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ISBN/GTIN

Der Schwur der Engel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
222 Seiten
Deutsch
SAGA Egmonterschienen am17.01.2022
Als Privatdetektiv Aron eine Leiche findet, die sich als seine Frau entpuppt, bringt er die Polizei auf Trab. Die Polizei glaubt ihm nicht, als er ihnen sagt, dass er nichts mit dem Mord zu tun hat. Im Gegenteil, sie halten ihn komplett aus den Ermittlungen heraus. Als Aron beschließt, seine eigenen Nachforschungen anzustellen, kommen eine Menge Geheimnisse ans Licht und es stellt sich heraus, dass er viel weniger über die Vergangenheit seiner Frau weiß, als er dachte...-

Pål Gerhard Olsen (*1959) ist ein norwegischer Schriftsteller. Er studierte Literaturwissenschaft und ist heute als Literaturkritiker und Kinder- und Jugendbuchautor tätig. Olsen lebt und arbeitet heute mit seiner Familie in der norwegischen Gemeinde Asker.
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Produkt

KlappentextAls Privatdetektiv Aron eine Leiche findet, die sich als seine Frau entpuppt, bringt er die Polizei auf Trab. Die Polizei glaubt ihm nicht, als er ihnen sagt, dass er nichts mit dem Mord zu tun hat. Im Gegenteil, sie halten ihn komplett aus den Ermittlungen heraus. Als Aron beschließt, seine eigenen Nachforschungen anzustellen, kommen eine Menge Geheimnisse ans Licht und es stellt sich heraus, dass er viel weniger über die Vergangenheit seiner Frau weiß, als er dachte...-

Pål Gerhard Olsen (*1959) ist ein norwegischer Schriftsteller. Er studierte Literaturwissenschaft und ist heute als Literaturkritiker und Kinder- und Jugendbuchautor tätig. Olsen lebt und arbeitet heute mit seiner Familie in der norwegischen Gemeinde Asker.
Details
Weitere ISBN/GTIN9788726921656
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum17.01.2022
Seiten222 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.8767633
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1


Sie lag mit dem Gesicht nach unten, in zwei dicht stehende Bäume am Ufer verfangen. Ihre Hände waren gespreizt, wie zwei kleine ockergelbe Fächer im leicht schäumenden Wasser der Aker. Ich balancierte über die wackeligen Steine im Flussbett und stand bis zu den Knien im Wasser. Da erkannte ich meine Frau an der kleinen Grube zwischen Schädel und Nacken, die ich so oft massiert hatte.

Ich drehte sie nicht um. Es genügte, sie so zu sehen. Ihren Hals zu sehen. Er hatte eine dunkelrote Kerbe, verursacht von einer Schnur, die die Vertiefung ihres Nackens mehrfach kreuzte und so stramm saß, dass ich nicht einmal einen Finger darunter schieben konnte. Ich befreite sie aus den Bäumen, hob sie hoch, stützte ihren Oberkörper auf mein Knie und streichelte ihren eingeschnürten Hals. Über das Haar konnte ich ihr nicht streichen. Sie hatte keine Haare mehr. Von ihrem dichten Blond waren nur ungleichmäßig abgeschnittene Stoppeln geblieben. Wie eine Badekappe. Jemand war so rücksichtsvoll gewesen, ihr eine Badekappe aufzusetzen. Sie war voll bekleidet. Die Strömung trieb sie immer weiter in meine Arme. Ich begann, den malträtierten Nacken mit leichten Küssen zu bedecken.

Irgendwann hörte ich ein Geräusch auf den Steinen hinter mir. Es kam Bewegung ins Wasser. Ich blickte hoch und sah verschwommen eine Uniformhose mit aufgenähten Leuchtstreifen. Ich hielt Turid fester - die Polizei war da. Sie störte unseren Frieden.

«Lassen Sie uns hier übernehmen», sagte eine Stimme. Jemand berührte mich vorsichtig an der Schulter.

«Ganz ruhig, wir tun ihr nichts», sagte ein anderer, als ich mich wehrte.

«Ihr nichts tun?», hörte ich mich antworten, so zäh, als habe mir jemand den Mund verklebt. Als könne man ihr noch Schlimmeres antun.

