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Und wenn die Welt verbrennt

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am18.09.2017
Wenn aus Funken Flammen werden
Er ist ein Junge mit bunten Kreiden, der Menschen in Bildern auf dem Asphalt einfängt. Sie ist ein Mädchen mit einem dunklen Geheimnis, das niemanden an sich heranlässt. Felix und Alisa. Beide leben in ihrer eigenen Welt, bis sie sich durch Zufall begegnen. Und plötzlich ist es ausgerechnet Alisa, die Felix versteht wie niemand sonst. Zusammen sind sie stark, fast unschlagbar. Bis ein Haus brennt und Alisa von den Schatten der Vergangenheit eingeholt wird ...


Ulla Scheler wurde 1994 in Coburg geboren. Sie studierte Psychologie und Informatik in München und Karlsruhe. Ihr Debütroman »Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen« war ein großer von Leser*innen und Presse gefeierter Erfolg. Ulla Scheler wurde damit außerdem für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. »Acht Wölfe« ist ihr erster All-Age-Roman.
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Produkt

KlappentextWenn aus Funken Flammen werden
Er ist ein Junge mit bunten Kreiden, der Menschen in Bildern auf dem Asphalt einfängt. Sie ist ein Mädchen mit einem dunklen Geheimnis, das niemanden an sich heranlässt. Felix und Alisa. Beide leben in ihrer eigenen Welt, bis sie sich durch Zufall begegnen. Und plötzlich ist es ausgerechnet Alisa, die Felix versteht wie niemand sonst. Zusammen sind sie stark, fast unschlagbar. Bis ein Haus brennt und Alisa von den Schatten der Vergangenheit eingeholt wird ...


Ulla Scheler wurde 1994 in Coburg geboren. Sie studierte Psychologie und Informatik in München und Karlsruhe. Ihr Debütroman »Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen« war ein großer von Leser*innen und Presse gefeierter Erfolg. Ulla Scheler wurde damit außerdem für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. »Acht Wölfe« ist ihr erster All-Age-Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641213510
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum18.09.2017
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4071 Kbytes
Artikel-Nr.2363410
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


23. APRIL

Alisa

Er hat als Treffpunkt den Ort vorgeschlagen, wo er immer malt, und ich bin nach dem Frühdienst im Krankenhaus direkt hierhergefahren. Jetzt sitze ich neben meinem Bild auf dem Boden. Wenn du denkst, dass das eine dumme Idee ist, hast du vielleicht recht, aber ich habe mir etwas überlegt, keine Angst.

Ich mag die Asphalt-Alisa, auch deshalb, weil sie inzwischen nur noch blass zu sehen ist. Ich mag ihre langen Haare. An ihr finde ich meine Nase schön, meine Augen elegant. Ob den Passanten auffällt, dass wir dieselbe sind?

»Was liest du?«, fragt seine Stimme. Ich habe nicht gemerkt, dass er gekommen ist, und fühle mich ertappt, als hätte ich mich im Spiegel betrachtet.

Ich schirme die Augen mit der Hand ab und schaue zu ihm hoch. Das Hemd, das er trägt, ist ein bisschen zerknittert, aber das macht ihn nur sympathischer.

»Anatomie. Ich lerne für das erste Testat des Semesters. Leitungsbahnen.«

Sein Blick gleitet von mir zu der Asphalt-Alisa. Er lächelt.

Es ist verrückt: Ihn zu sehen tut fast weh. Zum Glück blendet die Sonne, und ich kann so tun, als wäre das der Grund, warum ich ihm nicht in die Augen schaue.

Komm schon, Alisa. Mut.

»Medizin passt überhaupt nicht zu dir«, sagt er.

»Ich weiß, was du meinst.« Du hättest mir dasselbe gesagt, wenn ich dich um Rat gefragt hätte.

Felix setzt sich neben mich auf den Boden. »Warum studierst du es dann?«

Er ist erst seit einer Minute da, und schon stellt er Fragen, als hätte er meine Taktik vom letzten Mal durchschaut. Aber warum wundert mich das überhaupt? Ich weiß doch schon, dass er versucht, die Menschen zu sehen.

