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Federkleid

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
160 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am25.02.20151. Auflage
Wie verfallen sie ihrem Geliebten war, spürt Hotaru erst, als dieser nach acht Jahren die Beziehung plötzlich beendet. Hotaru steht vor dem Nichts. Erst in ihrer Heimatstadt, umgeben von Vertrauten und neuen Freunden, die alle einen besonderen Draht zur Welt des Übernatürlichen zu haben scheinen, werden ihre Lebensenergien wieder geweckt.

Banana Yoshimoto, 1964 geboren, hieß ursprünglich Mahoko Yoshimoto. Ihr erstes Buch ?Kitchen? schrieb sie während ihres Studiums, sie jobbte nebenbei als Kellnerin in einem Café und verliebte sich dort in die Blüten der ?red banana flower?, daher ihr Pseudonym. Ihr Debütroman verkaufte sich auf Anhieb millionenfach - ein Phänomen, dem man die Bezeichnung ?Bananamania? gab. Sie schrieb zahlreiche Bücher, die auch außerhalb Japans ungewöhnlich hohe Auflagen erreichten.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextWie verfallen sie ihrem Geliebten war, spürt Hotaru erst, als dieser nach acht Jahren die Beziehung plötzlich beendet. Hotaru steht vor dem Nichts. Erst in ihrer Heimatstadt, umgeben von Vertrauten und neuen Freunden, die alle einen besonderen Draht zur Welt des Übernatürlichen zu haben scheinen, werden ihre Lebensenergien wieder geweckt.

Banana Yoshimoto, 1964 geboren, hieß ursprünglich Mahoko Yoshimoto. Ihr erstes Buch ?Kitchen? schrieb sie während ihres Studiums, sie jobbte nebenbei als Kellnerin in einem Café und verliebte sich dort in die Blüten der ?red banana flower?, daher ihr Pseudonym. Ihr Debütroman verkaufte sich auf Anhieb millionenfach - ein Phänomen, dem man die Bezeichnung ?Bananamania? gab. Sie schrieb zahlreiche Bücher, die auch außerhalb Japans ungewöhnlich hohe Auflagen erreichten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257606478
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum25.02.2015
Auflage1. Auflage
Seiten160 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1257 Kbytes
Artikel-Nr.1582682
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

 

 

 

 

[5] Die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, liegt wie eingezwängt in den Windungen und Biegungen eines großen Flusses. Die Sommer sind angenehm kühl, die Winter aber bitter kalt, mit viel Schnee in den Bergen.

Vom Hauptstrom, der durchs Zentrum fließt, zweigen unzählige Seitenarme ab. Nachts glänzen die feinen Adern klebrig schwarz wie die Fäden eines Spinnennetzes.

Wohin man auch geht, in der Dunkelheit verfolgt einen das Rauschen des Flusses auf Schritt und Tritt. Überall in der Stadt gibt es große und kleine Brücken. Sie erzeugen einen bestimmten Rhythmus, sind wie Satzzeichen in die Flußlandschaft gesetzt, um die Leute immer wieder plötzlich vor dem Wasser innehalten und verweilen zu lassen.

Nachts, wenn die Menschen schlafen, schlängelt sich der Fluß durch ihre Träume. Er hat sich tief in ihre Herzen gegraben und begleitet sie überallhin, egal, welche Wendungen das Leben nimmt.

Nach einer Regennacht, angeschwollen zum [6] reißenden Strom, glitzert der Fluß unbändig und übermütig im grellen Morgenlicht, als wäre er zu neuem Leben erwacht. Am Nachmittag verströmt das verdorrte Ufergras seinen stickig-fauligen Geruch.

Manchmal war ich mir nicht sicher, ob ich all das wirklich mochte. In meiner Vorstellung war »Heimat« stets verbunden mit dem Bild des dahinströmenden Flusses. Doch das endlos vorüberziehende, mal klare, mal trübe Wasser verlieh der Stadt etwas Träges, Verträumtes - als versetze der Fluß die Menschen in eine Art Halbschlaf.

Es beschlich einen das unbestimmte Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben.

Diese Landschaft, so vertraut und behaglich sie erschien, zeigte bisweilen auch ihr schroff abweisendes, schauerliches Gesicht. Plötzlich lag da irgendein Hasen- oder Katzen- oder sonstiger Kadaver, oder man trat in Hundekot. Im Gras wimmelte es nur so von Insekten, und es gab Tage, an denen selbst die frische Wäsche, die am Ufer gegenüber zum Trocknen hing, schmuddelig aussah. Es ist wie mit der großen Liebe, von der nichts als ein großer Scherbenhaufen übrigbleibt. Die Dinge haben eben nicht nur ihre guten Seiten.

