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Blues im Pfarrhaus

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
251 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.04.20151. Auflage
Eine Kleinstadt, ein fremdgehender Pfarrer, sein konservativer Erzrivale, eine amerikanische Sekte und drei zerstrittene Brüder. Auf der Gegenseite: eine renitente Pfarrfrau, eine Saxophon spielende Alte, zwei Sozialarbeiterinnen und eine Journalistin. Eine gute Ausgangslage für einen turbulenten Krimi über Männerseilschaften und Frauenpower. Nach ?Blei für den Oberkirchenrat? ist ?Blues im Pfarrhaus? der zweite Krimi mit der Theologen-Journalistin Kirsten »Kiki« Kerner. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Anne-Kathrin Koppetsch, Jahrgang 1963, arbeitete nach ihrer Ausbildung zur Theologin als freie Journalistin in Berlin, später als Pastorin in Dortmund.
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Produkt

KlappentextEine Kleinstadt, ein fremdgehender Pfarrer, sein konservativer Erzrivale, eine amerikanische Sekte und drei zerstrittene Brüder. Auf der Gegenseite: eine renitente Pfarrfrau, eine Saxophon spielende Alte, zwei Sozialarbeiterinnen und eine Journalistin. Eine gute Ausgangslage für einen turbulenten Krimi über Männerseilschaften und Frauenpower. Nach ?Blei für den Oberkirchenrat? ist ?Blues im Pfarrhaus? der zweite Krimi mit der Theologen-Journalistin Kirsten »Kiki« Kerner. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Anne-Kathrin Koppetsch, Jahrgang 1963, arbeitete nach ihrer Ausbildung zur Theologin als freie Journalistin in Berlin, später als Pastorin in Dortmund.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105601020
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum15.04.2015
Auflage1. Auflage
Seiten251 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse773 Kbytes
Artikel-Nr.1692857
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Eins

»Moersen«, tönte die Stimme des Schaffners aus dem Lautsprecher. »Hier Moersen!«

Ich schreckte aus dem Halbschlaf hoch. Der Zug fuhr in den Bahnhof ein. Durch die Fensterscheiben sah ich das Schild, auf dem mutmaßlich der Name meiner Heimatstadt stand. Lesen konnte ich es nicht. Der tanzende Schneeregen hatte sich zu einem wehenden Vorhang verdichtet. Die kümmerliche Bahnhofsbeleuchtung erhellte die Schriftzüge nicht.

Ich schnappte mir meine Reisetasche und eilte in Richtung Tür. Natürlich klemmte sie, wie meist bei den alten Bummelzügen, sprich Regionalbahnen. Als sie sich endlich quietschend öffnete, hatte der Schaffner, pardon, der Zugbegleiter, bereits seine Trillerpfeife im Mund und wollte das Abfahrtssignal geben.

Ich winkte ihm heftig zu. Beim hastigen Abstieg blieb ich mit meinem Pfennigabsatz im Trittbrett-Gitter hängen. Es gelang mir, den Schuh zu befreien. Der Absatz blieb hängen.

Der Zugbegleiter winkte fröhlich zurück. Die Bahn mit den entscheidenden sieben Komma fünf Zentimetern, die nun an meinem Schuh fehlten, verschwand hinter der nächsten Kurve. Seufz. Meine schönen neuen, teuer erworbenen Pumps. Ich hinkte frustriert auf das Bahnhofsgebäude zu.

So hatte ich mir meine Ankunft nach zwei Jahren Abwesenheit nicht vorgestellt.

Die Bahnhofsuhr zeigte drei Minuten vor acht an. Ein offenes Geschäft würde ich nicht mehr finden. Sollte ich wirklich zur Versammlung der Moersener Honoratioren in der Stadthalle gehen? Oder sollte ich mich lieber in einer Gaststätte aufhalten, bis die Veranstaltung zu Ende war und ich meine Freundin Maja treffen konnte? Ich warf einen Blick in die verräucherte Bahnhofskneipe. Sieben verlebte Gestalten stierten dort in ihr Bierglas. Die Alternative hieß McDonald´s.

Also auf zur Stadthalle.

 

Eine halbe Stunde später schlüpfte ich durch das Portal in den Bürgersaal. Ich wollte mich verschämt in die hinterste Reihe setzen. Leider waren nur noch in den vordersten Reihen Plätze frei.

Tack-knirsch, tack-knirsch arbeitete ich mich über die Holzdielen nach vorne vor, die linke Körperhälfte 172,5 Zentimeter groß, die rechte 165 Zentimeter klein.

