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Der Illusionist

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am23.03.2015
Was ist wahr, und was ist Illusion?
Erzählern ist zuweilen nicht zu trauen. Besonders wenn sie, wie Martin Strauss, an einer seltenen neurologischen Krankheit leiden, an der sogenannten Konfabulation: Konfabulierende sind Menschen, die objektiv falsche Dinge erzählen, in der festen Überzeugung, dass sie wirklich genau so geschehen sind. Es sind Menschen, denen die Erinnerung ein ums andere Mal böse Streiche spielt. Und die, ohne es selbst zu merken, sich immer weniger darauf verlassen können, genau zu wissen, was wahr ist und was falsch ...
Als Martin Strauss von seinem Arzt erfährt, dass er an fortschreitenden und unheilbaren Erinnerungsstörungen leidet, versucht er sein Leben zu rekapitulieren, noch einmal festzuhalten, wie es wirklich war. Und es ist ein wahrhaft turbulentes Leben, auf das er zurückzublicken meint - ein Leben an der Seite des großen, weltbekannten Magiers und Entfesselungskünstlers Houdini. Harry Houdini, dem Anfang des 20. Jahrhunderts der sagenhafte Aufstieg von kleinen Hinterzimmerauftritten auf die ganz großen Bühnen der Welt gelang. Der von Arthur Conan Doyle bewundert wurde, der in das Visier von Scotland Yard geriet, dem Verbindungen zu der russischen Zarenfamilie nachgesagt wurden. Martin Strauss hat Aufstieg und Fall Harry Houdinis begleitet, glaubt er zumindest. Und er hat ihn getötet - glaubt er zumindest - und musste daraufhin sein ganzes bisheriges Glück und Leben aufgeben. Doch was ist wahr an Martin Strauss' Erinnerungen, und was ist Illusion?

Steven Galloway wurde 1975 in Vancouver, Kanada, geboren und ist in Kamloops aufgewachsen. Er war Literaturprofessor an der University of British Columbia und hat bisher vier Romane publiziert. »Der Cellist von Sarajevo« war ein internationaler Bestseller, erschien in dreißig Ländern, kam u.a. auf die Longlist des Scotiabank Giller Prize und des IMPAC Dublin Literary Award. »Der Illusionist« kam auf die Shortlist des Rogers Trust Fiction Prize. Steven Galloway lebt in New Westminster, British Columbia.
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Produkt

KlappentextWas ist wahr, und was ist Illusion?
Erzählern ist zuweilen nicht zu trauen. Besonders wenn sie, wie Martin Strauss, an einer seltenen neurologischen Krankheit leiden, an der sogenannten Konfabulation: Konfabulierende sind Menschen, die objektiv falsche Dinge erzählen, in der festen Überzeugung, dass sie wirklich genau so geschehen sind. Es sind Menschen, denen die Erinnerung ein ums andere Mal böse Streiche spielt. Und die, ohne es selbst zu merken, sich immer weniger darauf verlassen können, genau zu wissen, was wahr ist und was falsch ...
Als Martin Strauss von seinem Arzt erfährt, dass er an fortschreitenden und unheilbaren Erinnerungsstörungen leidet, versucht er sein Leben zu rekapitulieren, noch einmal festzuhalten, wie es wirklich war. Und es ist ein wahrhaft turbulentes Leben, auf das er zurückzublicken meint - ein Leben an der Seite des großen, weltbekannten Magiers und Entfesselungskünstlers Houdini. Harry Houdini, dem Anfang des 20. Jahrhunderts der sagenhafte Aufstieg von kleinen Hinterzimmerauftritten auf die ganz großen Bühnen der Welt gelang. Der von Arthur Conan Doyle bewundert wurde, der in das Visier von Scotland Yard geriet, dem Verbindungen zu der russischen Zarenfamilie nachgesagt wurden. Martin Strauss hat Aufstieg und Fall Harry Houdinis begleitet, glaubt er zumindest. Und er hat ihn getötet - glaubt er zumindest - und musste daraufhin sein ganzes bisheriges Glück und Leben aufgeben. Doch was ist wahr an Martin Strauss' Erinnerungen, und was ist Illusion?

