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Scharfe Stiche

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
332 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.04.20151. Auflage
Sabine Deitmer, eine der besten Krimiautorinnen in Deutschland, wagt sich in diesem Kriminalroman mit der Ermittlerin Beate Stein an ein brandheißes Thema: die Schönheitschirurgie. Hochaktuell, brisant und spannend. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Sabine Deitmer studierte Anglistik und Romanistik in Bonn und Konstanz. Ihre Krimis wurden verfilmt, in mehrere Sprachen übersetzt und für den Hörfunk bearbeitet. Für den Roman ?Dominante Damen? wurde sie mit dem »Deutschen Krimi Preis« ausgezeichnet.Literaturpreise:- 2005: Verleihung der Agathe, des Frauenkrimipreises der Stadt Wiesbaden- 2008: Verleihung des Ehrenglausers für 'besondere Verdienste um die deutschsprachige Kriminalliteratur' in Wien
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Produkt

KlappentextSabine Deitmer, eine der besten Krimiautorinnen in Deutschland, wagt sich in diesem Kriminalroman mit der Ermittlerin Beate Stein an ein brandheißes Thema: die Schönheitschirurgie. Hochaktuell, brisant und spannend. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Sabine Deitmer studierte Anglistik und Romanistik in Bonn und Konstanz. Ihre Krimis wurden verfilmt, in mehrere Sprachen übersetzt und für den Hörfunk bearbeitet. Für den Roman ?Dominante Damen? wurde sie mit dem »Deutschen Krimi Preis« ausgezeichnet.Literaturpreise:- 2005: Verleihung der Agathe, des Frauenkrimipreises der Stadt Wiesbaden- 2008: Verleihung des Ehrenglausers für 'besondere Verdienste um die deutschsprachige Kriminalliteratur' in Wien
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105600429
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum15.04.2015
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.4
Seiten332 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1032 Kbytes
Artikel-Nr.1692865
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Meine Türklingel schellte. Lang und anhaltend. Irgendwie eindrucksvoll. Ich warf die Bettdecke zurück und schwang mich aus dem Bett. Auf dem Weg zur Tür schlüpfte ich in meinen Kimono und strich mir mit der Hand durch meine Haarstoppeln. Es klingelte ein zweites Mal. Ich sah durch den Spion. Ein Mann wischte sich mit einem Taschentuch die Schweißperlen von der Stirn. Ich öffnete die Tür.

Er versenkte das Taschentuch in seiner dunkelblauen Hose.

»Sind Sie Frau Stein?«, erkundigte er sich.

»Ja«, bestätigte ich. »Beate Stein.«

»Ich habe ein Einschreiben für Sie.« Er klappte die Lasche der schwarzen Tasche auf, die über seiner Schulter hing, und zog ein hellbraunes Kuvert heraus.

Ich warf einen Blick auf den Umschlag, versuchte den Absender zu entziffern. Es gelang mir nicht.

»Wenn Sie mir bitte den Erhalt des Einschreibens quittieren würden.« Er hielt mir ein Brett entgegen, auf dem das Formular mit einer Klemme befestigt war. Und einen Stift. »Dort bitte.« Er zeigte auf die Stelle, wo ich unterschreiben sollte.

Ich malte brav mein Autogramm. Er reichte mir das hellbraune Kuvert, und ich gab ihm Brett und Stift zurück.

Er verstaute beides in seiner großen Tasche.

Ich sah auf den Umschlag in meiner Hand, las den Absender. Vera Kuhlmann, Hotel Eden Roc, Ascona, Schweiz.

»Arbeiten Sie bei der Polizei?«, fragte er.

»Wer hat Ihnen das verraten?«, erkundigte ich mich.

»Meine Tochter sammelt Artikel über die Polizei. Alles, was in der Zeitung steht. Sie hat auch welche von einer Kriminalkommissarin, die heißt Stein, so wie Sie.«

»Das bin ich«, gab ich zu. »Ich verdiene bei dem Verein meine Brötchen.«

»Meine Tochter hat sich jetzt bei der Polizei beworben.« Er sah mich mit sorgenvollem Gesicht an.

»Wir können gute Leute gebrauchen«, sagte ich.

»Sie muss da in zwei Wochen zu so einem Test.« Sein Blick wanderte hinunter zu meinen nackten Füßen. »Und da fragt man sich, was die für Leute wollen. Was die da wohl so testen.«

»Das ist eine ganz schöne Mühle«, seufzte ich mitfühlend.

