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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
296 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am22.09.2014
Jung, weiblich, rechtsradikal
Linda ist wütend. Ihr Exfreund hat sie wegen einer Türkin verlassen, ausgerechnet. Noch dazu sollen in ihrem Dorf zweihundert syrische Flüchtlinge aufgenommen werden - laufen bald nur noch glutäugige Schönheiten durch die Straßen, die den Jungen den Kopf verdrehen? Auch ihre Eltern, die Fremdenzimmer vermieten, fürchten, dass bei den vielen Asylanten in der Stadt weniger Gäste kommen. Linda nimmt an einer Demo gegen die Flüchtlinge teil und lernt eine Gruppe Jugendlicher kennen, die genauso denken wie sie - nur noch radikaler. Linda macht mit, lässt ihrer Wut freien Lauf. Und gerät in einen Strudel, aus dem es kaum ein Entkommen gibt ...

Brigitte Blobel, 1942 in Hamburg geboren, studierte Theaterwissenschaften und Politik und arbeitete in Frankfurt als Redakteurin bei 'Associated Press'. Neben ihrer Tätigkeit als freie Journalistin und Drehbuchautorin hat sie zahlreiche Romane für Jugendliche und Erwachsene geschrieben. Ihre Bücher wurden in 22 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet.
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Produkt

KlappentextJung, weiblich, rechtsradikal
Linda ist wütend. Ihr Exfreund hat sie wegen einer Türkin verlassen, ausgerechnet. Noch dazu sollen in ihrem Dorf zweihundert syrische Flüchtlinge aufgenommen werden - laufen bald nur noch glutäugige Schönheiten durch die Straßen, die den Jungen den Kopf verdrehen? Auch ihre Eltern, die Fremdenzimmer vermieten, fürchten, dass bei den vielen Asylanten in der Stadt weniger Gäste kommen. Linda nimmt an einer Demo gegen die Flüchtlinge teil und lernt eine Gruppe Jugendlicher kennen, die genauso denken wie sie - nur noch radikaler. Linda macht mit, lässt ihrer Wut freien Lauf. Und gerät in einen Strudel, aus dem es kaum ein Entkommen gibt ...

Brigitte Blobel, 1942 in Hamburg geboren, studierte Theaterwissenschaften und Politik und arbeitete in Frankfurt als Redakteurin bei 'Associated Press'. Neben ihrer Tätigkeit als freie Journalistin und Drehbuchautorin hat sie zahlreiche Romane für Jugendliche und Erwachsene geschrieben. Ihre Bücher wurden in 22 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641142025
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum22.09.2014
Seiten296 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1439 Kbytes
Artikel-Nr.1444786
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1. Kapitel

Linda sieht, wie Dennis die Hände im Nacken verknotet und seinen Lockenkopf zurückwirft. Wie er lacht, wie er übermütig in die Luft boxt, tänzelt, bevor er sich wieder zu Ceylan wendet. Wie er Ceylans Hand nimmt und sie auffordert, stehen zu bleiben.

Jetzt hat sie beide im Profil. Linda hebt ihr Smartphone höher und zoomt die beiden näher heran.

Wenn sie sich jetzt umdrehen, fliege ich auf, denkt sie. Dann wissen sie, dass ich ihnen gefolgt bin. Und was mach ich dann?

In einer plötzlichen Panikattacke schreckt sie zurück, drückt sich gegen die Mauer. Ihr ist plötzlich schwindelig, die Wände stürzen auf sie zu, der Boden unter ihren Füßen schwankt wie ein Schiffsdeck. So ähnlich muss sich Seekrankheit anfühlen, wenn oben plötzlich unten ist und die Schwerkraft außer Kraft. Wenn man nirgendwo Halt findet.

Linda ist noch nie auf einem Schiff gefahren - zumindest nicht auf dem Meer. Mit ihren sechzehn Jahren war sie praktisch noch nirgendwo. Sie ist hier in Großwalde geboren, einer mittelalterlichen Stadt in der Nähe von Weimar, war hier in der Kita und besucht nach der Grundschule nun seit fünf Jahren den Realzweig der Gesamtschule. Hier in Großwalde auf dem Waldfriedhof sind ihre Großeltern begraben und hier ist vor fast einem Jahr ihr geliebter Spaniel Flappi an einem Hühnerknochen erstickt. Und vor allem: Hier haben Dennis und sie sich eines Tages ineinander verliebt, und zwar so sehr, dass sie ein halbes Jahr später schließlich miteinander geschlafen haben - nach einigem ungeschickten Tasten und Streicheln und Stöhnen und schlaflosen Sehnsuchtsnächten. Zwei Tage vor Weihnachten war es und fühlte sich an, als tue der Himmel sich auf.

Und jetzt, am 10. Februar, flirtet er mit dieser Ceylan! Und sieht so verliebt aus, dass einem davon schlecht wird.

