Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am08.08.2016
Wie es sich anfühlte, ihn zu sehen? Als hätte ich einen Monat lang durch einen Strohhalm geatmet.
Ben ist seit Ewigkeiten Hannas bester Freund. Er ist anders. Wild, tollkühn, ein Graffiti-Künstler, ein Geschichtenerzähler. Und keiner versteht Hanna so wie er. Nach dem Abi packen die beiden Bens klappriges Auto voll und fahren zum Meer. An einen verwunschenen Strand, um den sich eine düstere Legende rankt. Sie erzählen sich Geschichten. Bauen Lagerfeuer. Kommen einander dort nahe wie nie zuvor. Und Hanna hofft, endlich hinter das Geheimnis zu kommen, das Ben oft so unberechenbar und verzweifelt werden lässt. Doch dann passiert etwas Schreckliches ...

Ulla Scheler wurde 1994 in Coburg geboren. Sie studierte Psychologie und Informatik in München und Karlsruhe. Ihr Debütroman »Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen« war ein großer von Leser*innen und Presse gefeierter Erfolg. Ulla Scheler wurde damit außerdem für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. »Acht Wölfe« ist ihr erster All-Age-Roman.
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextWie es sich anfühlte, ihn zu sehen? Als hätte ich einen Monat lang durch einen Strohhalm geatmet.
Ben ist seit Ewigkeiten Hannas bester Freund. Er ist anders. Wild, tollkühn, ein Graffiti-Künstler, ein Geschichtenerzähler. Und keiner versteht Hanna so wie er. Nach dem Abi packen die beiden Bens klappriges Auto voll und fahren zum Meer. An einen verwunschenen Strand, um den sich eine düstere Legende rankt. Sie erzählen sich Geschichten. Bauen Lagerfeuer. Kommen einander dort nahe wie nie zuvor. Und Hanna hofft, endlich hinter das Geheimnis zu kommen, das Ben oft so unberechenbar und verzweifelt werden lässt. Doch dann passiert etwas Schreckliches ...

Ulla Scheler wurde 1994 in Coburg geboren. Sie studierte Psychologie und Informatik in München und Karlsruhe. Ihr Debütroman »Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen« war ein großer von Leser*innen und Presse gefeierter Erfolg. Ulla Scheler wurde damit außerdem für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. »Acht Wölfe« ist ihr erster All-Age-Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641177362
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum08.08.2016
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3960 Kbytes
Artikel-Nr.1929214
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


EINS

Zu meinem achtzehnten Geburtstag schenkte mir mein bester Freund Ben eine Sachbeschädigung. Natürlich hätte Ben nie daran gedacht, mir ein normales Geschenk zu machen, aber damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

Alle haben gefühlt, dass Ben anders war, auch wenn es keiner in Worte fasste. Die Jungs im Schwimmteam der Schule, die Freundinnen der Jungs im Schwimmteam, die Sport-Referendarin, die das Team trainieren sollte und die er auf dem glitschigen Weg zwischen Duschen und Umkleide geküsst hat.

Er wirkte nicht wie ein Zwölftklässler. Dazu war er in den Schultern zu breit, und sein Gesicht unter den dunklen Haaren war zu scharf geschnitten. Die anderen Jungs wichen zur Seite, wenn er von der Raucherecke kam. Er war der einzige Schüler, der auf dem Lehrerparkplatz sein Auto abstellte. Und er hielt den Schulrekord im Schwimmen und den meisten Verweisen.

Alle haben gespürt, dass Ben anders war, und alle haben hingesehen, bis man Ben nicht mehr sehen konnte, weil er zwischen seinen Geschichten verschwand wie ein Lesezeichen.

Es war der Sommer nach unserem Abitur. Der achte Sommer, seit wir uns kennengelernt hatten. Der dritte Sommer, seit Bens Vater sich umgebracht hatte.

Ich sage Sommer, weil das unsere wichtigste Jahreszeit war. Im Winter dagegen verkrochen wir uns nur in den Bibliotheken und lasen Märchen aus aller Welt, aus Uganda und Norwegen, aus dem Silmarillion und dem Decamerone.

Es waren die Grenzen der Welt, vor denen wir uns im Winter versteckten. Die Welt sagte: »Du kannst nicht nach draußen«, und wenn man hinausstapfte, um ihr das Gegenteil zu beweisen, legte sie ihre Hände um einen, bis man seine Haut nicht mehr spüren konnte. Trotzdem mochte ich unsere Winter - wie durch den Schnee alles langsamer und leiser wurde. Ich war dann gerne allein in der Bibliothek, weil ich dort meine Gedanken besser hören konnte, wenn Schritte und Wörter von Teppichboden und Regalen gedämpft waren. Aber ich war auch gerne mit Ben dort, weil er kopfüber in ein Buch eintauchen konnte, um erst wieder an die Oberfläche zu kommen, wenn es draußen schon dunkel war. Er saß dann auf einem Stuhl in der Ecke und bewegte sich kaum, nur seine Finger blätterten die Seiten um. Ihm zuzuschauen glättete jedes Mal meine inneren Wellen. Ich glaube, nicht viele Leute kannten diese Seite an ihm.