Bürgermeister Friedrich Spieß am Rednerpult starrte mich an und kam aus dem Konzept. »Und so freuen wir uns, dass nun, dass nun ...«

Tack-knirsch, tack-knirsch.

Vereinzelte Gäste in den vorderen Rängen drehten sich zu mir um.

»Und so freuen wir uns, dass wir die Angelegenheit nun in einem Gespräch mit den beiden ... äh ... Geistlichen klären können und dass Sie alle so zahlreich erschienen sind und dass wir auch eine ... frühere Moersener Bürgerin unter uns begrüßen dürfen«, fuhr er fort.

Jetzt wandten sich mir schätzungsweise 150 Gesichter zu.

Ich wurde puterrot unter meinem blondierten Fransenschnitt.

Hallo, hier kommt Kirsten Kerner, genannt Kiki, Fernsehjournalistin in Berlin. Erleben Sie sie bei ihrem großen Auftritt als Dame von Welt in der Provinzstadt Moersen. Sie präsentiert Ihnen heute den neuen, asymmetrischen Schuh-Look, frisch importiert aus der Hauptstadt.

Meine Freundin Maja hatte mich nun auch bemerkt und gab mir ein Zeichen. Sie wies auf einen freien Platz an ihrer Seite.

»Hi«, begrüßte sie mich.

Mit dem letzten Rest von Würde ließ ich mich auf den Stuhl fallen und stützte den Kopf in den Händen ab.

Neben Maja saß eine ältere Dame mit schlohweißem, kurz geschnittenem Haar und einer dicken Brille. »Das ist Emmchen«, stellte Maja vor, »meine Mitbewohnerin und Vermieterin.«

»Hallo«, begrüßte ich sie leise. »Schön, dass wir uns mal kennen lernen. Maja hat schon viel von Ihnen erzählt.«

Emmchen schmunzelte: »Das Gleiche gilt auch umgekehrt. Aber ich schlage vor, dass wir uns duzen. Du wirst ja auch bei uns wohnen dieses Wochenende.« Wir drückten uns kräftig die Hände. Es war Sympathie auf den ersten Blick.

Maja hatte es vor einem halben Jahr beruflich bedingt von der Hauptstadt in die Provinz verschlagen. Ausgerechnet in meine Heimatstadt, ein verschlafenes 30000-Einwohner-Nest in Nordrhein-Westfalen. Mit ihrem Sozialpädagogikstudium hatte sie in Berlin keine Stelle gefunden. Überall in den Einrichtungen wurde gespart. Nach einem halben Jahr Arbeitssuche hatte sie schließlich auf eine Stellenanzeige geantwortet, auf die meine Mutter mich aufmerksam gemacht hatte. Also packte Maja schweren Herzens ihre Koffer und begann bei der Suchtberatung der Caritas in Moersen-City.

Unserem gesamten Freundeskreis hatte sie damals furchtbar Leid getan. Wir verabschiedeten sie mit einer riesigen Cocktailparty und einem winzigen Kater, damit sie sich nicht so alleine fühlte. Den Kater nannte sie Romeo.

Maja und Romeo fanden Asyl in der großzügigen Eigentumswohnung des Moersener Urgesteins Emmchen, »siebzig plus x« Jahre alt, leidenschaftliche Saxophonspielerin und maßvolle Whiskytrinkerin.

Dorthin hatte sie mich für dieses Wochenende eingeladen, »Einstand feiern«.

»Wenn du kannst, dann komm doch schon am Freitagabend«, hatte Maja am Telefon vorgeschlagen. »Da ist in der Stadthalle eine Veranstaltung mit dem evangelischen Pfarrer und dem Pastor von einer amerikanischen Kirche, die auch hier in Moersen eine Gemeinde hat. Es hat Zoff gegeben zwischen den beiden. Wahrscheinlich fetzen sie sich auch bei der Veranstaltung. Der Bürgermeister wird moderieren, er ist sehr um den Ruf der Stadt besorgt. Das wird bestimmt lustig.«

»Zoff? Warum haben sie sich gezofft?«, hatte ich verwundert gefragt.

Maja hatte daraufhin behauptet, das sei eine lange Geschichte und sie habe gerade Besuch und könne nicht so lange reden. »Wir haben am Wochenende ja dann Zeit genug.« Neugierig, wie ich war, wollte ich mir den Zoff gerne live ansehen.

Und so saß ich in der Stadthalle und wartete darauf, was passieren würde.

