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17 Briefe oder der Tag, an dem ich verschwinden wollte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
Planet!erschienen am12.02.2015Auflage
Jetzt hat sich Line entschieden - morgen ist der Tag, an dem sie verschwinden wird! Raus aus ihrem alten Leben, weg von den Problemen mit ihrem Vater! Noch einen letzten Brief verfasst sie und versteckt ihn am Flussufer. Dass dieser Brief gefunden wird, daran hätte Line niemals geglaubt. Doch der Finder schreibt ihr zurück, berührt von ihren Worten. Es entwickelt sich eine zarte Brieffreundschaft - und nie hätte Line gedacht, wer sich hinter diesen gefühlvollen Zeilen verbirgt ...

Karolin Kolbe, 1993 in Kassel geboren, denkt sich Geschichten aus, seitdem sie Kassetten aufnehmen und Buntstifte halten kann. Mit der Grundschulzeit begann das Aufschreiben und lässt sie nun nicht mehr los. Nach ihrem Abitur zog sie für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr nach Berlin, wo sie nun studiert. Die Autorin liebt interessante Menschen, gute Gespräche, spannende Bücher und Filme, bunte Farben, blühende Natur und die Sonne.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextJetzt hat sich Line entschieden - morgen ist der Tag, an dem sie verschwinden wird! Raus aus ihrem alten Leben, weg von den Problemen mit ihrem Vater! Noch einen letzten Brief verfasst sie und versteckt ihn am Flussufer. Dass dieser Brief gefunden wird, daran hätte Line niemals geglaubt. Doch der Finder schreibt ihr zurück, berührt von ihren Worten. Es entwickelt sich eine zarte Brieffreundschaft - und nie hätte Line gedacht, wer sich hinter diesen gefühlvollen Zeilen verbirgt ...

Karolin Kolbe, 1993 in Kassel geboren, denkt sich Geschichten aus, seitdem sie Kassetten aufnehmen und Buntstifte halten kann. Mit der Grundschulzeit begann das Aufschreiben und lässt sie nun nicht mehr los. Nach ihrem Abitur zog sie für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr nach Berlin, wo sie nun studiert. Die Autorin liebt interessante Menschen, gute Gespräche, spannende Bücher und Filme, bunte Farben, blühende Natur und die Sonne.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783522652766
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum12.02.2015
AuflageAuflage
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2914 Kbytes
Artikel-Nr.1553236
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Noch 17 Tage

Es begann an dem Tag, an dem sie verschwinden wollte.

Der Tag war nicht besonders, er war nicht anders als die davor oder die, die noch kommen sollten. Das Wetter war grau, die Heizungen kalt und er schien noch nicht einmal gut genug zu sein, ihrem alten Leben auf ewig den Rücken zu kehren, keiner, der in Erinnerung bleiben würde.

Es war einfach nötig.

Bitter nötig.

Line schob ihr Fahrrad langsamer, als sie in ihre Straße einbog. Der Bürgersteig unter ihren Schuhen schien wie mit Pech bestrichen, so sehr klebten ihre Sohlen auf dem grauen Asphalt und wollten sich nicht lösen, wollten nicht mehr vorangehen. Wieso auch? Sie war jetzt achtzehn Jahre alt. Und sie würde sich endlich trauen zu tun, was sie wollte. Schließlich war sie erwachsen.

Der Herbstwind fegte durch die kleinen Vorgärten und hob die Blätter der pingelig gepflegten Beete in die Luft, wirbelte sie einen Moment umher, ehe er sie in einer fast ironischen Unordnung wieder losließ. Als wolle er die Bewohner der schmalen Reihenhäuser ärgern.

Line lief weiter. Das kleine Gartentor mit dem blauen Schild schwang quietschend auf, als sie es mit ihrem Fuß anstieß und auf das ungemähte Gras trat. Es roch nach Essen. Schon hier konnte sie das brutzelnde Fett riechen, mit dem ihre Mutter das Mittagessen zubereitete. Und das, obwohl es noch einige Meter bis zu der schmutzigen Haustür waren, hinter der sich der Ort verbarg, den sie am meisten hasste. Und der sie am meisten schützte.

Heute war Dienstag, Fleischtag.

Line lehnte das Rad an die graue Hauswand und stützte sich mit der Hand einen Moment ab, als sie spürte, wie der Kloß in ihrem Hals aufstieg.

Dann hob sie den Kopf, richtete ihren Blick auf das Küchenfenster. Sie konnte den Schatten ihrer Mutter sehen, die am Herd herumhantierte, spürte schon jetzt deren Sorge, einen Fehler zu machen.

Sie atmete tief durch und verkroch sich in der dicken Jacke, als wolle sie darin einsinken, unsichtbar werden und sich weit weg träumen.

