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Pilze für Madeleine

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
165 Seiten
Deutsch
Insel Verlag GmbHerschienen am15.09.20141. Auflage
Drachenpilz, Wolfsblut, Fliegenpilz, Stinkmorchel: Wenn der 'Pilzkönig' Holger Haglund seine legendären Seminare abhält, liegen ihm die Frauen zu Füßen. Auch die reiche, welterfahrene Schlossbesitzerin Madeleine erliegt seinem Charme. Sehr zum Leidwesen von Gunnar, Haglunds Sohn, der zeitlebens im Schatten seines Vaters stand. Als die Liebe zwischen Holger und Madeleine abzukühlen droht, fasst Holger einen heimtückischen Plan. Was, wenn Vater und Sohn die gleiche Frau lieben? Und giftige Pilze im Spiel sind? In »Pilze für Madeleine« meistert Marie Hermanson die Verbindung von schauriger Spannung, absurder Tragödie und zärtlich-ernsthafter Liebesgeschichte. Ein modernes Märchen für Erwachsene - Happy End inbegriffen.


Marie Hermanson, 1956 geboren, lebt in Göteborg und hat etliche Jahre ihres Lebens als Journalistin gearbeitet. Sie debütierte mit einer Sammlung von Erzählungen, die, so ein schwedischer Kritiker, Zeichen sind »einer großen, sich entwickelnden Autorin, welche die altnordische Saga mit den besten Exempeln angloamerikanischer Fantasy und Science-Fiction zu vereinen versteht und deren Wurzeln bis hin zu Poe reichen«. Sie erhielt für ihren Roman Die Schmetterlingsfrau (1995) den renommierten schwedischen August-Preis. Mit ihrem Roman Muschelstrand (1998) gelang ihr der internationale Durchbruch.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR8,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextDrachenpilz, Wolfsblut, Fliegenpilz, Stinkmorchel: Wenn der 'Pilzkönig' Holger Haglund seine legendären Seminare abhält, liegen ihm die Frauen zu Füßen. Auch die reiche, welterfahrene Schlossbesitzerin Madeleine erliegt seinem Charme. Sehr zum Leidwesen von Gunnar, Haglunds Sohn, der zeitlebens im Schatten seines Vaters stand. Als die Liebe zwischen Holger und Madeleine abzukühlen droht, fasst Holger einen heimtückischen Plan. Was, wenn Vater und Sohn die gleiche Frau lieben? Und giftige Pilze im Spiel sind? In »Pilze für Madeleine« meistert Marie Hermanson die Verbindung von schauriger Spannung, absurder Tragödie und zärtlich-ernsthafter Liebesgeschichte. Ein modernes Märchen für Erwachsene - Happy End inbegriffen.


Marie Hermanson, 1956 geboren, lebt in Göteborg und hat etliche Jahre ihres Lebens als Journalistin gearbeitet. Sie debütierte mit einer Sammlung von Erzählungen, die, so ein schwedischer Kritiker, Zeichen sind »einer großen, sich entwickelnden Autorin, welche die altnordische Saga mit den besten Exempeln angloamerikanischer Fantasy und Science-Fiction zu vereinen versteht und deren Wurzeln bis hin zu Poe reichen«. Sie erhielt für ihren Roman Die Schmetterlingsfrau (1995) den renommierten schwedischen August-Preis. Mit ihrem Roman Muschelstrand (1998) gelang ihr der internationale Durchbruch.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783458739593
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum15.09.2014
Auflage1. Auflage
Seiten165 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1484237
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

Es kann kein Zufall gewesen sein, daß wir ausgerechnet dort und in diesem Moment Stinkmorcheln fanden. Ich erinnere mich an die phallusartigen Fruchtkörper, den widerlichen Leichengeruch und Madeleines unterdrücktes, lockendes Lachen. Ich erinnere mich an den Schauer, der mich durchlief. Ein Schauer aus Begehren, Übelkeit und Haß.

