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Fortpflanzung nach Tagesform

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am16.03.2015
Der Roman über die 'Generation Unentschlossen'.
Maike und Matthias, genannt Hummel, sind zwei durchschnittliche Mittdreissiger an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Er arbeitet als Informatiker, sie schwankt zwischen Dissertation und Jobben. Da wäre es doch durchaus an der Zeit, die Reproduktionsphase einzuläuten. Aber die Wochen des Spaßvögelns verstreichen schnell und ergebnislos. Und auch nach Monaten wächst zwar kein neues Leben in Maike heran, dafür jedoch Zweifel und Panik.

Katinka Buddenkotte, Jahrgang 1976, wurde schon mit ihrem ersten Buch 'Ich hatte sie alle' deutschlandweit zu einem Synonym für humorvolle Unterhaltung für junge Frauen. Diesem Bestseller folgten erfolgreiche Kurzgeschichtenbände, danach ihr Roman-Debüt 'Betreutes Trinken' ('Gerissen und witzig erzählt... Hier geht es um das wahre Leben, Fluchten und Besäufnisse.' LIFT Stuttgart). Sie lebt als Kabarettistin, freie Autorin und Vorleserin in Köln.
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Produkt

KlappentextDer Roman über die 'Generation Unentschlossen'.
Maike und Matthias, genannt Hummel, sind zwei durchschnittliche Mittdreissiger an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Er arbeitet als Informatiker, sie schwankt zwischen Dissertation und Jobben. Da wäre es doch durchaus an der Zeit, die Reproduktionsphase einzuläuten. Aber die Wochen des Spaßvögelns verstreichen schnell und ergebnislos. Und auch nach Monaten wächst zwar kein neues Leben in Maike heran, dafür jedoch Zweifel und Panik.

Katinka Buddenkotte, Jahrgang 1976, wurde schon mit ihrem ersten Buch 'Ich hatte sie alle' deutschlandweit zu einem Synonym für humorvolle Unterhaltung für junge Frauen. Diesem Bestseller folgten erfolgreiche Kurzgeschichtenbände, danach ihr Roman-Debüt 'Betreutes Trinken' ('Gerissen und witzig erzählt... Hier geht es um das wahre Leben, Fluchten und Besäufnisse.' LIFT Stuttgart). Sie lebt als Kabarettistin, freie Autorin und Vorleserin in Köln.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641123260
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum16.03.2015
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse655 Kbytes
Artikel-Nr.1554500
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2

Ich könnte schwören, dass ich in meinem Bett liege. Das nähere Umfeld sieht unserem Schlafzimmer verblüffend ähnlich. Aber irgendetwas stimmt nicht. Zwar stehen alle Möbel an ihrem angestammten Platz, aber der Nachttischlampe fehlt der halbe Schirm, und auch da, wo sich der Hals der Wasserflasche befinden sollte, sehe ich nur einen glitzernden Rahmen. Es sieht aus wie ein Silberstreif am Horizont, fühlt sich aber gar nicht so an. Ich fasse mir an den Kopf, um zu verifizieren: Das ist mal ein Mordsschädel. Im Umfang mindestens viermal so groß wie befürchtet, außerdem ist meine Kopfhaut eiskalt und offenbar kahl. »Neiiiin!«, schreie ich gellend. Erst vor zwei Wochen hatte ich die eine Frisur gefunden, die mir stand, und nun ist sie weg.

»Ebenfalls einen guten Morgen, Königin der Nacht«, flötet Hummel ekelhaft gut gelaunt aus der Richtung, aus der es nach Kaffee riecht. Aller Erfahrung nach muss das die Küche sein, und das auf meinem Kopf ist wohl eine Salatschüssel. Der Lampe und der Wasserflasche fehlt also nichts, dafür mir ein paar Stunden. Mein Freund kommt mit zwei dampfenden Tassen ans Bett, mein Magen dreht sich angewidert um und reißt meinen kompletten Oberkörper mit sich. »Zu früh für Kaffee?« Mehr eine Feststellung als eine Frage, also reicht es aus, wenn ich darauf nur dumpf grunze. Ich kann schon schreien, aber zum Sprechen ganzer Sätze bin ich zu verkatert. Dabei habe ich nur zwei Gläser Champagner getrunken, oder?

