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Die Jupitermonde

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am23.06.20161. Auflage
Einmal mehr schafft Alice Munro das, was nur die wenigsten Autoren vermögen: Uns Figuren zu schenken, die so lebendig sind, dass wir für einen Moment ganz in ihr Leben tauchen. Da ist Janet, die ihren alten Vater ins Krankenhaus bringen muss und unverhofft Trost in einem Planetarium findet. Ein junges Mädchen, das auf einer Truthahnfarm anheuert. Und eine Frau, die dem überheblichen Gerede ihres Mannes begegnet, indem sie ihm eine Schüssel Zitronenbaiser an den Kopf wirft. Sie alle blicken zurück und blicken nach vorn, stolz und manchmal zweifelnd - und wie Munro behutsam davon erzählt, ist einzigartig. Mit ?Die Jupitermonde? erscheint der letzte, noch fehlende Band in der Autorenedition Munro bei Fischer Taschenbuch - neu übersetzt von Heidi Zerning. »Geschichten voller Zauber!« Publishers Weekly

Alice Munro, geboren am 10. Juli 1931 in Wingham, Ontario, Kanada, ist eine der bedeutendsten Autorinnen der Gegenwart. Sie erhielt 2013 die höchste Auszeichnung für Literatur, den Nobelpreis. Ihr umfangreiches erzählerisches Werk wurde bereits zuvor mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Giller Prize, dem Book Critics Circle Award und dem Man Booker International Prize. Alice Munro starb am 13. Mai 2024 in Port Hope, Ontario.  Im S. FISCHER Verlag bzw. FISCHER Taschenbuch Verlag liegen vor: ?Himmel und Hölle?, ?Die Liebe einer Frau?, ?Der Traum meiner Mutter?, ?Tricks?, ?Wozu wollen Sie das wissen??, ?Zu viel Glück?, ?Tanz der seligen Geister?, ?Offene Geheimnisse?, ?Glaubst du, es war Liebe??, ?Das Bettlermädchen?, ?Der Mond über der Eisbahn?, ?Liebes Leben?, ?Was ich dir schon immer sagen wollte?, ?Die Jupitermonde?, ?Ferne Verabredungen. Die schönsten Erzählungen? und Munros einziger Roman ?Kleine Aussichten?. Literaturpreise (Auswahl):Canada-Australia Literary Prize (1977)Commonwealth Writers' Prize (1991)Giller Prize for Fiction (1998 und 2004)Man Booker International (2009)Trillium Award (2013)Nobelpreis für Literatur (2013)
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEinmal mehr schafft Alice Munro das, was nur die wenigsten Autoren vermögen: Uns Figuren zu schenken, die so lebendig sind, dass wir für einen Moment ganz in ihr Leben tauchen. Da ist Janet, die ihren alten Vater ins Krankenhaus bringen muss und unverhofft Trost in einem Planetarium findet. Ein junges Mädchen, das auf einer Truthahnfarm anheuert. Und eine Frau, die dem überheblichen Gerede ihres Mannes begegnet, indem sie ihm eine Schüssel Zitronenbaiser an den Kopf wirft. Sie alle blicken zurück und blicken nach vorn, stolz und manchmal zweifelnd - und wie Munro behutsam davon erzählt, ist einzigartig. Mit ?Die Jupitermonde? erscheint der letzte, noch fehlende Band in der Autorenedition Munro bei Fischer Taschenbuch - neu übersetzt von Heidi Zerning. »Geschichten voller Zauber!« Publishers Weekly

Alice Munro, geboren am 10. Juli 1931 in Wingham, Ontario, Kanada, ist eine der bedeutendsten Autorinnen der Gegenwart. Sie erhielt 2013 die höchste Auszeichnung für Literatur, den Nobelpreis. Ihr umfangreiches erzählerisches Werk wurde bereits zuvor mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Giller Prize, dem Book Critics Circle Award und dem Man Booker International Prize. Alice Munro starb am 13. Mai 2024 in Port Hope, Ontario.  Im S. FISCHER Verlag bzw. FISCHER Taschenbuch Verlag liegen vor: ?Himmel und Hölle?, ?Die Liebe einer Frau?, ?Der Traum meiner Mutter?, ?Tricks?, ?Wozu wollen Sie das wissen??, ?Zu viel Glück?, ?Tanz der seligen Geister?, ?Offene Geheimnisse?, ?Glaubst du, es war Liebe??, ?Das Bettlermädchen?, ?Der Mond über der Eisbahn?, ?Liebes Leben?, ?Was ich dir schon immer sagen wollte?, ?Die Jupitermonde?, ?Ferne Verabredungen. Die schönsten Erzählungen? und Munros einziger Roman ?Kleine Aussichten?. Literaturpreise (Auswahl):Canada-Australia Literary Prize (1977)Commonwealth Writers' Prize (1991)Giller Prize for Fiction (1998 und 2004)Man Booker International (2009)Trillium Award (2013)Nobelpreis für Literatur (2013)
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104033624
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum23.06.2016
Auflage1. Auflage
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1510 Kbytes
Artikel-Nr.1862453
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Die Chaddeleys und die Flemings

