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Der falsche Mann

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.12.20151. Auflage
Lisa Merker, unkonventionelle Großstädterin, verletzbar und spöttisch, intellektuell und naiv, befindet sich plötzlich in einer Rolle, die sie nicht für möglich gehalten hätte - als mordverdächtige Ehefrau. Drei Tage lang suchen die Ermittler und auch Lisa selbst nach der Wahrheit ihrer gewaltsam beendeten Ehe. Die Suche gerät zu einer Kraftprobe zwischen Oberstaatsanwalt Riemenschneider, der einer Korruptionsaffäre auf der Spur ist, und Lisa, die allen Grund hat, sich vor der Aufdeckung der ganzen Wahrheit zu fürchten. Denn Rechtsanwalt Achim Merker war der falsche Mann. In jeder Beziehung ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Gabriele Wolff, geb. 1955 in Düsseldorf, Oberstaatsanwältin in Neuruppin (seit 2009 a. D.), schrieb die Krimiserie um die Kölner Staatsanwältin Beate Fuchs und zahlreiche Kriminalerzählungen.
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Produkt

KlappentextLisa Merker, unkonventionelle Großstädterin, verletzbar und spöttisch, intellektuell und naiv, befindet sich plötzlich in einer Rolle, die sie nicht für möglich gehalten hätte - als mordverdächtige Ehefrau. Drei Tage lang suchen die Ermittler und auch Lisa selbst nach der Wahrheit ihrer gewaltsam beendeten Ehe. Die Suche gerät zu einer Kraftprobe zwischen Oberstaatsanwalt Riemenschneider, der einer Korruptionsaffäre auf der Spur ist, und Lisa, die allen Grund hat, sich vor der Aufdeckung der ganzen Wahrheit zu fürchten. Denn Rechtsanwalt Achim Merker war der falsche Mann. In jeder Beziehung ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Gabriele Wolff, geb. 1955 in Düsseldorf, Oberstaatsanwältin in Neuruppin (seit 2009 a. D.), schrieb die Krimiserie um die Kölner Staatsanwältin Beate Fuchs und zahlreiche Kriminalerzählungen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105608036
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum15.12.2015
Auflage1. Auflage
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse911 Kbytes
Artikel-Nr.1873583
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

3

Es war so stickig in Rottows Büro, daß ich aufstand und zum Fenster ging. Mein Körper sehnte sich nach einer kühlen Dusche, dem Duft von Shampoo und Duschgel, der diesen anderen Geruch auslöschen sollte, den ich seit ein paar Stunden in der Nase hatte. Ich sehnte mich sogar nach gebügelter Bettwäsche. Meine Mutter hatte jeden Samstag Bettwäsche gebügelt, mit verbissenem Ernst und unter beständigem Klagen über meinen wenig ehrgeizigen Vater und das mißratene Kind, dessen Anwesenheit ihrem Mitteilungsdrang keinen Abbruch tat. Die fettgedruckten Worte skandierte sie mit dem dumpfen Aufprall des Bügeleisens auf das Wäschestück, das sie zuvor mit Wasser eingesprengt hatte. Wumm-Zisch. Das hätte ich mir niemals (wumm-zisch) vorgestellt, daß mein eigen Fleisch und Blut mich derart (wumm-zisch) hintergeht, wo ich doch immer (wumm-zisch) gesagt habe, daß man die Wahrheit (wumm-zisch) sagen soll ...

Wenn ich dann Samstagabend, frisch gebadet, unter der Bettdecke mit ihrem knisternden, Wäschestärke ausdünstendem Bezug lag, die Knickstellen des schrankfertig auf Kante gebügelten Teils ein akkurates, messerscharfes Schachbrettmuster, wälzte ich mich so lange schlaflos herum, bis die Bezüge verknittert und weich waren und meinen Körpergeruch angenommen hatten: Erst dann konnte ich einschlafen.

Natürlich habe ich selbst niemals Bettwäsche gebügelt. Genausowenig hatte ich jemals den Wunsch verspürt, in gebügelter Bettwäsche zu schlafen. Seitdem Achim vor sechs Wochen aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen war, hatte ich mir noch nicht einmal die Mühe gemacht, die Wäsche zu wechseln. Der Gedanke, daß Kriminalbeamte in diesem Moment dabei waren, unser Haus zu durchsuchen, traf mich mit solcher Wucht, daß ich mich an der Fensterbank abstützen mußte.

»Geht es Ihnen nicht gut?« fragte Rottow besorgt. Wie ich ihn einschätzte, machte er sich weniger Gedanken um mein Wohlergehen als um mögliche Vorwürfe der Kollegen, er könne durch ungeschicktes Vorgehen meine Vernehmungsfähigkeit beeinträchtigt haben.