Natürlich sah man in der klaren Strömung auch Fische in allen Regenbogenfarben glitzern oder das [7] im Wasser sich spiegelnde, herrliche Blau des Himmels. An lauen Sommerabenden, wenn der mit Steinen gepflasterte Damm im Abendlicht leuchtete, konnte man mit einem Gefühl wie aus Kindertagen ewig lange den Fluß entlang spazieren, und wenn es einem nicht so gut ging, brauchte man sich nur auf den Damm zu setzen, und gleich fühlte man sich wieder besser.

Das Wasser floß vor unseren Augen dahin, Tag für Tag, Jahr für Jahr, und wir bedauerten es nicht. Es würde doch nie wiederkommen. Der Wind wehte darüber hinweg, und mit der verfließenden Zeit verwandelte sich die Landschaft, gemächlich, aber gewiß.

Ich betrachtete die Gänseblümchen zu meinen Füßen und berührte die Blütenblätter, so fein wie Fäden. Den kühlen Wind im Gesicht, spürte ich, wie sich auch meine Gedanken auffrischten. Solche Momente verloren nie an Intensität. So oft sie sich wiederholten - sie waren jedesmal neu. Bestimmt wäre es mit allen Dingen dieser Welt so, würde man ihnen nur genug Aufmerksamkeit schenken, sie lange und genau beobachten, dachte ich, wohl wissend, wer mich das gelehrt hatte: der Fluß.

Als ich aufstand und meinen kalt gewordenen Hintern abklopfte, fühlte ich, wie mir der Sinn der Welt ein klein wenig näherrückte. Es war, als [8] atmete der pulsierende Organismus unter meiner verletzlichen Haut die Gewißheit, daß sich dieses große weite Ganze vor meinen Augen kaum je ändern würde. Grandiose Gedanken, kleinliche Sorgen - sie waren wie diese Landschaft einfach da, ohne bestimmte Absicht und doch Ausdruck eines wohlgeordneten Ganzen. So zeigte sich mir die Welt, aber zugleich war ich mir sicher, daß in Wahrheit noch viel, viel mehr in ihr verborgen sein mußte.

Erregt schaute ich auf den Fluß. Es schien mir, als würde allein durch das Strömen des Wassers ein unerschöpflicher Reichtum angehäuft. Mit allen Poren meines Körpers spürte ich, wie sämtliche Dinge um mich herum, die ich fühlen und sehen konnte, Leib und Seele neuen Schwung verliehen, ihnen neue Energie spendeten. Die Erde und die Farbe des Himmels, die flimmernde Stadt mit den dahinflitzenden Autos, das Treiben der Menschen, die Farben der Gräser, die winzigen Lebewesen und mächtig dahinziehenden Wolken, das von fern ans Ohr dringende Summen und Brummen - bestimmt gewann jede Stadt und jeder Mensch seine Lebenskraft aus dem unverwechselbaren Charakter des jeweiligen Ortes, aus all diesen einzigartigen und zugleich alltäglichen Dingen, die die Welt mit Leben füllten.

[9] Ziemlich deprimiert, war ich erst einmal nach Hause zurückgekehrt, um meiner Großmutter im Café zu helfen. Es war Winter. Eigentlich hätte ich bei Vater wohnen können, doch wollte ich sein Witwerleben, das er zu genießen schien, nicht stören. Die Großmutter wohnte nur ein paar Schritte weiter, in einem kleinen Häuschen am Fluß. So nistete ich mich bei ihr ein, im Lagerschuppen hinter dem Café. Ich war froh, allein zu sein. Zwar gelang es mir, meinen Kummer vor anderen Leuten zu verstecken, aber auf die Dauer hielt ich es nicht aus. Allein konnte ich ungeniert losheulen und war nicht gezwungen, auf die Toilette zu rennen, als müßte ich mich gleich übergeben.

Mit achtzehn hatte ich ihn kennengelernt, und ich konnte es noch immer nicht fassen, daß die Beziehung nach acht langen, langen Jahren zu Ende war. Ich brauchte viel Zeit, mich daran zu gewöhnen. Die Dauer selbst bekam ein Eigenleben, wuchs plötzlich zu etwas ungeheuer Mächtigem heran. Saß mir deswegen diese komische Müdigkeit im Nacken? Die steinhart verspannten Schultern wollten nicht locker werden, und im Kopf drehten sich wieder und immer wieder dieselben Gedanken, als wäre ich blöde geworden.

