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Zeiten des Aufbruchs

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
608 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am23.06.20171. Auflage
Bewegte Zeiten. Bewegend erzählt. 1949: Die vier Freundinnen Henny, Käthe, Ida und Lina stammen aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen. Dabei sind sie im Hamburger Stadtteil Uhlenhorst nicht weit voneinander entfernt aufgewachsen. Seit Jahrzehnten schon teilen sie Glück und Unglück miteinander, die kleinen Freuden genauso wie die dunkelsten Momente. Hinter ihnen liegen zwei Weltkriege. Hamburg ist zerstört. Doch mit den Fünfzigern beginnt das deutsche Wirtschaftswunder. Endlich geht es aufwärts: Hennys Tochter Marike wird Ärztin, Sohn Klaus bekommt eine Stelle beim Rundfunk. Ganz neue Klänge sind es, die da aus den Radios der jungen Republik schallen. Lina gründet eine Buchhandlung, und auch Ida findet endlich ihre Berufung. Aufbruch überall. Nur wohin der Krieg Käthe verschlagen hat, wissen die Freundinnen noch immer nicht. Im zweiten Teil ihrer Jahrhundert-Trilogie erzählt Carmen Korn mitreißend von der deutschen Nachkriegszeit, den pastellfarbenen Fünfzigern und der Aufbruchsstimmung der sechziger Jahre. Vier Frauen. Hundert Jahre Deutschland.

Carmen Korn wurde 1952 in Düsseldorf als Tochter des Komponisten Heinz Korn geboren. Nach ihrer Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule arbeitete sie als Redakteurin u.a. für den «Stern». Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextBewegte Zeiten. Bewegend erzählt. 1949: Die vier Freundinnen Henny, Käthe, Ida und Lina stammen aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen. Dabei sind sie im Hamburger Stadtteil Uhlenhorst nicht weit voneinander entfernt aufgewachsen. Seit Jahrzehnten schon teilen sie Glück und Unglück miteinander, die kleinen Freuden genauso wie die dunkelsten Momente. Hinter ihnen liegen zwei Weltkriege. Hamburg ist zerstört. Doch mit den Fünfzigern beginnt das deutsche Wirtschaftswunder. Endlich geht es aufwärts: Hennys Tochter Marike wird Ärztin, Sohn Klaus bekommt eine Stelle beim Rundfunk. Ganz neue Klänge sind es, die da aus den Radios der jungen Republik schallen. Lina gründet eine Buchhandlung, und auch Ida findet endlich ihre Berufung. Aufbruch überall. Nur wohin der Krieg Käthe verschlagen hat, wissen die Freundinnen noch immer nicht. Im zweiten Teil ihrer Jahrhundert-Trilogie erzählt Carmen Korn mitreißend von der deutschen Nachkriegszeit, den pastellfarbenen Fünfzigern und der Aufbruchsstimmung der sechziger Jahre. Vier Frauen. Hundert Jahre Deutschland.

Carmen Korn wurde 1952 in Düsseldorf als Tochter des Komponisten Heinz Korn geboren. Nach ihrer Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule arbeitete sie als Redakteurin u.a. für den «Stern». Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644565913
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum23.06.2017
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.2
Seiten608 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4001 Kbytes
Artikel-Nr.1931478
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

März 1949

Das Bellen des Hundes klang so nah, dass Theo ans Fenster trat und in seinen Garten schaute. Kaum eine Ahnung von Frühling darin, ein eiskalter Winter lag hinter ihnen, aus dem die ersten Märztage noch nicht herausgefunden hatten. Nur die Spatzen im kahlen Ahorn tschilpten, ließen sich auch nicht von der tiefen Hundestimme stören.

Störte sie ihn? Die Dogge gehörte zu den Nachbarn, die Anfang des Jahres in das Haus nebenan eingezogen waren. Nette Leute, Verwandte der verstorbenen Vorbesitzer. Ein großes Glück in diesen Zeiten, ein nahezu heiles Dach über dem Kopf zu haben. Für ihn. Für Hennys Sohn Klaus, der bei ihm lebte. Für die Familie nebenan.

Nein. Das Bellen störte Theo Unger nicht, auch wenn es bisher keine Hunde gegeben hatte in seinem Leben, weder im ländlichen Duvenstedt, wo er aufgewachsen war, noch in den Jahren mit Elisabeth hier in der Körnerstraße nahe der Alster. Dabei hätte ein eleganter Hund gut zu der Frau gepasst, mit der er vierundzwanzig Jahre verheiratet gewesen war.

Er hegte und pflegte den Gedanken, dass es längst nicht zu spät war für Neuanfänge, warum nicht ein wenig Lärm und Gebell ins Haus holen? Stille war es, die Theo störte. Dann drangen die Schatten ein und erzählten von denen, die verloren gegangen waren.

Doch nun geriet noch ein anderes auffälliges Geräusch in diesen Nachmittag. Eine hohe Autohupe, fast eine Fanfare. Theo stellte das Glas auf dem kleinen Tisch neben dem Ledersessel ab. In der Diele traf er auf Klaus, der aus seinem Zimmer im oberen Stock gekommen war, um die Haustür zu öffnen. «Tolle Kutsche», sagte Klaus. «Guck die dir an. Ist gerade bei uns vorgefahren.»

Theo traute seinen Augen kaum, als er Garuti aus dem Auto steigen sah. Alessandro Garuti, älter geworden wie sie alle und doch noch immer die vertraute exzellente Erscheinung.

«La brava», sagte Garuti und tätschelte die Haube des alten Alfa Romeo, der ihn von San Remo über Nizza, Lyon und das Elsass nach Hamburg gebracht hatte.