Dennis und Ceylan, denkt Linda. Wieso hab ich nichts geahnt? Wieso bin ich so naiv? Wie lange geht das schon mit denen?

Sie lugt um die Ecke: Die beiden stehen noch da, in enger Umarmung, ein Bild wie eingefroren für die Ewigkeit.

Ein Hustenreiz quält sie plötzlich, wie immer im unpassenden Moment. Sie keucht, hält die Hand vor den Mund, krümmt sich, japst nach Luft, presst beide Hände vor das Gesicht.

Als die Attacke vorbei ist und sie ihre Augen wieder aufreißen kann, sind Dennis und Ceylan schon weitergegangen, Hand in Hand, in einer Art kindischem Schlendergang, irgendwie lustbetont. Linda bekommt einen heißen Kopf, allein vom Zusehen. Sieht, wie die Arme der beiden Schwung nehmen, so als würden sie ein Kind, das zwischen ihnen geht, gleich vor Übermut nach vorn schleudern und wieder zurück. Dann müssen sie sich schon wieder anschauen. Und dann hebt Dennis die verschlungenen Finger und drückt einen langen Kuss darauf. Ceylan lacht. Und ihre Hände schwingen weiter.

Ceylan trägt natürlich hochhackige Stiefeletten, stakst durch den Schneematsch wie ein Flamingo, lächerlich. Bestimmt hat sie nasse Füße. Alles für Dennis, damit ihre Schönheit ihn blendet. Damit sie größer erscheint und ihre Beine länger und schlanker wirken.

Aber es hilft dir nichts, denkt Linda grimmig, deine Beine sind nun mal kurz und dick. Ich bin zehn Zentimeter größer als du! Sieht Dennis das nicht? Und findet er es nicht albern, wenn dein rechter Fuß plötzlich umknickt, weil die ultrahohen Absätze eher für den Catwalk geeignet sind als für die matschigen Bürgersteige von Großwalde?

Doch jedes Mal fängt Dennis Ceylan ritterlich auf, als habe er nur auf diesen Anlass gewartet, und sie lässt sich in seine Arme sinken wie ein Burgfräulein, das kurz vor der Ohnmacht ist.

Wenn ich solche Schuhe tragen würde, denkt Linda, wäre das vielleicht auch sexy. Bloß wäre ich damit einen halben Kopf größer als er. Ob er sich dann auch als Ritter gefühlt hätte? Was für ein Scheißspiel!

Dennis legt jetzt seinen Arm um Ceylans Taille. Ceylan hat ihren Wollmantel so eng gegürtet, dass sie eigentlich kaum noch Luft bekommen kann. Die beiden wiegen sich jetzt im Gleichklang in den Hüften, kein Blatt Papier passt mehr zwischen sie. Dennis in seiner Daunenjacke und Ceylan in ihrem Mantel, zu dem sie immer einen langen, zweimal geknoteten Schal trägt. So kommt sie meist auch in die Schule: mit hohen Stiefeln und einem Mantel, den man eher zu einem Theaterbesuch tragen würde. Aber vielleicht ist für Ceylan alles Theater.

Linda folgt den beiden, seit sie die beiden auf der Ringstraße vor Budnikowski entdeckt hat. Sie hatte Teelichter und einen Nagellack in irgendeiner coolen neuen Farbe kaufen wollen. Aber gerade als sie die Straße überquerte, entdeckte sie die beiden. Wie sie sich küssten, mitten unter den Großwaldern, mitten unter all den Leuten. So als wäre es das Normalste auf der Welt.

Dabei war sie doch Dennis' Freundin!

Dabei war er doch ihr Freund!

Im ersten Moment wusste Linda nicht, was sie tun sollte. Es war zu überraschend, es kam aus dem Nichts. Eine Minute vorher war ihr Leben noch in Ordnung gewesen. Da hatte sie sich für einen glücklichen Menschen gehalten, war verliebt, hatte sich hübsch und begehrenswert gefühlt und daran gedacht, ihr Zimmer ein bisschen mit Teelichtern und Räucherstäbchen zu dekorieren.

Wegen der Stimmung. Weil Dennis doch am Samstag kommen wollte, wenn ihre Eltern zum Skatabend gingen. So wie an all den anderen Samstagen, an denen sie immer ihr Bett frisch bezogen hat, damit es schön duftete, frisch und verführerisch, wenn sie und Dennis sich hineinlegten.

Und jetzt läuft er seit einer halben Stunde mit dieser Ceylan herum, plaudert und lacht und umarmt und küsst sie, als gebe es keine Linda. Als gebe es kein Bett, in dem er mit ihr gelegen hat. Als habe sie nicht für ihn Plätzchen gebacken und Herzchen gemalt, als hätten sie nicht halbe Nächte geskypt und sich dabei sehnsuchtsvoll angelächelt.