1. Verbindungen

Kusine Iris aus Philadelphia. Sie war Krankenschwester. Kusine Isabel aus Des Moines. Sie hatte ein Blumengeschäft. Kusine Flora aus Winnipeg, eine Lehrerin; Kusine Winifred aus Edmonton, eine Buchhalterin. Reifere Damen wurden sie genannt. Alte Jungfern war ein zu dürftiger Ausdruck, der für sie nicht reichte. Ihr Busen war schwer und einschüchternd - ein einziger gepanzerter Wulst -, ihr Leib und ihr Hinterteil ebenso üppig und korsettiert wie bei jeder verheirateten Frau. Zu jener Zeit schien es für Frauenkörper ein Muss zu sein, zu einer guten Größe Vierundvierzig aufzugehen und heranzureifen, falls sie überhaupt irgendetwas vom Leben hatten; dann, je nach Gesellschaftsschicht und Ambitionen, wurden sie entweder schlaff und formlos, wabbelig wie Pudding unter blassgeblümten Kleidern und feuchten Schürzen, oder zu Figuren zusammengeschnürt, deren feste Kurven und stolze Wölbungen nichts mit Sex zu tun hatten, aber viel mit Rechten und Macht.

Meine Mutter und ihre Kusinen gehörten zu der zweiten Kategorie von Frauen. Sie trugen Korsetts, die an der Seite mit Dutzenden von Haken und Ösen zugemacht wurden, Strümpfe, die zischten und schabten, wenn sie die Beine übereinanderschlugen, seidene Jerseykleider am Nachmittag (das meiner Mutter stammte von einer der Kusinen), Gesichtspuder (beige-rosé), Rouge, Eau de Cologne, in den Haaren Kämme aus Schildpatt oder Schildpatt-Imitat. Ohne solche Aufmachung waren sie nicht vorstellbar, es sei denn, sie hatten sich bis zum Kinn in Morgenmäntel aus gestepptem Satin gewickelt. Für meine Mutter war es nicht leicht, dabei mitzuhalten; es erforderte Einfallsreichtum, Hingabe und unermüdliche Anstrengungen. Und wer wusste das zu schätzen? Nun, sie selbst.

Sie alle kamen uns eines Sommers besuchen. Sie kamen in unser Haus, denn meine Mutter war die Einzige mit einem Ehemann und mit einem Haus, groß genug, um sie alle unterzubringen, außerdem hatte sie nicht genug Geld, um zu ihnen zu fahren. Wir wohnten in Dalgleish im Huron County in Western Ontario. Die Einwohnerzahl, 2000, wurde auf einem Schild an der Stadtgrenze verkündet. »Jetzt sind es zweitausendvier«, rief Kusine Iris und wuchtete sich aus dem Fahrersitz. Sie fuhr einen 1939er Oldsmobile. Sie war nach Winnipeg gefahren, um Flora abzuholen und Winifred, die mit dem Zug aus Edmonton gekommen war. Dann waren sie alle nach Toronto gefahren, um Isabel abzuholen.

»Und wir vier machen bestimmt mehr Krawall als alle übrigen zweitausend zusammen«, sagte Isabel. »Wo war das - in Orangeville -, wo wir so gelacht haben, dass Iris anhalten musste? Sie hatte Angst, sie fährt sonst in den Graben!«

Die Stufen knarrten unter ihren Füßen.

»Atmet diese Luft ein! Ach, es geht doch nichts über Landluft. Ist das die Pumpe, aus der ihr euer Trinkwasser holt? Wäre das jetzt nicht herrlich? Ein Schluck Brunnenwasser!«

Meine Mutter bat mich, ein Glas zu holen, aber sie beharrten darauf, aus dem Blechbecher zu trinken.