»Wir können ihr da ja nicht helfen. Da muss sie allein durch. Aber haben Sie vielleicht eine Idee, wie sie sich vorbereiten kann?«

Ich stand eine Weile da mit dem Umschlag in der Hand und überlegte. Sein Blick hing erwartungsvoll an meinem Gesicht.

»Die meisten scheitern an der Rechtschreibung«, sagte ich. »Lassen Sie sie Diktate schreiben, bis sie keinen Fehler mehr macht. Und dann ...« Ich überlegte. »Bauen Sie sie auf, vorher. Damit sie sich gut verkaufen kann. Sagen Sie ihr, sie soll sich genau überlegen, warum sie zur Polizei will. Danach wird sie sicher gefragt.«

»Selbstbewusst ist sie ja.« Sein Gesicht hellte sich auf.

»Na also«, sprach ich ihm Mut zu.

»Frau Stein.« Sein Körper straffte sich, und er hielt mir seine Hand entgegen. »Ich danke Ihnen vielmals.«

»Toi, toi, toi für Ihre Tochter.« Ich drückte ihm die Hand. »Grüßen Sie sie von mir. Und viel Glück.«

»Das wird sie freuen, Frau Stein, ganz bestimmt.«

Er drehte sich um und stieg die Treppe hinab.

Ich schloss die Tür und lief in die Küche. Ich legte den braunen Umschlag auf den Küchentisch. Vera Kuhlmann war keine Unbekannte für mich. Vor ein paar Jahren waren wir uns begegnet, bei den Ermittlungen zu einem Mordfall. Eine eindrucksvolle Dame. Ich sah sie vor mir in der Uniform ihres Berufs. So wie sie mir zum ersten Mal begegnet war. Mit einer schwarzen Lederkorsage und Netzstrümpfen.

Ich griff nach einem Messer und schlitzte den Umschlag auf.

Ein buntes Foto fiel heraus. Ich nahm es in die Hand. Vor einem weißen Hintergrund posierte ein nackter Mann. Das Fleisch hellrosa wie das eines Ferkels. Er kniete, die Arme mit den Handballen aufgestützt. Er war nackt bis auf die roten Riemen einer Art von Geschirr, das um den Hals gelegt war, um die Brust, um die Oberschenkel. Es war ein gut gebauter, kräftiger Mann. Die Haut fest und stramm. Die Haare, die in Kreisen um die Brust herum wuchsen, waren dunkel. Dunkler Haarflaum zog sich von oben nach unten in einer geraden Linie über seinen rosa Bauch. Sein Kopf steckte in einer weißen Maske mit knallroten Ohren, die weit abstanden, der Mundbereich eine schwarze Schnauze. Zwei runde Gläser, die wie Bullaugen aussahen, gaben den Blick auf die Augen frei. Die Farbe der Augen ließ sich nicht erraten. Dunkelbraun, grau, schwarz lagen sie hinter dem Glas.

Ich holte ein Blatt weißes Papier aus dem Umschlag heraus und klappte den Bogen auf. Sehr geehrte Frau Stein , las ich. Schwarze Druckbuchstaben, die vermutlich mit dem Computer auf das Papier gezaubert waren. Ich wollte Ihnen immer schon schreiben. Tanja hat es geschafft. Sie ist über den Berg und hat ihr altes Leben hinter sich gelassen. Es hat sich gelohnt. Das beiliegende Foto ist mein Dankeschön. Ich habe es von einer Kollegin bekommen. Jetzt gehört es Ihnen. Der Mann, der in der Maske steckt, wird Ihr neuer Chef werden, wenn ich richtig informiert bin, Herr F. Sie dürfen das Foto so nutzen, wie Sie wollen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie es brauchen könnten. Mit allen guten Wünschen, Vera Kuhlmann.

Ich holte einen großen Teller aus dem Schrank, stellte ihn in die Spüle und legte den Brief auf den Teller. Dann zündete ich mit einem Feuerzeug eine Ecke an. Die Flammen schlugen hoch, eroberten das Papier. Ich zweifelte keinen Moment an dem Wahrheitsgehalt dessen, was ich da las. Was Vera Kuhlmann mir mitgeteilt hatte, wurde von den Flammen verschlungen. Eine bizarre schwarze Plastik auf einem weißen Teller, an deren Rändern die letzten roten Punkte verglühten.

Ich nahm das Foto vom Küchentisch und steckte es vorsichtig in den Umschlag zurück. Ich lief mit ihm hinüber in mein Schlafzimmer, hob die Matratze an und schob das Bild darunter. Dort war es erst einmal gut aufgehoben.

