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Die Lebenden reparieren

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
255 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am09.05.20152. Auflage
Simon lebt, jedenfalls schlägt sein Herz noch. Doch die Ärzte stellen den klinischen Tod des Neunzehnjährigen fest. Simons Eltern müssen nun entscheiden, ob sie seine Organe zur Spende freigeben wollen, ob ein anderer mit Simons Organen weiterleben darf.
In einer rasanten Folge von emotional aufwühlenden Szenen erzählt Die Lebenden reparieren von einem Tod mitten im Leben und der vielleicht schwersten Entscheidung, die Eltern treffen müssen. Ein spannender und bewegender Roman, der erschüttert und zugleich tröstet.

»Ein Roman, der buchstäblich unter die Haut geht.« Wolfgang Schneider, Deutschlandradio Kultur

»Ein spannender, anrührender, ein wichtiger Roman.« Niklas Bender, Frankfurter Allgemeine Zeitung

»So also ist gloriose Literatur. Kein Journalismus, kein Film käme auch nur in die Nähe jener Zone, in der sie sich bewegt ...« Peter Praschl, Die Welt



Maylis de Kerangal, geboren 1967 in Toulon, zählt zu den einflussreichsten Gegenwartsautorinnen Frankreichs. Sie hat zahlreiche Romane, Essays und Erzählungsbände veröffentlicht. Für ihren 2010 erschienenen Roman Die Brücke von Coca wurde sie mit dem Prix Médicis ausgezeichnet, Die Lebenden reparieren gewann zahlreiche Preise und wurde 2016 verfilmt. Kerangal lebt mit ihrer Familie in Paris.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextSimon lebt, jedenfalls schlägt sein Herz noch. Doch die Ärzte stellen den klinischen Tod des Neunzehnjährigen fest. Simons Eltern müssen nun entscheiden, ob sie seine Organe zur Spende freigeben wollen, ob ein anderer mit Simons Organen weiterleben darf.
In einer rasanten Folge von emotional aufwühlenden Szenen erzählt Die Lebenden reparieren von einem Tod mitten im Leben und der vielleicht schwersten Entscheidung, die Eltern treffen müssen. Ein spannender und bewegender Roman, der erschüttert und zugleich tröstet.

»Ein Roman, der buchstäblich unter die Haut geht.« Wolfgang Schneider, Deutschlandradio Kultur

»Ein spannender, anrührender, ein wichtiger Roman.« Niklas Bender, Frankfurter Allgemeine Zeitung

»So also ist gloriose Literatur. Kein Journalismus, kein Film käme auch nur in die Nähe jener Zone, in der sie sich bewegt ...« Peter Praschl, Die Welt



Maylis de Kerangal, geboren 1967 in Toulon, zählt zu den einflussreichsten Gegenwartsautorinnen Frankreichs. Sie hat zahlreiche Romane, Essays und Erzählungsbände veröffentlicht. Für ihren 2010 erschienenen Roman Die Brücke von Coca wurde sie mit dem Prix Médicis ausgezeichnet, Die Lebenden reparieren gewann zahlreiche Preise und wurde 2016 verfilmt. Kerangal lebt mit ihrer Familie in Paris.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518740545
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum09.05.2015
Auflage2. Auflage
Seiten255 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1694816
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Was Simon Limbres´ Herz, dieses Menschenherz, ist, seit sein Rhythmus sich im Augenblick der Geburt beschleunigt hat, als andere Herzen draußen, die das Ereignis begrüßten, sich ebenfalls beschleunigten, was dieses Herz ist, was es hat hüpfen, überlaufen, anschwellen, leicht wie eine Feder tanzen oder schwer wie ein Stein wiegen lassen, was es betäubt hat, was es zum Schmelzen gebracht hat - die Liebe; was Simon Limbres´ Herz gefiltert, aufgezeichnet, archiviert hat, Blackbox eines zwanzigjährigen Körpers, das weiß niemand so genau, nur ein durch Ultraschall erzeugtes bewegtes Bild könnte ein Echo davon wiedergeben, die Freude zeigen, die es weitet, und die Traurigkeit, die es zusammenschnürt, nur die von Anfang an aufgezeichnete Verlaufskurve eines Elektrokardiogramms könnte es darstellen, seine Leistung, seine Beanspruchung beschreiben, die aufpeitschende Emotion, die Energie, die es verbraucht, um sich etwa hunderttausend Mal pro Tag zusammenzuziehen und jede Minute bis zu fünf Liter Blut in Umlauf zu bringen, ja, nur diese Kurve könnte davon erzählen, sein Leben umreißen, ein Leben von Hin- und Rückfluss, von Ventilen und Klappen, von Pulsschlägen; wenn Simon Limbres´ Herz, dieses Menschenherz, den Maschinen entrinnt, kann niemand behaupten, es zu kennen; in dieser Nacht, einer sternenlosen Nacht, da es im Pays de Caux und an der Seinemündung Stein und Bein fror, während an der Steilküste eine Dünung ohne Lichtreflexe wogte, während der Kontinentalsockel erodierte und seine geologischen Streifen entblößte, pulsierte es im regelmäßigen Rhythmus eines ruhenden Organs, eines sich langsam wieder aufladenden Muskels - ein Puls von wahrscheinlich weniger als fünfzig Schlägen pro Minute -, als neben dem schmalen Bett der Weckton eines Mobiltelefons losschrillte, das Echo eines Echolots, das mit Leuchtbalken auf dem taktilen Display die Zahlen 05:50 schrieb, und plötzlich alles sich überschlug.

