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Eisesgrün

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Droemer Knaurerschienen am17.03.20161. Auflage
In Felix Leibrocks zweitem Weimar-Krimi 'Eisesgrün' entdecken zwei Landschaftspfleger merkwürdige Hügelgräber. Das erste, kaum größer als ein Maulwurfshügel, enthält eine Holzkiste mit einer Puppe. Das zweite einen Golden Retriever. Das dritte schließlich zwingt die beiden, die Polizei zu verständigen ...

Felix Leibrock, Jahrgang 1960, ist Polizeiseelsorger bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei, leitet das Evangelische Bildungswerk München und ist Mitglied der Evangelischen Redaktion bei Antenne Bayern. Früher war er u.a. Buchhändler, Stadtkulturdirektor von Weimar und Pfarrer in Thüringen. Er lebt in München und Weimar.
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Produkt

KlappentextIn Felix Leibrocks zweitem Weimar-Krimi 'Eisesgrün' entdecken zwei Landschaftspfleger merkwürdige Hügelgräber. Das erste, kaum größer als ein Maulwurfshügel, enthält eine Holzkiste mit einer Puppe. Das zweite einen Golden Retriever. Das dritte schließlich zwingt die beiden, die Polizei zu verständigen ...

Felix Leibrock, Jahrgang 1960, ist Polizeiseelsorger bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei, leitet das Evangelische Bildungswerk München und ist Mitglied der Evangelischen Redaktion bei Antenne Bayern. Früher war er u.a. Buchhändler, Stadtkulturdirektor von Weimar und Pfarrer in Thüringen. Er lebt in München und Weimar.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783426425886
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum17.03.2016
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.2
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1031 Kbytes
Artikel-Nr.1848290
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Prolog

An einem Novembertag im Jahre 1984

Der Herzinfarkt kam nicht überraschend. Ihr Geliebter verhielt sich feige. Das Amt entzog man ihr und raubte ihr damit die Ehre, den Stolz. Alles war so demütigend. Keine Nacht mehr, in der sie Ruhe fand. Kein Tag mehr, an dem sie aus der Grübelfalle herauskam. Sie hatte ihn geliebt, und er, er strafte sie, als es aufflog, dafür ab. Er musste die Fassade aufrechterhalten. Die Partei duldete nicht, dass sich solche Eskapaden herumsprachen. Also ließ er sie fallen. Seit damals spürte sie häufig Stiche im Herzen, dann dieses Rasen. Jetzt der Herzinfarkt.

»Los, bringen Sie sie jetzt runter in den OP. Wir fangen in einer Viertelstunde an.«

Von Anfang an hatte sie diesem Oberarzt nicht getraut. Sein Blick, der durch sie hindurchging. Sein aufgesetztes Lächeln, sein herrischer Ton. Sie, die Patientin, fühlte sich einer Willkür, deren Ziele ihr nicht klar waren, ausgeliefert. Erst presste man ihr ab, sich von der heimischen Klinik hierher verlegen zu lassen. Dann zwang man ihr die Unterschrift zur OP auf. Sie habe sonst keine Überlebenschance. Nur hier könne sie einen Bypass bekommen. »Warum nur hier?«, fragte sie verzweifelt. Aber der Oberarzt zeigte lediglich auf die Stelle im Formular, wo sie unterschreiben sollte.

»Wieso geht das jetzt so schnell mit der OP?«

Der jungenhafte Pfleger sah zu Boden. Ihm stand es nicht zu, ihre Frage zu beantworten. Wortlos fuhr er sie über den langen Gang. Der Oberarzt ging einige Meter vor ihnen her. Sie schwitzte vor Angst. In einem der großflächigen Fenster spiegelte sich ihr Konterfei, und sie erschrak: Die Wangen waren eingefallen, die leicht gebogene Nase trat spitz hervor. Entsetzt wandte sie sich ab, blickte auf ihre abgemagerten Finger, die aussahen wie die Zehen einer Krähe. Da beugte sich ein freundliches Gesicht über sie, strahlte sie warm an. Schwester Hanna.

»Wird schon. Seien Sie ganz ruhig. Einen Bypass zu legen, ist für uns Routine.«

Kurz vor der Eingangsschleuse des Operationssaals hielt der Pfleger an und rollte ihr Bett ein Stück zur Seite, drückte den automatischen Türöffner. Aus dem Augenwinkel sah sie den Gang entlang. Sie beobachtete, wie sich der Oberarzt Schwester Hanna in den Weg stellte. Er bedrängte sie, drückte sie gegen das Fenster. Oder täuschte sie sich?