Als ich wieder auf meine Hände sah, war sie mir entglitten. Sie drehten sie um. Ihre Augen waren verdreht und weiß. Die Nase gebrochen. Ich sagte ihren Namen wie eine Beschwörung, wie einen Bann gegen diesen Anblick - und wurde taumelnd ans Ufer geführt. Sie zogen mich eine zwei Meter hohe Mauer hoch, bis ich im kalten Nieselregen schwankend auf dem Asphalt stand. Fünfzig Meter weiter flussaufwärts stürzte das Wasser einen kleinen flutlichterleuchteten Wasserfall hinab, die Vøyenfälle. Sie dröhnten wie Dampfhämmer. Am anderen Ufer waren ein paar Spaziergänger stehen geblieben, sie beobachteten neugierig die Autos mit Blaulicht und die Techniker der Spurensicherung, die mit ihrer Arbeit begonnen hatten. Jemand bot mir eine Zigarette an. Ich nahm sie, obwohl ich seit zehn Jahren nicht mehr geraucht hatte. Meine Lungen vertrugen es nicht. Jemand klopfte mir auf den Rücken, bis der Hustenanfall vorüber war, und ich rauchte die Zigarette bis zum Filter. Dann warf ich sie weg, und sie verlosch im Flusswasser, aus dem die inzwischen eingetroffenen Sanitäter Turid gerade herausholten.

Ein Frauengesicht erschien in meinem Blickfeld. Ein unzerstörtes Frauengesicht, dachte ich sofort. Mirjam Paulsen. Strenge Frisur und zweckmäßige Kleidung.

«Kommen Sie. Ich möchte kurz mit Ihnen sprechen. Wenn Sie können», sagte sie und wies mit der Hand auf einen Streifenwagen, als hätte ich schon geantwortet.

Der Nieselregen wurde stärker, der Motor brummte, der Wagen drehte von der Aker ab. Es war still im Auto. Eine ungebrochene Stille. Ich sank in mich hinein. Aber ich drang nicht bis zu mir durch. Nicht zum Privatdetektiv Aron Ask, nicht einmal zum privaten Aron. Ich kam nur bis zu Turid, meiner Frau. Sie war alles für mich gewesen. Doch jetzt war sie tot, und mir blieb nur noch eines: Ich stand in ihrer Schuld, sie hatte mir so viel bedeutet. Die Polizisten waren fraglos ebenso motiviert wie ich, denn Turid war im Dienst ermordet worden. Sie hatten ihren Korpsgeist. Ich meine Liebe. Damit würden wir weit kommen. Vielleicht nicht jeder für sich, aber zusammen.

 

In Kommissarin Paulsens engem Büro hängte ich meinen Kamelhaarmantel zum Trocknen auf und entledigte mich der tropfnassen Schuhe und Socken. Erst jetzt begann ich zu frieren. Solange ich im Wasser gestanden hatte, war mir nicht kalt gewesen - jetzt zitterte ich, klapperte mit den Zähnen, trank mit großen Schlucken bitteren Automatenkaffee, der aber nichts bewirkte. Wir waren nicht allein. Paulsens Kollege Svenning saß dabei, und neben der Tür stand diskret ein Mann in einer rissigen Lederjacke und Schnürstiefeln.

«Ich weiß, dass das schwer für Sie ist. Es ist für uns alle schwer. Aber wir müssen trotzdem ein paar Dinge klären», meinte Paulsen vorsichtig und blickte mit unverhohlenem Ekel auf meine deformierten und verfärbten Zehennägel.

«Ja. Zum Beispiel, wer sie umgebracht hat», sagte ich trocken und spürte meine letzte Liebkosung ihrer Haut wie einen Phantomschmerz in den Fingerspitzen.

«Wie haben Sie sie gefunden?» Svenning war wesentlich jünger als seine Vorgesetzte. Er hatte Bodybuilderschultern und trug einen Ring im Ohr.

«Ich sah sie. Im Fluss», sagte ich, denn so war es gewesen. Auch jetzt noch sah ich sie, nichts als sie. Immer wieder hob ich sie aus dem Wasser, bettete ihren Kopf auf mein Knie.

«Wir wissen, dass sie im Fluss lag», sagte Paulsen sanft. «Vielleicht könnten Sie etwas ... ausführlicher werden?»

