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Das Leben ist zu bunt für graue Tage

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
Atlantik Verlagerschienen am02.09.2016
Paris kurz vor Weihnachten. Es schneit unaufhörlich. Doch sehr weihnachtlich ist es bei Max und Raphael nicht. Die Cousins, die als Filmausstatter und Restaurator arbeiten, leben erst seit kurzem in der Wohnung, haben sie aber im Handumdrehen in eine originelle Rumpelkammer und Party-Zone verwandelt. Bei ihnen geht die Pariser Bohéme ein und aus, die sich von ihrem kreativen Chaos angezogen fühlt. Nach allerlei Liebeswirren - warum verliebt man sich eigentlich immer in die Falschen? - markiert das nahende Silvesterfest einen Neuanfang für alle. Eine charmante Komödie mit Tiefgang, die über die Liebe, das Leben und die Wärme in einer kalten Winternacht erzählt.

Sophie Bassignac wurde 1960 in Dieppe geboren und lebt in Paris. Für ihren Roman Vielleicht ist es Liebe (2013) wurde sie mit dem Literaturpreis der Madame Figaro ausgezeichnet. Zuletzt erschienen bei Atlantik ihre Romane Das Leben ist zu bunt für graue Tage (2016) und Familiäre Verhältnisse (2018).
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Produkt

KlappentextParis kurz vor Weihnachten. Es schneit unaufhörlich. Doch sehr weihnachtlich ist es bei Max und Raphael nicht. Die Cousins, die als Filmausstatter und Restaurator arbeiten, leben erst seit kurzem in der Wohnung, haben sie aber im Handumdrehen in eine originelle Rumpelkammer und Party-Zone verwandelt. Bei ihnen geht die Pariser Bohéme ein und aus, die sich von ihrem kreativen Chaos angezogen fühlt. Nach allerlei Liebeswirren - warum verliebt man sich eigentlich immer in die Falschen? - markiert das nahende Silvesterfest einen Neuanfang für alle. Eine charmante Komödie mit Tiefgang, die über die Liebe, das Leben und die Wärme in einer kalten Winternacht erzählt.

Sophie Bassignac wurde 1960 in Dieppe geboren und lebt in Paris. Für ihren Roman Vielleicht ist es Liebe (2013) wurde sie mit dem Literaturpreis der Madame Figaro ausgezeichnet. Zuletzt erschienen bei Atlantik ihre Romane Das Leben ist zu bunt für graue Tage (2016) und Familiäre Verhältnisse (2018).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455171280
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum02.09.2016
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1217 Kbytes
Artikel-Nr.1928239
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverVerlagslogoTitelseiteWidmung12345678910111213141516Über Sophie BassignacImpressummehr
Leseprobe
1

Ein leichter, aber eisiger Sprühregen bedeckte die Schultern der Passanten mit silbernen Pailletten. Cécile kam es so vor, als klebte ihr die duftende Föhnfrisur wie nasses Papier an den Schläfen, und sie blieb vor dem Schaufenster eines Immobilienmaklers stehen. Beruhigt, dass die rotbraune Lockenpracht noch unversehrt war, ging sie weiter und hüstelte, um ein winziges Haarknäuel loszuwerden, das ihr Zäpfchen reizte. Das dürftige Trinkgeld im Sparschwein der Praktikantin, die ihr die Haare gewaschen hatte, war ein zusätzliches Ärgernis. Sie fragte sich, woher diese gelegentliche Knausrigkeit kam, die sie jedes Mal bereute. Das war umso schäbiger, da sie die zwei Stunden liebte, die sie jede Woche in dem überheizten Boudoir verbrachte, wo Claude, der Figaro des Viertels, nie vergaß, über ihr »unglaubliches Haar« in Verzückung zu geraten. Während sich die blau tätowierten Arme des Friseurs wie Schlangen um ihr Gesicht wanden, durchblätterte sie, geschmeichelt von diesen seltenen Komplimenten, faszinierende Zeitschriften, die dem Leben ihr unbekannter Berühmtheiten gewidmet waren, und schlürfte dabei grünen Tee. Im Zustand totaler Entspannung lauschte sie dem Friseur, der sich jedes Mal über ihre »unglaubliche« Unkenntnis amüsierte und die Bildunterschriften mit Anekdoten aus erster Hand ergänzte.

Vor sich erkannte sie Max, der über ihr wohnte, an seiner nervösen Gestalt. Er war mit einer Tanne beladen, deren Spitze wie ein Pfauenschwanz den Bürgersteig fegte, außerdem schleppte er einen großen Supermarktbeutel und einen verbeulten Lampenschirm. Sie folgte ihm, wie man an einer Tür lauscht, amüsiert und ein wenig verlegen, ihn heimlich zu beobachten. Die Passanten drehten sich nach ihm um, mit der Tanne konnten sie etwas anfangen, nicht aber mit dem gefalteten Lampenschirm, den er wie ein Armband trug. Sicher wunderten sie sich auch über seine exaltierten Bewegungen, die selbst die schwerste Last nicht gerechtfertigt hätte. Max sah immer so aus, als wollte er sich ein brennendes Kleidungsstück vom Leib reißen. Armer, armer Max, seufzte sie und wandte den Kopf ab. Eine Aufwallung heftiger Sympathie zwang sie, tief die eisige Abendluft einzuatmen. Sie rannte fast bis zum Hauseingang, betrat hinter dem jungen Mann den Innenhof und schob sich nach ihm in den Fahrstuhl.