»Es wird die Morgenübelkeit sein«, bringe ich schließlich hervor. Selbst über diesen dummen Spruch muss Hummel lachen. Wir sind auf einem guten Weg, wenn wir innerhalb der nächsten Monate zu sehr schlichten Geistern mutieren wollen. Wenn ich mir die Eltern in meiner näheren Umgebung anschaue, ist das unglaublich hilfreich bei der Kindererziehung, wenn nicht gar unabdingbar. Da fällt mir etwas ein: »Oh, Shit. Wir müssen zur Arbeit.«

Hummel lässt seine Tasse sinken: »Ach ja. Stimmt. Mist. Müssen wir wirklich? Ich meine, wir haben doch irgendwie schon ... vorgearbeitet.« Ich ziehe ein Gesicht, das hervorragend zu meinem übersäuerten Magen passt. Dumme Witze über Morgenübelkeit sind eine Sache, den Akt der Liebe »Arbeit« zu nennen eine ganz andere. Hummel küsst mich und sagt: »Du hast recht, wir sollten langsam mal los. War ja schon unglaublich nett von meinem Chef, dass ich den halben Tag freibekommen habe. Und die Kabel tragen sich ja auch nicht von alleine, oder?«

Nichts kann so ernüchternd sein wie die Feststellung, dass das eigene Leben nicht halb so glamourös ist wie eine lahme Künstlerparty. Hummel arbeitet bei einer ausbeuterischen Software-Firma, ich stehe mir bei einem Privatsender die Füße platt, wenn ich nicht gerade dem Kameramann hinterherhechte. Was man eben so macht, wenn man zwei Studiengänge abgeschlossen hat. Hummel reißt mich aus meinen Gedanken: »Dann geh ich als Erster duschen. Soll ich dich vorher noch aus der Schüssel befreien, oder kriegst du das alleine hin?«

»Das schaffe ich schon. Geh ruhig, und beeil dich.«

Ich winke, der brave Mann schlappt ins Bad. Vielleicht bin ich wirklich schon schwanger. Zyklusmäßig käme das durchaus hin, und die warmen Gefühle, die mich überkommen, sprechen ebenfalls dafür. Nein, das ist nur die Scham, die langsam in mir hochkriecht. Unsere Nachbarn zur Linken haben einen sehr leichten Schlaf. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir sie gestern aus diesem geweckt haben könnten. Aber sie werden mich bestimmt nicht darauf ansprechen, sondern einfach nur noch knapper grüßen, wenn wir uns im Hausflur begegnen. Was sollen sie auch sagen? »Hallo, Frau Wilmers, schön, dass Ihr Freund und Sie sich noch so liebhaben, aber müssen Sie wirklich einen Helm im Bett tragen?«

Was für ein Quatsch. Die Wände sind zwar sehr dünn, aber durchsehen kann man nun auch nicht. Aber konnte man uns hören? Von Neugier überwältigt, dötsche ich meinen Kopf gegen die Wand. Ach, das klingelt ja nur ganz zart wie ein Glöckchen, als wäre eine Elfe durchs Zimmer geschwebt. Ich poche meinen Kopf erneut an die Wand. Und noch einmal und noch einmal insgesamt zehn Wiederholungen. Ich hole aus, und wemse meinen Schädel mit Schwung gegen die Wand, im Sinne der Wissenschaft. Das war schon eher eine ausgewachsene Turmglocke, ausreichender Lärm, um auch die indirekten Nachbarn aufzuschrecken: »Hört, Bürger von Rom, ein neuer Kaiser wird euch geboren werden.« Ich höre auf mit Wemsen. Das Geräusch dröhnt wirklich unangenehm nach, vor allem, wenn der eigene Kopf der Glockenschlägel ist.

»Was treibst du da, Maike?«, brüllt Hummel aus dem Bad.

Ich antworte nicht sofort. »Ich rekonstruiere die letzte Nacht?«, kann ich schlecht sagen. Ich entscheide mich schließlich für: »Nichts!«

Mein Freund scheint das zu glauben, oder er ist damit beschäftigt, die Wassertemperatur zu regulieren. Wird unser Kind auch so ein wissenshungriges Wesen wie seine Eltern werden? Wird es eines Tages fragen: »Mama, wie bin ich eigentlich entstanden? Ich meine, wie genau?« Und ich werde sagen müssen: »Keine Ahnung. Man muss wohl dabei gewesen sein.« Mit einem beherzten Ruck reiße ich mir die Schüssel vom Kopf. Es schmerzt weniger als der Blick in das Innere meiner ehemaligen Kuppel. Haarbüschel an Gaffa-Tape, auch nicht unbedingt das, was man in das Album: »Unser Baby« kleben möchte. Ich archiviere das Beweisstück trotzdem in der Nachttischschublade.

Am liebsten würde ich Hummel jetzt aus der Dusche holen, um ihm zu sagen, dass wir - nein, nicht »noch nacharbeiten« sollten. Wir den Tathergang nachstellen sollten, für mein Seelenheil? Und dabei aus romantischen Gründen vielleicht noch ein paar Kerzen anzünden und Musik auflegen sollten? Vielleicht reicht es aus, nachträglich Rosenblätter zu verstreuen? Ich stehe auf und stelle fest, dass etwas mit meinem BH nicht in Ordnung ist, abgesehen davon, dass ich ihn noch anhabe. Da lugt ein Zettel heraus, konkreter, eine Visitenkarte. Wer steckt mir seine Visitenkarte in die Unterwäsche, und vor allem: wann? Ein Blick auf die Karte könnte darüber Aufschluss geben: »Professor Claus H. Hartwig« steht da.