»Ich möchte das Gefühl haben, am richtigen Ort zu sein«, sage ich, ohne ihn anzuschauen. »An einem Ort, wo Dinge besser werden, als sie es vorher waren.«

Felix sieht mich ernst an. Das Band zieht sich zu. Warum habe ich ihm auch etwas so Persönliches erzählt? Schließlich sagt er: »Das nennt sich Küche .«

Ich muss gleichzeitig husten und lachen.

Felix steht auf und reicht mir eine Hand. »Wollen wir los?«

Ein zufriedenes Lächeln wölbt sich in seinen Mundwinkeln, auch wenn er versucht, es zu verstecken.

Ich lasse mich auf die Füße ziehen. »Malst du heute?«

Das Lächeln verschwindet, und für einen Moment sieht er anders aus, auch wenn es zu schnell ist, als dass ich es fassen könnte.

»Ich kann heute nicht malen«, sagt er.

Aber er hat den Rucksack dabei, der letztes Mal neben ihm auf dem Boden lag und in dem vermutlich die Kreide ist.

»Warum?«, frage ich. Würde ich ihn besser kennen, würde ich vielleicht nicht nachfragen, wenn sich sein Gesicht verzieht, aber weil ich ihn nicht besser kenne, kann ich einfach fragen, als wäre es mir nicht aufgefallen.

Wieder schieben sich die Augenbrauen zusammen, und er reckt verteidigend das Kinn nach vorne.

»Ich fühle mich nicht danach«, sagt er.

Über solche Ausreden hast du dich immer lustig gemacht.

»Ach so«, sage ich und lege den Kopf schief, als wäre ich du. »Du denkst, du kannst heute nicht gut malen.«

Er kennt mich nicht gut genug, um den Spott in meiner Stimme zu hören, was ein bisschen sticht. Stattdessen denkt er darüber nach und nickt. »Die anderen Bilder sind gut. Ich will sie nicht versauen.«

»Du würdest sie bestimmt nicht versauen«, sage ich. »Aber wir können auch Eis essen gehen.«

Er sieht erleichtert aus. Ich bücke mich und packe das Buch in meinen Jute-Beutel. Felix bietet an, die Tasche zu tragen, aber ich wehre ab.

»Ach komm«, sagt er und nimmt mir die Tasche aus der Hand.

Überrumpelt stecke ich meine leeren Hände in meine Hosentaschen. Felix trägt die Tasche mit einer Leichtigkeit, als würde sie nicht zwei Kilo wiegen. Wir schlendern zur Eisdiele Ballabeni.

Zwischen uns ist die Anfangsstille: wenn man noch nicht weiß, welchen Weg man einschlagen soll, und seinen Atem und die Umgebung lauter hört als sonst.

»Du bist sehr beschäftigt, oder?«, sagt Felix.

Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass das der Weg ist, den er ausgesucht hat.

»Warum?«, frage ich.

Er zögert. »Wenn du dein Lehrbuch sogar zu einem Date mitschleppst ...«

Date. Er hat nachgedacht, bevor er das Wort benutzt hat. Ich habe ihn zur Begrüßung umarmt - macht mich das Wort wirklich nervös?

Ja, tut es. Ich atme tief ein.

»Jetzt habe ich jedenfalls Zeit«, sage ich und lächele ihn an.

Das Lächeln scheint ihn zu ermutigen, denn er fängt an zu reden - und das wiederum heißt, dass er vorher eingeschüchtert gewesen ist. Er erzählt mir eine absurde Geschichte von einem besonderen Rezept, das er seit Jahren versucht hinzubekommen, aber das aus verschiedenen Gründen jedes Mal schiefgeht. Wenn ich es richtig verstehe, geht es um ein Eiscreme-Sandwich, das in Baiser eingehüllt ist und angezündet wird. Es ist süß, dass er so ein Essens-Nerd ist.

Meine Gedanken driften vor sich hin. Ich fühle mich sehr leicht, im Sonnenschein, unter den Bäumen - oder vielleicht ist es auch nur die Tatsache, dass ich das schwere Buch nicht mehr trage. Der Wind in der Stadt ist still, aber die vorbeifahrenden Autos greifen in den Stoff meines Shirts.

