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Schwarz und Silber

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
176 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am25.09.20151. Auflage
Nach seinem Weltbestseller «Die Einsamkeit der Primzahlen» schreibt Paolo Giordano nun in einem kurzen, aber dichten Roman über die Einsamkeit im Leben als Paar. Nora und ihr Mann leben mit ihrem kleinen Sohn in Turin. Sie ist Architektin, er ist Physiker. Im Alltag werden sie unterstützt von der wunderbaren Babette - sie ist die Frau für alles, sie betreut das Kind, sie kocht, sie schmeißt den Haushalt. Und sie bildet den ruhenden Pol für das junge Paar. Eigentlich heißt sie Anna, aber sie wird Babette genannt, in Hommage an das Hausmädchen Babette in Tania Blixens berühmter Novelle «Babettes Fest». Babette gehört zur Familie. Doch eines Tages kann sie nicht mehr kommen, sie ist an Krebs erkrankt. Was passiert, wenn plötzlich jemand fehlt, der immer da war? Ohne Babettes schützenden Blick verliert das Ehepaar seinen Halt, jeder zieht sich in sich selbst zurück, Gefühle, deren man sich sicher war, verschwinden. Paolo Giordano zeigt mit der ihm eigenen präzisen Beobachtungsgabe und großen Empathie, wie das Fehlen eines geliebten Menschen alles verändert und wie man gleichzeitig die Erinnerung an eine geliebte Person wachhalten kann. Mit psychologischer Meisterschaft beschreibt er, wie Bindungen entstehen, wie wir mit Gefühlen umgehen, sie verlieren und wiederfinden können. Welche Farben haben Gefühle? Giordano wendet die Viersäftelehre des griechischen Gelehrten Galenos auf seine Protagonisten an. Das Schwarz der Melancholie und das Silberne der Fröhlichkeit zeichnen den Ich-Erzähler und seine Frau aus und geben dem Buch seinen Titel. Lassen sich Gefühle bei einem Paar mischen? Ist es wie bei kommunizierenden Gefäßen? Oder bleibt jeder in seiner eigenen Gefühlswelt und dem anderen für immer ein wenig fremd? Ein wunderschöner Liebesroman und ein würdevoller Trost für alle, die einen geliebten Menschen verloren haben.

Paolo Giordano wurde 1982 in Turin geboren, wo er Physik studierte und mit einer Promotion in Theoretischer Physik abschloss. Danach arbeitete er als profilierter Journalist. Sein erster Roman «Die Einsamkeit der Primzahlen» war ein internationaler Bestseller. Er wurde in über vierzig Sprachen übersetzt und verfilmt. Zuletzt erschien sein vielbeachteter Roman 'Den Himmel stürmen'. Giordano erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den angesehensten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega. Paolo Giordano lebt in Rom.
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Produkt

KlappentextNach seinem Weltbestseller «Die Einsamkeit der Primzahlen» schreibt Paolo Giordano nun in einem kurzen, aber dichten Roman über die Einsamkeit im Leben als Paar. Nora und ihr Mann leben mit ihrem kleinen Sohn in Turin. Sie ist Architektin, er ist Physiker. Im Alltag werden sie unterstützt von der wunderbaren Babette - sie ist die Frau für alles, sie betreut das Kind, sie kocht, sie schmeißt den Haushalt. Und sie bildet den ruhenden Pol für das junge Paar. Eigentlich heißt sie Anna, aber sie wird Babette genannt, in Hommage an das Hausmädchen Babette in Tania Blixens berühmter Novelle «Babettes Fest». Babette gehört zur Familie. Doch eines Tages kann sie nicht mehr kommen, sie ist an Krebs erkrankt. Was passiert, wenn plötzlich jemand fehlt, der immer da war? Ohne Babettes schützenden Blick verliert das Ehepaar seinen Halt, jeder zieht sich in sich selbst zurück, Gefühle, deren man sich sicher war, verschwinden. Paolo Giordano zeigt mit der ihm eigenen präzisen Beobachtungsgabe und großen Empathie, wie das Fehlen eines geliebten Menschen alles verändert und wie man gleichzeitig die Erinnerung an eine geliebte Person wachhalten kann. Mit psychologischer Meisterschaft beschreibt er, wie Bindungen entstehen, wie wir mit Gefühlen umgehen, sie verlieren und wiederfinden können. Welche Farben haben Gefühle? Giordano wendet die Viersäftelehre des griechischen Gelehrten Galenos auf seine Protagonisten an. Das Schwarz der Melancholie und das Silberne der Fröhlichkeit zeichnen den Ich-Erzähler und seine Frau aus und geben dem Buch seinen Titel. Lassen sich Gefühle bei einem Paar mischen? Ist es wie bei kommunizierenden Gefäßen? Oder bleibt jeder in seiner eigenen Gefühlswelt und dem anderen für immer ein wenig fremd? Ein wunderschöner Liebesroman und ein würdevoller Trost für alle, die einen geliebten Menschen verloren haben.

Paolo Giordano wurde 1982 in Turin geboren, wo er Physik studierte und mit einer Promotion in Theoretischer Physik abschloss. Danach arbeitete er als profilierter Journalist. Sein erster Roman «Die Einsamkeit der Primzahlen» war ein internationaler Bestseller. Er wurde in über vierzig Sprachen übersetzt und verfilmt. Zuletzt erschien sein vielbeachteter Roman 'Den Himmel stürmen'. Giordano erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den angesehensten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega. Paolo Giordano lebt in Rom.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644049314
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum25.09.2015
Auflage1. Auflage
Seiten176 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse922 Kbytes
Artikel-Nr.1699438
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Der Paradiesvogel (I)

Das Ende kam schnell, war aber von einem Omen angekündigt worden, davon jedenfalls wollte Signora A. uns in den letzten Monaten überzeugen, fast als ob eine Vorwarnung dem einen Sinn geben könnte, was schlichtweg Unglück war.

In den letzten Sommertagen, anderthalb Jahre vor ihrer Beerdigung, arbeitete sie im Garten hinter dem Mehrfamilienhaus. Sie rupfte die abgeernteten Bohnenpflanzen aus, um Platz zu schaffen für den Kohl, da lässt sich wenige Schritte von ihr entfernt ein Vogel nieder, oben auf einem der Steine, die das kleine Geviert abgrenzen, das ihr gehört.

Über ihre achtundsechzig Jahre gebeugt, die sie doch noch stützen, hält Signora A. inne, um den Vogel nicht zu erschrecken, während er ihr einen forschenden Blick zuwirft. Einen solchen Vogel hat sie noch nie gesehen. Die Größe ist ungefähr die einer Elster, aber die Farben sind ganz anders: Um den Kragen herum wachsen Büschel zitronengelber Federn hervor, die ihm bis auf die Brust hinabreichen und sich im blauen Gefieder des Rückens und der Flügel verlieren, und er hat einen langen Schwanz aus weißen Federn, Baumwollfasern, die am Ende eingerollt sind wie Angelhaken. Die Anwesenheit eines Menschen scheint ihn nicht zu stören, im Gegenteil, Signora A. hat den Eindruck, er habe sich dorthin gesetzt, damit sie ihn bewundern könne. Ihr Herz beginnt heftig zu klopfen, sie kann sich nicht erklären, warum, fast geben ihre Knie nach. Sie fragt sich, ob er vielleicht einer kostbaren, seltenen tropischen Art angehöre und dem Käfig seines Halters entflohen sei: Exemplare dieser Art gibt es in der Gegend von Rubiana nicht. Doch soweit sie weiß, gibt es in Rubiana auch keine Tierhalter.

Mit einem Ruck legt der Vogel den Kopf auf die Seite und beginnt mit dem Schnabel an einem Flügel zu zupfen. Seine Bewegungen haben etwas Mutwilliges, nein, nicht wirklich, wie heißt das Wort noch ... etwas Hochmütiges, das ist es. Als er mit dem Putzen fertig ist, fixiert er Signora A. aus seinen tiefschwarzen Augen. Die am Körper anliegenden Federn zittern einen Augenblick, die Brust schwillt in zwei sehr langsamen Atemzügen an. Schließlich erhebt er sich lautlos von dem Stein und fliegt davon. Signora A. verfolgt seinen Flug, sie schützt sich mit der Hand vor der Sonne. Sie würde ihn gern noch länger beobachten, aber schon bald verschwindet der Vogel zwischen den Steineichen des Nachbargrundstücks.

 

In der folgenden Nacht träumte sie von dieser Art Papagei. Als sie mir das erzählte, war die Krankheit bereits voll ausgebrochen, und an diesem Punkt war es unmöglich, objektive von erdachten Elementen oder schlichter Einbildung zu unterscheiden. Aber ich glaube, es ist wahr, dass Signora A. am Morgen darauf in dem Buch über die Fauna des Susatals, das sie bei sich zu Hause hatte, nach einem Bild des Vogels suchte, denn sie zeigte mir das Buch. Und zweifellos ist es wahr, dass sie, als sie kein Bild fand, beschloss, zu ihrem Freund, dem Maler, zu gehen, der ein begeisterter Ornithologe war, denn sie erzählte mir von diesem Besuch in allen Einzelheiten.

Von der Natur ihrer Beziehung zu dem Maler habe ich nie viel begriffen. Sie war nicht geneigt, darüber zu sprechen, vielleicht aus Schamgefühl, denn er war ein bekannter Maler - zweifellos die berühmteste Person, zu der sie nach Renatos Tod noch Kontakt hatte -, oder sie war ganz einfach eifersüchtig. Ich weiß, dass sie gelegentlich für ihn kochte oder in seinem Auftrag Besorgungen machte, aber im Grunde war sie eine Art Gesellschafterin für ihn, eine Freundin, mit der man sich in keuscher Weise unterhält. Ich habe den Eindruck, sie sahen sich öfter, als sie zu verstehen gab. Jeden Sonntag nach der Messe ging Signora A. ihn besuchen und blieb bis zur Mittagszeit. Die Villa des Malers, versteckt hinter sehr hohen Buchen und mit dem intensiven Rot ihrer Fassade, lag kaum drei Minuten mit dem Auto oder zehn Minuten zu Fuß von ihrem Haus entfernt an einer Asphaltstraße, die einen Halbkreis beschreibt.

Der Maler war ein Zwerg: Sie hatte keine Hemmungen, ihn so zu nennen, ja, sie sprach dieses Wort mit einer Spur befriedigter Grausamkeit aus. Nach so vielen Jahren, gestand sie mir, habe sie nicht aufgehört, sich dumme Gedanken über ihn zu machen, zum Beispiel habe sie nie aufgehört, sich zu fragen, wie es sein musste, im Sitzen nicht mit den Füßen auf den Boden zu kommen. Und immer beobachte sie seine Hände, diese plumpen, etwas steifen Finger, die doch imstande waren, Wunderwerke hervorzubringen. Er war der einzige Mann, den Signora A. mit ihren knappen ein Meter sechzig sich erlauben konnte an Größe zu übertreffen, aber er übte einen so weiten und dichten Zauber aus, dass sie es war, die sich immer und unter allen Umständen übertroffen fühlte. Ihn zu besuchen, in dem zum Atelier umfunktionierten Salon zu sitzen, zwischen all den Bildern und Rahmen, erinnerte sie an die Zeit, als Renato sie bei sich haben wollte, um Keller und Speicher nach seltenen und vergessenen Stücken zu durchsuchen.

«Das wird ein Wiedehopf gewesen sein», tippte der Maler an jenem Morgen Ende August auf gut Glück.

Er war mürrisch, und in letzter Zeit war das viel schlimmer geworden, aber Signora A. hatte sich angewöhnt, nicht darauf zu achten. Früher, erzählte sie mir, sei in der Villa ein Kommen und Gehen gewesen von Galeristen, Freunden und nackt posierenden Mädchen. Jetzt gingen da nur noch vier Frauen aus und ein, die sich ablösten, um ihn zu versorgen. Es waren Ausländerinnen, und keine war schön genug, um auf der Leinwand verewigt zu werden. Signora A. wusste, dass der Maler fast den ganzen Tag über an früher dachte, dass er fast nicht mehr malte, dass er allein war. Genau wie sie.

«Ich werde doch wohl noch wissen, wie ein Wiedehopf aussieht. Das ist etwas ganz anderes», gab sie trocken zurück.

Mit einem kleinen Satz sprang der Maler von seinem Sessel und verschwand im Nebenzimmer. Signora A. begann, den Salon mit Blicken abzusuchen, als ob sie ihn nicht genügend kennte. Ihr Lieblingsbild stand am Boden, unvollendet. Es stellte eine nackte Frau dar, die an einem Tisch sitzt, die schönen Brüste nur ein wenig unterschiedlich, die großen Brustspitzen in einem wesentlich lebhafteren Rosa als die Haut drum herum. Vor ihr vier flammend rote Pfirsiche und ein Messer, mit dem sie sie vielleicht schälen will. Aber sie tut es nicht. Sie bleibt ewig reglos, wartet auf den günstigen Augenblick.

«Das war sein schönstes Bild. Nun, an jenem Tag hat er es in einer halben Stunde vor meinen Augen fertiggestellt. Er hat zu mir gesagt: Bist du mit dem Auto da? Dann kannst du es mitnehmen. Das hat er aus Mitleid getan, ganz bestimmt. Wenn ich ihn darum gebeten hätte, hätte er es mir nicht gegeben. Aber er hatte begriffen, wie die Dinge lagen. Als Erster von allen, noch vor den Ärzten. Er hatte es wegen dem Vogel begriffen. Er kam mit einer kleinen Ledermappe wieder in den Salon und legte sie mir auf die Knie. Ist es der da? , fragte er. Ich habe ihn gleich wiedererkannt, mit diesen eingerollten weißen Schwanzfedern. Er hatte schon jahrelang keinen solchen Vogel mehr gesehen, mindestens seit 1971. Er glaubte, sie wären verschwunden. Und dabei ist der Paradiesvogel genau zu mir gekommen. Man nennt ihn so, Paradiesvogel, aber er bringt Unglück. Ich habe zu ihm gesagt: Wir sind alt, wir beide. Was soll das Unglück uns schon anhaben? Dabei hatte ich ein paar Tage zuvor einen Spiegel zerbrochen. Oh, da ist der Maler aber wütend geworden. Von wegen Spiegel! , hat er geschrien. Dieser Vogel bringt den Tod! »

 

Einmal habe ich Nora gefragt, ob sie je ernsthaft an die Geschichte mit dem Vorzeichen geglaubt hat. Sie fragte zurück: «Und du?»

«Natürlich nicht.»

«Ich natürlich ja. Ich glaube, das wird immer ein Unterschied zwischen uns beiden bleiben.»

Es war spätabends, Emanuele schlief, und wir räumten gemächlich die Küche auf. Wir hatten eine offene Flasche Wein auf dem Tisch stehen lassen, fast halb voll.

«Was fehlt dir am meisten ohne sie?», fragte ich.

Nora musste nicht lang überlegen, offenbar hatte sie darüber nachgedacht. «Mir fehlt die Art, wie sie uns Mut machte. Die Menschen geizen so sehr mit Mut. Sie wollen sich nur vergewissern, dass du noch weniger hast als sie.» Sie machte eine lange Pause. Ich kann nicht entscheiden, ob ihre Pausen spontan sind oder ob sie sie jede einzeln abwägt wie eine Schauspielerin. «Sie nicht», setzte sie hinzu. «Sie war immer auf unserer Seite.»

«Du hast mir nie erzählt, worüber ihr gesprochen habt, die ganze Zeit, während du im Bett lagst.»

«Haben wir so viel gesprochen?»

«Oh ja.»

Nora trank einen Schluck Wein aus der Flasche. Solche Ungezogenheiten erlaubt sie sich nur abends, wenn wir allein sind, als ob Müdigkeit und Vertrautheit ihre Hemmschwelle herabsetzen würden. Ein dunkelroter Fleck blieb an ihrer Lippe.

«Sie war es, die redete», sagte sie, «ich hörte zu. Sie erzählte mir von Renato, sie stellte ihn bei allem in den Mittelpunkt, als ob er noch am Leben wäre. Ich bin mir sicher, wenn sie allein zu Hause war, redete sie laut mit ihm. Sie hat mir gebeichtet, dass sie immer noch den Tisch für ihn deckt, nach all den Jahren. Das fand ich sehr romantisch. Romantisch, und auch ein bisschen pathetisch. Aber eigentlich ist alles, was sehr romantisch ist, auch pathetisch, oder nicht?»

Derlei Unterhaltungen führten Nora und ich immer wieder, jeden Abend, besonders in den ersten Monaten nach dem Tod von Signora A. Das war die Strategie, die wir uns...
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Autor

Paolo Giordano wurde 1982 in Turin geboren, wo er Physik studierte und mit einer Promotion in Theoretischer Physik abschloss. Danach arbeitete er als profilierter Journalist. Sein erster Roman «Die Einsamkeit der Primzahlen» war ein internationaler Bestseller. Er wurde in über vierzig Sprachen übersetzt und verfilmt. Zuletzt erschien sein vielbeachteter Roman "Den Himmel stürmen". Giordano erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den angesehensten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega. Paolo Giordano lebt in Rom.Barbara Kleiner, geboren 1952, lebt in München. Übersetzerin u.a. von Primo Levi, Ippolito Nievo, Italo Svevo, Paolo Giordano, Davide Longo; ausgezeichnet mit dem Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW, dem Deutsch-Italienischen Übersetzerpreis und dem Johann-Heinrich-Voß-Preis für Übersetzung.