Mein Vater war der charismatische Pilzkenner Holger Haglund. In seinem Schatten aufzuwachsen war nicht leicht, und das bitte ich euch zu bedenken, ehe ihr über mich urteilt.

Meine Mutter gehörte zu den Menschen, die das Meer lieben. Sie stammte von einer Insel in Bohuslän, ihre Familie lebte seit Generationen vom Fischfang. Als junge Frau war sie nach Göteborg gezogen, sie hatte eine Stelle als Bürokraft in einer Importfirma gefunden.

Mein Vater konnte das Meer nicht ausstehen. »Das Määär«, wie er zu sagen pflegte. Er sprach es mit einem lang gezogenen, nasalen Ä aus und ließ das Kinn fallen, er glich dann einer blökenden Ziege. So drückte er seine Verachtung für die hochnäsigen Meermenschen aus. Das Meer war ja so vornehm. Wer es sich leisten konnte, baute ein Sommerhaus am Meer. Der frische Wind, der weite Horizont. »Ja, ja«, schnaubte Vater.

Mein Vater liebte den Wald. Wann immer er konnte, nahm er das Auto und floh vor Mutter, mir und der Wohnung in der Stadt. Ins Landesinnere. Weg vom Meer. Wenn die Pflichten als Familienvater ihm zu anstrengend wurden, flüchtete er in die tiefen Tannenwälder wie andere Männer in die Kneipe. »Im Wald ist die Freiheit«, erklärte er. »Diese Quallen haben keine Ahnung, was Freiheit ist. Sie wissen nicht, was es bedeutet, in einem Wald zu ertrinken. Sich zwischen den Stämmen zu bewegen, immer tiefer hinein in den Wald, bis man sich beinahe verirrt.«

Recht bald führten die Kontroversen in der Meer-oder-Wald-Frage zur Scheidung. Ich war damals sechs Jahre alt.

Ich stellte mich ganz auf die Seite meines Vaters. Ich konnte Salzwasser nicht leiden und liebte morastige Waldseen. Die Tanne war mein Lieblingsbaum. Und schon in jungen Jahren übten auch auf mich die Pilze eine dunkle Anziehungskraft aus. Ich war, fand ich, ganz der Sohn meines Vaters.

Vater und ich zogen in eine Kate im Wald, sie bestand aus einer Küche und einer Stube im Erdgeschoß. Das Dachgeschoß war nicht bewohnbar, aber Vater ließ es isolieren und zwei Schlafzimmer und ein Bad einbauen.

Die Kate lag sehr einsam, weit weg vom nächsten Ort. Man erreichte sie durch eine enge Öffnung zwischen zwei Felsblöcken. Von weitem ähnelten sie zwei riesigen Frauenschenkeln, worauf Vater jedesmal hinwies. Nach dem Frauenschenkeltor ging es einen steilen Hügel hoch, dann kamen ein paar Kilometer gewundene Schotterstraße, die von Tannenwald und Holzstapeln mit gelbroten, duftenden Schnittflächen gesäumt war. Die Abzweigung zur Kate konnte man leicht verfehlen, wenn man sie nicht kannte.

Der Schulbus fuhr natürlich nicht dort vorbei, ich mußte also mit Vater fahren. Er fing um sieben an zu arbeiten, die Schule begann jedoch nicht vor acht, und so stand ich oft lange wartend und frierend auf dem Schulhof herum.

Wir hatten einen Nachbarn, den alten Utbom, aber mit ihm hatten wir keinen Umgang. Er wurde der Axtmörder genannt, der Name erschreckte mich natürlich, aber mein Vater sagte, daß man den Namen nicht wörtlich nehmen dürfe. Utbom war nur ein bißchen merkwürdig und konnte sehr ärgerlich werden, wenn man ihm zu nahe kam. Er verließ sein Haus eigentlich nur, um Holz zu hacken. Sah man ihn, dann mit einer Axt in der Hand. Er hatte einen Schäferhund, der tagein, tagaus angeleint und nur durch eine erbärmliche Hundehütte vor Regen und Kälte geschützt war. Der eingeschränkte Lebensraum hatte die Sinne des Hundes geschärft. Er hatte ein fast übernatürliches Gehör und schlug an, wenn ein Auto sich näherte, lange bevor man ein Motorengeräusch vernehmen konnte.

