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Die einsamen Liebenden

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am19.02.20161. Auflage
Wunder geschehen, auch wenn man nicht daran glaubt Moshe, ehemaliger Kibbuznik, später Offizier mit geheimer Mission und noch später - nach schwerer Krise - ultraorthodox, sehnt sich nach Ayelet, seiner unvergessenen Jugendliebe, die er sieben Jahre nach der Trennung wiedersieht. Ein anspielungsreicher Roman um Einzelgänger, um Reisende und Zurückkehrende und eine menschliche Komödie der Irrungen - turbulent, kurzweilig und amüsant.

Eshkol Nevo, geboren 1971 in Jerusalem, zählt zu den wichtigsten Schriftstellern Israels und wurde vielfach international ausgezeichnet. Bei dtv erschienen zuletzt die Romane >Die einsamen LiebendenÜber unsDie Wahrheit ist< (2020). Nevo lebt mit seiner Frau und drei Töchtern in Ra'anana, Israel.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextWunder geschehen, auch wenn man nicht daran glaubt Moshe, ehemaliger Kibbuznik, später Offizier mit geheimer Mission und noch später - nach schwerer Krise - ultraorthodox, sehnt sich nach Ayelet, seiner unvergessenen Jugendliebe, die er sieben Jahre nach der Trennung wiedersieht. Ein anspielungsreicher Roman um Einzelgänger, um Reisende und Zurückkehrende und eine menschliche Komödie der Irrungen - turbulent, kurzweilig und amüsant.

Eshkol Nevo, geboren 1971 in Jerusalem, zählt zu den wichtigsten Schriftstellern Israels und wurde vielfach international ausgezeichnet. Bei dtv erschienen zuletzt die Romane >Die einsamen LiebendenÜber unsDie Wahrheit ist< (2020). Nevo lebt mit seiner Frau und drei Töchtern in Ra'anana, Israel.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423428798
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum19.02.2016
Auflage1. Auflage
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1330 Kbytes
IllustrationenFormat: EPUB
Artikel-Nr.1729732
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1âMan würde erwarten, dass eine Geschichte wie diese kolportiert wird, dass sie in Treppenhäusern und Schlafzimmern geflüstert, von Generation zu Generation mit allen Details weitergetragen wird - doch, o Wunder, sie hatte sich kaum ereignet, da sprach man schon nicht mehr von ihr. Obwohl es Zeugen, ja sogar Augenzeugen gab, sprach keiner mehr von ihr, weder auf Hebräisch noch auf Russisch oder Amerikanisch, als habe man beschlossen, den Skandal mit feinen Zeitflöckchen zu bedecken, mit Sekunden über Sekunden, die sich zu Minuten aufhäuften wie Schnee. Ohnehin hätte diese Geschichte niemand geglaubt.

Würde man aber - einmal angenommen - um Mitternacht eine Leiter an die Westwand des Gebäudes der Stadtverwaltung lehnen, diese flink Sprosse für Sprosse erklimmen und beherzt gegen das richtige Fenster drücken - man müsste es gar nicht einschlagen, Reuven vom Archiv lässt es gern angelehnt, damit etwas frische Luft hereinkommt -, so fände man nach dem Betätigen des Lichtschalters mühelos in der zweiten Reihe eines unteren Regalfaches den schon etwas abgegriffenen Ordner »Spenden 1993-94«, und darin nach kurzem Blättern einen ganz offiziellen Brief von Jeremiah Mandelsturm, Hilborn, New Jersey, an den Bürgermeister der Stadt.