 

Bisher wirkte die Szene ganz friedlich.

Auf der Bühne saßen drei Männer. Bürgermeister Spieß, weißhaarig und bärtig in der Mitte, hatte den Mann an seiner rechten Seite vorgestellt: »Ich begrüße Andy Brown, Pastor von der Kirche der Brüder der Liebe.« Der etwa vierzigjährige gepflegte Mann mit dem blonden Haar sagte höflich »Guten Abend!« zum Publikum und grinste jungenhaft. Er trug einen taubenblauen Anzug und ein helles Hemd und wirkte mindestens so harmlos wie Fernsehliebling Johannes Kerner, mein Nachnamensvetter. Die Pausbacken störten ein wenig.

Links neben dem Bürgermeister erkannte ich Martin Schiffer, Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Moersen. Bei ihm war ich mit vierzehn in den Konfirmandenunterricht gegangen. Er war seitdem älter geworden. Wie wir alle. Sein Schädel war blank über dem edlen Gesicht mit hoher Stirn. Finger, die nervös an einer weinroten Krawatte zupften. Dezentes Jackett zu legeren Jeans. Er war auf hinreißende Art gealtert, das musste ihm der Neid lassen. Ein Mann von Welt. Martin Schiffer wäre mir sogar in Berlin aufgefallen.

Schiffer begann: »Wir sind heute Abend hier zusammengekommen, um einiges zu klären. Ich muss dabei leider auf einige Vorkommnisse zu sprechen kommen, die mich und meine Familie sehr belastet haben. Die meisten von Ihnen wissen, dass ich vor einiger Zeit, als ... nun ja, jedenfalls dass ich vor einiger Zeit anonyme Briefe bekommen habe.«

Er machte eine Pause und blickte über das Publikum. Einige Besucher nickten.

»In diesen Briefen stand, dass ich nicht mehr als Pfarrer arbeiten soll. In einem war sogar zu lesen, dass ich zur Hölle fahren soll. Ja, es standen noch schlimmere Verwünschungen und Beschimpfungen darin, die ich an dieser Stelle nicht vorlesen möchte.« Er raschelte mit den Blättern in seinen Händen.

Gemurmel im Publikum.

»Meine Frau hat das alles sehr mitgenommen. Sie hat mich darum gebeten, meine Versetzung zu beantragen«, fuhr er fort und richtete den Blick auf eine blonde, zierliche Mittvierzigerin in der ersten Reihe. Aha. Karen Tiebel-Schiffer. Auch an ihr waren die Jahre nicht spurlos vorübergegangen. Sie wirkte allerdings schicker als früher. Keine Spur mehr von langen Haaren und indischen Hängekleidern. Stattdessen trug sie einen modischen Pagenschnitt und ein Kostüm mit kurzem Rock.

Schiffer erhob seine Stimme leicht: »Ich möchte an dieser Stelle darum bitten: Wer auch immer für die Briefe verantwortlich ist, möge damit aufhören! Meine Damen und Herren, das ist kein Spaß mehr und auch kein harmloser Streich! Ich habe bisher darauf verzichtet, Anzeige zu erstatten. Aber ...« Er lehnte sich zurück und schaute in die Menge. »Wenn diese Belästigungen nicht aufhören, kann ich für nichts mehr garantieren!«

»Herr Kollege«, meldete sich nun der blonde Pastor zu Wort, »Sie sollten vielleicht erwähnen, worauf sich diese anonymen Briefe bezogen haben.« Er sprach das R wie ein L aus.

»Ein Amerikaner?«, fragte ich Maja. Er hatte einen leichten Akzent, obwohl er fließend und fast fehlerfrei deutsch sprach.

Maja nickte: »Er lebt seit zwölf Jahren in Moersen und leitet hier die Gemeinde der Brüder der Liebe. Die Gemeinde hat in letzter Zeit viel Zulauf, vor allem von den Jugendlichen. Da kommt die evangelische Kirche nicht mit.«

Vor dreizehn Jahren hatte ich Moersen verlassen, um zu studieren. Wir hatten uns also knapp verpasst.

Der amerikanische Pastor ergriff wieder das Wort: »Tatsächlich haben Sie sich etwas zuschulden kommen lassen, Herr Kollege. Sie haben die Ehe gebrochen! Sie haben Ihre Frau betrogen! Sie haben sich nicht an die Gebote Gottes gehalten! Du sollst nicht Ehe brechen, steht in seine Gebote. Sie sind Pfarrer, Herr Kollege, und...
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