Er ist einer dieser Jungen, die viel reden, und das passt nicht zu meinem ersten Eindruck, als er still vor sich hin gemalt hat. Oder vielleicht sollte ich sagen, dass der Felix in meinem Kopf noch nicht zu dem echten Felix passt.

Die Schlange vor der Eisdiele ist wie immer lang - ein Qualitätsargument. Ich überlege schon, welche der unglaublich vielen leckeren Eissorten ich wählen soll, Kokos oder Mango? Die leichten Entscheidungen fallen mir immer besonders schwer - und übersehe dabei an der nächsten Kreuzung das rote Männchen in der Ampel.

Eine Berührung an meiner Schulter - gerade noch rechtzeitig zieht mich Felix zurück; das Auto fährt Zentimeter vor meinen Füßen vorbei und hupt. Mein Herz schlägt schnell von dem Beinahe-Unfall. Oder ist es doch wegen Felix´ Hand auf meiner Schulter? Er steht so nah, dass ich sein Deo riechen kann. Seine Berührung ist zart - zarter, als man einer Bekannten die Hand auf die Schulter legen würde. Seine Vorsicht verrät ihn schon wieder.

Er löst seine Hand von meiner Schulter, und wir überqueren die Straße und reihen uns in die Schlange ein.

Als wir endlich an der Reihe sind, entscheidet sich Felix schnell für eine Kugel Schokolade. Obwohl ich so oft hier war, dass der Eisverkäufer nicht nach »Waffel oder Becher« fragt, sondern gleich die Waffel nimmt, bin ich unentschlossen.

Felix beobachtet mich amüsiert. Vielleicht hätte er mich für meine Unentschlossenheit ausgelacht, aber das kann er sich nicht leisten, dafür kennt er mich nicht gut genug.

Schließlich entscheide ich mich. Felix bezahlt, und ich bedanke mich und mache nicht einmal den Versuch zu protestieren, schließlich habe ich seine Wohnung gesehen.

»Darf ich probieren?«, frage ich, als wir draußen sind.

Er scheint überrascht - vielleicht gehört er zu den Leuten, die nie mit jemandem ihr Besteck, ihre Trinkflasche oder ihr Eis teilen -, hält mir aber trotzdem sein Eis hin. Ich teile sogar Zahnbürsten und Kaugummis und beiße etwas von seinem Eis ab.

Er schaut mich an, mit dem Blick, den er beim Malen gehabt hat.

»Was?«, frage ich.

Stumm schüttelt er den Kopf.

Wir laufen zu der Wiese zwischen den Pinakotheken und setzen uns auf eine Bank unter den Bäumen, die die Rasenfläche säumen. Felix fängt erst jetzt an, an seinem Eis zu schlecken, meine Kugel hat schon kleine Biss-Spuren. Hoffentlich kommt er nicht auf die Idee, die Bilder in den Pinakotheken anschauen zu wollen.

»Wo wohnst du eigentlich?«, fragt er.

Ich deute über die Schulter grob in Richtung Schwabing.

»Allein?«

Ich nicke.

Das Eis ist lecker wie immer.

»Das ist jetzt eine komische Frage«, sagt Felix, und etwas in mir spannt sich sofort an. »Aber wie kannst du es ertragen, Eis abzubeißen? Mir stellen sich ja schon vom Zuschauen die Nackenhaare auf.«

Die Erleichterung über die harmlose Frage lässt mich grinsen, und ich nehme einen Bissen. »Ist« - noch ein Bissen - »das« - Bissen - »so?«

Er schaudert, dann holt er tief Luft und beißt von seinem Eis ab.

»Ja« - Bissen - »ist« - Bissen - »es.«

Ich muss lachen, und ich höre einfach...

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Autor

Ulla Scheler wurde 1994 in Coburg geboren. Bücher liebt sie schon seit ihrer Kindheit. Nach dem Abitur arbeitete sie in einem Krankenhaus, beim Fernsehen und in einem marokkanischen Hotel. Ihr Debütroman "Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen" war ein großer von Lesern und Presse gefeierter Erfolg. Er wurde außerdem für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2017 nominiert. Die Autorin lebt derzeit in Karlsruhe und studiert Informatik.