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Kein Tag für Jakobsmuscheln

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am16.03.2015
Spurensuche statt Gourmetmenü: Ein Toter versalzt Kommissar Leblanc den Fisch.
Der charmante Kommissar Jacques Leblanc hat sich von Paris in die Normandie versetzen lassen, um der brutalen Großstadtkriminalität zu entkommen. In Deauville-Trouville ist das Leben beschaulicher, und er kann seinen Leidenschaften nachgehen, dem Essen und den Frauen. Aber dann findet seine frühere Geliebte Marie einen Toten am Strand, und vorbei ist es mit dem süßen Leben. Während Leblanc einer vielversprechenden Spur nachgeht, lässt sich Marie auf das Schloss des Adligen und skrupellosen Fischindustriellen Montfort-Risle einladen - und das setzt dem Kommissar nicht nur aus beruflichen Gründen zu ...

Catherine Simon ist das Pseudonym für Sabine Grimkowski. Bis Ende 2017 arbeitete sie als Redakteurin beim Südwestrundfunk. Regelmäßig fährt sie in die Normandie und wohnt in Trouville im legendären Hôtel des Roches Noires, wo schon Marcel Proust logierte und Marguerite Duras eine Wohnung besaß. Seit Anfang 2018 lebt Sabine Grimkowski als freie Autorin in Hamburg.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR3,99

Produkt

KlappentextSpurensuche statt Gourmetmenü: Ein Toter versalzt Kommissar Leblanc den Fisch.
Der charmante Kommissar Jacques Leblanc hat sich von Paris in die Normandie versetzen lassen, um der brutalen Großstadtkriminalität zu entkommen. In Deauville-Trouville ist das Leben beschaulicher, und er kann seinen Leidenschaften nachgehen, dem Essen und den Frauen. Aber dann findet seine frühere Geliebte Marie einen Toten am Strand, und vorbei ist es mit dem süßen Leben. Während Leblanc einer vielversprechenden Spur nachgeht, lässt sich Marie auf das Schloss des Adligen und skrupellosen Fischindustriellen Montfort-Risle einladen - und das setzt dem Kommissar nicht nur aus beruflichen Gründen zu ...

Catherine Simon ist das Pseudonym für Sabine Grimkowski. Bis Ende 2017 arbeitete sie als Redakteurin beim Südwestrundfunk. Regelmäßig fährt sie in die Normandie und wohnt in Trouville im legendären Hôtel des Roches Noires, wo schon Marcel Proust logierte und Marguerite Duras eine Wohnung besaß. Seit Anfang 2018 lebt Sabine Grimkowski als freie Autorin in Hamburg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641145408
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum16.03.2015
Reihen-Nr.1
SpracheDeutsch
Dateigrösse3245 Kbytes
Artikel-Nr.1569377
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Eins

Die Möwen schrien wie gewöhnlich. Maries Blick aus dem Fenster ging ins Graue. Kein Tag für Jakobsmuscheln, dachte sie, als sie die Leine vom Haken nahm und an Arsènes Halsband befestigte. Der Hund sprang schwanzwedelnd um ihre Beine herum, erwartungsvoll sah er an ihr hoch. Seufzend legte Marie das Kissen aufs Sofa zurück, das Arsène auf dem Boden herumgeschleift und hin und her geschüttelt hatte. Er liebte Kissen aller Art, biss auf ihnen herum und versteckte sie. Trotz aller Strenge war es ihr nicht gelungen, ihm diese lästige Eigenart abzugewöhnen.

Sie hatte vor, den Weg hinauf in den Kastanienwald zu nehmen, eine kurze Strecke, aber lang genug, damit der Hund Bewegung hatte, entschied sich aber plötzlich anders. Ein längerer Spaziergang würde ihr guttun, und bei dem Regen wäre sie sicher allein am Strand. Der Gezeitenkalender, der neben der Garderobe an der Wand hing, zeigte an, dass jetzt, am Morgen, Ebbe war. Marie sah auf die Uhr, es war halb zehn. Das Meer erreichte seinen niedrigsten Stand gegen elf, dann würden die Sandbänke wie große Tierrücken auftauchen und wären für ein paar Stunden Licht und Luft ausgesetzt, bevor das Wasser sie wieder überflutete. In den feuchten Sandwellen, in die das abfließende Meer den Strand verwandelte, sammelten sich angespülte Muscheln, Krebse, Seesterne, Quallen, Schneckenhäuser und manchmal ein Fisch, dessen Leib silbrig glänzte. Marie liebte es, diese Dinge anzuschauen, die wie vom Meer ausgespuckt dalagen. Bei Ebbe lief sie gern über die schwarzen Felsen hinaus unterhalb der Steilküste bis nach Villerville. Es war eine Marotte von ihr, Jakobsmuscheln zu suchen oder vielmehr zu finden. Kein Mensch - außer ein paar Kindern, die sie bemalten und auf einem Handtuch ausgebreitet für ein paar Cent an der Promenade an Touristen verkauften - interessierte sich für die fächerförmigen Schalen, die das Meer anspülte. Die Muschelsucher, die auf den niedrigen Felsen herumkrochen, waren auf Miesmuscheln aus, die sie abends in Weißweinsud zubereiteten. Die Schalen der Jakobsmuschel waren leer, das Tier hatte sein Heim längst verlassen. Die obere Schale, Vorbild für das köstliche Gebäck, die Madeleine, strahlte in Elfenbeinweiß, die untere, flache war von orange-brauner Farbe.