»Danke, doch, es geht ... Wie sagt man in solchen Fällen? Den Umständen entsprechend?« Ich sprach gegen die Silhouette der durch Baugerüste entstellten Pfarrkirche. Aus ihrem mächtigen Schatten löste sich ein kleinerer Schatten, der zum Straßenrand lief, dann zuckte ein Blitz auf. Ich prallte zurück.

Presse. Selbst in diesem verschlafenen Provinzstädtchen hörten die Burschen den Polizeifunk ab. Ich drehte mich zu dem Kommissar um. Rottow wischte die Handflächen an den Seiten seiner unförmigen Hose ab. Seine Stirn glänzte. Die schwarzen Haarsträhnen klebten am Schädel und ließen die blasse Kopfhaut durchschimmern. Wenn mir jetzt der richtige Ton gelang, hatte ich die Oberhand.

»Von wem haben die Aasgeier das? Etwa von Ihnen? Sie glauben ja wohl nicht, daß ich auch nur eine Sekunde länger hierbleibe. Morgen, spätestens übermorgen, steht es in der Presse, Ehefrau die ganze Nacht verhört, was hat sie mit der Sache zu tun? Ich denke nicht daran, mich dem auszusetzen. Reicht es denn noch nicht? Ist nicht schon genug passiert?«

Ich verlor tatsächlich die Kontrolle. Meine Stimme schwankte.

Rottow stieß kleine beruhigende Geräusche aus, die er an seinem brüllenden Nachwuchs oder gar seinem Hund ausprobiert haben mochte, dann öffnete er eine Tür der Schrankwand hinter seinem Schreibtisch und holte eine Flasche Goldkrone und ein Schnapsglas hervor.

»Hier, trinken Sie das, es wird Ihnen guttun.« Er öffnete den Schraubverschluß der halbvollen Flasche schnell und geschickt; seine dünnen Finger hatten automatisch den richtigen Druck ausgeübt. Ebenso routiniert schenkte er ein, mit einem leichten Drehen der schwungvoll zurück in die Vertikale gekippten Flasche. Kein Tropfen daneben, das Glas randvoll. Ich sah aufgeplatzte Äderchen in seiner fleischigen Nase.

»Nehmen Sie sich doch auch einen«, lud ich ihn ein. »Allein mag ich nicht trinken.« Man hatte mir schon oft gesagt, daß meine blauen Augen manchmal von bezwingend kindlicher Direktheit waren.

Rottow sagte das Erwartete.

»Tut mir leid, ich bin im Dienst.« Er schien diesen Umstand, anders als viele Fernsehkommissare, wirklich zu bedauern.

»Meinen Sie, ich nicht?« Ich nahm das Glas und kippte seinen Inhalt hinunter. »Meinen Sie nicht, ich merke nicht, was Sie mit mir veranstalten? Sie beobachten mich die ganze Zeit. Wenn ich mich beherrsche, fragen Sie sich, ob mir egal ist, was da passiert ist. Drehe ich durch, ist es auch nicht recht, und außerdem würde eine Affekttäterin ebenso hysterisch reagieren. Schließlich müssen Sie den Kollegen ja berichten, wie ich mich verhalten habe.« Ich stellte das Glas auffordernd auf den Tisch. Instinktiv griff er nach der Flasche.

»Für Sie ist das doch Alltag, Leute zu vernehmen«, ich geriet in Fahrt. »Ich bin allerdings das erste Mal bei der Polizei, vergessen Sie das nicht. Ich habe keine Ahnung, welche Rolle ich spielen soll. Überhaupt, es kommt schließlich auch nicht alle Tage vor, daß -« mir wurde schlecht. Es war alles wieder da. Der Anblick der Leiche, der orangefarbene Griff des Küchenmessers, der Verwesungsgestank, die Fliegen auf dem schwärzlich geronnenen Blut, seine geöffneten blicklosen Augen, der halbgeöffnete, wie zu einem Grinsen verzogene Mund, Achims schöne Hände, verkrümmt wie die Krallen eines toten Vogels.

Ich preßte eine Faust gegen den Magen und hielt die Luft an. Nach einer Weile ebbte das würgende Gefühl ab, und ich nahm meine Umgebung wieder wahr. Zwei randvoll gefüllte Gläser standen auf dem Schreibtisch. Ich würde erst trinken, wenn er seins auch nahm. Außerdem würde ich nichts mehr sagen. Nichts ist schwerer als nichts zu sagen. Wenn ich jetzt schon nach einem Anwalt verlangte, machte mich das nur verdächtig. Und wenn ich jetzt aufstehe und einfach gehe, schoß es mir durch den Kopf. Er hat keinen Grund für eine vorläufige Festnahme, er muß mich einfach gehen lassen ...

