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Gefühlte Dreißig - Ein Hoffnungsbuch für Männer um die Fünfzig

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am24.09.20151. Auflage
*** 50 ist auch nur 'ne Zahl, Mann ... *** »Der einzige wirkliche Nachteil: Ich kann auf dem Lottoschein nicht mehr mein Alter ankreuzen.« »Ich benutze seit einigen Wochen Zahnzwischenraumbürsten. Alles wird weniger, wenn man älter wird, nur die Zahnzwischenräume werden größer. Andererseits ist man froh, dass man überhaupt noch Zahnzwischenräume hat. Das ganze Gerede vom Alter ist Quatsch, und trotzdem ist was dran.« Der Buchautor und Kabarettist Bernd Gieseking weiß, wovon er spricht. Er hat die 50 hinter sich und kennt das Gefühl »Hälfte rum« ganz genau. Aber er weiß auch, dass noch ganz viel kommt. Witzig und mit viel tiefgründigem Humor berichtet er von den Wünschen, Träumen und Zielen der Männer seiner Generation und gibt seinen Leidensgenossen Hoffnung. Denn es kommt letztlich nicht auf die Höhe des Flugs an, sondern darauf, überhaupt losgeflogen zu sein! Ein Buch, das Männern Mut macht, wie ein guter Wein zu reifen.

Bernd Gieseking, geboren 1958 in Minden-Kutenhausen, ist Kabarettist und Autor von Kolumnen für die »Wahrheit«-Seite der »taz«, Kinderbüchern, Kinderhörspielen für den WDR und den HR sowie diversen anderen Büchern. Seine im FISCHER Taschenbuch erschienen Finnland-Bücher »Finne dich selbst!« und »Das kuriose Finnland-Buch - Was Reiseführer verschweigen« sind Bestseller.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

Klappentext*** 50 ist auch nur 'ne Zahl, Mann ... *** »Der einzige wirkliche Nachteil: Ich kann auf dem Lottoschein nicht mehr mein Alter ankreuzen.« »Ich benutze seit einigen Wochen Zahnzwischenraumbürsten. Alles wird weniger, wenn man älter wird, nur die Zahnzwischenräume werden größer. Andererseits ist man froh, dass man überhaupt noch Zahnzwischenräume hat. Das ganze Gerede vom Alter ist Quatsch, und trotzdem ist was dran.« Der Buchautor und Kabarettist Bernd Gieseking weiß, wovon er spricht. Er hat die 50 hinter sich und kennt das Gefühl »Hälfte rum« ganz genau. Aber er weiß auch, dass noch ganz viel kommt. Witzig und mit viel tiefgründigem Humor berichtet er von den Wünschen, Träumen und Zielen der Männer seiner Generation und gibt seinen Leidensgenossen Hoffnung. Denn es kommt letztlich nicht auf die Höhe des Flugs an, sondern darauf, überhaupt losgeflogen zu sein! Ein Buch, das Männern Mut macht, wie ein guter Wein zu reifen.

Bernd Gieseking, geboren 1958 in Minden-Kutenhausen, ist Kabarettist und Autor von Kolumnen für die »Wahrheit«-Seite der »taz«, Kinderbüchern, Kinderhörspielen für den WDR und den HR sowie diversen anderen Büchern. Seine im FISCHER Taschenbuch erschienen Finnland-Bücher »Finne dich selbst!« und »Das kuriose Finnland-Buch - Was Reiseführer verschweigen« sind Bestseller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104029863
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum24.09.2015
Auflage1. Auflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1320 Kbytes
Artikel-Nr.1539268
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


6 Roxanne - The Police (1976)

Sehnsucht St. Pauli


Als wir noch Jugendliche waren, gab es, abgesehen vom Erscheinungstermin des Quelle-Katalogs, eine ganz große Sehnsucht - Hamburg und die Reeperbahn. »Reeperbahn, wo früher noch der alte Star-Club war«, sang Udo Lindenberg. Wir kannten den Text auswendig und hätten problemlos dort als Fremdenführer arbeiten können. Die legendären Reime des Panikrockers weckten in uns eine Sehnsucht nach Hafen und Landungsbrücken. Lindenbergs »Andrea Doria« war ein Lebensgefühl. Auf diesem Kahn wollten wir anheuern.

Ich wäre gern auf »Johnny« getauft worden statt auf »Bernd«. Ich wollte ein Seemann sein. Oder wenigstens mal eine Nacht in einer Hafenspelunke zubringen. Die Reeperbahn war für uns ein einziges kitzliges Versprechen. Wir wussten von einem Laden namens »Zur Ritze«, vom »Safari«, vom »Salambo«. Zumindest vom Hörensagen. Sexshows sollte es da geben. Da wurde angeblich live gevögelt. Auf der Bühne! Und es gab die Herbertstraße, wo die schärfsten »Nutten« überhaupt standen. In unserer Phantasie retteten wir wenigstens eine von ihnen aus dem Sumpf. Unsere Liebe würde sie aus den Klauen ihres Zuhälters reißen, und dann würden wir mit ihr alt werden. Mit dankbarem Blick für ihren Retter würde sie sich mit ihren wunderbaren Brüsten an unsere Heldenbrust schmiegen. Unser Leben, ein einziger Rausch aus Lust und Erfüllung. Dass wir kaum oder keinerlei sexuelle Erfahrungen hatten, spielte keine Rolle.

