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Die siebte Stunde

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am21.12.2015
Ein teuflisches Spiel, ein rätselhafter Selbstmord und ein quälendes Geheimnis: Als Joachim Vernau die Möglichkeit bekommt, an einer Berliner Privatschule zu unterrichten, begegnen ihm die Schüler voller Feindseligkeit. Sie leben in einer ganz eigenen Welt, sind fasziniert von dunklen Ritualen und haben sich einem mysteriöses Rollenspiel verschrieben. Vernau ahnt zunächst nicht, dass sie sich in gefährlichen Gefilden bewegen - doch als er herausfindet, was hinter dem Schweigen der Schüler steckt, ist es schon fast zu spät ...

Elisabeth Herrmann wurde 1959 in Marburg/Lahn geboren. Nach ihrem Studium als Fernsehjournalistin arbeitete sie beim RBB, bevor sie mit ihrem Roman »Das Kindermädchen« ihren Durchbruch erlebte. Fast alle ihre Bücher wurden oder werden derzeit verfilmt: Die Reihe um den Berliner Anwalt Joachim Vernau sehr erfolgreich vom ZDF mit Jan Josef Liefers. Elisabeth Herrmann erhielt den Radio-Bremen-Krimipreis, den Deutschen Krimipreis und den Glauser für den besten Jugendkrimi 2022. Sie lebt mit ihrer Tochter in Berlin und im Spreewald.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextEin teuflisches Spiel, ein rätselhafter Selbstmord und ein quälendes Geheimnis: Als Joachim Vernau die Möglichkeit bekommt, an einer Berliner Privatschule zu unterrichten, begegnen ihm die Schüler voller Feindseligkeit. Sie leben in einer ganz eigenen Welt, sind fasziniert von dunklen Ritualen und haben sich einem mysteriöses Rollenspiel verschrieben. Vernau ahnt zunächst nicht, dass sie sich in gefährlichen Gefilden bewegen - doch als er herausfindet, was hinter dem Schweigen der Schüler steckt, ist es schon fast zu spät ...

Elisabeth Herrmann wurde 1959 in Marburg/Lahn geboren. Nach ihrem Studium als Fernsehjournalistin arbeitete sie beim RBB, bevor sie mit ihrem Roman »Das Kindermädchen« ihren Durchbruch erlebte. Fast alle ihre Bücher wurden oder werden derzeit verfilmt: Die Reihe um den Berliner Anwalt Joachim Vernau sehr erfolgreich vom ZDF mit Jan Josef Liefers. Elisabeth Herrmann erhielt den Radio-Bremen-Krimipreis, den Deutschen Krimipreis und den Glauser für den besten Jugendkrimi 2022. Sie lebt mit ihrer Tochter in Berlin und im Spreewald.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641185596
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum21.12.2015
Reihen-Nr.2
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2960 Kbytes
Artikel-Nr.1848470
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1.

Die Regeln

Es war ein träger Spätsommertag, und ich hörte sie kommen, noch ehe ich sie zum ersten Mal sah.

Das Geräusch ihrer Absätze warf ein schnelles Stakkato an die Wände des Innenhofs. Es wurde untermalt vom trägen Quietschen der Türangeln, das langsam anschwoll und die mittägliche Stille zerschnitt, bis die Tür mit einem lauten Krachen wieder ins Schloss fiel. Der hallende Stechschritt erreichte unsere Hinterhaustreppe und wurde zwei Etagen lang von den dicken Altbauwänden verschluckt. Dann klingelte sie.

Ich sah auf die Uhr. Halb zwei. Außer mir befand sich niemand in der Kanzlei, also erhob ich mich, ging langsam in den Flur und öffnete.

Vor mir stand eine mittelgroße, mittelalte, in mittleres Beige gekleidete Frau mit einer Brille mittlerer Eleganz, unter dem Arm eine Tasche mittlerer Größe, die irritiert auf unser Türschild starrte und mich nun überrascht musterte.

»Frau Hoffmann?«, fragte sie.

Ich grinste sie an und schüttelte den Kopf. »Ich bin Joachim Vernau.«

Ich deutete auf das »&« auf unserem Türschild. »Kanzleipartner. Kann ich Ihnen helfen?«

»Ist sie zu sprechen?«

»Frau Hoffmann ist noch im Gericht, sie müsste aber jeden Moment zurück sein. Wollen Sie solange warten?«

Ihre mittellangen Haare waren von einem mittleren Braun, doch als sie den Ärmel ihrer Kostümjacke zurückschob, um auf ihre Armbanduhr zu blicken, fielen mir ihre Hände auf. Es waren schöne Hände, die sie mit Grazie bewegte. Und sie trug eine schöne Uhr. Die Uhr passte nicht zu ihr. Die Kleidung auch nicht. Die Frau war eindeutig attraktiv, doch sie schien sich die größte Mühe zu geben, diesen Umstand zu verbergen.