»Sie sehen das falsch. Wir sitzen nur deshalb hier rum, weil wir auf die Kollegen warten. Sie wollen uns doch helfen, die Tat aufzuklären, oder?« Rottow schob mir mein Glas zu und griff nach dem anderen. Ich trank einen kleinen Schluck und beobachtete ihn, wie er sein Glas in einem Schluck leerte. Ich sollte Rottow nicht unterschätzen; wenn ich jetzt ging, behinderte ich die polizeiliche Arbeit, so einfach war das. Ich spielte meine letzte Karte aus.

»Lange halte ich das nicht mehr durch. Ich bin gern bereit, Sie zu unterstützen, aber irgendwann ... außerdem weiß ich doch nichts.«

Das Telefon summte diskret.

»Ja?« fragte Rottow. »Ja klar, stell durch.« Er versuchte, seine Anspannung zu unterdrücken. Sein Blick wurde professionell leer. Seine Hand spielte mit einem Kugelschreiber, der für Dessower Pils warb. Ich versuchte, so geistesabwesend wie möglich zu wirken, während ich angestrengt lauschte. Trotzdem konnte ich nur die Stimme einer Frau identifizieren, nicht aber den Inhalt ihrer Worte, die Rottow unwillkürlich nicken ließen.

»Doch, ist noch hier. Moment mal.« Er ließ den Hörer sinken und sah mich mit einem »Und-jetzt-reden-wir-mal-ganz-vernünftig-miteinander«-Blick an.

»Fehlt irgend etwas in Ihrer Wohnung?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Mir ist nichts aufgefallen. Aber ich habe natürlich nicht darauf geachtet.«

»Welche Räume haben Sie betreten?«

Ich dachte nach.

Ich hatte die Haustür aufgeschlossen, die nur ins Schloß gezogen war, war im Flur, danach im Wohnzimmer gewesen. Und dann im Bad und im Arbeitszimmer, in dem das Telefon stand. Ich sagte es ihm. Er sagte es der Frau am anderen Ende der Leitung. Sie sprach erneut, knapp und sachlich.

»Garage?«

Was hatten sie in der Garage gesucht? Und wenn sie etwas gefunden hatten, welche Schlüsse zogen sie daraus?

»Nein«, erklärte ich. »Ich habe vor dem Haus geparkt, ich parke nie in der Garage, höchstens auf der Einfahrt davor, aber nur, wenn klar ist, daß ich am nächsten Tag vor Achim weg bin, sonst müssen wir rangieren, überhaupt, meinen uralten Golf klaut doch sowieso keiner -«

Ich stoppte meinen unkontrollierten Redefluß nur, weil Rottow den notwendigen Teil meiner Angaben bereits der Kollegin durchgab. Danach reichte er mir den Hörer und blinzelte mir aufmunternd zu. Ich hasse Telefongespräche. Ich telefoniere nur, um Geschäftliches zu erledigen, Termine zu machen und einmal im Monat meiner Mutter zu lauschen, deren Mitteilungsdrang weder durch die Jahre noch durch diverse Krankheiten gelitten hat. Menschen, die ich nicht sehr gut kenne, muß ich sehen, um mit ihnen reden zu können. Ich nahm den Hörer. Mein Herz klopfte.

»Lisa Merker«, meldete ich mich. »Sie wollten noch etwas wissen?«

»Mattausch hier. Wir finden den Schlüssel Ihres Mannes nicht, weder Hausschlüssel und Kanzleischüssel noch die Autoschlüssel. Sein Wagen in der Garage ist unverschlossen. Wo bewahrte er die Schlüssel auf?«

Ihr sachlicher Ton erleichterte mir die Antwort.

»Normalerweise hat er sämtliche Schlüssel in der Hosentasche. Zu Hause legt er den Schlüsselbund auf das Schränkchen im Flur, manchmal auf den Schreibtisch im Arbeitszimmer. Es kommt auch vor, daß er den Autoschlüssel im Wagen stecken läßt. Einen Zweitschlüssel für das Auto bewahrt er im Keller auf, in einem Hängeschrank mit Werkzeug.« Ich stockte.

»Bewahrte, meine ich. Ich glaube das überhaupt noch nicht.«

Ich hörte, wie sie leise Anweisungen gab, im Keller zu suchen.

»Haben Sie einen Tresor? Wo bewahren Sie Geld oder Schmuck auf?«

Sie überprüften, ob irgend etwas fehlte, ob das Ganze ein aus dem Ruder gelaufener Diebstahl oder ein Raubmord war. Lästige...
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