaftlich, von Vertrauen geprägt - und sie entpuppen sich als wichtige Bestandteile von Asta Scheibs Autobiographie. Sie ist inzwischen selbst zu einer bekannten Schriftstellerin arriviert, so wie viele der damals von ihr Interviewten richtig berühmt geworden sind. Eingebunden in den Kontext der Umstände, unter denen sie ihr Material gesammelt hat, der Stimmung und der Gesten, hat Asta Scheib wunderbare Kurzgeschichten mit dem Bezug zum Heute daraus geformt. Sie erzählen von Erfolg, Freiheit und Unabhängigkeit ...

Asta Scheib, geboren in Bergneustadt im Rheinland, arbeitete als Redakteurin bei verschiedenen Zeitschriften. Sie gehört heute zu den bekanntesten deutschen Schriftstellerinnen und lebt mit ihrer Familie in München.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423404945
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2010
Erscheinungsdatum01.09.2010
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse415 Kbytes
Artikel-Nr.1444229
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


»Das Auge ist die Leuchte deines Leibes«

Wim Wenders in der Rhön


Es ist Sonntagabend und Tagesschau-Zeit, aber ich bin noch unterwegs. Dienstlich, um genau zu sein. Die Bundesstraße 285 in Richtung Nordheim/Rhön liegt wenig befahren im diffusen Halbdämmer des ausgehenden Sommertages. Über weite Strecken kann ich der untergehenden Sonne zuschauen, die das Land in ein magisches Licht taucht. Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt - wie komm ich bloß auf diese Schnulze? Vielleicht war es im Fernsehen, oder auf der Bühne des Fränkischen Theaters Schloss Maßbach - jedenfalls war es ein Männerchor, der das Lied sang, und einer der Männer ließ sorgsam eine rote Sonne über den Köpfen der Sänger untergehen, damit auch ja kein Zweifel aufkam. Mir hatte es gefallen. Ich liebe es ja auch, wenn Männer in Tüllröckchen Ballett tanzen. Erzählen darf man so etwas natürlich niemandem.

Ich mache das Radio an, aber kein sich verströmender Tenor erwärmt mich, ich bin sofort in einem Kommentar über die Anzahl derzeitiger Kriegsschauplätze und Massenmorde. Das halte ich spätabends und allein im Auto nicht aus und ich drehe weiter, komme erfreut zu den Rolling Stones: Exile On Main Street . Klasse - womit hab ich das verdient?

Es ist rasch dunkel geworden. Sehr still. Dann und wann begegnet mir ein Auto, von dem ich nur Lichter und Schatten sehe. In den Häusern der Rhöndorfer flimmert aus einzelnen Fenstern bläulich das Licht der Mattscheiben. Ich denke an meine Söhne, die wahrscheinlich gerade vom Vater ins Bett geschickt werden. Der Große geht immer freiwillig schlafen, weil er am Tag herumtobt wie ein Wilder. Mein Jüngster trottet aus Sympathie hinterher, weil es ihm ohne den Bruder in der Wohnung nicht gefällt. Sicher spielen sich in der Rhön ähnliche Szenen in den Familien ab, vielleicht werden hier und da auch widerstrebende Kinder zu Bett gebracht, das Bier und die Kartoffelchips zum Fernsehprogramm bereitgestellt. Beschaulichkeit in einer herben, aber reizvollen Landschaft. Zuweilen strahlt sie eine Einsamkeit aus, die beruhigt und Gedanken an immer wieder ausbrechende Kriege fast unwirklich werden lässt.

Ich bin auf dem Weg zu einem Drehort, an dem Wim Wenders einen neuen Film inszeniert. Je mehr ich mich dem Ort nähere, umso nervöser werde ich, denn ich bin nicht verabredet mit Wenders. Er gilt als scheu, aber ich will trotzdem versuchen, einen Artikel über die Dreharbeiten zu schreiben. Die Würzburger Mainpost hat Interesse angemeldet. Schließlich dreht einer wie Wim Wenders nicht ständig im Fränkischen.