Dieser Brief ist, der Leser sei gewarnt, zwar offiziell, aber keineswegs kurz. Es scheint, als sei es Jeremiah Mandelsturm ergangen wie manch anderem, der die Feder übers Papier führt: Die Feder begann, ihn zu führen. Vielleicht hat auch die Einsamkeit, die der Urgrund aller Dinge ist, das ihre dazu beigetragen. Jedenfalls ließ sich Herr Mandelsturm, obwohl er ursprünglich einen kurzen und pragmatischen Brief hatte verfassen wollen, auf den ersten beiden Seiten hinreißen, seine selige Frau Gemahlin zu beschreiben, und seine Zeilen waren nicht kurz und bündig, sondern lang und gewunden wie sein Verlangen nach ihr. Er begnügte sich nicht mit Phrasen - schrieb nicht, sie sei »eine Gerechte« gewesen, »eine tüchtige Frau, nur schwer zu finden«, sondern erzählte seinem Leser nach und nach kleine Begebenheiten aus ihrem gemeinsamen Leben: Ihre erste Begegnung auf der Beschneidungsfeier der Frischbergs, bei der sie beide so verlegen gewesen waren; sie hatte etwas abseits gestanden, unfähig, den entscheidenden Moment mit anzuschauen, und er hatte sich nach ihr umgewandt, unfähig, sie nicht anzuschauen. Oder: Ein Jahr später, ein Abendspaziergang vom Westvillage zum Hudson, während dessen sie ihm all ihre Träume erzählte und ihm dann erklärte: Du musst wissen: Ich bin nicht so eine, die mit ihrem Geliebten am Ufer des Hudson spazieren geht und ihm all ihre Träume erzählt, nur um zwei Monate später von ihm schwanger zu werden und auf alles, was sie vorhatte, zu verzichten, und er hatte gesagt, God forbid, wie kommst du darauf, aber tief in seinem Herzen war er stolz gewesen, denn das war im Grunde das erste Mal, dass sie ihm - freilich auf ihre ganz eigene Art - gesagt hatte, dass sie ihn liebe. In den folgenden vierzig Jahren hatte sie ihm nur selten Liebeserklärungen gemacht, doch wenn sie es tat, dann konzentriert und mit Andacht, wie im Gebet. In den Zeiten dazwischen konnte er sich nach dem nächsten Mal sehnen, aber jetzt, nachdem sie gegangen war, gab es nichts mehr, wonach er sich sehnte.

Ja, manchmal schaue sie ihn aus den Augenwinkeln seiner Kinder an, schrieb er, und seine Enkelin, die kleine Tochter seines Ältesten, lächele genau wie sie und ziehe auch die Augenbrauen genau wie sie nach oben, wenn sie staune, aber Amerika sei eben nicht Israel, you must understand, in Amerika leben die Familien zerstreut wie Tonscherben und nicht wie Puzzlesteine, und in dem halben Jahr zwischen dem Neujahrsessen und dem Sederabend des Pessachfestes suche er vergebens nach einem Sinn in seinem Leben, ein Tag klebe am anderen; nicht einmal der Mammon, an dessen Anhäufung er all die Jahre Tag und Nacht gearbeitet habe, sei ihm mehr Anreiz, und deshalb habe er sich nun etwas überlegt: Er wolle seiner geliebten Frau Gemahlin ein Denkmal setzen, und zwar durch den Bau eines rituellen Tauchbades in der Stadt der Gerechten.

Im letzten Sommer hatten seine Frau Gemahlin und er die Stadt der Gerechten besuchen wollen; sie hatten die Tickets schon gekauft und auch die englische Ausgabe des Vollständigen Führers zu den Gräbern der heiligen Zaddikim, doch dann, an einem Sonntag, als er gerade in der Wochenendausgabe der Zeitung blätterte, hörte er ein dumpfes Geräusch aus dem Schlafzimmer. Wie eine Faust, die in einen Sack schlägt.

Über diesen Moment wolle er sich nicht weiter auslassen. Er könne es nicht und werde es vermutlich niemals können. Stattdessen komme er nun zur Sache.

Wie gesagt, hege er die Absicht, der Stadt der Gerechten ein neues Tauchbad zu stiften, eine koschere Mikwe; er werde alle damit verbundenen Ausgaben übernehmen und habe nur eine Bedingung, die weniger eine Bedingung als vielmehr eine Hoffnung sei, die in ihm wie die Flamme eines Seelenlichts in seinem Glasbecher pulsiere: dass das Gebäude mit einer Tafel über dem Eingang, die den Namen seiner Frau trage, bis zum kommenden Sommer fertig sein werde, in dem er vorhabe, so Gott will, das Heilige Land zu besuchen.

*

Von dem Tag an, an dem er sich eine Kippa aufgesetzt hatte und hinauf in die Stadt der Gerechten gefahren war, gab sich Mosche Ben Zuk redlich Mühe, sich selbst als einen zu betrachten, der neu geboren war und nun aus sicherem Abstand auf seine früheren Begierden blickte. Doch trotz aller Anstrengungen hatten sich in ihm noch einige alte Neigungen gehalten, aus seiner Zeit als Kibbuznik mit gebrochenem Herzen und als Offizier des Nachrichtendienstes in dem Geheimen-Militärcamp-das-jeder-kennt. Noch immer sammelte er wie besessen Landkarten, summte leise die rockigen Songs von Shalom Hanoch, rauchte nach dem Mittagessen eine Noblesse und verscheuchte mit der Hand Ayelets Geruch, der ihm in die Nase stieg.