Ich setzte mich auf mein Bett und dachte an die junge Frau, die sich die Pulsadern aufgeschnitten hatte. Wie sie mit bleichem Gesicht und traurigen Augen im Krankenhausbett gelegen hatte. Tanja ging es gut. Eine erfreuliche Botschaft. Vera Kuhlmann hatte nicht umsonst gemordet, und ich hatte nicht umsonst eine Mörderin laufen lassen.

Es passte zu Vera Kuhlmann, dass sie mir nichts schuldig bleiben wollte und sich jetzt mit diesem eigenartigen Foto bei mir bedankte. Dafür, dass sie die Jahre in Freiheit verbringen konnte. Nicht im Gefängnis gelandet war.

Ich betrachtete die dunkelblauen Kleidungsstücke, die um das Bett herum verstreut lagen. Das dunkelblaue Jackett, den dunkelblauen Rock, die dunkelblaue Strumpfhose. Mein dunkelblaues Outfit. Für die offiziellen Anlässe in meinem Leben. Die, bei denen ich schlecht in Himbeerrot und Lila auflaufen kann. Ich liebe muntere Farben. Das war nicht immer so. Früher waren mir Klamotten ziemlich egal, Farbe inbegriffen. Aber seit ich ein paar Jahre meines Lebens in senfgelben Hosen und grünen Uniformjacken verbracht habe, ist das anders. Seither finde ich toll, dass es Farben gibt.

Dunkelblau lässt mein Herz nicht gerade höher schlagen, aber ich gebe zu, manchmal genieße ich es, die Kollegen mit meinem gediegenen dunkelblauen Outfit zu überraschen. Das gibt ihnen ein bisschen zu kauen, denke ich, ob die Schublade, in die sie mich einsortiert haben, die richtige ist.

Gestern war Heinze, unser allseits beliebter Chef, in einer kleinen Feierstunde vom Präsidenten verabschiedet worden. Ein paar Tränchen hatten in seinen Augen geschimmert, als er sich für die schönen Jahre der gemeinsamen Arbeit bedankte. Ich konnte seine Trauer gut nachvollziehen. Er trauerte, weil er uns nicht weiter quälen konnte. Seine Frau sah auch nicht gerade fröhlich aus. Wahrscheinlich dämmerte ihr, dass sie jetzt diesen Kotzbrocken täglich zu Hause rumsitzen haben würde.

Woher wusste Vera Kuhlmann, dass Heinze pensioniert wurde? Und wer als sein Nachfolger ausgeguckt war?

Ihr Brief war perfekt getimt.

In Gedanken ging ich die Gesichter durch, die ich gestern Abend gesehen hatte. Eine seltsame Ansammlung schräger Typen. Manche der Kollegen sahen unseren Kunden verdächtig ähnlich. Und ich hatte mich wieder einmal gewundert, wie ich in diesem Haufen gelandet war.

Der Neue. Richtig. Weber, mein Kollege, hatte mich auf Froböse aufmerksam gemacht. Goldbrille und gut geschnittener Anzug. So was fällt in unserem Kreis auf.

Ich dachte an das Foto unter der Matratze. Den rosa Männerkörper im knappen Ledergeschirr mit der Ferkelmaske. Hübsches Outfit. War das die Reaktion eines Mannes auf ein Leben in gut geschnittenen Anzügen? Hatte seine Mama ihn vielleicht schon als Kind in Matrosenuniformen gezwängt?

Worüber machte ich mir eigentlich Gedanken? Bist du verrückt?, stoppte ich mich. Du brauchst einmal nicht zu malochen, feierst deine Überstunden ab und sitzt da und denkst nach über die Jungens, die dich auf der Arbeit nerven?

Aber so schnell kam ich nicht runter von dem Trip.

Ich dachte an Weber, meinen Partner. Was hatte der eigentlich gestern angehabt? Seine üblichen ausgebeulten Hosen und ein Jackett der besseren Sorte, das seine Frau ihm ausgesucht hatte. Richtig. Zur Feier des Tages hatte er eine Krawatte um den Hals gebunden. Irgendetwas dezent Seidenes, das farblich gut passte. Inga hat einen ordentlichen Geschmack. Trotzdem sieht er mit Strick um den Hals immer unglücklich wie ein gefangener Seehund aus.

Nach der Feierstunde hatte mich Weber noch zu einem Plauderstündchen abgeschleppt. Zwei Stunden auf einem Barhocker in einer verrauchten Kneipe hatten sich in meine Erinnerung eingebrannt. Zwei Stunden lang hatte mir Weber seinen Midlife-Blues ins Ohr gebrummt. Und mich mit Fragen von philosophischer Fallhöhe...
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