Ich bewundere den Filmemacher, klar, sonst hätte ich mich nicht auf den Weg gemacht und meine Söhne wieder Christiane überlassen. Schon bei seinem ersten Spielfilm, Die Angst des Tormanns beim Elfmeter , will ich mehr wissen über diesen jungen Mann mit dem sensiblen Gesicht, der sich entschlossen hat, Peter Handkes Roman zu verfilmen. Summer in the City , seine Abschlussarbeit an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen, kenne ich nicht, aber ich habe Handkes Roman gelesen und finde es ungewöhnlich, dass sich ein Dreißigjähriger für seinen ersten Spielfilm einen Stoff aussucht, der jedenfalls auf mich ziemlich hart wirkt. Ich höre, dass Wim Wenders mit Peter Handke befreundet ist. Das wäre eine Erklärung.

Ich habe Rezensionen zum Buch gelesen, die es zum Wichtigsten erklären, was in den letzten zehn Jahren in deutscher Sprache geschrieben wurde. Daher lese ich es ein zweites Mal, und schon zu Beginn der Lektüre beschleicht mich wieder eine Furcht, die ich mir nicht erklären kann. Ich krieg Angst vor dem Helden, diesem Bloch, richtig Angst. Mir passiert es nämlich manchmal, dass ich wildfremden Männern begegne und ihnen völlig vertraue. Wie vor einigen Wintern beim Skifahren. Ich hab meine Gruppe verloren, sitze vor einer Hütte, esse Spaghetti und beginne gerade, die Sonne und das Alleinsein schön zu finden. Da setzt sich ein Mann zu mir, er isst auch Spaghetti, wir reden, ich zeig ihm Fotos meiner Söhne, was weiß ich, warum. Jedenfalls sagt der, dass meine Söhne zwei wunderbare Recken seien, solche wünsche er sich auch. Ich weiß noch genau, wie der Mann aussah, ich bin den restlichen Tag mit ihm Ski gefahren, er fuhr vor, ich hinterdrein, und vor Eifer hab ich mich selber übertroffen, weil er mich lobte, und am Abend hätte ich wahrscheinlich Ja gesagt, wenn er mich gefragt hätte. Hat er aber nicht. Doch was, wenn das so einer wie Bloch gewesen wäre, der seine Bekanntschaft am Morgen nach der gemeinsamen Nacht unvermittelt erwürgt?

Und dann, im Wenders-Film, ist alles anders. Der Schauspieler Arthur Brauss ist nicht der Bloch Peter Handkes, den ich im Kopf habe, der ist Wim Wenders Bloch, und die Bilder der Geschichte sind auch die des Regisseurs, der mir scheinbar näher ist als Handke, jedenfalls hab ich mich in dem Film nicht gefürchtet, aber so wunderschön wie Alice in den Städten finde ich ihn nicht. Ich glaube, mit diesem Film hat Wim Wenders meine ständig wache Sehnsucht nach New York geweckt, nach den USA.

Als ich Alice in den Städten sehe, kenne ich nur Kanada, und dort Toronto und Calgary, weil mein Bruder da lebt. Mit Alice, die ich gern adoptiert hätte, reise ich durch die USA und durch das heimatnahe Wuppertal und Ruhrgebiet, eine für mich wirklich aufregende Erfahrung. Rüdiger Vogler, der den Journalisten spielt und den ich schon aus der Angst des Tormanns kenne, sieht meinem Mann im Schnee ziemlich ähnlich, mit Lisa Kreuzer, Wim Wenders Lebensgefährtin, kann ich mich auch identifizieren. Und ich stimme völlig überein mit den positiven Kritiken landauf, landab, zum Beispiel mit der von Peter Buchka aus der Süddeutschen Zeitung : »Ein Film zum Sehen: einer der schönsten, ruhigsten, gelassensten und eindringlichsten des Neuen Deutschen Kinos.«

Und nun dreht Wim Wenders für seinen nächsten Film in der Rhön. Er befasst sich, soviel habe ich erfahren, mit der desolaten Situation der Kinos auf dem Land, deren Besitzer ziemlich verzweifelt sind. Aber vor allem soll es ihm um Landschaften gehen, um Bewegung in der Landschaft. Irgendwo hat er gesagt, dass er am liebsten einen Reisefilm machen würde, einen, bei dem er die Freiheit hätte, während des Filmens die Geschichte zu erfinden. Dazu, denke ich, ist die Rhön erschaffen worden. Ich lebe seit über zehn Jahren hier, und die fränkische Landschaft mit ihren unverwechselbaren Menschen ist mir ans Herz gewachsen. Außer dem weichen rollenden R, das ich am fränkischen Dialekt so gut leiden kann - jedenfalls bei den Männern -, hat die Rhön für mich eine starke Faszination. Einem Freund gehört hier in der Nähe ein Sommerhaus. Eher ein Häuschen, aber es gibt eine große Terrasse, Wasser aus dem Brunnen, Licht von der Petroleumlampe, Essen vom selbstangeschürten Herdfeuer. Nicht etwa, weil das urig ist, sondern einfach, weil es schon immer so war, bei den Eltern, den Großeltern. Seltsam, obwohl ich es als junges Mädchen nicht erwarten konnte, aus meiner Heimat wegzukommen - hier beneide ich meinen Freund um die Verwurzelung seit Generationen. Ich wüsste gern, was Wim Wenders, in dessen Filmen so viel Bewegung ist, so viel Entwurzelung auch - was er für einen Begriff von Heimat hat.