»Cécile!«, sagte Max, überrascht und halb hinter der Tanne versteckt.

Ihr fiel auf, dass er von vorne etwas ruhiger wirkte.

Obwohl sie sich schon drei Jahre kannten, ergötzte sich Cécile immer noch an der dekadenten und ungewöhnlichen Schönheit ihres Nachbarn. Die eindringlichen schwarzen Augen mit von feinem Pinsel gezeichneten Brauen unter der dunklen, lockigen Mähne, der blasse Teint und der kleine, zarte Mund verströmten, wenn er ruhig war, die Mattigkeit eines schwindsüchtigen Dichters. Doch wenn er sich aufregte, und Max regte sich oft auf, ließ ein unerwarteter, eiserner Wille urplötzlich und wie ein teuflischer Trick die weibliche Sanftheit seiner Züge verschwinden.

Cécile wandte den Kopf ab, wie immer berührt von der Verzweiflung, die sich in der beunruhigenden Zwischenwelt des jungen Mannes offenbarte.

Max drückte auf den Knopf der dritten Etage. An den Spiegel gelehnt, schaute er Cécile von unten an und lächelte freudlos.

»Neue Fundstücke?«, fragte sie und zeigte auf den Beutel, den er vor sich abgestellt hatte.

»Ja, diese Übergardinen habe ich in einem Container auf dem Boulevard gefunden.« Er hielt Cécile den zerknitterten ockergelben Stoff, der mit einer goldenen, stellenweise abgelösten Posamentenborte gesäumt war, unter die Nase. »Riechen Sie das?«

»Was?«, fragte Cécile, etwas angewidert von den schimmeligen Ausdünstungen, die aus der Tasche kamen.

»Frankreich vor fünfzig Jahren! Bürgerliche Einrichtung, vielleicht ein Notar. Der Lampenschirm stammt bestimmt aus derselben Wohnung. Man denkt gar nicht, wie hartnäckig sich Gerüche halten. Sie hängen in der Tiefe von Koffern und Schränken und warten geduldig, dass man sie rauslässt.«

Der Fahrstuhl blieb stehen. Max stieg als erster aus.

»Läuft es gut mit eurer neuen Mitbewohnerin? Ich habe ihren Namen vergessen«, sagte Cécile, während sie in ihrer Tasche nach den Schlüsseln suchte.

»Sie heißt Louise Brouillard. Ich glaube, sie gewöhnt sich an uns und wir uns an sie. Sie ist nett, nur ein bisschen gestopft.«

»Was heißt gestopft?«, fragte Cécile, die ihre Tasche neben dem Ohr schüttelte, um das Klimpern der Schlüssel zu hören.

»Sie verbringt ihre Nächte damit, sich mit offenem Mund alte amerikanische Filme anzusehen. Sie hält sich für Rita Hayworth. Ich übertreibe ein bisschen. Sagen wir, sie vermischt manchmal.«

Cécile verstand nicht immer, was Max sagte. Er erlaubte sich sprachliche Freiheiten, nahm Abkürzungen, die seine Beziehungen zu anderen nicht eben leichter machten. Aber er redete viel, und was man heute nicht verstand, würde er bestimmt am nächsten Tag anders und klarer wiederholen.

»Und Raphael?«

»Es geht.«

Max hatte gezögert. Cécile fragte nicht nach.

»Willst du reinkommen?«

Er schüttelte den Kopf, nuschelte ein hastiges »Guten Abend« und stieg zu Fuß mit seiner Tanne, dem Beutel und dem nicht mehr sehr ansehnlichen Lampenschirm hoch zur vierten Etage.

Cécile schloss die Tür, schleuderte im Flur die Schuhe von sich, ging ins Wohnzimmer und rekelte sich.

»Ich bin kaputt. Total kaputt«, verkündete sie, als müsste sie jemanden in der leeren Wohnung davon überzeugen.

Noch in Mantel und Handschuhen eilte sie in die Küche, riss den Gefrierschrank auf und holte die vereiste Ginflasche heraus. Sie nahm einen ordentlichen Zug und schnalzte mit der Zunge. Dann schlitterte sie auf dem Parkett zum Fenster, von dem sie den besten Blick auf den kleinen Park und auf Raphael hatte, den sie jeden Abend beobachtete, eine Gewohnheit, die in der dunklen Wohnung zum Ritual geworden war.

