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Mariposa - Bis der Sommer kommt

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am30.03.2015
Ein Flügelschlag in eine andere Welt
Jake ist auf die schiefe Bahn geraten und muss seinen Community Service in Mariposa antreten, einem gottverlassenen Ort am Rande des Yosemite-Parks in Kalifornien. Dort trifft er auf Nessa, ein sonderbares Mädchen mit roten Haaren, weißer Haut und dunklen Augen. Sie lebt mit ihrer Familie zurückgezogen im Wald, und obwohl sich Jake über sie lustig macht, bekommt er sie nicht mehr aus dem Kopf. Ganz offensichtlich erwidert sie seine Gefühle, doch ihre Familie und die ganze Kommune, der sie angehört, sind strikt dagegen, dass die beiden sich treffen. Denn Nessa ist tatsächlich nicht ganz von dieser Welt ...

Nicole C. Vosseler, am Rand des Schwarzwalds geboren und aufgewachsen, finanzierte sich ihr Studium der Literaturwissenschaften und der Psychologie mit einer Reihe von Nebenjobs. Bereits früh für ihre Kurzprosa, für Essays und Lyrik ausgezeichnet, wandte sie sich später dem Schreiben von Romanen zu. Ihre Bücher wurden bisher in neun Sprachen übersetzt. Nicole C. Vosseler lebt in Konstanz, in einem Stadtteil, der ganz offiziell »Paradies« heißt. Wenn sie nicht in ihrem Schreibstudio am Seerhein an einem ihrer Romane arbeitet, reist sie mit der Kamera um die Welt, wo sie trotz ihrer Höhenangst auch mal einen Vulkan besteigt und auch sonst das Abenteuer sucht.
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Produkt

KlappentextEin Flügelschlag in eine andere Welt
Jake ist auf die schiefe Bahn geraten und muss seinen Community Service in Mariposa antreten, einem gottverlassenen Ort am Rande des Yosemite-Parks in Kalifornien. Dort trifft er auf Nessa, ein sonderbares Mädchen mit roten Haaren, weißer Haut und dunklen Augen. Sie lebt mit ihrer Familie zurückgezogen im Wald, und obwohl sich Jake über sie lustig macht, bekommt er sie nicht mehr aus dem Kopf. Ganz offensichtlich erwidert sie seine Gefühle, doch ihre Familie und die ganze Kommune, der sie angehört, sind strikt dagegen, dass die beiden sich treffen. Denn Nessa ist tatsächlich nicht ganz von dieser Welt ...

Nicole C. Vosseler, am Rand des Schwarzwalds geboren und aufgewachsen, finanzierte sich ihr Studium der Literaturwissenschaften und der Psychologie mit einer Reihe von Nebenjobs. Bereits früh für ihre Kurzprosa, für Essays und Lyrik ausgezeichnet, wandte sie sich später dem Schreiben von Romanen zu. Ihre Bücher wurden bisher in neun Sprachen übersetzt. Nicole C. Vosseler lebt in Konstanz, in einem Stadtteil, der ganz offiziell »Paradies« heißt. Wenn sie nicht in ihrem Schreibstudio am Seerhein an einem ihrer Romane arbeitet, reist sie mit der Kamera um die Welt, wo sie trotz ihrer Höhenangst auch mal einen Vulkan besteigt und auch sonst das Abenteuer sucht.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641121761
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum30.03.2015
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2344 Kbytes
Artikel-Nr.1554486
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



4

Jake

»Und was machst du da so?«

Die eng stehenden Augen zusammengekniffen, trank Travis einen Schluck Cola.

Wir hockten auf dem niedrigen Betonabsatz an der Schmalseite der Tankstelle, weit genug von den Zapfsäulen entfernt, dass wir hier rauchen konnten.

Den Blick auf den Maschendrahtzaun und die braune Ödnis eines umgegrabenen Grundstücks dahinter gerichtet, zuckte ich mit den Schultern.

»Meistens Müll einsammeln. Manchmal auch kleinere Baumarbeiten. Mit Säge und Axt und so.«

»Klingt ja spannend.«

Eine geseufzte Bemerkung, irgendwo zwischen Mitleid und Spott.

In einem verächtlichen Laut blies ich die Luft aus.

»Weil Tankbelege rauslassen, Kühlschränke auffüllen und Autoscheiben putzen so ein aufregender Job ist.«

Mit dem Daumen deutete ich auf das Schild hinter uns an der Wand, das den Weg zu den Toiletten auf der Rückseite wies.

»Kloschüsseln schrubben nicht zu vergessen.«

»Hey«, rief Travis gekränkt. »Die Tanke ist eine Goldgrube! Die nächste ist in El Portal, und danach gibt´s erst wieder welche in Wawona, Tuolumne Meadows und Crane Flat!«

Ich zuckte noch einmal mit den Schultern, drehte die fast leere Colaflasche in den Händen und betrachtete meine ausgelatschten Chucks.