Am Ortsausgang von Nordheim, da, wo die Straße abzweigt nach Roth und zur Hoch-Rhönstraße wird; da, sozusagen am Tor zum Paradies, stehen sieben profane Metallsilos neben einer großen Scheune. Ich bin angekommen, und schlagartig überfällt mich wieder meine Schüchternheit. Ich bin unsicher, traue mich kaum, aus dem Auto auszusteigen. Taghell ist es hier, und das mitten in der Nacht, Lieferwagen stehen herum und Leute in Monteuranzügen sind offensichtlich nicht in Sonntagsstimmung. Kein Zweifel, hier ist einer der Drehorte zu Wim Wenders´ neuem Film Im Lauf der Zeit . Ein riesiges Speditionsfahrzeug füllt fast bedrohlich einen Teil der Scheune aus. Im grellen Licht der Scheinwerfer erscheint die Szene sehr technisch, keine Spur von Filmromantik. Nüchtern, leise und präzise arbeitet auch das Team. Männer in gestreiften oder weißen Overalls, Stiefeln, abgewetzten Jacken. Ich erkenne Rüdiger Vogler, der allerdings jetzt einen Schnauzbart hat, der ihn etwas von meinem Schneemann fortrückt. Mein derzeitiger Lieblingsschauspieler Hanns Zischler fällt mir sofort auf und Marquard Bohm. Sie wirken alle eher ernst, angespannt, ohne Allüren. Lisa Kreuzer ist fast ungeschminkt, natürlich. Ihr Sohn Patrick hat ebenfalls eine Rolle im Film.

Wim Wenders ist wohl der Leiseste, Unauffälligste von allen. Im blassen Gesicht unter dichtem, dunklem Haar fällt ein weicher, sensibler Mund auf. Grüblerisch, ohne jeden sichtbaren Machtanspruch, macht er eher Vorschläge, als Regieanweisungen zu geben.

Ich überwinde meine Scheu, stelle mich vor, frage, ob ich zuschauen kann. Kein Problem. Es wird gedreht bis 2 Uhr nachts.

Der nächste Drehtag hebt sich langsam aus dem Nebeldunst der Rother Kuppe, wo die Filmleute im Rhönparkhotel wohnen. Ich hatte mir dort auch ein Zimmer bestellt. Kalt ist es noch heroben, als das Team losfährt zum Drehort. Bald kommt jedoch die Sonne, die Silos glänzen silbern, Jacken werden abgelegt. Rüdiger Vogler hat eine grüne Wurfscheibe dabei, und Hanns Zischler, einige Männer von der Technik, auch ein erstmals lächelnder Wim Wenders werden kurzfristig zu Buben, die hingebungsvoll Frisbee spielen. Doch bald ist Schluss. Die Technik hat alles vorbereitet; es geht weiter. Mittagessen findet nicht statt. Oder doch. Einer bringt vom Dorfbäcker hausgemachtes Vanilleeis. Pfirsiche und Bananen stehen zu jedermanns Verfügung.

Außer Wenders Filmteam ist heute noch eine weitere...

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Kritik
»Ob der schon lange verstorbene Rainer Werner Fassbinder, Udo Lindenberg, Thomas Gottschalk, Eva Mattes, Cornelia Froboess, Milva, Thomas Bernhard oder Anna Wimschneider, um nur einige zu nennen, sie alle sind in ihrer Art einmalig und unverwechselbar, in der Tat, jeder ein Kunstwerk für sich, das sich dank Asta Scheib jeweils dem Leser öffnet.«Südhessen Wochemehr