In dieser Nacht also bremst ein Lieferwagen auf einem leeren Parkplatz, bleibt schräg stehen, die Vordertüren schlagen und eine seitliche Schiebetür gleitet zu, drei Gestalten erscheinen, drei Schatten heben sich von der Dunkelheit ab, erschauern vor Kälte - eisiger Februar, Fließschnupfen, Schlafen in Kleidern -, drei Jungen, offenbar, die ihre Jacken bis zum Kinn schließen, ihre Fleecemützen über den fleischigen oberen Rand ihrer Ohren bis dicht an die Augenbrauen ziehen und sich, während sie in ihre zusammengelegten hohlen Hände hauchen, dem Meer zuwenden, das um diese Zeit ein einziges Rauschen ist, Rauschen und Finsternis.

Jungen, jetzt sieht man es. Sie haben sich aufgereiht hinter dem Mäuerchen, das den Parkplatz vom Strand trennt, sie stampfen mit den Füßen und atmen heftig, Jod und Kälte schmerzen in der Nase, und sie suchen diese dunkle Fläche ab, wo nichts ist außer dem Donnern der explodierenden Wellen, dem gewaltigen Krachen der Brecher, sie starren auf das, was ihnen entgegengrollt, dieses wahnsinnige Gebrüll, wo nichts ist, woran sich der Blick festmachen kann, nichts, außer vielleicht der weißlich schäumende Saum, Milliarden gegeneinandergeschleuderter Atome in einem phosphoreszierenden Schein, und jetzt, nachdem beim Aussteigen zunächst der Winter ihnen die Sinne geraubt, die Meeresnacht sie betäubt hat, fangen die Jungen sich wieder, richten ihre Augen, ihr Gehör auf das aus, was sie erwartet, den Swell, taxieren mit den Ohren den Seegang, schätzen seine Brecherkennzahl, seinen Tiefenkoeffizienten und erinnern sich, dass die im offenen Meer entstehenden Wellen rascher vorankommen als die schnellsten Schiffe.

Es ist gut, flüstert einer der Jungen, das wird eine schöne Session, die beiden andern lächeln, dann gehen die drei zusammen zurück, langsam schlurfen sie mit den Sohlen über den Boden, drehen sich um sich selbst, wie Tiger, heben den Blick, um die Nacht über dem Dorf zu ergründen, die noch tiefe Nacht hinter der Steilküste, dann sieht der, der gesprochen hat, auf die Uhr, noch eine Viertelstunde, Jungs, und sie steigen wieder ins Auto, um auf die nautische Dämmerung zu warten.

Christophe Alba, Johan Rocher und er, Simon Limbres. Als die Wecker klingelten, haben sie ihre Decken zurückgeschlagen und sind aufgestanden; sie hatten sich kurz vor Mitternacht per SMS zu einer Session verabredet, einer Session bei Mittelwasser, wie man sie zwei- oder dreimal im Jahr bekommt - hoher Seegang, regelmäßige Dünung, schwacher Wind und keine Menschenseele am Spot. Jeans, eine Jacke, so sind sie nach draußen gehuscht, ohne etwas zu frühstücken, nicht mal ein Glas Milch, eine Handvoll Müsliflocken, nicht mal ein Stück Brot, und haben sich unten vor den Wohnblock (Simon), vor das Gartentor des Einfamilienhauses (Johan) gestellt und auf den Lieferwagen gewartet, der ebenfalls pünktlich kam (Chris); sie, die sonntags trotz mütterlicher Ermahnungen nie vor dem Mittag aufstehen, von denen es heißt, sie könnten nur schlaff zwischen dem Wohnzimmersofa und dem Stuhl in ihrem Zimmer hin- und herpendeln, sie sind um sechs Uhr morgens ungeduldig auf der Straße gestanden, mit losen Schnürsenkeln und schlechtem Mundgeruch - unter der Straßenlampe hat Simon Limbres die Auflösung der Atemwolke beobachtet, die er ausstieß, die Metamorphosen der weißen Fumarole, die kompakt aufstieg und dann in der Luft zerging, bis sie verschwunden war, er hat sich erinnert, wie er als Kind gern Rauchen spielte, indem er Zeige- und Mittelfinger ausgestreckt an seine Lippen hielt, kräftig Luft einsaugte, wobei er die Wangen hohl machte, und dann ausblies wie ein Mann -, sie, Chris, John und Sky, alias die Drei Caballeros, alias die Big Wave Hunters, was keine Spitznamen sind, sondern Pseudonyme, die sie gewählt haben, Gymnasiasten in der Seinemündung, um sich als globale Surfer neu zu erfinden, so dass umgekehrt das Aussprechen ihres Vornamens sie sofort auf eine feindliche Situation zurückwirft, den eisigen Nieselregen, die bescheidenen Wellen, die Wand der Steilküste und die menschenleeren Straßen am Abend, die elterlichen Vorwürfe und die schulischen Anforderungen, die im Stich gelassene Freundin, die sich beklagt, weil man ihr wieder mal den Van vorgezogen hat; nie wird sie gegen das Surfen ankommen.

Sie sind im Van - niemals würden sie Lieferwagen sagen, lieber sterben. Schmierige Feuchtigkeit, alle Oberflächen rau von Sand, der am Hintern kratzt wie Schmirgelpapier, ranziges Gummi, Schlick- und Ölgestank, aufeinandergestapelte Surfbretter, ein Berg von Neos - dicke Ganzanzüge oder Shortys mit integrierter Kapuze -, Handschuhe, Füßlinge, Dosen mit Wachs, Leashes. Haben sich alle drei nach vorn gesetzt, Schulter an Schulter, reiben sich die Hände zwischen den Schenkeln und stoßen Affenschreie aus, verdammt, ist das kalt, kauen Müsliriegel - aber man sollte nicht alle futtern, erst hinterher darf man sie verschlingen, nachdem man sich selbst hat verschlingen lassen -, reichen sich die Colaflasche weiter, die Nestlé-Kondensmilch aus der Tube, die Packung mit den weichen süßen Keksen, angeln schließlich unter dem Sitz die letzte Nummer von Surf Session hervor, die sie auf dem Armaturenbrett aufschlagen, stecken ihre Köpfe über den im Halbdunkel schimmernden Seiten zusammen, das Hochglanzpapier wie eine mit Sonnenöl und Urlaubsspaß gepflegte Haut, tausend Mal umgeblätterte Seiten, die sie von neuem studieren, die Augen fallen ihnen fast aus dem Kopf, der Mund steht ihnen offen: die Brandungswelle von Mavericks und der Pointbreak von Lombok, die Riesenbrecher von Jaws in Hawaii, die Tubes von Vanuatu, die Wellen von Margaret River, die besten Küstenstriche des Planeten künden hier von der Herrlichkeit des Surfens. Mit dem Finger zeigen sie begeistert auf die Bilder, da, da wollen sie irgendwann hinfahren, vielleicht sogar schon im kommenden Sommer, mit dem Van werden sie zu einem sagenhaften Surftrip aufbrechen, werden sich auf die Suche nach der schönsten Welle machen, die sich jemals auf Erden gebildet hat, werden diesen wilden und geheimen Spot finden, ihn entdecken, wie Christoph Kolumbus Amerika entdeckt hat, und allein auf dem Line-up sein, wenn sie endlich auftaucht, die Welle, auf die sie gewartet haben, die Welle aus der Tiefe des Ozeans, archaisch und vollkommen, die Schönheit selbst, dann werden Bewegung und Geschwindigkeit sie in einem Adrenalinrausch auf dem Brett halten, eine unbändige Freude wird über ihren ganzen Körper und bis zu den Wimpernspitzen perlen, und sie werden auf der Welle reiten, sich vereinen mit der Erde und der Sippe der Surfer, diesem Volk von Nomaden mit ihren von Salz und ewigem Sommer ausgebleichten Haaren, ihren wässrigen Augen, Jungen und Mädchen, die nichts anhaben als diese mit Tiaréblüten oder Hibiskusblättern bedruckten Shorts und türkisgrüne oder blutorangenfarbene T-Shirts, die keine anderen Schuhe tragen als Plastikflipflops, jung und strahlend vor Sonne, vor Freiheit. Bis an den Strand werden sie auf der Welle surfen.

Die Magazinseiten hellen sich auf, je fahler draußen der Himmel wird, sie entfalten ihre Palette von Blautönen, darunter reines Kobalt, das den Augen wehtut, und so tiefen Grünschattierungen, dass man an Acrylfarben denkt, hier und da kommt eine Surfspur zum Vorschein, ein winziger weißer Strich auf phänomenaler Wasserwand, die Jungs blinzeln, murmeln geil, verdammt, ist das irre, dann löst sich Chris von den anderen, um auf sein Handy zu schauen, das Display lässt sein Gesicht bläulich leuchten und, weil das Licht von unten kommt, die Knochen hervortreten - vorspringende Augenbrauenbogen, Überbiss, violette Lippen -, während er laut die Informationen für den Tag vorliest: die Petites-Dalles today, ideale Südwest/Nordost-Dünung, Wellen zwischen einem Meter...
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Autor

Maylis de Kerangal, geboren 1967 in Toulon, zählt zu den einflussreichsten Gegenwartsautorinnen Frankreichs. Sie hat zahlreiche Romane, Essays und Erzählungsbände veröffentlicht. Für ihren 2010 erschienenen Roman Die Brücke von Coca wurde sie mit dem Prix Médicis ausgezeichnet, Die Lebenden reparieren gewann zahlreiche Preise und wurde 2016 verfilmt. Kerangal lebt mit ihrer Familie in Paris.