Hätte es die Pilze nicht gegeben, wären Vater und ich in unserer Kate ziemlich isoliert gewesen. Andererseits wohnten wir wegen der Pilze dort im Wald.

Mein Vater hielt Pilzkurse ab. Zwischen Juli und November stand er Sonntag für Sonntag auf der Eingangstreppe und empfing seine Kursteilnehmer. Sie kamen aus dem ganzen Land. Die Pilzkurse meines Vaters waren berühmt, für seine Kenntnisse wurde er überall hoch angesehen.

Normalerweise arbeitete er als Lagerverwalter bei einem Regiment der Armee, wo er sich um die Post kümmerte und Ausrüstung und Kleidung an die Wehrpflichtigen ausgab.

Da er freien Zugang zum Lager hatte, konnte er unbemerkt alles an sich nehmen, was er brauchte: wasserabweisende Hosen und Pullover, winddichte Jacken, Gummistiefel, Regenkleider, Mützen und Ohrenschützer alles sehr nützlich im Wald.

Seine Arbeit war nicht sehr anspruchsvoll. Wenn er die Post verteilt hatte, saß er in seiner Kammer und wartete. Wartete darauf, das Lager aufzuschließen, wenn etwas gebraucht wurde. Er nahm schmutzige Kleidung entgegen, gab neue aus und führte Buch über alles. Ich glaube, er hat diese Arbeit sehr bewußt gewählt. Sie paßte ihm ausgezeichnet: freier Zugang zu Ausrüstung gepaart mit einer Beschäftigung, die ihn nicht weiter anstrengte, so daß er seine Kräfte fürs Wochenende sparen konnte.

Ich habe ihn ein paar Mal an seinem Arbeitsplatz besucht. In dieser fast ausschließlich männlich geprägten Umgebung kamen seine Talente nicht zu ihrem Recht, und ich hatte das Gefühl, daß er ein bißchen zu lässig und herablassend behandelt wurde.

Ein Klassenkamerad, dessen Mutter als Köchin beim Regiment arbeitete, hatte mir berichtet, daß die Wehrpflichtigen meinen Vater den »Unterhosenklauer« nannten. Für mich war das der blanke Neid (was war eine einfache Köchin gegen meinen Vater?), aber als ich später meinen Wehrdienst bei einem Regiment im Norden ableistete nicht sehr erfolgreich und vorzeitig beendet , mußte ich selbst erfahren, wie rauh der Ton war und wie man sich über Mitarbeiter mit einfachen Tätigkeiten lustig machte.

Aber mein Vater schien es mit Gleichmut zu nehmen. Er hatte das lächerliche Spiel des Karrierestrebens schon lange durchschaut, und die zurückhaltende Rolle, die er die Woche über spielte, schien ihm zu gefallen. Er saß in seiner fensterlosen Bude und plante sein Wochenende: die vorbereitende Tour am Samstag und die Exkursion mit den Teilnehmern am Sonntag. Sein richtiges Leben fand am Wochenende statt.

Ausgenommen die Wintermonate, wenn es keine Pilze gab, verbrachte er die Wochenenden von morgens bis abends im Wald. Einmal, es war ein phantastisches Steinpilz-Jahr, ging er mit voller Ausrüstung Zelt, Schlafsack, Tütensuppen, er hatte sogar einen Kocher herausgeschmuggelt in den Wald und verbrachte dort mehrere Tage.

Aber am wohlsten fühlte er sich, wenn er von einer Schar weiblicher Kursteilnehmer bewundert wurde.