Ich trat einen Schritt zurück, um sie einzulassen. Sie zögerte kurz, dann nickte sie und ging an mir vorbei in den Flur. Ich schloss die Tür und drehte mich zu ihr um.

»Und Sie sind ...?«

»Katharina Oettinger. Mit oe. Und Doppel-t.«

Sie reichte mir eine trockene, kühle Hand mit festem Griff. Dabei sah sie mir zum ersten Mal richtig in die Augen und lächelte distanziert. Es war das Lächeln eines Menschen, der professionell vielen Leuten Guten Tag sagt. Ich fragte mich, welchen Beruf sie wohl hatte. Und welches Problem.

»Sie können in Frau Hoffmanns Büro warten. Möchten Sie etwas trinken?«

Sie nickte, und ich hoffte inständig, dass Marie-Luise ihr Chaos übers Wochenende wenigstens etwas in den Griff bekommen hatte. Ein Blick in ihr Zimmer überzeugte mich vom Gegenteil. Alle ebenen Flächen waren mit Papieren, Aktenordnern und Nachschlagewerken belegt.

»Es ist vielleicht besser, wenn Sie in mein Büro gehen.«

Sie nickte wieder. »Ein Mineralwasser wäre nett.«

Als ich mit dem Glas in mein Büro kam, hatte sie auf Kevins Schreibtischstuhl Platz genommen und die Beine sittsam übereinandergeschlagen. Sie nahm es mit einem artigen Nicken entgegen und nippte. Ich setzte mich ihr gegenüber an meinen Schreibtisch.

»Das tut gut. Hier steht die Luft genauso wie bei uns.«

Sie trank noch einen kleinen Schluck. »In der Schule. Ich bin stellvertretende Direktorin des Herbert-Breitenbach-Gymnasiums in Pankow.«

Sie sah mich an, und ich tat ihr den Gefallen, so zu tun, als wüsste ich, von welcher Schule die Rede war. »Und was führt Sie zu uns?«

Sie lächelte freundlich. »Ich möchte Sie für uns gewinnen.«

»Sie? Frau Hoffmann?«

»Nein.« Sie stellte das Glas ab. »Sie, Herr Vernau.«

In diesem Moment hörte ich durch das geöffnete Fenster, dass Marie-Luise im Anmarsch war. Es waren die hektischen Schritte eines Menschen in flachen Schuhen, der keine Zeit zu verlieren hatte, weil er sowieso immer und überall zu spät kam.

»Mich?«, fragte ich. »Für die ...«

»Herbert-Breitenbach-Schule in Pankow. Ja. Marie-Luise hat mir von Ihnen erzählt, und ich glaube, Sie sind genau der Richtige für diese nicht leichte, aber doch verantwortungsvolle und sehr befriedigende Aufgabe.«

»Welche Aufgabe?«, fragte ich. Ich war Jurist. Kein Lehrer. Oder Hausmeister. Oder Milchverkäufer.

»Hat Marie-Luise denn noch nicht mit Ihnen darüber gesprochen?«

In diesem Moment stürmte meine Kanzleipartnerin in den Flur, schrie »Hallo! Ich bin wieder da!« in unsere Richtung und pfefferte, dem Geräusch nach zu urteilen, ihre Aktenmappe vom hinteren Teil des Flures fünf Meter weit hinein in ihr Büro. Dann erschien sie im Türrahmen und erstarrte mitten in der Bewegung.

»Katharina!«

Frau Oettinger erhob sich und streckte Marie-Luise die rechte Hand entgegen, die völlig ignoriert wurde. Stattdessen wurde sie heftig umarmt und mehrfach auf die Wangen geküsst, was sie mit steifem Oberkörper und ihrem distanzierten Guten-Tag-Lächeln über sich ergehen ließ. Als Marie-Luise sie endlich aus ihrer schwesterlichen Umklammerung entließ, geschah das so heftig, dass Frau Oettinger einen Schritt zurücktaumelte.

»Ich freue mich, dich zu sehen.« Sie ordnete ihre Frisur. »Und Herrn Vernau habe ich schon kennengelernt.«

»Habt ihr miteinander geredet?«

»Ja, aber ...«

»Und was sagt er?«

»Noch nichts«, unterbrach ich ihre Unterhaltung über mich, die zweifellos zu einem weit früheren Zeitpunkt ihren Anfang genommen hatte. Frau Oettinger setzte sich wieder, und Marie-Luise holte sich den alten Stuhl, der neben dem Aktenschrank stand.

»Katharina und ich haben gemeinsam die polytechnische Oberschule in Lichtenberg besucht. Daher kennen wir uns. Also schon ziemlich lange. Und als mir Katharina von ihrem Problem erzählt hat, habe ich gedacht, du wärst genau der Richtige dafür.«

Ich musterte die beiden Damen vor mir. Selten hatte ich ein ungleicheres Paar gesehen. Marie-Luise mit ihrem zerknitterten Hosenanzug, wie sie sich mit lebhaften Gesten ihre zerzausten hennaroten Haare aus dem Gesicht strich, erhitzt und gerötet von selbst gemachtem Stress und pathologischer Desorganisation, und ihr gegenüber diese distanzierte, höfliche, vor lauter Korrektheit fast völlig verschüttete Schönheit.