Marie hatte ein Auge für die gewölbten Gebilde aus Kalk, die halb oder fast ganz mit Sand bedeckt waren, wenn die Flut sie zurückließ. Schon aus weiter Entfernung erkannte sie, ob es sich um eine Jakobs- oder eine Herzmuschel handelte. Herzmuscheln konnten fast genauso groß werden, aber sie waren stärker gewölbt. Jakobsmuscheln hatten es zu einer perfekten Form gebracht, fand Marie. Die Muschel-Leidenschaft musste irgendwo in ihrer Kindheit begründet liegen. Vielleicht stammte sie von den Heiligenbildern, die sie nach dem Gottesdienst vom Pfarrer bekommen hatte, wenn die Großmutter auf dem Land sie in den Ferien mit in die Kirche nahm. Ihr Lieblingsbild war das vom heiligen Jakobus gewesen, ein gnädiger Onkel mit Bart, und um sein Gesicht ein Reigen von kleinen Jakobsmuscheln. Marie erinnerte sich nicht mehr genau. Geblieben war die Lust am Finden. Die vielen Jakobsmuscheln, die sie nach Hause schleppte, verschenkte sie oder brachte sie ihrer Freundin Dominique, die ein kleines Restaurant besaß und die Tische damit dekorierte. Wahrscheinlich nahm Dominique sie nur, um ihr einen Gefallen zu tun. Heute würde sie jedenfalls keine Muscheln finden, bei solchem Wetter fehlte der Wellengang, um sie anzuspülen.

Marie zog ihre blaue Öljacke und die Gummistiefel an, setzte einen Regenhut auf und öffnete die Haustür. Der Hund drängte sich durch die Türöffnung auf den schmalen Gehweg vor dem Haus, Marie folgte ihm. Es regnete. Aber Regen konnte man das eigentlich nicht nennen. Ein feiner Film von dichter Feuchtigkeit legte sich sofort auf Kleidung, Gesicht und Haare. Typisch normannisch. Arsène mochte dieses Wetter, er war Normanne, er stammte aus einer Golden-Retriever-Zucht in der Nähe von Lisieux, wo Marie ihn vor zwei Jahren geholt hatte. Bei Hitze wurde er träge und verkroch sich unter dem Tisch. Der Hund passte auf Marie auf, jedenfalls glaubte sie das. Außerdem zwang er sie dazu, jeden Tag an die frische Luft zu gehen. Ein Golden Retriever musste es sein, sie fand, diese Hunde hatten einen sanften Charakter und schöne Augen.

Marie nahm den Weg zum Strand durch die schmale Rue de Londres, vorbei an der Kirche Notre Dame de Bonsecours. Es war Anfang Juni. Bei dem Wetter liefen nur vereinzelt Leute über den Holzplankenweg, Urlauber, die gerade ihr Baguette oder die Zeitung geholt hatten. Bei klarem Himmel wären die Tennisplätze schon belegt, und die unentwegten Sonnenanbeter würden in ihren Liegestühlen vor den Umkleidekabinen braten, um ihre braune Hautfarbe noch eine Nuance dunkler werden zu lassen.

Der Hund trabte angeleint neben ihr her. Marie ging nur bei Ebbe an den Strand, damit Arsène frei herumlaufen konnte. Bei Flut war nur ein kleiner Teil des Strandes zugänglich, und dort herrschte Leinenzwang. An der Kanalküste lebte man mit den Gezeiten mehr als mit dem Wetter. Am Ende des Plankenwegs lag wie ein Ozeandampfer das Hôtel des Roches Noires, das einstige Luxushotel der Belle Époque, das längst kein Hotel mehr war, sondern in Eigentumswohnungen jeder Größe parzelliert. Sie hatte dort, als sie noch in Paris lebte, lange Zeit eine kleine Wohnung besessen. Wie viele Pariser hatte sie die Wochenenden und den Sommer in Trouville verbracht. Der kleine Ort am Ärmelkanal galt als das 21. Arrondissement von Paris, weil er in knapp zwei Stunden mit der Bahn erreichbar war. Vor zwei Jahren, als nach ihrem Sohn auch noch ihre Tochter ausgezogen war, hatte sie die große Wohnung in Paris und das Appartement im Hôtel des Roches Noires verkauft und sich ein Haus in Trouville angeschafft, mit zwei Gästezimmern, die sie vermietete. Die Aufgabe war überschaubar, sie lernte Leute kennen und hatte genug Zeit für sich. In Paris besaß sie nur noch ein kleines Studio für gelegentliche Besuche.