Sie erzählten, dass Iris auf eine Wiese gegangen sei, um dem Ruf der Natur zu folgen, und als sie aufschaute, sah sie sich von neugierigen Kühen umringt.

»Quatsch, Kühe!«, sagte Iris. »Das waren Ochsen.«

»Bullen, nach allem, was ich weiß«, sagte Winifred und ließ sich in einem Korbsessel nieder. Sie war die Beleibteste.

»Bullen! Die würd ich erkennen!«, sagte Iris. »Ich hoffe, ihre Möbel halten dein Gewicht aus, Winifred. Ich sage dir, das war eine schöne Last auf die Hinterräder von meinem armen Auto. Bullen! Ein Schock war das, ein Wunder, dass ich den Schlüpfer hochgekriegt habe!«

Sie erzählten von der verkommen aussehenden Stadt in Northern Ontario, wo Iris nicht einmal anhalten mochte, damit sie sich eine Cola kaufen konnten. Sie warf nur einen Blick auf die Holzfäller und rief: »Die würden uns alle vergewaltigen!«

»Was ist vergewaltigen?«, fragte meine kleine Schwester.

»Oh je«, sagte Iris. »Es bedeutet, dir wird dein Safe gestohlen.«

Safe: ein amerikanisches Wort. Weder meine Schwester noch ich wussten, was das bedeutete, aber wir trauten uns nicht, zwei Fragen hintereinander zu stellen. Und ich wusste, vergewaltigen bedeutete etwas ganz anderes; nämlich etwas Schmutziges.

»Geldbörse. Geldbörse gestohlen«, sagte meine Mutter in heiterem, aber warnendem Ton. In unserem Haus sprach man stubenrein.

Jetzt ging es ans Auspacken der Geschenke. Dosen mit Kaffee, Dattelnusskuchen, Austern, Oliven, Schachteln mit Zigaretten für meinen Vater. Sie rauchten auch alle, mit Ausnahme von Flora, der Lehrerin aus Winnipeg. Damals ein Zeichen von Weltgewandtheit; in Dalgleish ein Zeichen von zweifelhafter Moral. Sie machten daraus einen ehrbaren Luxus.

Strümpfe und Schals kamen ebenfalls zum Vorschein, eine Voile-Bluse für meine Mutter, zwei steife weiße Organdy-Schürzen für mich und meine Schwester (vielleicht der letzte Schrei in Des Moines oder Philadelphia, aber ein Fehler in Dalgleish, wo die Leute uns fragten, warum wir die Schürzen nicht abgelegt hätten). Und schließlich eine Fünf-Pfund-Schachtel Pralinen. Lange nachdem alle Pralinen aufgegessen und die Kusinen abgefahren waren, bewahrten wir die Pralinenschachtel im Wäschefach des Esszimmerbüfetts auf, für einen feierlichen Gebrauch, der sich nie ergab. Sie war noch voll mit den leeren Pralinennäpfchen aus braunem, gefälteltem Papier. Im Winter ging ich manchmal in das kalte Esszimmer und roch an ihnen, sog ihren Duft nach Künstlichkeit und Luxus ein; ich las immer wieder die Bezeichnungen auf dem Lageplan innen im Deckel der Schachtel: Haselnuss, Nougatcreme, Fruchtgelee, Goldkaramell, Pfefferminzcreme.

 

Die Kusinen schliefen in dem unteren Schlafzimmer und auf der ausgezogenen Bettcouch im Wohnzimmer. Wenn die Nacht heiß war, fanden sie nichts dabei, eine Matratze auf die Veranda zu schleppen oder sogar in den Hof. Sie losten die Hängematte unter sich aus. Winifred durfte dabei nicht mitmachen. Bis weit in die Nacht hinein war zu hören, wie sie kicherten, sich gegenseitig »Pst!« zuzischten und riefen: »Was war denn das?« Wir befanden uns außerhalb der Straßenlaternen von Dalgleish, und sie waren beeindruckt von der Dunkelheit, der Vielzahl der Sterne.

Einmal beschlossen sie, einen Kanon zu singen.


Mein Boot, es gleitet den Fluss hinab,

Die Ruder, die brauche ich kaum,

Immer fröhlich voran, immer fröhlich voran,

Das Leben, es ist nur ein Traum.