»Der Richtige für was, wenn ich fragen darf?«

Frau Oettinger sah mich durch ihre mittelstarken Gläser mit ihren schönen mittelbraunen Augen an. Sie schien sich jetzt auf mich zu konzentrieren, was ihrem Blick etwas geradezu Bezwingendes gab.

»Nächste Woche sind die Sommerferien vorbei, das neue Schuljahr beginnt. Und wir haben für die Abiturientenklasse niemanden, der den Teen Court betreut.«

»Den was?« In irgendeiner juristischen Fachzeitschrift hatte ich diesen Ausdruck schon einmal gelesen. Im Moment allerdings fiel mir beim besten Willen nicht ein, was er zu bedeuten hatte. Geschweige denn, in welchem Zusammenhang er mit einer Berliner Privatschule stehen konnte.

»Der Teen Court ist eine freiwillige Arbeitsgemeinschaft, die sich mit kleineren Rechtsbrüchen innerhalb der Schulgemeinschaft beschäftigt. Eine Idee, die aus den USA stammt. Und ein sehr interessantes Projekt, vor allem für die Schüler, die nach dem Abitur ein Jurastudium beginnen wollen. Wir suchen jemanden, der bereit ist, auf Honorarbasis diese Arbeitsgemeinschaft juristisch zu betreuen. Sie findet wöchentlich im Anschluss an den Regelunterricht statt.«

Sie schwieg. Marie-Luise schwieg. Ich schwieg.

»Ich weiß, es kommt etwas plötzlich. Aber ... ein Dozent verlässt uns überraschend.«

Sie senkte den Blick.

Ich hatte diese Geste oft genug gesehen, um zu wissen, dass sie etwas zu verbergen hatte.

»Frau Oettinger«, sagte ich. »Ich weiß nicht, was Ihnen Frau Hoffmann über mich erzählt hat, aber wenn ich Ihnen meinen Stundensatz inklusive An- und Abfahrt in Rechnung stelle, wird Ihnen die Senatsverwaltung für Bildung den Landesrechnungshof auf den Hals hetzen. Außerdem bin ich Rechtsanwalt und kein Nachhilfelehrer.«

Marie-Luise stieß ein schnaubendes Geräusch aus und fiel mir wie immer in den Rücken. »Du bist genauso pleite wie ich. Hör dir doch erst mal an, um was es eigentlich geht.«

Es widerstrebte mir zutiefst, dass unsere finanzielle Situation vor potenziellen Kunden auf diese Weise erörtert wurde. Auch wenn sie recht hatte. Die Geschäfte liefen schlecht, und die Zahlungsmoral unserer Mandanten war miserabel. Der TÜV für unseren Firmen-Volvo lief im nächsten Monat ab, wir waren mit der Miete im Verzug, und von unserem letzten Eingang hatte ich vorsichtshalber ein Prepaid-Handy angeschafft, damit wir handlungsfähig blieben, falls man uns noch einmal das Telefon abstellte. Selbstständig zu sein bedeutete heutzutage, sehenden Auges der Privatinsolvenz entgegenzuschlittern. Hätten die beiden Damen vor mir nicht bereits über meinen Kopf hinweg meinen weiteren Lebenslauf entschieden, wäre ich sogar bereit gewesen, den Schulhof zu kehren. Vorausgesetzt, ich würde bezahlt. Und gefragt.

Frau Oettinger schien zumindest sensibel genug zu sein, Marie-Luise zu ignorieren.

»Ihr Stundensatz dürfte kein Problem sein. Wir sind eine Privatschule und verhandeln Honorare und Gehälter außertariflich. Für Notfälle steht uns außerdem ein großzügiger Förderverein zur Seite. Und: Wir suchen keinen Nachhilfelehrer.«

»Sondern?«, fragte ich.

»Wir erwarten von unseren Mitarbeitern...


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Elisabeth Herrmann wurde 1959 in Marburg/Lahn geboren. Nach ihrem Studium als Fernsehjournalistin arbeitete sie beim RBB, bevor sie mit ihrem Roman »Das Kindermädchen« ihren Durchbruch erlebte. Fast alle ihre Bücher wurden oder werden derzeit verfilmt: Die Reihe um den Berliner Anwalt Joachim Vernau sehr erfolgreich vom ZDF mit Jan Josef Liefers. Elisabeth Herrmann erhielt den Radio-Bremen-Krimipreis, den Deutschen Krimipreis und den Glauser für den besten Jugendkrimi 2022. Sie lebt mit ihrer Tochter in Berlin und im Spreewald.