Steven Galloway wurde 1975 in Vancouver, Kanada, geboren und ist in Kamloops aufgewachsen. Er war Literaturprofessor an der University of British Columbia und hat bisher vier Romane publiziert. »Der Cellist von Sarajevo« war ein internationaler Bestseller, erschien in dreißig Ländern, kam u.a. auf die Longlist des Scotiabank Giller Prize und des IMPAC Dublin Literary Award. »Der Illusionist« kam auf die Shortlist des Rogers Trust Fiction Prize. Steven Galloway lebt in New Westminster, British Columbia.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641153007
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum23.03.2015
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1640 Kbytes
Artikel-Nr.1560503
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



HOUDINI

1897

JEDER SITZPLATZ IM OPERNHAUS in Garnett, Kansas, war besetzt. Nicht einmal mehr Stehplätze gab es. Die elektrischen Lichter summten und strahlten Hitze ab, und jedes Staubteilchen im Saal wirbelte umher, als wäre es am Leben. Von dort, wo er stand, in der Mitte der Bühne, konnte Houdini, mit dreiundzwanzig schon ein alter Theaterhase, die Menge atmen fühlen wie einen einzigen Organismus. Der Saal lag ihm zu Füßen.

Seine Frau Bess saß auf einem Stuhl zu seiner Rechten, durch ein Tuch verhüllt. Dies nur um der Wirkung willen - der Jenseitskontakt, den sie vorführten, erforderte keine solche Verschleierung, aber ein wenig Irreführung schadete nie. Diese Taschenspielertricks waren nichts als Effekthaschereien, und er verabscheute sie. Sie waren sinnlos, wenn damit keine Kunstfertigkeit einherging.

Drei Jahre zuvor, als seine junge Braut noch abergläubisch und unwissend war, hatte er begonnen, ihr die Tricks eines falschen Mediums beizubringen. Der Verlobte ihrer Schwester war, wie Bess glaubte, am bösen Blick gestorben. Zuerst hatte Houdini gedacht, sie mache einen Witz, aber als er merkte, wie fest sie daran glaubte, hatte er sich entschlossen, ihr zu zeigen, was für eine einfache Sache Betrug war.

Er wartete, bis Bess sich ausgeweint hatte, dann lächelte er sie an. »Du hast mir nie erzählt, wie dein Vater mit Vornamen heißt«, sagte er. Sie öffnete den Mund, aber er brachte sie zum Schweigen. »Schreib ihn auf einen Zettel und falte ihn zusammen.«

Während sie schrieb, entfernte er sich von ihr, allem Anschein nach in Gedanken versunken. Er verstand einfach nicht, wie Leute so etwas glauben konnten. Doch, er verstand es. Es hatte eine Zeit gegeben, da war sein Glaube genauso fest wie ihrer gewesen. Und vielleicht glaubte er immer noch ein bisschen daran.

Er hatte sich jahrelang ohne Erfolg in den billigen, marktschreierischen Shows der Varietés durchzubeißen versucht. Sein Bruder Dash war sein Partner gewesen, aber dann hatte Houdini Bess geheiratet, und für drei Leute war in der Show kein Platz. Die Nummer ernährte kaum zwei - ihre Bleibe war ein Beweis dafür, ein von Rauch, Ratten und Krach erfülltes Loch. In ein paar Tagen würden sie das Zimmer aufgeben und auf die Straße zurückkehren.

Er wandte sich ihr wieder zu. Sie versuchte gelassen zu erscheinen, aber er merkte, dass sie nervös war. Sie hielt ihm den zusammengefalteten Zettel hin.

»Verbrenne ihn im Ofen«, sagte er.

Sie tat wie geheißen, und er krempelte seinen linken Ärmel hoch.