Ich erinnere mich gut an die Sonntage, wenn man schon früh am Morgen das Bellen von Utboms Hund hören konnte, an die Autos, die auf den Hof fuhren und an das Gemurmel vor unserem Häuschen.

Vater schlenderte lässig in der Küche umher, blätterte in einem Pilzbuch und tat, als hätte er die Menschenansammlung da draußen nicht bemerkt. Aber seine Wangen hatten schon die frische Röte, die sie in der gesunden Waldluft bekamen, und seine braunen Augen leuchteten mit diesem speziellen Glanz, den so viele Frauen vergeblich zu beschreiben versuchten.

Dann warf er einen gespielt überraschten Blick auf die Wanduhr, schlug das Buch zu und trat auf die Treppe hinaus. Ich hielt mich meist im Hintergrund. In meiner Windjacke und mit dem Pilzkorb am Arm stand ich in der herbstlichen Morgensonne und betrachtete die Kursteilnehmer: junge Mädchen mit festen Brüsten unter großen Wollpullovern, reifere Frauen mit breiten Hüften und zähe Tanten im Rentenalter. Ich war oft der einzige Mann in der Gruppe (außer Vater natürlich).

Die Frauen waren aufgeregt und voller Erwartung. Einige waren richtig attraktiv.

Als diese Geschichte ihren Anfang nahm, war ich gerade zweiundzwanzig geworden. Ich hatte mich in verschiedenen Berufen versucht, aber keiner schien so recht zu mir zu passen. Eine ordentliche Ausbildung hatte ich nicht, ich war nicht praktisch veranlagt und hatte bis dahin keine besondere Begabung für irgend etwas gezeigt. Ich war seit einiger Zeit arbeitslos und vertrödelte die Tage damit, vor dem Fernseher zu sitzen und in einem Männermagazin zu lesen, das ich abonniert hatte. Wenn Vater es nicht sah, blätterte ich in seinen Pilzbüchern. Mein Traum war es, wie er ein herausragender Pilzkenner zu werden, aber der Weg dorthin war lang, und ich glaubte nicht so recht an meine Berufung. Wenn ich sah, wie Vater auf der Treppe stand, im Zentrum weiblicher Aufmerksamkeit, schien ich sehr weit vom Ziel meiner Träume entfernt. Würde ich je dorthin kommen?

»Carl von Linné haßte Pilze, habt ihr das gewußt?« rief Vater von der Treppe herunter. »Er bekam sie in seinem System nicht unter und bezeichnete sie als umherziehendes Pack. Schließlich ordnete er sie widerwillig im Tierreich ein. Unterabteilung Chaos.«

Die Kursteilnehmer kicherten.

Vater machte eine Pause und schaute die Frauen an, die plötzlich ernst wurden. Mit gesenkter, beinahe flüsternder Stimme richtete er eine Frage an sie:

»Was ist eigentlich ein Pilz?«

Und während die Teilnehmer noch über die Frage nachdachten, lief Vater schnell die Treppe herab und führte seine Schar mit einer militärischen Armbewegung in den dunklen Tannenwald.

Ich ging ganz am Schluß. Ich grübelte über Vaters Frage. Ich hatte sie schon so oft...
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Autor

Marie Hermanson, 1956 geboren, lebt in Göteborg und hat etliche Jahre ihres Lebens als Journalistin gearbeitet. Sie debütierte mit einer Sammlung von Erzählungen, die, so ein schwedischer Kritiker, Zeichen sind »einer großen, sich entwickelnden Autorin, welche die altnordische Saga mit den besten Exempeln angloamerikanischer Fantasy und Science-Fiction zu vereinen versteht und deren Wurzeln bis hin zu Poe reichen«. Sie erhielt für ihren Roman Die Schmetterlingsfrau (1995) den renommierten schwedischen August-Preis. Mit ihrem Roman Muschelstrand (1998) gelang ihr der internationale Durchbruch.