Ich setze mich wieder. Es gelingt mir, ganz kurz an gar nichts zu denken. Aber dann sickern ein paar Informationstropfen durch meine lange Leitung. Verena hat mal erwähnt, dass sie ihren Chef so enorm dafür bewundere, wie er mit den körperlichen Herausforderungen, die sich ihm ja in besonderer Hinsicht ... blablabla ... ganz starker Charakter, der natürlich auch manchmal an sich selbst verzweifelt ... guter Kern ... blabla ... interessanter Humor, nur nicht immer greifbar ... blabla.

O Gott. Ich kann mich nie wieder irgendwo blicken lassen.

Hummel stapft ins Zimmer, frisch, wohlriechend, bereit, den Nachmittag an den Hörnern zu packen: »Was ist los, mein Herz?« Ich kann nicht sprechen, daher reiche ich ihm einfach nur die Karte. Zum Glück fragt mein Freund ebenso wenig, wie unser Kind es hoffentlich in ferner Zukunft tun wird: »Wo kommt die jetzt her? Ich meine, woher genau?«, sondern begnügt sich mit einem: »Ja, und? War mir klar. Was hast du denn gedacht, wer das ist? Ein Langzeitstudent?«

»Weiß nicht. Der Hausmeister vielleicht?«, fiepe ich. Ich hatte offenbar schon aufgehört zu denken, noch bevor ich das zweite Glas Champagner getrunken habe.

»Der Hausmeister«, wiederholt Hummel langsam.

»Inklusion?«, schlage ich vor. Hummel schmeißt mich aus dem Bett und meint: »Ich geb dir auch gleich Inklusion. Und jetzt geh duschen, wir müssen in einer halben Stunde los.«

Ich schleiche ins Bad. Duschen ist bestimmt gut, danach kann ich ja immer noch zurück ins Bett, und mich sauber zu Tode schämen. Der heiße Wasserstrahl spült den Dreck aus meinen Poren und offenbar auch aus meinem Kopf. Denn: Warum sollte ich mich schämen? Wenn sich gestern jemand danebenbenommen hat, dann wohl Professor Claus Hartwig. Und die unverschämten Kellnermädchen. Der Student, der um sein Gänseblümchen gewimmert hat, war bestimmt auch auf Drogen. Verena hat so viel wirres Zeug geredet wie üblich. Nur Irre da draußen, beschließe ich. »Ach, leckt mich doch alle«, sage ich also laut und selbstbewusst. Für ein seelenloses Objekt reagiert der Duschvorhang extrem beherzt auf meinen Ratschlag: Er schmiegt sich an meine Beine. Ein ekelhaftes Gefühl, aber nicht nur deshalb hüpfe ich schnellstens aus der Wanne. Ich muss Hummel von meiner Erleuchtung berichten.

»Schatz, ich bin durch mit Partys. Vor allem mit blöden Künstlerpartys. Und ich will diesen Kabelträgerjob nicht ewig machen. Kurz und knapp: Ich werd´s tun. Also, das mit der Doktorarbeit. Ich gehe morgen zur Uni und sage der Zöllner, ich hab´s mir überlegt. Wenn jemand wie Verena oder Claus Professor werden kann, schaffe ich den Doktor mit links. Außerdem haben schon viel dümmere Leute als ich über noch blödere Themen promoviert. Oder es zumindest behauptet, bis sie erwischt wurden. Und die Arbeit habe ich ja schon, in Grundzügen, und ich möchte ... ich will noch etwas abschließen, bevor ich ... bevor wir Eltern werden. Ich will auf keinen Fall zu so einer hirnamputierten Henne werden, die hier nur rumbrütet. Danach wird man nämlich direkt zur Mutterkuh, die irgendwann ihre gesamten Wünsche auf ihr Kind projiziert. Und das würde ich mir nie verzeihen.« Die Stelle mit dem Nutzvieh war evolutionstechnisch etwas gewagt, aber meine Entscheidung steht.

Was meint mein Mann dazu? »Süße, du tropfst. Aber ich find´s super.« Er grinst, und ich hoffe, er findet es super, dass ich mich zu der Doktorarbeit durchgerungen habe, und nicht, dass ich nackt vor ihm im Wohnzimmer herumtanze. Obwohl ich mich in diesem Fall mit...

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Katinka Buddenkotte, Jahrgang 1976, wurde schon mit ihrem ersten Buch "Ich hatte sie alle" deutschlandweit zu einem Synonym für humorvolle Unterhaltung für junge Frauen. Diesem Bestseller folgten erfolgreiche Kurzgeschichtenbände, danach ihr Roman-Debüt "Betreutes Trinken" ("Gerissen und witzig erzählt... Hier geht es um das wahre Leben, Fluchten und Besäufnisse." LIFT Stuttgart). Sie lebt als Kabarettistin, freie Autorin und Vorleserin in Köln.