Sie sind doch ein Paar! Die ganze Klasse weiß, dass sie seit dem Sommer ein Liebespaar sind.

Wohin wollen die beiden eigentlich? Diese Straße führt aus Großwalde hinaus, an einem im Winter abgesperrten Busparkplatz vorbei und weiter in Richtung Burg. Die Festungsanlage hat einen Wehrturm aus dem frühen Mittelalter und wurde über Generationen von einem Grafengeschlecht bewohnt.

Ceylans granatrot gefärbte Haarmähne leuchtet in der Wintersonne.

Aber, ätsch, gleich wird die Sonne untergehen! Dann leuchten deine beschissenen Haare nicht mehr so, dass Dennis davon ganz besoffen wird, denkt Linda. Dann sind sie so mausfarben wie meine. In der Nacht sind alle Katzen grau, oder? Um diese Jahreszeit zieht die Sonne nur einen niedrigen Bogen über Großwalde.

Es ist so kalt, dass man den Atem der beiden sieht, wenn sie reden. Jetzt bleiben sie wieder stehen. Dennis beugt sich vor und flüstert ihr etwas ins Ohr. Ceylan macht einen Kussmund, biegt den Oberkörper zurück. Dennis drängt sich an sie. Sie kommt seinem Gesicht mit ihren aufgeschürzten Lippen entgegen.

Mit trockener Kehle hebt Linda das Smartphone, geht auf Kamera, sucht die Zoomeinstellung und drückt ab.

Das kleine Geräusch, dieses leichte Klicken, kann nicht einmal sie selbst hören. Um sie herum ist ein Brummen und Brausen von den vorbeifahrenden Autos und dem eisigen Wind.

Sie merkt erst jetzt, dass sie ihre Handschuhe mal wieder irgendwo vergessen hat. Ihre Finger sind ganz gefühllos. Sie verstaut ihr Smartphone in der Innentasche ihres Anoraks und haucht in die Hände, um sie zu wärmen. Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Linda stellt sich vor, wie diese Tränen auf ihrem kalten Gesicht zu kleinen Eiskristallen gefrieren. Sie wischt die Tränen weg, dreht sich um und marschiert zurück.

Die Kälte kriecht in ihren Körper. Obwohl sie pelzgefütterte Stiefel trägt, sind ihre Waden wie Eis. Ihr Rücken schmerzt, als wäre ein kalter Luftstrahl auf ihn gerichtet. Und in ihrem Kopf ist nichts.

Ceylan!, denkt sie, plötzlich rasend vor Eifersucht. Du Schlange! Was hast du mir vorgespielt?

Gestern war sie noch in der Reinigung gewesen, die Herrn Kaya, Ceylans Vater, gehört. Ceylan stand am Bügelautomaten und bügelte ein Oberhemd. Ganz professionell sah das aus. Ceylan hilft oft bei ihren Eltern in der Reinigung aus, wenn viel zu tun ist.

Als die Türglocke läutete, drehte Ceylan sich um.

»Hi, Linda!«, strahlte sie.

»Hi, Ceylan. Wie geht's?«

»Super, und dir?«

»Oh, mir geht's auch supi. Ich muss nur Mamis Jacke abholen. Sollte gestern schon fertig sein.«

»Ist sie bestimmt. Kommt gleich jemand. Ich kann hier im Moment nicht vom Bügelautomaten weg.«

»Okay, kein Problem.«

Alles ganz normal. Da hat sie ja auch noch keine Ahnung gehabt. Jetzt fragt sie sich natürlich, was Ceylan da gedacht hat. Ob sie ein schlechtes Gewissen hatte oder ob sie ihren heimlichen Triumph genossen hat?

Stattdessen hat sie gefragt: »Hast du den Abholzettel dabei?«

»Ich denk schon. Bin ja ein ordentlicher Mensch.«

»Echt? Bist du? Davon müsste es mehr geben. Was meinst du, wie viele Kunden hier ohne ihren Abholschein antanzen.« Ceylan imitierte einen Mann mit tiefer Stimme: »War so 'ne dunkle lange Hose.« Sie verdrehte die Augen. »Ey, glaubt der Typ, er hat als Einziger eine dunkle Hose?«

Sie haben beide gelacht. Dann zog Linda den Abholschein aus der Seitentasche ihres Rucksacks und legte ihn auf den Tresen, während Ceylan das Eisen auf den Hemdkragen drückte.

»Und du? Was machst du...


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Brigitte Blobel, 1942 in Hamburg geboren, studierte Theaterwissenschaften und Politik und arbeitete in Frankfurt als Redakteurin bei 'Associated Press'. Neben ihrer Tätigkeit als freie Journalistin und Drehbuchautorin hat sie zahlreiche Romane für Jugendliche und Erwachsene geschrieben. Ihre Bücher wurden in 22 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet.