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Jud Süß

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
155 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am26.02.20161. Auflage
Rowohlt E-Book Theater «Paul Kornfeld schrieb 1929 sein historisches Stück ?Jud Süß?, um in die Gegenwart einzugreifen. Durch die Geschichte des Hofjuden Joseph Süß Oppenheimer, der 1738 in Stuttgart erhängt und in einem eisernen Käfig zum Vogelfraß gemacht wurde, legte er Entstehung und Wesen des Antisemitismus dramatisch offen.» (Georg Hensel) Der vollständige Stücktext galt bis zu seiner Wiederentdeckung als verschollen.

Paul Kornfeld (*1889 in Prag, gestorben 1942 in Lodz) gehörte in Prag zum Literatenzirkel um Franz Werfel und Max Brod, bevor er 1916 als freier Schriftsteller nach Frankfurt/M. zog. Mit seinen ersten Dramen und der programmatischen Schrift verhalf er dem expressionistischen Theater in Deutschland zum Durchbruch; nach dem Ersten Weltkrieg wandte er sich der gehobenen Unterhaltungskomödie zu. 1925 engagierte ihn Max Reinhardt als Dramaturg an das Deutsche Theater in Berlin, wo er bis zu seiner Emigration nach Prag 1933 lebte. 1941 wurde er nach Polen deportiert und starb 1942 im Konzentrationslager Lodz an Typhus. Posthum erschien 1957 sein Großstadtroman Blanche oder Das Atelier im Garten.
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Produkt

KlappentextRowohlt E-Book Theater «Paul Kornfeld schrieb 1929 sein historisches Stück ?Jud Süß?, um in die Gegenwart einzugreifen. Durch die Geschichte des Hofjuden Joseph Süß Oppenheimer, der 1738 in Stuttgart erhängt und in einem eisernen Käfig zum Vogelfraß gemacht wurde, legte er Entstehung und Wesen des Antisemitismus dramatisch offen.» (Georg Hensel) Der vollständige Stücktext galt bis zu seiner Wiederentdeckung als verschollen.

Paul Kornfeld (*1889 in Prag, gestorben 1942 in Lodz) gehörte in Prag zum Literatenzirkel um Franz Werfel und Max Brod, bevor er 1916 als freier Schriftsteller nach Frankfurt/M. zog. Mit seinen ersten Dramen und der programmatischen Schrift verhalf er dem expressionistischen Theater in Deutschland zum Durchbruch; nach dem Ersten Weltkrieg wandte er sich der gehobenen Unterhaltungskomödie zu. 1925 engagierte ihn Max Reinhardt als Dramaturg an das Deutsche Theater in Berlin, wo er bis zu seiner Emigration nach Prag 1933 lebte. 1941 wurde er nach Polen deportiert und starb 1942 im Konzentrationslager Lodz an Typhus. Posthum erschien 1957 sein Großstadtroman Blanche oder Das Atelier im Garten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644907119
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum26.02.2016
Auflage1. Auflage
Seiten155 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1703586
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Erster Akt

Erste Szene



Im Stuttgarter Schloss. Kleiner Saal mit Thronsessel. KAMMERHERREN - HOFCHARGEN - DIENER - ZEREMONIENMEISTER



ZEREMONIENMEISTER

Meine Herren! Seine Durchlaucht wird im Augenblick erscheinen. Ist alles in Ordnung? Mein Freund, Sie kennen die Reihenfolge der Audienzen? Sind die Leute versammelt?



1. KAMMERHERR

Sie warten.



ZEREMONIENMEISTER

Und sollen sich bereithalten! - Meine Herren, Seine Durchlaucht wird im Augenblick erscheinen! - (zu den DIENERN): Und ihr, dass ihr euch nicht rührt! Ihr seid wie Statuen! Wenn man bemerkt, dass ihr Menschen seid, dann seid ihr keine Menschen mehr, dann seid ihr Schweine! - Meine Herren, Seine Durchlaucht wird im Augenblick erscheinen! - (Ab.)



1. KAMMERHERR

Der Herzog soll heute sehr gut gelaunt sein?



2. KAMMERHERR

Wahrscheinlich, weil er einen Wutanfall schon hinter sich hat. Er hat dem Stein eine Tasse an den Kopf geworfen und ihm eine Ohrfeige gegeben.



1. KAMMERHERR

Und warum?



2. KAMMERHERR

Weil die Bouillon zu heiß war.



1. KAMMERHERR

Ja, da hat er auch recht.



Der ZEREMONIENMEISTER tritt auf.



ZEREMONIENMEISTER

Seine Durchlaucht, der Herzog!



Der HERZOG und der Minister REMCHINGEN treten auf.



HERZOG

Nun, was wird mir heute serviert?



REMCHINGEN

Es ist nicht viel, Durchlaucht. Zuerst diese kleine Reihe von Audienzen, und um halb zwölf ist heute, am Mittwoch, im blauen Saal der Staatsrat versammelt.