»Sehr wenige Dinge in dieser Welt sind, was sie zu sein scheinen«, sagte er. »Aber das heißt nicht, dass es für sie keine Erklärung gibt. Wir sind umgeben von Dingen, die wir nicht begreifen. Das wird immer so sein. Der Verstand spielt uns Streiche, bildet Zusammenhänge, die nicht da sind. Wir müssen immer vor den Täuschungen unseres eigenen Verstandes auf der Hut bleiben. Wenn wir uns von unserem Verstand nicht täuschen lassen, können wir auch den Verrat von anderen aufdecken.«

Houdini ging zum Ofen und steckte seine Finger in die verbrannten Überreste des Zettels. Er zerrieb die Asche zwischen Daumen und Zeigefinger und strich sie sich rasch über den Unterarm. Dann streckte er ihr den Arm hin. Ihre Miene wechselte von Kummer zu Wut und dann unerwartet zu Furcht. Langsam wich sie mit ausgestreckten Händen vor ihm zurück, bis sie an der Tür war, dann rannte sie aus dem Zimmer. Auf der Haut seines Unterarms stand der Name Gebhardt.

Houdini senkte den Kopf und schloss die Augen. Bess neigte zwar zu dieser Art von Ausbrüchen, aber das hatte er nicht gewollt. Es passierte so oft; er dachte, er verhalte sich vernünftig und mitfühlend, aber nun hatte er alles nur schlimmer gemacht.

Er holte sie auf der Straße ein. Er hatte keine Ahnung, wohin sie wollte, aber als er sie endlich aufhielt, waren sie beide außer Atem.

»Der Teufel, du bist der Teufel - mein Mann wurde von ihm geholt!« Sie trat nach ihm und versuchte ihn zu beißen, als er sie in die Arme schloss.

»Ich bin´s, Bessie. Ich bin kein Teufel. Komm mit zurück, dann zeige ich dir, wie ich´s gemacht habe. Es ist nur ein Trick.«

Sie glaubte ihm nicht, dennoch ging sie mit ihm zurück. Ihre Augen huschten von links nach rechts auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Aber er merkte, dass ihr bewusst wurde, dass an Flucht nicht zu denken war, wenn er der Herr der Finsternis wäre. Wenn dich der Teufel zum Tanz bittet, dann tanze, so gut du kannst. Er spürte ihre Resignation und Angst.

Er legte seinen Arm um sie, und so gingen sie zurück, die Straße hinunter und die drei stinkenden Treppen nach oben, wobei sie im ersten Stock über einen Bewusstlosen steigen mussten. In ihrem Zimmer führte er sie zu dem Stuhl am Ofen.

»Schau her«, sagte er. Er krempelte seinen linken Ärmel hoch und zog ein Fläschchen mit einer klaren Flüssigkeit und einen Zahnstocher aus seiner Tasche. »Als du den Namen deines Vaters aufschriebst, den ich schon ein paar Tage, nachdem wir uns das erste Mal begegnet waren, erfahren hatte, habe ich Folgendes gemacht.«

Er öffnete das Fläschchen und schüttete die Flüssigkeit auf seinen Unterarm. »Salzwasser«, sagte er. Er blies kräftig darauf, und das Wasser verdunstete. Dann nahm er den Zahnstocher und kratzte eine Botschaft in seine Haut. »Man muss warten, bis die anfängliche Röte verschwindet«, sagte er. »Das dauert nur etwa eine Minute.«

Nun war auf seinem Arm nichts mehr zu sehen. »So hält es einer Überprüfung stand. Es ist wichtig zu wissen, wie stark man aufdrücken muss. Zu fest, und die Zeichen sind zu sehen. Zu sanft, und der Effekt tritt nicht ein.«

Er nahm ein wenig Asche aus dem Ofen und rieb sie über seinen Arm. »Man kann auch Klarlack, mit Terpentin verdünnt, nehmen und damit den Namen auf den Arm malen - dann bleibt die Asche nur auf dem Lack haften, aber ich finde die Wirkung nicht so stark.« Sie las, was er geschrieben hatte, und streckte ihre Hand aus.

Er legte das Salzwasserfläschchen und den Zahnstocher hinein. Sie tat, wie er sie unterwiesen hatte, wartete, bis das Wasser verdunstet war, dann kratzte sie sich mit dem Zahnstocher etwas in die Haut. Sie vermied es, ihn anzusehen. Ihm schien, es verging viel mehr Zeit als nötig, bevor sie ihre Hand in die Asche tauchte und damit über den Arm fuhr. Sie versteckte ihren Arm vor seinem Blick und sah ihn an. Auf seinem Arm stand:

Verzeih mir

Die Angst und der Zweifel wichen aus ihrem Gesicht. Ihre Schultern sanken herab, und ihr ganzer Körper schien zu erschlaffen. Sie trat auf ihn zu und streckte den Arm aus.