Doch es half nichts. Sie trat zur Haustür und drückte auf den kleinen goldenen Klingelknopf. Ein lautes Rasseln ertönte von innen, Fußgetrappel.

Die Tür schwang auf.

»Line!«, rief das blonde Mädchen und schlang ihre kleinen Ärmchen um ihre Knie. Anna grinste breit und ergriff ihre vom Herbstwind eiskalte Hand. »Komm, komm.« Einen kurzen Moment geriet Lines Entschluss ins Wanken.

Hatte das Orakel vielleicht gelogen?

Nein, sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Heute war der Tag. Endlich.

Und doch hatte sie ein leichtes Ziehen in der Magengegend, als sie auf den Scheitel zwischen den dünnen Rattenschwänzen blickte, der sich wie ein weißer Strich über Annas runden Kopf zog.

Line zwang sich, die Tür hinter ihrem eigenen Rücken zu schließen. Je schmaler der Lichtspalt nach draußen wurde, desto beklemmender wurde das Gefühl.

Zu.

Der Geruch von zu Hause strömte ihr entgegen. Eine Mischung aus schmutzigem Teppich und den alten Jacken, die an der Garderobe hingen. Mühsam schälte sie sich aus dem Anorak und hängte ihn an einen der völlig überladenen Haken. Heute war es noch dunkler als sonst in dem engen Flur. Die Schuhe, die sich auf dem Boden stapelten, versperrten fast den ganzen kurzen Weg zur winzigen Küche. Der rare Platz wurde von einem monströsen Schrank gefressen, ein abartiger Holzkasten, den ihr Vater geerbt hatte, als seine Eltern in eine spießige Altenresidenz gezogen waren und nicht alle Möbel hatten mitnehmen können.

»Line ...«, rief die Kleine ungeduldig und wartete bereits an der Küchentür auf sie. Line stellte die Stiefel ordentlich zur Seite und bahnte sich dann einen Weg zu ihrer kleinen Schwester.

Allein diese Enge machte sie krank.

Anna zupfte an ihrem Pullover, ein hässliches Strickteil, das ihre Großmutter ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Orange-braun gestreift. Wahrscheinlich hatte sie ihn mit Absicht so klobig gestrickt, um ihrer Enkelin zu zeigen, was sie von ihr hielt.

Line beugte sich runter zu Anna. Dabei fiel ihr strähniges Haar wie ein brauner Vorhang auf die Schultern der Jüngeren. Anna formte mit ihren kleinen dicken Händen einen Trichter an Lines Ohr und setzte ihre Lippen daran.

»Papa ist schon da«, flüsterte sie. »Ich will nicht allein reingehen.« Lines Herz zog sich bei diesen Worten zusammen.

Ein bisschen Gefühl steckte also doch noch in ihrem sonst so tauben Körper. Was würde Anna ohne sie tun?

Schnell verdrängte sie diesen einzigen Gedanken, der ihr Vorhaben noch gefährdete.

Dann schubste sie das moppelige Mädchen nach vorne in die Küche, um den Moment hinter sich zu bringen.

Wie jeden Dienstag.

»Hast du das Salz vergessen, Olga?«, raunzte er und strich sich genervt über den Schnurrbart. Line hatte dieses Ungetüm über der Oberlippe ihres Vaters noch nie leiden können. Wie ein gerupfter Vogel thronte er dort und zitterte bedrohlich, wenn er sprach.

Eigentlich hatte sie auch ihn nie gemocht.

»Aber ja, Schatz«, piepste ihre Mutter und sprang von dem kleinen Esstisch auf, um das Salz aus dem Gewürzschränkchen zu holen. Obwohl es erst Mittag war, mussten sie in dem dunklen Zimmerchen die Lampe einschalten. Doch auch das Licht des braunen Glaslampenschirms konnte den mit Holzimitat verkleideten Raum nicht aufhellen.

Er griff nach dem Glasfässchen und würzte ordentlich nach.

Line senkte den Kopf und ließ ihr Haar nach vorne fallen. Bat einfach darum, dass diese Mahlzeit bald vorbei sein würde.

»Gibt´s keinen Senf?«, fuhr ihr Vater seine Frau an und Line duckte sich noch tiefer, wollte sich am liebsten die Ohren zuhalten und die Augen schließen.

Sofort erhob sich Olga wieder und trat zum Kühlschrank. Ihre kurzen Locken lagen unordentlich auf ihrem Kopf und ihr hageres Gesicht zierten bereits die ersten roten Hektikflecken. Line registrierte das Zittern ihrer dürren Finger, als sie den Senf vor ihrem Mann abstellte.

Heute ging es besonders schnell.