Es war nicht Zimt, auch nicht der Duft eines bestimmten Shampoos, sondern einfach ihr Geruch. Jedes Mal, wenn er ihn wahrnahm, obwohl er genau wusste, das konnte ja nicht sein, wie denn auch, ob im Supermarkt am Kühlregal mit den Milchprodukten, ob auf dem Spielplatz bei den Schaukeln oder - wie von der Hand des Versuchers - beim Beten in der Synagoge, verscheuchte er ihn mit einer energischen Handbewegung, doch seine Augen, die suchten weiter nach ihr: Vielleicht würde sie ja trotz allem ...

An diesem Morgen trägt ein kalter Winterwind Ayelets Geruch in seinen Wagen. Er schließt sofort das Fenster, was seine Lage nur verschlimmert, jetzt ist er eingeschlossen mit ihrem Geruch, allein mit ihr in einem Raum. So öffnet er das Fenster wieder und schaut ängstlich in den Seitenspiegel, in den Rückspiegel und wieder in den Seitenspiegel, vergewissert sich, obwohl es wirklich nicht sein kann, wie denn auch -, dass sie, Gott behüte, zurückgekommen ist, schaut schließlich wieder auf die Straße und gibt mächtig Gas. Er kennt sich schon - das Beste für ihn ist jetzt, so schnell wie möglich zur Arbeit zu kommen. Da kann er seine Nase in die Probleme anderer Leute stecken.

Als persönlicher Assistent des Bürgermeisters in allen Angelegenheiten besitzt Ben Zuk ein geräumiges Büro, an dessen Wänden er unglaublich viele Karten aufgehängt hat: solche, die man dort erwartet hätte, wie die »Karte der Synagogen« oder die »Karte der Talmudschulen«, sehr interessante Karten wie die der »Jährlichen Zuwendungen« und auch völlig überflüssige, die seiner puren Lust am Kartenzeichnen entsprungen sind, wie die Karte »Konzentration von Pkws der Marke Subaru nach Baujahr in der Stadt der Gerechten« oder seine »Städtische Karte der Sonderlinge«.

Zu den wöchentlichen Ratssitzungen kommt er immer etwas früher, hängt im Besprechungssaal seine Karten an die Wand und darüber, sorgsam aufgerollt, die Folien, die er während der Diskussion herunterlassen wird - die habe ich zufällig schon vorbereitet -; so auch vor dieser Sitzung, die wegen der Anfrage des spendenfreudigen Witwers Jeremiah Mandelsturm anberaumt wurde.

Die gegenwärtige Situation ist folgende, erklärt Ben Zuk, indem er von seinem Stuhl aufspringt und mit einem langen schmalen Stock willkürlich auf verschiedene Punkte der »Karte der rituellen Tauchbäder« schlägt. Die Wucht der Schläge lässt die Anwesenden jedes Mal zusammenzucken. Ben Zuk ist ein Mann von gedrungener Figur, in dem sich widersprüchliche Triebe drängen. Seine Muskeln sprengen beinah die Ärmel seines Hemdes, so dass die Leute fälschlich annehmen, er trainiere mit Gewichten. Tief liegende Augen, ein durchdringender, glühender Blick. Die ewigen Bartstoppeln auf seinen Wangen rühren nicht etwa davon, dass er sich nicht anständig rasiert. Schon Sekunden, nachdem er fertig ist, beginnen sie wieder zu sprießen.

Tut mir sehr leid, sagt Ben Zuk, spaziert dabei mit seinem Stock über die Karte, ich würde dem Wunsch des ehrenwerten Herrn Mandelsturm gerne nachkommen, aber es gibt in der Stadt einfach keinen Platz für ein weiteres Tauchbad. Wir haben bereits die höchste Mikwendichte im gesamten Nahen Osten aufzuweisen, pro Quadratmeter und auch pro Kopf.

Was soll das heißen, »es gibt keinen Platz«, fragt der Bürgermeister in seinem Sitzungston, einem spöttischen, leicht tadelnden Ton mit unterschwelligem, aber deutlich spürbarem Gewaltpotenzial. (Avraham Danino beherrscht auch einen ganz anderen Ton, den er sich jedoch für persönliche Gespräche aufhebt, der ist weich, väterlich, geradezu vertrauensvoll. Obwohl Ben Zuk schon zwei Jahre für...
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Eshkol Nevo, geboren 1971 in Jerusalem, zählt zu den wichtigsten Schriftstellern Israels und wurde vielfach international ausgezeichnet. Bei dtv erschienen zuletzt die Romane >Die einsamen LiebendenÜber unsDie Wahrheit ist