HERZOG

Gut. Fangen wir an! (Er setzt sich auf den Thronsessel.)



ZEREMONIENMEISTER

Seine Exzellenz, General von Speckenschwardt, Oberst Graf Schönborn, Leutnant von Findlingen im Namen der Generale und Offiziere der kaiserlichen Armee!



SPECKENSCHWARDT, SCHÖNBORN, FINDLINGEN treten auf.



SPECKENSCHWARDT

Durchlauchtigster Herzog, gnädigster Fürst, großer Feldmarschall! Als Eure Durchlaucht durch Gottes Fügung und zum Segen dieses Landes auf den Thron des Herzogtums Württemberg gesetzt wurden und die Führung der Armee niederlegten, die Eure Durchlaucht so lange von Sieg zu Sieg geführt hatten, da ging ein Schluchzen durch alle Regimenter, und wir blieben verwaist zurück. Und nur einen Trost hatten wir: die Erinnerung an die glorreiche Zeit, die Erinnerung an die Siege, die wir erfochten hatten, als Eure Durchlaucht noch unser oberster Führer gewesen waren. Als vor zwei Jahren Eure Durchlaucht Belgrad verließen, um dem Rufe dieses Landes zu folgen, da blieb uns nur ein Glück: das Versprechen Eurer Durchlaucht, dass Eure Durchlaucht die Armee Eurer Durchlaucht nicht vergessen werden. Zwei Jahre nach der Schlacht von Semlin, genau auf den Tag, haben sich die Generale und Offiziere versammelt, um die Erinnerung an diesen großen Sieg zu feiern. Die Versammlung hat uns beauftragt, Eurer Durchlaucht davon Nachricht zu geben, dass sie getragen war von Gedanken an Eure Durchlaucht, unsern geliebten Feldmarschall, und hat uns beauftragt, Eurer Durchlaucht die Versicherung unserer Gefühle zu Füßen zu legen und Eure Durchlaucht um eine Gnade zu bitten: dass die Generale und Offiziere der kaiserlichen Armee durch uns Eurer Durchlaucht dieses Geschenk übersenden dürfen zum Zeichen ihrer Liebe, ihrer Verehrung und zum Zeichen ihrer Hoffnung, dass die alten Zeiten wieder lebendig werden mögen! -



Eine pompöse Rüstung wird hereingetragen.



HERZOG

Ich danke Ihnen. Es gibt kein Geschenk, mit dem die Generale und Offiziere mir eine größere Freude hätten bereiten können. Es erinnert mich an gute Zeiten und mahnt mich, an die Zukunft zu denken. Ginge es nach mir, ich würde die Rüstung heute noch anlegen. Noch mehr Freude aber als das Geschenk, bereiten mir seine Überbringer. Ich habe oft an Sie gedacht, General, an Ihre Entschlossenheit, Ihre Umsicht und Ihren Mut. Sie, Oberst, zu meiner Zeit waren Sie Major. Wann sind Sie avanciert?



SCHÖNBORN

Vor einem halben Jahr, Durchlaucht.



HERZOG

Gut! Und ich bedauere nur, dass ich Sie nicht zum Oberst gemacht habe. - Und Sie, mein Freund, Sie haben zwei Tage bevor ich wegmusste, geheiratet. Aber Ihre Frau habe ich nicht kennengelernt. Waren Sie eifersüchtig?



FINDLINGEN

Ich war es. Und wer wäre es nicht gewesen, der die Wirkung Eurer Durchlaucht auf die Frauen kennt?



HERZOG

Ach was! Was kümmert mich meine Wirkung auf die Frauen! Mich interessiert immer nur, welche Frau im Augenblick die meiste Wirkung auf mich ausübt! - Wie geht es allen meinen Freunden bei der Armee? Was macht der General Eppler? Wie oft war er besoffen, seitdem ich fort bin von der Armee?



SPECKENSCHWARDT

Nur einmal, Durchlaucht. Am Tage, an dem wir von Eurer Durchlaucht Abschied nehmen mussten, kam er in den von Eurer Durchlaucht bezeichneten Zustand, und seit damals bis zum Tage unserer Abreise hat ihn der Zustand nicht mehr verlassen.



HERZOG

Bravo! So habe ich ihn gekannt! Und so gefällt er mir! - Wir wollen uns noch viel miteinander unterhalten. Das war nur die erste Begrüßung, Ihr seid am Abend meine Gäste, als meine Kameraden! Und wenn ich Euch auch keine Türken servieren kann, so werdet Ihr als Ersatz die Weinflaschen nehmen, denen Ihr die Köpfe abhacken, und die Frauenzimmer, denen Ihr die Köpfe verdrehen könnt! - Bis Abend! ...



Die DREI OFFIZIERE ab.



HERZOG

Weiter!



ZEREMONIENMEISTER

Der Schmied Rottach!



Der Schmied ROTTACH, ein blinder Mann, wird hereingeführt.