»Na dann«, brummte er und schnitt sich ein großes Stück von seinem Schnitzel ab. Die glänzenden Zwiebeln fielen auf dem Weg zu seinem Mund zurück auf den Teller und blieben in dem dichten Schnurrbart hängen. Er kaute eine Weile geräuschvoll und Line spürte die Anspannung ihrer Mutter, die selbst nichts zu sich nehmen konnte, ehe sie nicht abgewartet hatte, ob er etwas beanstandete.

Doch heute schwieg er. Und Olga atmete auf, aber so lautlos, dass er es nicht hören konnte.

»Die wollen unsere Löhne schon wieder kürzen, diese Halsabschneider«, brummte er zu niemand Bestimmtem im Raum.

»Aber Jens, das geht doch nicht«, reagierte seine Frau sofort, auch wenn ihre Stimme leise klang. Sie hätte ihm auch bei jeder anderen Aussage zugestimmt. Er beachtete sie nicht.

»Ihr zwei da«, sagte er dann. Jetzt sah er doch auf und deutete mit der fettigen Gabel auf seine Töchter, »ihr müsst anständig lernen, damit ihr später genug Geld verdient. Ich wollte ja immer studieren, aber dann wurde eure Mutter schwanger.«

Sofort schoss dieser die Röte in die Wangen. Er hatte sein leidiges Thema gefunden und sie begann an der Tischdecke zu zupfen, fasste sich reflexartig an den Bauch.

»Ja, wenn du nicht vor achtzehn Jahren gewesen wärst, Line«, nuschelte er zwischen zwei weiteren Bissen, »dann hätte ich erst eine Weltreise gemacht und wäre dann zur Uni gegangen. Aber so, wie es kam, blieb mir ja nichts anderes übrig, als eure Mutter zu heiraten. Eure Großeltern hätten mich sonst zum Teufel gejagt.«

Es herrschte eine Weile Schweigen, nur das Gekratze von Besteck auf Porzellan füllte den engen Raum. Line wusste nicht, das wievielte Mal diese Worte aus dem Mund ihres Vaters tönten. Und obwohl ihre Mutter Olga ihr mehr als einmal versichert hatte, dass sie keine Schuld an seinem Frust trug, hatte sich genau dieses Gefühl in ihr festgenagt. Sie pickte ein Stück Kartoffel auf und schob es eine Ewigkeit im Mund herum, ehe sie schlucken konnte.

»Und Kinder sind teuer, da musste ich nun mal gleich arbeiten. Da war kein Geld da fürs Studieren.«

Der Zeiger der Küchenuhr tickte.

Tick. Tack. Tick. Tack.

Bei beinahe jedem Ticken wanderten Lines Augen hastig nach oben. Jedes Ticken brachte sie dem Ende dieser Mahlzeit näher, mit jedem Ticken konnte sie eher in ihr Zimmer flüchten, in ihre Höhle.

Doch heute hatte das Geräusch noch eine schwerwiegendere Bedeutung.

Line lächelte.

Der Gedanke erleichterte sie und durchströmte sie mit plötzlicher Euphorie. Es war egal, ob Jens ihr heute wieder die Schuld für seine Enttäuschungen zuschob. Heute Abend würde er keine Schuldige mehr haben.

»Jetzt iss doch endlich mal«, sagte er plötzlich und blickte sie aus seinen schlammbraunen Augen vorwurfsvoll an.

Sie senkte den Kopf, versteckte sich erneut hinter ihrem strähnigen Haar.

»Meinst du, deine Mutter hat sich umsonst in die Küche gestellt? Hätte ich es mir aussuchen können, hätte ich mich gegen Kinder entschieden.« So war es immer.

Der Einzige, der die Arbeit ihrer Mutter nicht registrierte und beinahe niemals guthieß, war er.

Und der Einzige, der seinen Kindern genau das zum Vorwurf machte, war ebenfalls er.

Er schnitt erneut grob in sein Schnitzel, sodass das Fett über den Tisch spritzte. »Und du«, jetzt sah er hinüber zu Anna, die bereits zum dritten Mal nach der Soße griff, »du solltest lieber die Finger davon lassen. Wirst ja auch immer dicker.« Er kaute, hielt dann erneut inne.

»Jetzt iss endlich dein Schnitzel!«, verlangte er erneut von Line und legte...
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Autor

Karolin Kolbe, 1993 in Kassel geboren, denkt sich Geschichten aus, seitdem sie Kassetten aufnehmen und Buntstifte halten kann. Mit der Grundschulzeit begann das Aufschreiben und lässt sie nun nicht mehr los. Nach ihrem Abitur zog sie für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr nach Berlin, wo sie nun studiert. Die Autorin liebt interessante Menschen, gute Gespräche, spannende Bücher und Filme, bunte Farben, blühende Natur und die Sonne.