Keine Ahnung, warum ich doch auf Travis´ Angebot, mal an der Grizzly Gas vorbeizuschauen, eingestiegen war. Vielleicht, weil ich nicht noch einen Sonntag zwischen den grellgeblümten Vorhängen und Bettüberwürfen des Motelzimmers verbringen wollte. In der Gegenwart von Gonzalez, der sich endgültig zum Herrscher über die Fernbedienung erklärt hatte, auf seinem Bett zwischen siffigen Klamotten herumgammelte und die Raumluft mit abartigen Chipssorten, Dr Pepper und deren fatalen Auswirkungen auf seine Verdauung verpestete.

Travis jedenfalls hatte sich ehrlich gefreut, als ich unter dem Gebimmel der Türglocke hereinschneite, und sein Onkel Mason, ein Kerl wie ein Stahlschrank, hatte mich begrüßt wie den verlorenen Sohn. Lachend hatte er mir mit einer seiner schaufelähnlichen Hände die Rechte zerquetscht, während er mir mit der anderen so fest auf die Schulter schlug, dass mir kurz die Knie wegknickten.

Ich beobachtete den regelmäßigen Strom an Autos, der die Hauptstraße hinauf und hinunter floss, während die Bürgersteige leer gefegt waren.

»Ist ja nicht besonders viel los hier.«

»Das täuscht«, widersprach Travis zwischen zwei Schlucken Cola. »Ist gerade das Mittagsloch. Heute Morgen hatten wir schon gut zu tun, und gegen Abend wird´s auch wieder mehr. Tagestouristen und Wochenendausflügler, die nach Hause zurückfahren. Im Sommer ist hier von früh bis spät die Hölle los.«

Ich musste grinsen. »Ne, ich meinte in Mariposa. Was stellt ihr hier abends denn so an?«

»Abends?«

Wie Travis die Brauen zusammenzog, hatte etwas Ratloses.

»Also, ich geh immer ins Golden Nugget. Kennst du ja schon. Manchmal auf einen Burger oder eine Pizza zu Eugene. Auf dem Parkplatz davor ist Freitag und Samstag Party. Vor dem Liquor Store. Da stehen alle mit den Autos, Scheiben runtergefahren, Anlage aufgedreht, und trinken was.«

»Klingt gut«, sagte ich hoffnungsvoll.

»Na ja.« Travis schien neben mir zu schrumpfen. »Ich geh da nie hin. Sind alles Kids von der Highschool oder schon Ältere, die vorglühen, bevor sie in irgendeinen Club nach Merced fahren. Davon kenne ich keinen so richtig.«

»Auch die Schule geschmissen?«

In einem Aufwallen von Sympathie hob ich meine Flasche, zum Anstoßen unter Gleichgesinnten.

»Hä?« Travis Kopf ruckte hoch. »Nenee. Hab den Abschluss seit diesem Sommer in der Tasche. Aber ich will auf kein College. Ich will hier nicht weg.«

Die Flasche, die ich eben ansetzen wollte, verharrte auf halbem Weg in der Luft.

»Warum das denn?!«

Travis sah mich verdutzt an.

»Wieso nicht? Mir gefällt´s hier. Ist ja nicht nur der Tankstellenjob. Wir machen manchmal auch Abschleppdienst und Autoreparaturen. Hab ich Spaß dran und ist gut verdientes Geld.«

Ich schüttelte den Kopf und kippte den Rest Cola hinunter.

»Wenn ich frei hab, geh ich im Park klettern oder so mal in den Wald. Manchmal auch angeln.«

Jetzt war es an mir, Travis verdutzt anzugucken. »Wozu?«

»Weil´s cool ist. Kannst ja mal mitkommen.«

Er stand auf und streckte die Hand nach meiner leeren Flasche aus.

»Willst du noch eine?«

Ich nickte und kramte in meiner Hosentasche herum, aber Travis winkte ab.

»Lass stecken. Geht aufs Haus.«

»Danke«, murmelte ich möglichst lässig, wie nebenbei.

Die paar Kröten, die ich für den Community Service bekam, waren dazu gedacht, mich an den Tagen, an denen ich nicht im Park aß, selbst zu versorgen, Kleingeld für Waschmaschine und Trockner im Wisteria Arbors mit eingerechnet. Im winzigen Lebensmittelkramladen des Yosemite Village bekam ich zwar zehn Prozent Rabatt, aber das galt blöderweise nicht für Zigaretten; ich war froh um jeden Dollar, der übrig blieb.

»In Mariposa ist mehr los, als du denkst. Wirst sehen«, warf Travis mir grinsend zu, bevor er um die Ecke verschwand.

Das Brausen der vorüberfahrenden Autos verdichtete sich zu einer Melodie in meinem Kopf; lautlos sang ich sie mit. Ein Rhythmus schob sich darunter und pulsierte durch meine Adern. Sachte nickte ich mit dem Kopf dazu, trommelte mit den Fingern auf den Betonabsatz und wippte mit den Knien.

In meinen Oberschenkeln zwickte es; ächzend stemmte ich mich in die Höhe, schüttelte die Beine aus und streckte meine schmerzenden Muskeln. Ich hatte mich immer für ziemlich trainiert gehalten, aber der Dienst im Park schaffte mich.