Der Sommer war anders. Die Welt war weit. Wir glaubten, uns ein Stück Anders-Sein erschleichen zu können. Ein Stück Nicht-Langeweile. Ein Stück Besonderheit. Wie das eine Mal, als wir uns abends im Freibad einschließen ließen und das Spritzen unserer Doppel-Arschbombe in der Leere so gewaltig klang wie noch nie. Oder als wir einen ganzen Tag lang statt zu sprechen Sätze aus einem Buch vorlasen, das der andere ausgesucht hatte. Wir machten die Leute um uns herum wahnsinnig, aber wir fühlten uns golden.

Der Sommer nach unserem Abitur war der heißeste Sommer meines Lebens. Das ist nicht nur mein Gefühl - ich habe es nachgeprüft: Es stimmt. Wenn man die Tür öffnete, sperrte das Wetter das Maul auf, schluckte einen und spuckte einen schweißbedeckt wieder aus.

Es war ein heißer Sommer, und er trocknete uns aus.

Die Flammen warfen Funken in den Himmel. Es waren wesentlich mehr Hefte und Ordner geworden, als Melissas kleiner Kugelgrill verkraften konnte, deshalb hatten die Jungs mit Steinen eine Feuerstelle im Garten gebaut. Dafür hatten die Unterlagen wieder nicht gereicht, und wir mussten mit Holzscheiten nachlegen. Dann war das Feuer hüfthoch geworden, und inzwischen versengte es einem die Gesichtshälfte, die man ihm zuwendete. Ich stocherte mit dem Feuerhaken zwischen Karo-Papier mit skizzierten Graphen und endlosen Vokabellisten herum. Ab und zu wirbelte ein Papierfetzen in die Luft, bevor das Feuer ihn wieder einatmete.

»Hey, Hanna.« Tobias tippte mir mit seinem Beck´s ans Knie. »Kommt Ben noch?«

Keine Ahnung, was ich darauf antworten sollte.

»Echt mal«, sagte Kai und zog den Eimer, auf dem er hockte, näher ans Feuer. »Den hat man schon ewig nicht mehr gesehen.«

Sie wussten nicht, dass er weg war. Dass ich ihn seit über einem Monat nicht gesprochen hatte. Dass ich keine Ahnung hatte, wo er war. Aber wie sollten sie das ahnen? In der achten Klasse hatte uns jemand den Spitznamen »Benna« verpasst, und wenn ich ehrlich war, traf uns das ziemlich gut. Wir hatten einige Fächer getrennt, Ben hatte Schwimm-, ich hatte Lauftraining, aber meistens reichte es, einen von uns zu suchen, wenn man beide finden wollte.

Ich überlegte, ob ich ihnen sagen sollte, dass er weg war. Aber wozu? Sie würden es nicht merkwürdig finden. Sie würden nur denken, er würde sonst was machen. Eine abartig geniale Abi-Feier planen. Beach-Volleyballerinnen auf Malta vögeln. Durch die Arktis schwimmen.

Sie liebten seine idiotischen Einfälle. Sie hingen an seinen Lippen, wenn er Geschichten erzählte. Sie konnten nicht aufhören hinzuschauen, aber sie sahen die Kratzer nicht.

Tränen traten mir in die Augen, und ich fixierte den hellsten Punkt der Flamme, damit sie nicht über meine Wangen rollten. Ich würde ihnen nicht von unserem Streit erzählen.

»Der Sack hat sich schon ewig nicht mehr blicken lassen«, sagte Tobias.

Ganz offensichtlich. Als würden sie so was sagen, wenn er da wäre.

»Aber ist auch schön, dich mal wieder zu sehen«, sagte Kai und stupste mich mit dem Ellenbogen an. »Seit du uns an Tobses Geburtstag beim Schafkopfen abgezogen hast, haben wir uns nicht mehr gesehen. Was gibt´s Neues?«

Spielten sie darauf an, dass ich mit Fabian Schluss gemacht hatte? So leicht würde ich es ihnen auf jeden Fall nicht machen.

Ich beugte mich nach vorne, sodass sie näher heranrutschen mussten, um zu hören, was ich sagte. Zwei Paar große, neugierige Augen. »Also, brandneue Information.« Ich machte eine bedeutsame Pause. »Ich habe mein Abi.« Ich sagte es völlig trocken, ohne das Gesicht zu verziehen.