Der Pfleger fuhr sie in die Eingangsschleuse. Schwester Hanna eilte jetzt auf den Operationssaal zu. Die Wangen gerötet, band sie sich die losen Haare mit einem Gummi zusammen.

»Wann ist sie so weit?« Der Oberarzt war auf dem Weg zum Waschraum zwischen den beiden Operationssälen.

»Dauert noch ein paar Minuten!« Die Anästhesistin hantierte mit einigen Beuteln herum und bereitete die Narkose vor.

Der Oberarzt verschwand im Waschraum, zog sich die OP-Kleidung an.

»Wir gehen nachher auf dreißig Grad Körpertemperatur!«, raunte er dem Kardiotechniker zu, während er den Operationssaal betrat.

»Dreißig Grad nur? Nicht tiefer? Sonst haben wir doch siebenundzwanzig, achtundzwanzig Grad!« Der Techniker machte keine Anstalten, den Temperaturknopf an der Herz-Lungen-Maschine entsprechend herunterzufahren. Unsicher sah er dem Arzt in die Augen, der sich die OP-Handschuhe zurechtzupfte. Eine gespannte Stille trat ein.

»Dreißig Grad!« Die Stimme des Oberarztes kam kalt, ließ keinen Widerspruch zu. Als Chirurg hatte er das Sagen bei der Operation, der Kardiotechniker musste sich fügen.

Ihr Herz raste. Wie soll man so ein aufgeregtes Herz operieren?, dachte sie sich. Sie sah zum Fenster in der Schleusentür. Wenn sie sich ein wenig aufstützte, könnte sie einen Blick in den Operationssaal erhaschen. Die Anästhesistin drehte ihr gerade den Rücken zu. Also probierte sie es. Sie schaffte es, mit Mühe. Pumpen, Flaschen, Schläuche erkannte sie. Zwei, drei Personen in grüner OP-Kleidung. Aufgeregt wanderten ihre Augen hin und her.

Der Anästhesiepfleger holte die Flasche mit der kardioplegischen Lösung und stellte sie in ein Eisbad neben der OP-Säule. Der Kardiotechniker überprüfte die Funktion der Schläuche an der Herz-Lungen-Maschine und nickte abschließend den anderen zu. Alles war vorbereitet. Der Oberarzt fluchte ungeduldig vor sich hin. Wo blieb nur die Patientin? Er ging zur Schleusentür, um durch das Fenster zu sehen, wie weit die Anästhesistin war. Da traf sein Blick auf ihren.

»Ja, ist die denn immer noch nicht weggetreten?«, brüllte er. Selbst durch die gut isolierte Schleusentür war das zu hören. Sekunden später spürte sie den Stich einer Nadel im Unterarm. Das Letzte, was sie sah, waren seine eisblauen Augen. Durch den schmalen Schlitz, den Mundschutz und Haube frei ließen, blickten sie kalt auf sie herab. Während sie hinwegdämmerte, zitterte sie.

* * *

Die kardioplegische Lösung tropfte über den sterilen Schlauch in die Aortenwurzel. Nach kurzer Zeit hörte das Herz auf zu schlagen. Die Herz-Lungen-Maschine arbeitete gleichmäßig wie ein Uhrwerk. Sie setzten die Klammern. Jetzt war es möglich, blutfrei zu operieren.

»Dreißig Grad. Es bleibt dabei?« Der Kardiotechniker runzelte die Stirn.

»Ja. Was soll diese Fragerei?« Der Oberarzt stieß einen missbilligenden Laut aus.

Schwester Hanna blickte irritiert zur Flasche mit der Lösung. Üblicherweise war die Lösung mit Kaliumchlorid farblos oder leicht gelblich. Diese aber schimmerte blau-grün. Die Farben auf dem Etikett der Flasche waren ungewohnt stark und klar. Was war das für eine Lösung? Und woher kam sie? Der Anästhesiepfleger hatte sie routinemäßig dem Kühlschrank entnommen. Doch am Vormittag hatte sie dort noch nicht gestanden, da war sich Schwester Hanna sicher.

»Herr Oberarzt, der Blutdruck ist zu hoch!« Der Kardiotechniker blickte eindringlich zum Operateur.