Kinder von Eltern, die sich gut verstehen, lernen oft nicht, der Welt zu mißtrauen. Ich bin mit der [10] Vorstellung aufgewachsen, daß Ehepaare am glücklichsten sind, wenn sie immer zusammen sein können. Ehepaare, bei denen es anders war, waren für mich keine Ehepaare; solche Leute würden sich früher oder später trennen. Davon war ich fest überzeugt. Erst reichlich spät merkte ich, daß die Welt nicht ganz so war, wie ich sie mir vorgestellt hatte, und es allerlei Bedürfnisse gab, je nach Umständen und Verhältnissen. Wie hatte ich nur so naiv sein können.

Als ich zehn war, kam meine Mutter bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Sie wollte in die Nachbarpräfektur fahren, um Einkäufe zu erledigen. Unterwegs nickte sie ein, rammte einen Telegrafenmast und war auf der Stelle tot. Bis zu jenem Tag waren Vater und Mutter immer ein Herz und eine Seele gewesen. Vielleicht lag es daran, daß sie an derselben Uni Psychologie studiert und sich zusammen auf das Diplom vorbereitet hatten - jedenfalls waren sie auch später noch wie ein Studentenpärchen. Im nachhinein denke ich jedoch: Sie kamen nicht nur gut zusammen aus, sondern paßten vor allem auch gut zueinander. Ein unzertrennliches, unternehmungslustiges Paar, das sorglos in den Tag hineinlebte und einfach das Leben genießen wollte.

Ganz im Gegensatz zu mir. In der besten Zeit [11] meiner Jugend, in der man sich nach Liebe verzehrt, ließ ich mich auf ein Abenteuer mit einem verheirateten Mann ein. Zu allen möglichen Zeiten und an allen möglichen Orten wartete ich auf ihn, wartete und wartete. Und da ich sonst nichts zu tun hatte, nagte die ewige Ungewißheit an mir, zerfraßen mich Argwohn und Zweifel.

Ich behielt das Apartment in Tokyo, wußte aber nicht, ob ich wieder dahin zurückkehren würde.

Er, ein nicht ganz unbekannter Fotograf, hatte es unter dem Vorwand gekauft, es als Atelier zu benutzen. In Wahrheit hielten wir dort unsere Schäferstündchen. Das Apartment war mein Zuhause, und als es zur Trennung kam, durfte ich es behalten. Offenbar hatte er sich mit seiner Frau abgesprochen, was einen etwas bitteren Nachgeschmack hinterließ - als hätten zwei vernünftige Erwachsene sich bemüht, nett zu mir zu sein. Seine Frau, schon immer kränklich, litt so sehr unter der Untreue ihres Mannes, daß sie zu den psychischen Problemen auch noch Herzbeschwerden bekam. Trennung sei die einzige Lösung, teilte er mir am Telefon mit.

»Warum fragt man mich nicht, ob ich damit überhaupt einverstanden bin?«

»Das geht nicht.«

[12] »Warum nicht? Ich bin auch jemand. Auch ich habe ein Recht.«

»Wenn es soweit kommt, leider nicht mehr.«

»Du ziehst also einfach den Schwanz ein?!«

»Hör mal, ich kann meine Familie nicht sitzenlassen, sie hat es schwer genug gehabt. Es ist Zeit, Schluß zu machen, auch wegen des Kindes. Wir Eltern und unsere eigenen Eltern - wir alle haben eine gute Beziehung zueinander. Das wollte ich schon immer, Teil eines größeren Ganzen sein, und ich fühle mich dieser Gemeinschaft mehr verbunden, als ich geglaubt hatte. Ich liebe meine Familie und möchte nichts mehr riskieren. Wenn ich jetzt nur an mich denke und wir uns weiterhin treffen, gerät alles aus den Fugen, verstehst du? Erwarte bitte keine weiteren Erklärungen von mir. Ich habe mich entschieden.«

»Letztlich war ich also nur zum Vergnügen da, nicht wahr?«

»In gewissem Sinne, ja.«

»In gewissem Sinne - was soll das heißen?«

»Ach, hör auf damit. Das verdirbt uns auch noch die schönen...
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