ROTTACH

Gnädiger Herr, die Herren vom Hof haben mir erlaubt, dass ich vor Ihnen erscheine.



HERZOG

Du hast mir schreiben lassen, wolltest mir dein Unglück klagen. Du bist erblindet. Wie kam es denn dazu?



ROTTACH

Feuer, Feuer, gnädiger Herr, Feuer! Es war vor drei Monaten. Ich schlief oben in meiner Kammer. Plötzlich wache ich auf und höre Geschrei. Ich weiß nicht, ob es ein Traum ist, und horche. Aber es war Wirklichkeit. Ich springe auf und zum Fenster, und draußen die Gasse war ganz hell und das Haus gegenüber unten ganz beleuchtet. Wie ein Blitz schießt es mir durch den Kopf: Was ist das? Und schon ein zweiter Blitz: Es brennt! ... Ich reiße das Fenster auf und brülle hinunter: «Wo brennt´s?» Und sie brüllen herauf: «Bei dir! Unten hat´s gebrannt!» - Ja, gnädiger Herr, so geht´s: Man schläft und weiß nicht, dass es schon brennt! Jetzt aber kommt´s! Mein erster Gedanke war: Ich muss meine Frau wecken! So verwirrt ist der Mensch in solchen Augenblicken! Und dabei ist sie schon zehn Monate tot! Und wie ich mich erinnere, dass sie doch nicht mehr lebt, hatte ich dennoch, bei allem Feuer, Zeit, einen Augenblick stehen zu bleiben und aufzuseufzen - während draußen die Leute lärmen, vor den Fenstern der Rauch schon in die Höhe zieht und sein Gestank in meine Nase dringt! Aber nur einen kleinen Augenblick! Ich stürze in die Kammer meiner Kinder, aber auf dem Weg reiße ich die andere Tür auf, um zu sehen, ob die Treppe noch frei ist. Ja, sie war frei. Die beiden größeren meiner beiden Kinder waren schon aufgewacht. Früher hatte ich fünf Kinder, aber die beiden ältesten waren bei den Soldaten, der eine ist in der Schlacht gefallen, und der andere hat sich bei der Armee eine Krankheit geholt und ist mir sterbend nach Hause gekommen. Ach, gnädiger Herr, das Leben! Ich sage also zu den beiden Kindern - es sind Mädchen: «Lauft hinunter! Auf die Straße mit euch! Fragt nichts! Sagt nichts! Dort hängt der Schlüssel, nehmt ihn und lauft!» Das jüngste Kind aber, ein Bub, liegt noch da und schläft. Es aber brummt etwas und kugelt sich auf die andere Seite. Ich will ihn auf den Arm nehmen, in seine Decke eingehüllt, er wehrt sich, will nicht - es war ein richtiger kleiner Kampf. Endlich trage ich ihn weg, ein schwerer zehnjähriger Bub - aber was war das? Vor einer Minute ist die Treppe noch dagestanden, ganz als eine Treppe, jetzt war alles Flamme und Rauch! Und dahinter, ganz in der Ferne, auf der Straße das Geschrei der Leute ... Wie das so plötzlich geschehen ist? Unter der Treppe war ein Verschlag, war ganz mit Heu gefüllt, und plötzlich hatte es angefangen. Die beiden Mädchen hatten schon aufgesperrt und waren auf der Straße, ich aber stehe da und weiß nicht, was ich tun soll. Da denke ich: Je länger ich warte, desto schlimmer wird´s. Und gehe hinunter. Schritt für Schritt, Stufe für Stufe, auf den Armen meine Last. Um mich ist Dunst, Gestank und Feuer, und ich weiß nicht: Brennt nur das Heu, oder brennt schon die morsche Treppe, oder brennen schon wir? ... Ich höre von allen Seiten knistern und weiß nicht, knistert das Heu, oder knistert das Holz, oder knistert mein Haar und mein Bart? ... Hier, ich fühle meine Narben im Gesicht. Zwölf Stufen gehe ich hinunter, Schritt für Schritt mit meiner Last, und wie ich auf der Straße stehe, halte ich auf meinen Armen ein Bündel von Flammen. - Wir...



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Autor

Paul Kornfeld (*1889 in Prag, gestorben 1942 in Lodz) gehörte in Prag zum Literatenzirkel um Franz Werfel und Max Brod, bevor er 1916 als freier Schriftsteller nach Frankfurt/M. zog. Mit seinen ersten Dramen und der programmatischen Schrift verhalf er dem expressionistischen Theater in Deutschland zum Durchbruch; nach dem Ersten Weltkrieg wandte er sich der gehobenen Unterhaltungskomödie zu. 1925 engagierte ihn Max Reinhardt als Dramaturg an das Deutsche Theater in Berlin, wo er bis zu seiner Emigration nach Prag 1933 lebte. 1941 wurde er nach Polen deportiert und starb 1942 im Konzentrationslager Lodz an Typhus. Posthum erschien 1957 sein Großstadtroman Blanche oder Das Atelier im Garten.