Marie blickte an der gelb-braunen Fassade des Hôtel des Roches Noires hoch und sah, dass die Fensterläden im dritten Stock an der rechten Seite geöffnet waren. Das hieß, Rachel war da.

Mit Rachel verband Marie eine fast lebenslange Freundschaft. Sie waren zusammen in Paris zur Schule gegangen und hatten beide an der Kunstakademie studiert. Rachel hatte es zu etwas gebracht als Künstlerin, während sie, Marie, früh geheiratet und zwei Kinder geboren hatte. Die Malerei hatte sie nur nebenbei zum Spaß betrieben. Auf den Verkauf ihrer Bilder war sie nicht angewiesen gewesen, weil Gérard genug verdiente und seine Familie ihm ein kleines Vermögen hinterlassen hatte. Und dann war Gérard bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Plötzlich, von einem Tag auf den anderen, war er nicht mehr da gewesen. Wie unter einer Glasglocke hatte sie sich gefühlt, hatte sich gezwungen zu funktionieren, einfach nur zu funktionieren.

Es hatte lange gedauert, bis sie sich von dem Schock erholt hatte. Wie oft hatte sie sich vorgenommen, wieder ernsthaft mit dem Malen zu beginnen, aber sie hatte es nicht geschafft. Es gab immer Ausreden. Die Kinder brauchten ihre Unterstützung, den Haushalt bewältigte sie allein, die ganze Verantwortung lag auf ihren Schultern. Wenn sie an diese Zeit zurückdachte, spürte sie noch etwas von dem Schmerz, der sie damals ganz erfüllt hatte und der jetzt wie eine kleine Narbe in ihr saß. Charles und Elisabeth führten ihr eigenes Leben. Sie freute sich, wenn die beiden sie ab und zu besuchten. Finanziell ging es ihr gut, sie besaß mehr, als sie zum Leben benötigte. Manchmal dachte Marie, sie sollte etwas Aufregendes tun, aber sie wusste nicht, was. Sie war im Großen und Ganzen mit ihrem Leben zufrieden. Sie nahm sich vor, Rachel anzurufen.

Marie ging an der Segelschule vorbei und ließ Arsène von der Leine, der sich sofort ins Wasser stürzte. Das Meer war heute still, glatt wie ein Spiegel und schien nahtlos in den Regenhimmel überzugehen. Sie nahm den kleinen Gummiball aus der Tasche und warf ihn in Richtung des Retrievers. Der Hund schnappte nach dem Ball und beförderte ihn aus dem Wasser vor Maries Füße. Er liebte dieses Spiel, noch mehr, wenn er durch hohe Wellen springen musste.

Die schwarzen Felsen lagen jetzt bei Ebbe wie hingewürfelt auf dem Sand, man konnte zwischen ihnen hindurchgehen. An dieser Stelle roch es stark nach Brackwasser und verwesenden Miesmuscheln und Krebsen. Dahinter weitete sich der Strand und wurde landwärts begrenzt durch die Steilküste.

Marie war allein, kein Mensch weit und breit, keine Angler, die bei gutem Wetter in der Brandung die Angel auswarfen. Der Regenfilm hatte sich auf die Öljacke gelegt und lief in feinen Rinnsalen an ihr herab. Weit konnte man nicht sehen, ein grauer Schleier hüllte den Horizont ein, nicht einmal der Hafen von Le Havre war erkennbar.

Sie ging an der Treppe vorbei, die nach oben zum Campingplatz führte. Ein Schwarm Möwen kreiste schreiend über den schwarzen Felsen. Sie ließen Muscheln aus ihrem Schnabel herunterfallen und stürzten hinterher, um zu sehen, ob sie aufgesprungen waren und das Fleisch freigaben. Marie liebte diese Spaziergänge am Strand, im Sommer wie im Winter. Sie machten ihren Kopf frei für neue Gedanken. Ihr Körper tankte Energie. Aber jetzt sollte sie vielleicht umkehren, es gab im Haus einiges zu tun, sicher war ihre Haushaltshilfe inzwischen da. Am Morgen waren zwei Gäste abgereist, und neue hatten für heute reserviert, das Zimmer musste hergerichtet werden. In ihrer Tasche klingelte das Handy.

»Ja, hallo.«

»Madame Bertaux, hier ist Wan.«

Ihre Haushaltshilfe, eine Vietnamesin, war am...


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Autor

Catherine Simon ist das Pseudonym für Sabine Grimkowski. Bis Ende 2017 arbeitete sie als Redakteurin beim Südwestrundfunk. Regelmäßig fährt sie in die Normandie und wohnt in Trouville im legendären Hôtel des Roches Noires, wo schon Marcel Proust logierte und Marguerite Duras eine Wohnung besaß. Seit Anfang 2018 lebt Sabine Grimkowski als freie Autorin in Hamburg.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt