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Blei für den Oberkirchenrat

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.04.20151. Auflage
Kirsten Kerner, ausgebildete Theologin und Moderatorin bei »Radio Balsam«, erfährt über den Ticker vom Mord an Oberkirchenrat Rauhbach. Mit seelsorgerlichem Einfühlungsvermögen recherchiert sie im Berliner Kirchenklüngel und macht eine skandalträchtige Entdeckung, die sie in Konflikt mit dem Bischof bringt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Anne-Kathrin Koppetsch, Jahrgang 1963, arbeitete nach ihrer Ausbildung zur Theologin als freie Journalistin in Berlin, später als Pastorin in Dortmund.
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Produkt

KlappentextKirsten Kerner, ausgebildete Theologin und Moderatorin bei »Radio Balsam«, erfährt über den Ticker vom Mord an Oberkirchenrat Rauhbach. Mit seelsorgerlichem Einfühlungsvermögen recherchiert sie im Berliner Kirchenklüngel und macht eine skandalträchtige Entdeckung, die sie in Konflikt mit dem Bischof bringt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Anne-Kathrin Koppetsch, Jahrgang 1963, arbeitete nach ihrer Ausbildung zur Theologin als freie Journalistin in Berlin, später als Pastorin in Dortmund.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105600870
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum15.04.2015
Auflage1. Auflage
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse721 Kbytes
Artikel-Nr.1692771
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Ein schwarzes Wochenende

Das schwarze Wochenende begann an einem Freitagnachmittag ganz harmlos.

»Und welchen Tipp würden Sie Frauen geben, um sich besser zu verkaufen?«, fragte ich mein unsichtbares Gegenüber.

»Erstens: Sagen Sie klar, was Sie wollen!«

Das ist leicht gesagt, dachte ich. Wenn Frauen damit keine Probleme hätten, gäbe es den ganzen Markt der Selbstbehauptungs-, Psycho- und Ich-weiß-nicht-was-Kurse nicht.

»Zweitens«, fuhr die dunkle Frauenstimme fort, »formulieren Sie Forderungen! Last but not least: Sie sind toll, spitze, einmalig! Vergessen Sie das nie!«

Das war mein Stichwort: »Vielen Dank, Simone Mertens vom internationalen Frauenzentrum, Leiterin des Kurses Frauen im Berufsleben  - und damit verabschiedet sich wie jeden Freitagnachmittag Kirsten Kerner. Sie hörten die Sendung FrauenFunken , das Magazin für Frauen auf ...« Ich hob die Stimme und machte eine künstliche Pause. So ist es Vorschrift.

Dann wird das Jingle eingeblendet: »Radio Balsam - for body and soul.«

Ein blödes Jingle: Zuerst Mozarts »Ave verum« und im zweiten Teil die Bassstimme à la Barry White mit Rhythmusunterlegung. Passt überhaupt nicht zusammen. Die Kolleginnen in der Redaktion finden die ultratiefe Männerstimme sexy. Die Kollegen finden sie affektiert. Und ich stehe auf Mozart original statt verhunzt.

»The winner takes it all«, dudelten ABBA zum Ausklang. Unbeschwerte Jugendzeit! Die Siebziger mit Sweet, Smokie und ABBA! Ich packte mein Manuskript zusammen und sah auf die große Uhr über der Studiotür. Fünf vor fünf. Für heute Feierabend. Dachte ich.

Im Redaktionsraum standen Jürgen und Kornelius zusammen. Jürgen moderiert unter anderem die Vorabendsendung, und Kornelius ist Redakteur.

»Na, wie war ich?« An diesem Freitag war meine sechste Sendung »FrauenFunken« gelaufen. Live. Und ich hole mir die Kritikerstimmen lieber direkt ab als hinter meinem Rücken.

»Okay«, sagte Kornelius. Er war sichtlich nicht bei der Sache. Er reichte mir ein Fax. »Hier, lies. Das ist gerade von der ppa reingekommen.«

Aha, von der protestantischen Presseagentur. Da hatte ich auch einmal ein Praktikum gemacht. Ich ließ mich auf den nächsten Stuhl fallen und zündete mir eine Gauloise blonde légère an. Dann las ich: »Berlin. ppa. Oberkirchenrat Otto Rauhbach ist am frühen Freitagnachmittag tot in Berlin aufgefunden worden. Passanten entdeckten den Achtundfünfzigjährigen mit einer Schusswunde in der Brust neben einer Parkbank im Tiergarten. Sie alarmierten sofort die Polizei. Es handele sich höchstwahrscheinlich um ein Verbrechen, erklärte ein Sprecher der Polizei. Betroffen und mit tiefer Trauer reagierten Mitglieder der Kirchenleitung auf die unfassbare Tat . Otto Rauhbach war seit 1996 Ausbildungsreferent der Evangelischen Kirche in Berlin und Brandenburg. Täter und Motiv sind zur Zeit noch nicht ermittelt.«

Kornelius tastete nach seinem Päckchen Pfeifentabak. »Du kanntest den Rauhbach doch, oder?«

»Na klar kannte ich den. Schließlich bin ich mal Azubi bei der Kirche gewesen.«

Nach acht Jahren Theologiestudium absolvierte ich zwei Jahre praktische Ausbildung - das Vikariat - für einen Hungerlohn, immerhin mit der Aussicht auf eine anständig bezahlte Pfarrstelle. Das Ergebnis: arbeitslos. Oder wie soll ich mein kümmerliches Dasein als freie Journalistin sonst bezeichnen? »Underemployment« wäre wohl der neudeutsche Fachausdruck für meine Situation. Auf klar Deutsch: Zehn Jahre Ausbildung waren umsonst. Oder sollte ich besser sagen vergeblich? Umsonst waren sie nämlich nicht. Weder für meine Eltern, die meinen Lebensunterhalt finanziert hatten, noch für den Staat. Und für mich auch nicht, wenn ich an die Plackerei in den Semesterferien und die Büffelei fürs Examen denke.

»Und? Was war Rauhbach für ein Typ?«, wollte Kornelius wissen.

»Ziemlich unnahbar. Nicht so wahnsinnig beliebt«, sagte ich.

»Vor allem, seit nicht mehr alle Theologen in das Pfarramt übernommen wurden. Die Kirche hat keine Kohle, wissen wir. Die Kirche stellt niemanden mehr ein. Toll für alle, die drin sind, und dumm für die, die draußen sind und nicht reinkommen. Besonders für die, die das Vikariat noch absolviert haben. Dann sind sie meist Anfang dreißig: zu spät, um was Neues anzufangen.«

»Hat Rauhbach mit dem Auswahlverfahren der Vikare zu tun gehabt?«

»Natürlich. Er hat die entscheidenden Gespräche geführt.«

Jürgen schaltete sich ein. »Na also. Erstklassiges Motiv. Abgewiesener Theologe begeht Meuchelmord an Oberkirchenrat. Der Herr Vikar wurde brotlos, weil er den Herren in der Kirchenleitung zu schwul war. Huch!«, sagte Jürgen tuntig und lachte sich fast kaputt. »Oder der Herr Pfarrer in spe war zu politisch: Die linke Einstellung des Nachwuchstheologen verhinderte seine Einstellung! Deshalb schoss er den Oberkirchenrat über den Haufen! Als revolutionäre Tat!« Jürgen lachte wieder ausgiebig. Dann schaute er mich mit gespieltem Entsetzen an. »Aber Kiki, dann bist du ja auch unter Mordverdacht!«

Jürgen hat eine Vorne-kurz-hinten-lang-Frisur. Außerdem ist sein rechtes Ohr gepierct. Und dann ist er auch noch blond und sonnenbankgebräunt!

Eigentlich wäre mir das egal. Es muss auch Leute geben, die dem Mantafahrer-Klischee entsprechen. Aber warum muss ausgerechnet so einer eine Stelle als Moderator beim christlichen Radio bekommen und ich nicht? Die einzige Erklärung, die mir einfällt, ist, dass Jürgen außerdem noch eine halbe Pfarrstelle hat. Und wer hat, dem wird gegeben werden. Steht sogar schon in der Bibel, im Matthäusevangelium Kapitel 13. Weil Radio Balsam ein Sender mit kirchlicher Beteiligung ist, hält man sich dort an solche Bibelverse. Da kriegt ein dümmlich grinsender Pfarrer noch einen Moderatorenjob auf sein geistliches Amt gepackt. Den Seinen gibt´s der Herr im Schlaf! Und ich muss mich für 250 Mark wöchentlich als freie Moderatorin bei der Frauen-Alibisendung verdingen. Mist.

Ein herb-würziger Geruch machte sich in der Redaktion breit. Kornelius hatte seine Pfeife angezündet. Irgendwie passt das Pfeiferauchen zu ihm. Er ist ein sensibler Typ mit dunkelbraunen Haaren und verträumtem Blick. Ich mag nicht nur seine Duftmarke.

»Im Ernst«, Kornelius´ graue Augen strahlten mich unter den dichten Wimpern an. »Du kennst doch jede Menge Leute in der Kirchenszene. Hast du nicht Lust, ein paar O-Töne einzufangen? Wir haben am Sonntagabend noch Platz für einen Beitrag bei den Kirchen-News.«

Aha. Dachte ich´s mir doch: Ade, freies Wochenende! »Was kriege ich dafür?« (Wie sagte Frau Mertens vom Frauenzentrum? Sagen Sie klar, was Sie wollen!)

»80 Mark, wie üblich.«

So billig kriegt ihr mich diesmal nicht! »Ich hab am Wochenende schon was vor. Ich will 150 Flocken!« (Formulieren Sie Forderungen!)

»Kiki.« Kornelius dunkelgraue Augen wurden ganz rund und seine Stimme klang weich. So könnte er mich zu einem Mord verführen!

«Du könntest die Geschichte rauf und runter verkaufen. An die Tagespresse, vielleicht sogar an Magazine. Radio Balsam ist nur der Anfang.«

Ich überlegte. Die Mieterhöhung für meine 41,5-Quadratmeter-Wohnung mit Kachelofen im hinteren Kreuzberg saß mir im Nacken. Die Telefonrechnung für die aufwändigen, aber unlukrativen Recherchen. Außerdem gehe ich gerne mal ein Bier trinken. Und ins Kino, aber das kann ich mir nur noch am Kinotag leisten. Einen Auftrag abzulehnen kann ich mir dagegen eigentlich gar nicht leisten.

»Okay, ich mach´s.« (Sie sind toll, spitze, einmalig ... geradezu unentbehrlich!)

»Fein. Der Bischof hält am Sonntagmorgen in Potsdam einen Gottesdienst. Von dem hätten wir gerne einen O-Ton ...«

»Hey, so haben wir nicht gewettet! Sonntag wollte ich mit Freunden die Fahrradsaison einläuten!«

»... und du hast doch Kontakte zur ppa. Vielleicht können die dir noch Tipps geben. Und deine Exkollegen aus dem Vikariat kannst du mal nach der allgemeinen Stimmung fragen.«

Hausaufgaben für das Wochenende.

»Die Kollegen treffen sich heute Abend im Hasenreiter . Stammtisch der Vikare und Vikarinnen«, sagte ich automatisch.

»Ist doch bestens!« Kornelius´ Augen strahlten wenn möglich noch intensiver als zuvor. Bei mir fliegt dann immer ein ganzer Schwarm Schmetterlinge im Magen los. Ich ließ sie in den Vorfrühling flattern. Aber dann dachte ich daran, dass Kornelius und ich für den Abend verabredet waren.

»Wollten wir nicht heute essen gehen im Frühlingslüftchen?«

»Ja, das wollte ich dir auch noch sagen: Ich kann heute nicht. Lass uns das Date auf nächste Woche verschieben.«

Die Schmetterlinge stürzten ab. Mach dich rar bei den Männern, hat meine Mutter immer gesagt. Aber wie soll ich mich rar machen bei jemand, der sich nur einmal im Monat mit mir verabredet? Und der dann noch dauernd die Dates verschiebt? Ich seufzte unhörbar.

Kornelius setzte sich wieder an den Computer. »Sorry, aber ich muss jetzt noch die Nachrichten des Tages zusammenschreiben. Bin in zwanzig Minuten auf Sendung.«

Jürgen tönte bereits über den Lautsprecher aus dem Studio: »Und hier ist wieder Jürgen Hummel am Mikro, euer Pfarrer für alle Fälle. Simply the best  - der beste Einstieg in drei Stunden Abendtalk mit Jürgen Hummel! Dank Tina Turner!« Alberner Typ.

Ich setzte mich an den Arbeitsplatz für freie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Jeder der Redakteure hat einen und die Moderatoren teilen sich einen zu...
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