Das tue ich

Danach hatte sie ihren Hang zum Aberglauben verloren und war ein wertvoller Bestandteil seiner Show geworden. Mit ihrem kleinen Auftritt verließen sie die schäbigen Jahrmarktsbuden und erhielten größere Theaterengagements, aber noch immer lebten sie von der Hand in den Mund. Houdini war sich inzwischen sicher, dass er kurz vor dem Durchbruch stand. Er heuerte bei Dr. Hills California Concert Company an, hörte aber wenig später Gerüchte, dass die Truppe kurz vor der Pleite stünde. In Garnett, Kansas, bat Dr. Hill Houdini um eine Nummer, die das Haus füllen würde. Und so erklärte sich Bess zu einer weiteren Séance bereit, obwohl es bedenklich war.

Hinter dem Tuch erhob Bess ihre Stimme, hoch und wie entrückt.

»Ist hier heute Abend ein gewisser Harold Osbourne anwesend? Und auch seine Frau Mary?«

Es entstand ein Rascheln, als die Leute sich umschauten, um zu sehen, wer unter ihnen aufgerufen wurde.

Houdini trat vor. »Ist irgendjemand hier, der diese Botschaft entgegennehmen möchte?« Er tat, als spähe er durch Nebel nach einem Schiff aus.

Ein unauffällig gekleidetes Paar, ungefähr Ende zwanzig, erhob sich. Der Mann streckte seinen Arm aus, um seine Frau zu stützen, und Houdini konnte nicht sehen, ob sie ängstlich oder aufgeregt waren. »Ich bin Harold Osbourne, und das ist meine Frau«, sagte der Mann laut und deutlich.

Bess wartete, bis die Menge still geworden war. »Ich habe eine Botschaft von dem kleinen Joe.«

»Ist diese Botschaft für Sie?«, fragte Houdini und zeigte auf das Paar. Der Mann versuchte zu sprechen, aber entweder überlegte er es sich anders, oder er war nicht in der Lage dazu. Doch dann nickte er.

»Meine Damen und Herren«, sagte Houdini, »wenden Sie bitte Ihre volle Aufmerksamkeit der Bühne zu, denn die Geisterwelt hat eine Botschaft für unsere lieben Osbournes. Es ist äußerst wichtig, dass Sie jetzt den Geistern zu reden gestatten, und das sowohl um der Geister als auch um dieser guten Leute willen.«

Bess rührte sich nicht. Das Publikum flüsterte und rutschte auf den Sitzen herum. Die Spannung im Saal erinnerte Houdini daran, wie er und einer seiner Brüder einmal an den Enden eines Glücksknochens gezogen hatten, wissend, er würde brechen, aber nicht, wann. Bess blieb stumm, bis es im Theater vollkommen still war. »Der kleine Joe sagt, er ist an einem glücklichen Ort«, psalmodierte Bess. »Und er sagt: Weine nicht, Mama. Bald ist ein anderer da, der meinen Platz einnehmen wird. «

Diejenigen im Saal, die die Osbournes kannten, schnappten nach Luft, und die Frau ließ den Arm ihres Mannes los und sank nach hinten. Man tuschelte, dass das Paar vor kurzem seinen sechs Jahre alten Sohn, Joe, beerdigt habe und dass Mrs. Osbourne im zweiten Monat schwanger sei. Langsam wurden immer mehr Rufe laut wie: »Können Sie eine Botschaft von meinem Vater erhalten?« und: »Meine Frau,...


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Autor

Steven Galloway wurde 1975 in Vancouver, Kanada, geboren und ist in Kamloops aufgewachsen. Er war Literaturprofessor an der University of British Columbia und hat bisher vier Romane publiziert. »Der Cellist von Sarajevo« war ein internationaler Bestseller, erschien in dreißig Ländern, kam u.a. auf die Longlist des Scotiabank Giller Prize und des IMPAC Dublin Literary Award. »Der Illusionist« kam auf die Shortlist des Rogers Trust Fiction Prize. Steven Galloway lebt in New Westminster, British Columbia.