«Sie hätten sie finden sollen. Nein, Sie hätten verhindern sollen, dass ihr das überhaupt zustößt.»

Sie deutete auf den stummen Türwächter. «Vegard Bakke. Verdeckter Ermittler. Turid war heute Abend mit ihm zusammen. Dann ... haben sie sich aus den Augen verloren.»

«Aus den Augen verloren?», fragte ich und sah Bakke an, als liege die Beweislast bei ihm. Er fühlte sich nicht angesprochen.

«Genauer gesagt: Sie sagte, sie habe eine Verabredung. Vielleicht mit Ihnen?»

Die Phantomschmerzen hielten an. Lag sie jetzt auf einem Metalltisch mit einem Nummernzettel um die große Fußzehe? Bereitete man sie für das Obduktionsmesser vor? Ja, wir waren verabredet gewesen. Die Verabredung, die wir jeden Abend hatten, wenn wir nach Hause kamen, sie spät von der Schicht, ich spät von meinen jeweiligen Recherchen. Es hätte ein Abend mit Seinfeld-Videos werden sollen. Avocado mit leckerer Füllung. Dazu Rot- oder Weißwein. Die Brise des Föhns in ihrem frisch gewaschenen Haar, dazu die letzten Neuigkeiten aus dem Polizeipräsidium. Sie musste immer erst einmal den ganzen Klatsch und Tratsch und Ärger des Tages bei mir abladen, bevor sie etwas essen oder trinken konnte, dazwischen lachte sie sich über die mehr oder weniger intelligenten Kalauer in der Glotze schlapp. Dabei öffnete sich ihr drachenflammender Kimono wie ein Bühnenvorhang. Dann legte sie sich nackt in unser Bett, das ich frisch bezogen hatte, denn ich erledigte den überwiegenden Teil der Hausarbeit. Diese alltäglichen Tätigkeiten hatten mich zu etwas gemacht, was ich zuvor nicht gewesen war: zu einem ausgeglichenen Mann.

Das Gespräch zog sich so lange hin, dass in mir das beunruhigende Gefühl aufkeimte, die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und mir werde nicht ganz so glatt laufen. Die Aussichten verbesserten sich nicht dadurch, dass sie mich mit einem Auto in Verbindung brachten, das im Maridalsvei geparkt stand, nördlich der Waldemar Thranesgate. Meinem Auto.

«Bakke hat Turid zuletzt unten am Alexander-Kiellands-Platz gesehen. Er ermittelt gegen eine Spielhölle in der Gegend. Jetzt haben wir Klein-Balkan in Oslo», sagte Mirjam Paulsen mit einem schiefen, sarkastischen Lachen. «Vom Alexander-Kiellands-Platz bis zu Ihrem Wagen sind es zu Fuß keine fünf Minuten. Was haben Sie da gemacht?» «Sie ... Sie wissen, was ich mache.»

«Ja, Turid hat erzählt, dass Sie Privatdetektiv sind.»

«Eine unglückselige Allianz. Sagen Sie es ruhig.»

«Lassen wir das. Ich muss Sie leider noch einmal fragen: Was haben Sie im Maridalsvei gemacht?»

«Ich war wegen eines Kunden da.»

«Und der heißt?»

«Das kann ich nicht so ohne weiteres sagen.»

«Das werden Sie aber müssen.»

«Kann ich darüber schlafen?»

«Glauben Sie, Sie werden schlafen können?», fragte die Kommissarin mit einer aufrichtig wirkenden Fürsorglichkeit in der Stimme.

Damit ließen sie mich gehen. Ich wurde nach Hause gebracht. Die steilen Kehren hinauf zum Mehrfamilienbungalow im Betzy Kjelsbergvei im Stadtteil Grefsen knallte der Regen wie Splitterbomben gegen die Scheiben. Nachdem ich die Wohnungstür geöffnet hatte, blieb ich lange lauschend im Flur stehen, flüsterte ihren Namen. Die Leere, die sie hinterließ, war so groß, dass ich nach Luft schnappte. Alles schien über mir zusammenzuschlagen. Ich musste ihr ihre Würde wiedergeben. Wenn ich lebte, dann war es ihr Leben in mir. Ihres und das des Ungeborenen....

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