Sie nahmen Dalgleish nicht ernst. Sie fuhren in die Stadt und berichteten von der Schrulligkeit der Ladenbesitzer; sie ahmten Dinge nach, die sie auf der Straße aufgeschnappt hatten. Jeden Morgen füllte der Kaffee, den sie mitgebracht hatten, das Haus mit seinem ungewohnten amerikanischen Duft, und sie saßen da und fragten, wer eine gute Idee für den Tag habe. Eine Idee war, aufs Land zu fahren und Brombeeren zu pflücken. Sie wurden zerkratzt und gerieten ins Schwitzen, und irgendwann war Winifred völlig von dornigen Ranken eingepfercht, konnte sich nicht mehr rühren und brüllte um Hilfe; trotzdem sagten sie, sie hätten sich prächtig amüsiert. Eine andere Idee war, die Angelruten meines Vaters zu nehmen und an den Fluss hinunterzugehen. Sie kamen mit einem Fang Felsenbarsche nach Hause, Fischen, die wir meistens zurückwarfen. Sie organisierten Picknicks. Sie verkleideten sich mit alten Sachen, mit alten Strohhüten und Overalls meines Vaters, und fotografierten sich gegenseitig. Sie machten Schichttorten und herrliche Salatberge, gestaltet wie Tempel und bunt wie Edelsteine.

Eines Nachmittags veranstalteten sie ein Konzert. Iris gab eine Opernsängerin. Sie nahm die Tischdecke vom Esszimmertisch und drapierte sie um sich und schickte mich Hühnerfedern sammeln, um sie sich ins Haar zu stecken. Sie sang The Indian Love Call und Oh, wie so trügerisch . Winifred gab einen Bankräuber, mit einer Wasserpistole, die sie sich im Billigkaufhaus besorgt hatte. Jeder musste etwas machen. Meine Schwester und ich sangen zwei Lieder: Yellow Rose of Texas und das Gloria. Meine Mutter zog sich zu unserem Erstaunen eine Hose meines Vaters an und machte einen Kopfstand.

Die Kusinen waren füreinander ständig Darstellerinnen und Zuschauerinnen zugleich, jedenfalls, solange sie wach waren. Und manchmal auch im Schlaf. Flora war diejenige, die im Schlaf redete. Da sie auch die Damenhafteste und Korrekteste war, blieben die anderen wach, um ihr Fragen zu stellen, damit sie womöglich etwas sagte, womit sie sich in Verlegenheit brachte. Sie erzählten ihr, sie habe geflucht. Sie sagten, sie habe sich im Bett aufgesetzt und gefragt: »Warum zum Teufel ist keine Kreide da?«

Sie war diejenige, die ich am wenigsten mochte, denn sie versuchte, unseren Verstand zu schärfen - den von meiner Schwester und mir -, indem sie ständig praktische Rechenaufgaben stellte. »Wenn man sieben Minuten braucht, um sieben Querstraßen weit zu gehen, und fünf Querstraßen gleich weit voneinander entfernt sind, aber die anderen zwei doppelt so weit ...«

»Ach, zieh Leine, Flora!«, sagte Iris, die die Ruppigste war.

Wenn sie keine gute Idee hatten oder es zu heiß war, um etwas zu unternehmen, saßen sie auf der Veranda und tranken Limonade, Fruchtsaft-Punsch, Gingerale oder Eistee mit Maraschinokirschen und Eisstückchen, die von dem großen Eisblock in der Kühltruhe abgehackt worden waren. Manchmal verschönte meine Mutter die Gläser, tauchte sie mit dem Rand in Eischnee und danach in Zucker. Die Kusinen sagten dann, sie seien völlig fertig, zu nichts...

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Autor

Alice Munro, geboren am 10. Juli 1931 in Wingham, Ontario, Kanada, ist eine der bedeutendsten Autorinnen der Gegenwart. Sie erhielt 2013 die höchste Auszeichnung für Literatur, den Nobelpreis. Ihr umfangreiches erzählerisches Werk wurde bereits zuvor mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Giller Prize, dem Book Critics Circle Award und dem Man Booker International Prize. Alice Munro starb am 13. Mai 2024 in Port Hope, Ontario. Im S. FISCHER Verlag bzw. FISCHER Taschenbuch Verlag liegen vor: >Himmel und HölleDie Liebe einer FrauDer Traum meiner MutterTricksWozu wollen Sie das wissen?Zu viel GlückTanz der seligen GeisterOffene GeheimnisseGlaubst du, es war Liebe?Das BettlermädchenDer Mond über der EisbahnLiebes LebenWas ich dir schon immer sagen wollteDie JupitermondeFerne Verabredungen. Die schönsten ErzählungenKleine Aussichten