Nachdem die Ersten aus unserer Clique den Führerschein hatten, fuhren wir samstags regelmäßig nach Hamburg. Erst auf die Reeperbahn, dann zum Fischmarkt. Wir wurden »angekobert« und trauten uns doch nicht rein in die Spelunken, Bars und Clubs. Wir standen staunend am Eingang der »Ritze« und wagten es nicht, zwischen den beiden aufgemalten gespreizten Frauenbeinen hindurchzugehen. Wir redeten uns raus, wenn die Prostituierten uns anquatschten, und fühlten uns trotzdem großartig. An manchen Abenden gelang es uns schon mal zu »verhandeln«, doch seltsamerweise konnten wir uns nie für eine entscheiden. Wir waren unübersehbar Provinzler, grün hinter den Ohren, und ich nehme an, die Ladys haben herzlich gelacht über uns Jungs, die den Macker markierten, obwohl ihnen gerade mal die ersten Sackhaare wuchsen.

In späteren Jahren tummelten wir uns in Jörg Immendorfs »La Paloma«. Während aus den Lautsprechern »Roxanne, you don´t have to put on the red light« von Police dröhnte, standen die Damen vom horizontalen Gewerbe neben uns an der Theke, um sich kurz aufzuwärmen oder eine kleine Pause zu gönnen. Ich trug Vollbart und Lederjacke und war überzeugt, wie ein Seemann auszusehen.

Die rote Laterne, von der die Gruppe Police sang, ist weltweit das Symbol für Bars mit speziellem Angebot und für Bordelle. Die käufliche Liebe ist bis heute eines der wenigen Tabuthemen. Wer von uns Fünfzigjährigen war schon mal in einem Puff? Wahrscheinlich die meisten. Wer von uns würde das offen zugeben? Eben. Mit der Realität hat das nicht viel zu tun, denn Schätzungen des Statistischen Bundesamts zufolge kaufen sich in Deutschland etwas mehr als 1 Million Freier Sex. Pro Tag! Da müssen welche von uns dabei sein!

Die meisten von uns wurden irgendwann von ihrer Frau gefragt, ab sie schon mal im Puff gewesen seien. Ich hatte diese heikle Situation bei einem gemütlichen Fernsehabend. Es lief »Pretty Woman«, das Märchen vom Aschenputtel in abgewandelter Form. Richard Gere gab den Prinzen und Julia Roberts das Aschenputtel vom Escort-Service. Eine ganze Generation, auch die emanzipierten, kritischen Frauen, ist dahingeschmolzen, als der Film 1990 in die Kinos kam. Die gleichen Frauen haben jeden anderen Mann außer eben Richard Gere dafür verdammt, wenn er schon einmal für Sex bezahlt hatte.

Meine Exfreundin Isabel fragte mich, während der Film über die Mattscheibe flimmerte: »Sag mal, warst du schon mal bei einer Prostituierten?«

Ich sagte vorsichtshalber nichts.

Isabel dozierte: »Weißt du, die meisten Männer waren schon mal bei einer Prostituierten. Aber sie geben es nie zu.«

Dann folgte der übliche Vortrag über Männer, die alles machen, aber nichts zugeben würden. Das mag ja alles stimmen. Aber bitte schön: was würde denn passieren, wenn wir es zugeben würden? Ich glaube nicht, dass dann der Satz folgen würde: »Find´ ich toll, dass du so offen dazu stehst.«

Isabel jedenfalls bohrte weiter: »Sag mal, hast du schon mal für Sex bezahlt?«

»Bitte?«

»Ob du schon mal für Sex bezahlt hast?«

»Ich?«

»Ja, du!«

»Wieso fragst du?«

Man darf als Mann an dieser Stelle einfach nicht ehrlich sein! Ich war es dummerweise. Die Reaktion folgte auf dem Fuß.

Isabel war entsetzt: »Was? Du warst wirklich schon mal bei einer Prostituierten?«

»Na ja, bei Richard Gere fandest du das eben ganz in Ordnung.«

»Das ist etwas völlig anderes.«

»Wieso?«, wollte ich wissen und griff zaghaft nach ihrer Hand.

»Fass mich nicht an! Allein die Vorstellung, dass du ... Ich will nicht mehr von dir berührt werden!«

Ich dachte kurz nach.

»Nie mehr?«, fragte ich.

»Nie mehr!«, sagte sie.

Ich versuchte es mit einem Witz: »Dann bleibt mir ja nichts anderes übrig, als zu einer Prostituierten zu gehen.«

»Ha!«, ereiferte sich Isabel. »Das machst du ja scheinbar dauernd!«

»Hör mal, das war vor 22 Jahren. Ich war 17!«

»Red´ dich nicht raus! Kein Wunder, dass wir schon so lange nicht miteinander geschlafen haben.«

»Also die letzen Male wolltest du nicht.«

»Weil ich gespürt habe, dass da was war!«

»Dass da vor 22 Jahren was war?«

»Siehst du, du hast es nicht vergessen!«

»Du hast mich gefragt, Isabel!«

»Ich wollte das aber nicht wirklich wissen!«

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Das habe inzwischen auch ich begriffen.