»Wie hoch?«

»Fast achtzig Millimeter Hg.«

Keine Reaktion. Einige Minuten operierte der Oberarzt stumm vor sich hin. Der Kardiotechniker sah zusehends verzweifelt auf seine Monitore. Er blickte in Richtung des Operateurs, der ihn ignorierte, dann zu Schwester Hanna und der Anästhesistin. Fast unmerklich schüttelten die beiden Frauen den Kopf. Sie alle wussten, wie entscheidend die möglichst tiefe Temperatur bei solchen Herzoperationen war. Nur so gelang es, den Sauerstoffverbrauch entscheidend zu senken. Dreißig Grad, das lag noch über der Flimmerschwelle des Herzens. Die Menge der Lösung und die über den Wärmetauscher an der Herz-Lungen-Maschine eingestellte Körpertemperatur mussten ineinandergreifen und sich ergänzen wie Yin und Yang. Aber hier und heute griff nichts ineinander. Die angezeigten Werte auf den Monitoren waren bedenklich.

»Doktor, wir müssen mit der Temperatur nach unten!« Es war mutig von ihm, dem Arzt zu sagen, was er zu tun hatte. Und das während einer OP! Aber hier ging es um Leben und Tod. Was blieb ihm anderes übrig? Trotzdem wagte er es nicht, eigenständig die Temperatur am Wärmetauscher zu korrigieren. Das würde ihn seine Stelle kosten. Noch schlimmer, denn der Oberarzt war bestens in der Partei vernetzt: Man würde ihn, den kleinen Kardiotechniker, einsperren. Wollte er das seiner Frau und den drei kleinen Kindern wirklich antun?

»Ich verstehe das auch nicht, Kollege«, schaltete sich die Anästhesistin ein. Sie war erst seit einem Monat in der Klinik. Jung, unerfahren und ohne Kenntnis der Hierarchien. Vorsichtshalber beließ sie es bei diesem schwachen Einwurf.

Der Oberarzt zischte etwas und griff nach dem Bypass. Einige Minuten später hatte er ihn gelegt.

»Sie können das Blut wieder aufwärmen!«, murmelte er. Der Kardiotechniker stellte den Temperaturknopf am Wärmetauscher auf achtunddreißig Grad. Die Operation schien gelungen, aber das Herz der Patientin fing nicht mehr an zu schlagen. Sie starb auf dem OP-Tisch.

»Warum sind Sie mit der Temperatur nicht weiter runtergegangen, Doktor?« Der Kardiotechniker hatte seine Emotionen nicht im Griff.

»Halten Sie gefälligst Ihren Rand! Sonst sind Sie heute zum letzten Mal dabei gewesen!«

Die Drohung des Oberarztes war unmissverständlich. Der Kardiotechniker sah zu Schwester Hanna hin. In ihren Augen standen Tränen.

* * *

Schwester Hanna betrat den Plattenbau und ging die vier Treppen zu ihrer Zwei-Raum-Wohnung langsam nach oben. Sie war frisch geschieden und lebte seit einigen Monaten alleine. Ein alter Schulkamerad, immer noch Junggeselle, machte ihr den Hof. Aber sie war noch nicht bereit, eine neue Beziehung einzugehen. Der Oberarzt ekelte sie an. Schon die halbe Schwesternschaft hatte er flachgelegt. Das wussten alle. Auch dass sie sein nächstes Opfer sein sollte, obwohl sie nicht in sein Beuteschema passte: sehr jung, langhaarig, schlank, sondern von alldem das genaue Gegenteil war. Aber weil sie ihn abwies, weckte sie seinen Jagdinstinkt. Dass es eine Krankenschwester gab, die ihm, dem Oberarzt, mit bester Perspektive auf den demnächst frei werdenden Chefarztposten, widerstand, ging ihm nicht in den Kopf. Konnte nicht sein. Also belauerte er sie, wartete auf eine Gelegenheit. Wie sollte sie sich wehren? Im Zweifelsfall würde ihr die Klinikleitung nicht glauben. Sie hatte keine Beweise für seine dreisten Annäherungsversuche. So hatte er ihr letztens so lange Aufgaben zugewiesen, bis der Schichtwechsel anstand und alle Kolleginnen bereits gegangen waren. Er passte sie vor der Frauenumkleide ab, und sie musste ihn mit aller Kraft wegschieben, um ihm zu entkommen. »Na warte!«, hatte er ihr verächtlich hinterhergerufen.

Sie hatte nach der Mittagsschicht bei ihrer Mutter noch vier Gläser Eingemachtes geholt....
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Felix Leibrock, Jahrgang 1960, ist Polizeiseelsorger bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei, leitet das Evangelische Bildungswerk München und ist Mitglied der Evangelischen Redaktion bei Antenne Bayern. Früher war er u.a. Buchhändler, Stadtkulturdirektor von Weimar und Pfarrer in Thüringen. Er lebt in München und Weimar.