In der winterlichen Dämmerung glich der erstarrte Garten einem Schwarzweißbild aus den Zeiten der Analogfotografie. Die schwachen, von fahlen Lichthöfen umhüllten Laternen dämpften die Kontraste. Eisiger Nebel verwischte wie ein Schleier die Umrisse der Beete und Bäume. Raphael, Max Cousin, saß immer auf derselben Bank und starrte mit äußerster Konzentration ins Leere. Er hatte die Hände tief in die Taschen seiner bis zum Kragen zugeknöpften Jacke gesteckt und verfolgte wohl eine Idee, die vor seinen Füßen kreiste, wie ein Blatt im Wind. Seine langen Haare verdeckten das ausdruckslose Gesicht. Mit dreißig Jahren sah er aus wie zwanzig. Seine etwas groben, kindlichen Züge erweckten bei Cécile stets den Eindruck, er arbeite sorgfältig den Rosenkranz der Gewissensbisse ab, die er später hinter sich lassen würde. Sie hatte ihn genauso gern wie Max. Der altmodische poetische Riese bestreute die Welt mit seiner feinen Intelligenz wie mit Konfetti. Er hatte den Mut, anders zu sein, und sie hatte allen Grund, darin etwas Kostbares zu sehen.

Während sie am Fenster stand, zog Cécile den Mantel aus, ohne Raphael aus den Augen zu lassen. Sie fragte sich, ob Max auch am Wohnzimmerfenster stand und darauf wartete, dass sein Cousin endlich nach Hause kam. Als ihn der Parkwächter ansprach, klappte Raphael seinen langen, gebeugten Körper auseinander, ging langsam zum Zaun und verschwand aus ihrem Blickfeld. Wenige Minuten später hörte sie in der vierten Etage die Tür knallen und verfolgte Raphaels Schritte, dumpfer als die von Max, auf dem Flurparkett bis in sein Zimmer, das über ihrem Schlafzimmer lag.

Sie ging wieder in die Küche, nahm sich ein Fertiggericht aus dem Gefrierschrank und stellte es in die Mikrowelle, dann packte sie einen Stapel Hausarbeiten aus, den sie widerwillig betrachtete.

»Ich bin kaputt!«, wiederholte sie in Richtung Decke, den Kopf in den Nacken gelegt und mit hängenden Armen.

Seit ein paar Monaten wollte Cécile immer nur schlafen. Immer und überall verspürte sie das Bedürfnis, alles sausen zu lassen, das sie zu ihrem Ärger in ein schlaffes, unnützes Etwas verwandelte. Sie schämte sich ihrer Mattigkeit und widerstand, so gut sie konnte, dem Schlaf, jenem dunklen und hinterlistigen Kontinent, dem man seine Seele nicht mehr als sechs oder sieben Stunden pro Nacht überlassen durfte, wie sie meinte.

An jenem Abend hielt sie das Schwarzweißbild von Raphael in der Dezemberdämmerung mehr als sonst gefangen. Sie klebte förmlich an der Seele des jungen Mannes, dachte lange über ihn nach, versuchte ihn zu verstehen, gab auf. Das Ballett von Max rhythmischen Schritten über ihrem Kopf und die Hammerschläge, die sie aus Raphaels Zimmer vernahm, lenkten sie endgültig ab. Sie legte die Füße auf die Hausarbeiten, die ihre Schreibunterlage bedeckten, und ließ sich zum x-ten Mal die Anfänge ihrer unglaublichen und wunderbaren Freundschaft durch den Kopf gehen. Sie liebte diese Erinnerungen, die immer abrufbereit waren und die sie sich wie Bonbons auf der Zunge zergehen ließ, ohne je genug davon zu bekommen. Auch Max kam gerne auf ihre erste Begegnung zurück. Er liebte es, von der Bekanntschaft mit der »Durchgeknallten im Morgenrock« zu erzählen, eine Anekdote, die er jedes Mal mit denselben Worten schloss, »das ist nochmal gutgegangen«, die sie als Würdigung empfand. Ihre Geschichte hatte tatsächlich sehr schlecht angefangen.

Max und Raphael waren drei Jahre zuvor in die Wohnung der sehr alt gestorbenen Madame Valette gezogen. Ohne Vorwarnung veranstalteten sie am Abend ihres Einzugs eine wilde Einweihungsparty. Um drei Uhr morgens zog Cécile den Morgenrock an, den Kopf voller Drohungen, die sie sich schon den ganzen Abend...
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Autor

Sophie Bassignac wurde 1960 in Dieppe geboren und lebt in Paris. Für ihren Roman Vielleicht ist es Liebe (2013) wurde sie mit dem Literaturpreis der Madame Figaro ausgezeichnet. Zuletzt erschienen bei Atlantik ihre Romane Das Leben ist zu bunt für graue Tage (2016) und Familiäre Verhältnisse (2018).