Die zwei sahen enttäuscht aus, fingen sich aber relativ schnell wieder.

»Krasser Scheiß«, sagte Kai.

»In echt«, sagte Tobias. »Hätte ich nicht von dir gedacht.«

Man musste ihnen Plus-Punkte dafür geben, wie schnell sie darauf einstiegen. Trotzdem ließ Kai nicht locker: »Und was hat Fabian dazu gesagt?«

» Krasser Scheiß «, sagte ich.

Tobias legte mir eine Hand auf die Schulter. Seine Augen waren schon ein bisschen glasig. »Hanna, Karten auf den Tisch: Hast du ihn abgesägt?«

Ich nickte und zuckte die Schultern. Ich wollte das Thema nicht vertiefen.

»Hast du echt? Geil.« Die beiden klatschten ab.

Ich zog die Augenbrauen hoch.

»Ist nur, dass es uns gewurmt hat, dass einer aus dem Nachbarkaff das feuerfesteste Mädchen der Stadt abbekommen hat«, erklärte Kai und zwinkerte.

Damit spielte er auf einen Insider an: Wir waren mal Laborpartner in Chemie gewesen, und ich hatte ihm am Bunsenbrenner mehrmals die Augenbrauen gerettet. Das war ein witziges Schuljahr gewesen, vor allem weil wir in der Mittagspause immer um einen Muffin vom Hausmeister gekartet hatten, den meistens der schweigsame Underdog gewonnen hatte. Will heißen: ich.

»Wo bist du ab Herbst noch mal?«, fragte Tobias.

»Ich ziehe nach Regensburg und mache ein freiwilliges kulturelles Jahr am Theater.«

Sie nickten. Ihre Pläne kannte ich schon: Sie wollten beide Maschinenbau studieren, wo immer sie mit ihrem Abi-Schnitt genommen wurden. Das dazu passende Karohemd hatten sie auch schon an.

»Wir sollten die Menschen jetzt schon vor dir warnen«, sagte Tobias. »Du wirst sie so hart abziehen. Nein, im Ernst: Das wird bestimmt Bombe.«

Kai nickte und nahm einen Schluck. Sein Gesicht hatte einen feierlichen Ausdruck. Für eine halbe Sekunde. Dann fokussierten seine Augen etwas bei der Terrassentür.

»Schau mal da«, sagte Kai und schlug Tobias fast die Bierdose aus der Hand.

Ich schaute auf.

Melissa umarmte jemanden. Blond, Lip-Gloss, pinker H&M-Cardigan - ein insgesamt pinkes Mädchen. Melissa hatte nicht nur unsere Jahrgangsstufe eingeladen, sondern auch Leute aus ihrem Tanzverein. Sie hatte mir schon vor Monaten bei unserem Samstagsbrunch davon erzählt, dass sie diese Party schmeißen wollte, und jeden darauf folgenden Samstag war die Gästeliste länger geworden.

Kai und Tobias folgten dem pinken Mädchen mit Blicken zum Feuer. Sie setzte sich gegenüber von uns. Neben ihr war ein Hocker frei - sofort warfen sich Kai und Tobias einen Blick zu.

»Also, Hanna«, sagte Kai und stand auf.

»Gut, dass Meister Reißer nicht da ist«, sagte Tobias und stand noch schneller auf.

Sie schlenderten auf die andere Seite des Feuers, gerade so schnell, dass es nicht auffiel.

Ich beobachtete, wie sie sich vorstellten und unauffällig um den Sitzplatz rangelten. Es endete damit, dass sie beide mit einer halben Pobacke auf dem Hocker saßen.

Kein neues Phänomen - die beiden mussten alles angraben, was rasierte Beine hatte.

Mich ließen sie meistens in Ruhe. Vermutlich gehörten sie zu denen, die vermuteten, dass zwischen Ben und mir etwas lief (was nicht der Fall war).

»Hanna! Kannst du mal bitte ...«

Ich nahm Melissa einen Stapel schmutziger Teller ab, die sie auf einer Hand balancierte, und trug sie in die Küche. Den gemütlichen, kleinen Raum kannte ich gut. Auf der Eckbank hatte ich einen festen Sitzplatz, und jeden Samstagmorgen kam ich mit frischen Brötchen vorbei, um mit Melissa zu frühstücken und zu quatschen.

Melissa kam...

mehr

Autor

Ulla Scheler wurde 1994 in Coburg geboren. Bücher liebt sie schon seit ihrer Kindheit. Nach dem Abitur arbeitete sie in einem Krankenhaus, beim Fernsehen und in einem marokkanischen Hotel. Ihr Debütroman "Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen" war ein großer von Lesern und Presse gefeierter Erfolg. Er wurde außerdem für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2017 nominiert. Die Autorin lebt derzeit in Karlsruhe und studiert Informatik.