 

Das Tabu ist geblieben, aber die Reeperbahn hat sich verändert. Sie ist zur Touristenmeile geworden, verrucht ist da nicht mehr viel. Ich habe vor kurzem auf der Reeperbahn, ohne es zu ahnen, meinen ganz persönlichen Junggesellenabschied gefeiert. Fast direkt nach diesem Hamburg-Besuch habe ich »die Meine« getroffen. An besagtem Abend hatte mich mein ältester Hamburger Freund ins »Strand-Pauli« geschleppt. »Was für ein Wortspiel!«, dachte ich. Aufgeschütteter Sand als Strand im Hafen von St. Pauli. Während der DJ melancholische Weisen über das Wasser schickte, kühlten sich junge Mädels die bauchfreien Zonen mit Corona und Becks Gold. Nicht ganz unsere Altersklasse. Wir wechselten in eine angesagte Tapas-Bar, in der sich reiche Hanseatentöchter trafen, höhere Wesen in Blond mit SLK vor der Tür. Ich bestellte mir trotzdem ein Astra, das Bier mit Herz und Anker auf dem Etikett, ganz wie bei einem Seemanns-Tattoo.

Mein bester Freund machte sich irgendwann vom Acker. »Muss morgen früh raus!«, sagte er entschuldigend.

»Is´ klar«, brummte ich, unschlüssig, ob ich mich ihm anschließen sollte.

Ich blieb und war erstaunt, was man als Fünfzigjähriger allein auf St. Pauli so erleben konnte. Dass ich fünfzig war, wusste natürlich keiner. Das Alter sah man höchstens meinen »abgehangenen« Motorradstiefeln an, die meine Jugend sozusagen in die Welt hinaustrugen und in diesem Fall aus der Tapas-Bar auf die Straße. Ich lief ziellos umher und spähte in verschiedene Lokale.

Ich gehe gerne in Kneipen, allerdings nicht in solche, in die Menschen gehen, die genauso alt sind wie ich oder älter. Ich hasse Läden, in denen immer noch Barclay James Harvest läuft und in denen zur Demonstration absoluter Jugend maximal auf die Neue Deutsche Welle zurückgegriffen wird. Und »Brown Sugar« von den Stones ist kein wirklicher Trost, wenn man das Gefühl hat, dass die Gestalten an der Theke in den letzten 15 Jahren nur aufgestanden sind, um zur Toilette zu gehen.

Ich ging auf dem Kiez in die »Cobra-Bar«. Auf der Theke stand tatsächlich eine Cobra, ihre Augen glühten. Ansonsten »Flats«, Haartollen und Hornbrillen, Doc Martens, Ramones-T-Shirts und Uma-Thurmann-look-a-likes. Ich hätte hier nie einen Job als Zapfer bekommen! Ich trug Kinnbart, aber hier bestimmten Koteletten mit kuriosen Konturen das Bild. Jeder von den Jungs musste einen echten Allibert zu Hause haben, den mit den zwei ausklappbaren Spiegeltüren, sonst würden sie ihre Seitenfront nie so hinbekommen.

Das Nächste, was mir auffiel, waren die vielen Tattoos. Mächtige Arschgeweihe gingen zum Klo. Ein paar Typen am Tresen trugen da, wo ich meine Lederjacke trage, riesige Tätowierungen. Es war der 10. Juni, der erste heiße Tag des Jahres. Ich ließ trotz der Hitze meine Lederjacke an. Ich habe kein einziges Tattoo. Ich fühlte mich gerade sehr nackt und überlegte, doch noch einmal das Lokal zu wechseln, als mir eine Hand von hinten über meinen kahlrasierten Schädel strich.

»Na, Alter? Gibste einen aus?«

Ich gab. Astra. Das Bier zum Tattoo. Schweigend tranken wir, dann legte sie unvermittelt ihre Hand auf mein Knie.

Eine Blonde mit Stoppelhaarschnitt gesellte sich zu uns. Sie hatte die gesamte Kulturgeschichte Mexikos auf ihren Oberkörper tätowiert. Einer anderen Frau schlugen die Flammen aus dem Dekolleté bis zum Hals. In Farbe! Even on the Brustbein. Ein wandelndes Inferno. »Beds are burning« von Midnight Oil bekam in diesem Moment eine ganz...
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Bernd Gieseking, geboren 1958 in Minden-Kutenhausen, ist Kabarettist und Autor von Kolumnen für die »Wahrheit«-Seite der »taz«, Kinderbüchern, Kinderhörspielen für den WDR und den HR sowie diversen anderen Büchern. Seine im FISCHER Taschenbuch erschienen Finnland-Bücher »Finne dich selbst!« und »Das kuriose Finnland-Buch - Was Reiseführer verschweigen« sind Bestseller.