In der ersten Woche dachte ich noch, ich hätte es ganz gut erwischt. Besser als Suarez, Mickelson und Carney, die im Park wohnten und morgens um sieben damit anfingen, im Visitor Center Toiletten zu putzen und Böden zu wischen. Inzwischen beneidete ich sie fast, wenn sie in unserer Runde erzählten, was sie die Woche über so gemacht hatten und wie es ihnen damit ging.

Ich bohrte die Fäuste in die Taschen meiner verratzten Jeans und kickte gegen das Fundament der Tankstelle.

Auch so eine Plage: samstags genauso früh aufstehen und in den Park fahren zu müssen wie unter der Woche, um mit den anderen und den Betreuern im Kreis zu sitzen und zu reden.

Reden.

Was für ein Bullshit.

Das große Los hatte eindeutig Washington gezogen, der im Deli des Yosemite Village Vollkornbrot, Truthahn und Käse zu Sandwiches stapelte und die Regale mit Schokolade und Müsliriegeln auffüllte; dabei war er hier, weil er den Neuen seiner Ex beinahe ins Koma geprügelt hatte. Während der Waldschrat Gonzalez und mich triezte, wo er konnte, uns das Unterholz nach jedem noch so winzigen Fitzelchen Plastik oder Alu absuchen ließ. Bis ich nach dem Abendessen im Park durchgeschwitzt und auf allen vieren zu Woodgates SUV kroch; ein paar Mal war ich während der Rückfahrt sogar eingenickt.

Die Sonne, so viel gleißender als zu Hause, knallte vom klarblauen Himmel herunter und brannte mir im Gesicht. Ich blinzelte über die Straße hinweg, zu den fahlbraunen Hügeln hinüber, mit Strauchbüscheln übersät wie Aknepusteln. Dahinter - Meilen und Abermeilen nichts als Wälder und Felsen und Berge. Ungezähmte, unbezähmbare Wildnis.

Ich kapierte nicht, warum Travis hier nicht wegwollte. Aus dieser Einöde, in der sogar die Kids zu schlafmützig für irgendwelche Action waren und die Luft glatt und scharf, wie poliertes Glas.

Ohne den Staub, der L. A. in goldenes Licht tauchte, die großspurige Geometrie der Stadt zum Strahlen brachte und ihre Kanten schliff. Ohne die beißende, aufputschende Droge aus Autoabgasen, heißem Asphalt und dem Chlor der Swimmingpools.

Ich war auf Entzug.

Ein bulliger Wagen in Matschbraun, mehr Panzer als Pick-up, fuhr von der Straße ab und schaukelte unter asthmatischem Motorgeröchel auf die Tankstelle zu.

Ich schlenderte um die Ecke. Der Dodge hatte mindestens zwanzig Jahre auf seinem rostgesprenkelten, von Schrammen und Beulen vernarbten Buckel, wenn nicht mehr. Eine Frau stieg aus, ihr langer Zopf in derselben krassen Farbe wie Breannas Haare nach einem missglückten Experiment mit stechend riechenden Flüssigkeiten.

Wie die vertrocknete Schale einer Orange.

Etwas Sonderbares ging von ihr aus, selbst für einen Ort wie Mariposa, etwas, das ich nicht richtig greifen konnte. Vielleicht, weil sie in ihrem langen Rock und dem übergroßen Strickpulli zu zerbrechlich wirkte, um mit so einer schwerfälligen Karre klarzukommen. Blass war sie, fast durchscheinend, aber wie sie sich die Zapfpistole griff und damit hantierte, hatte etwas Zupackendes, Zähes. Durch das offene Seitenfenster unterhielt sie sich lebhaft mit dem Beifahrer, den ich nicht sehen konnte, weil die Frontscheibe spiegelte. Was unter dem Surren der Zapfsäule von ihrer Stimme zu mir herüberdrang, klang nach Silber und Kristall.

Energisch hängte sie die Zapfpistole ein und schraubte den Tankdeckel zu; genauso energisch marschierte sie auf das Tankstellenhäuschen zu, kramte dabei in ihrer quer umgehängten Stofftasche und die Beifahrertür ging auf.

Feuer. Haare wie Feuer.

Einen Geschmack von Rauch und Asche auf der Zunge, starrte ich das Mädchen an, das sich neben der Zapfsäule bückte und wieder aufrichtete, dann...


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Autor

Nicole C. Vosseler, am Rand des Schwarzwalds geboren und aufgewachsen, finanzierte sich ihr Studium der Literaturwissenschaften und der Psychologie mit einer Reihe von Nebenjobs. Bereits früh für ihre Kurzprosa, für Essays und Lyrik ausgezeichnet, wandte sie sich später dem Schreiben von Romanen zu. Ihre Bücher wurden bisher in neun Sprachen übersetzt. Nicole C. Vosseler lebt in Konstanz, in einem Stadtteil, der ganz offiziell »Paradies« heißt. Wenn sie nicht in ihrem Schreibstudio am Seerhein an einem ihrer Romane arbeitet, reist sie mit der Kamera um die Welt, wo sie trotz ihrer Höhenangst auch mal einen Vulkan besteigt und auch sonst das Abenteuer sucht.