«Una sorpresa.» Lachend ging er auf Theo zu und umarmte ihn. Auch der Italiener fand, dass sein alter Freund sich kaum verändert hatte, ihr erstes Wiedersehen seit dem Krieg. Und es war ungewohnt, Elisabeth nicht neben Theo stehen zu sehen. Wenn Garuti auch längst aus Telefonaten wusste, dass sie Theo schon im Sommer 1945 verlassen hatte, um mit einem englischen Captain nach Bristol zu gehen.

Nun stand neben Theo der junge Mann, der das Leben des Freundes weniger einsam machte. Klaus. Kurz und bündig, dieser Name. Alessandro Garuti liebte die deutsche Sprache, doch gelegentlich erschien sie ihm ein wenig einsilbig. Rodolfo klang da wie gesungen. Rudi. Sein Sohn und Erbe.

Garuti trat in die einstöckige Stadtvilla mit den Gaubenfenstern im Dach und dem Rosenspalier. Wie gut es war, das alles wiederzusehen. Er hatte im vergangenen Jahr das siebte Jahrzehnt erreicht und hoffte, noch lange zu leben, um den Frieden zu genießen. Erst 1940 hatte er erfahren, Vater eines längst erwachsenen Sohnes zu sein. Rudi hatte den Krieg überlebt, doch noch war er ein prigioniero di guerra und saß in russischer Gefangenschaft in einem Lager im Ural. Würde er doch nur endlich zurückkehren.

«Es ist wahrlich eine Überraschung, Alessandro. Wir hatten dich erst im Mai erwartet, nicht jetzt im kalten Vorfrühling», sagte Theo, als sie zu dritt im Salon standen.

«Ich habe es nicht länger ausgehalten. Vielleicht gelingt es mir von Deutschland aus, Kontakt zu Rudi aufzunehmen.»

Theo Unger dachte, dass der pensionierte Diplomat und einstige Kulturattaché der italienischen Botschaft in Berlin zu hoffnungsvoll war, doch er schwieg und schenkte stattdessen einen gut temperierten, leichten Rotwein von der Ahr zur Begrüßung ein.

Zu den traurigen Wahrheiten würden sie bald genug kommen. Auch Käthe, Rudis Frau, und ihre Mutter Anna wurden seit Ende des Krieges vermisst. Es gab Tage, an denen Theo fürchtete, dass Henny sich getäuscht hatte, als sie am Silvestertag des vergangenen Jahres ihre Freundin hinter einem Fenster in der Straßenbahn der Linie 18 zu sehen glaubte. Käthe blieb unauffindbar.

«Ihr habt ja einen Hund», sagte Alessandro Garuti, der zum Fenster gegangen war und in den hinteren Garten sah.

Theo und Klaus kamen hinzu und staunten. Die Dogge stand in einem der Beete und wedelte. War sie über die hohe Hecke gesprungen?

«Goliath.» Eine Stimme aus dem Nachbargarten, die da rief.

Der Hund blickte noch einmal zu ihnen und begab sich dann auf den Rückweg durch die Buchsbaumhecke. Die frei geschlagene Bresche schien von Goliath auf Dauer angelegt zu sein.

«Il cane ha sorriso», sagte Garuti. Der Hund hatte gelächelt.

 

Henny hatte Dienst im Kreißsaal an diesem Märzsonntag. Lauter Jungen, die heute geboren wurden, eines der Wunder der Natur nach einem Krieg. Das männliche Geschlecht setzte alles daran, die großen Verluste aufzuholen, die es auf den Schlachtfeldern aller Länder erlitten hatte.

Henny Lühr legte den Kleinen in die Arme seiner Mutter. Ein erstes Kennenlernen, bevor das Neugeborene in das Säuglingszimmer kam. Oft waren die Frauen zu erschöpft in diesen Momenten, doch manche mochten die Menschlein, die sie gerade zur Welt gebracht hatten, gar nicht mehr hergeben. Eine Hausgeburt schuf da viel schneller Vertrauen auf beiden Seiten, doch sie barg auch die größeren Risiken.

Ihre Mutter Else hatte sie noch zu Hause geboren, in der Küche war Hennys Vater vor lauter Nervosität der Zuckertopf aus der Hand gefallen. «Dann wird es eine Deern», hatte die Hebamme gesagt und den Kessel mit heißem Wasser vom Herd genommen. Hennys Tochter Marike war dagegen 1922 bereits in der Finkenau zur Welt gekommen, die Entbindungsklinik hatte schon damals einen ausgezeichneten Ruf genossen. Und auch Klaus war neun Jahre später hier geboren worden. Und nun kam eine neue Nachkriegsgeneration zur Welt, der hoffentlich der Aufbruch in anhaltend friedliche Zeiten vergönnt war.

Henny warf einen Blick zu der großen Uhr an der Wand des Kreißsaals. Gleich ging ihre Schicht zu Ende, dann konnte sie den Kartoffelsalat aus dem Kühlschrank in der Küche des Schwesternzimmers nehmen und zu Klaus und Theo fahren. Kein Umweg über die Schubertstraße, wo sie wieder bei ihrer Mutter lebte, seit die eigene Wohnung in den Bombennächten des Juli 1943 zerstört worden war. Ließe sie sich jetzt blicken, Else würde nur schmollen, dass sie den Abend nicht mit ihr verbrachte.

Der siebzehnjährige Klaus hatte ein eigenes Zimmer in Theos Haus. Theo hätte es gerne gesehen, wenn Henny gleich mit eingezogen wäre, doch ein einziges Mal wollte sie nichts übereilen in ihrem Leben. Alles war zu schnell gegangen. Vor allem die Liebe.

Sie sah, dass Gisela den neugeborenen Jungen nahm, um ihn ins Säuglingszimmer zu tragen. Die Nachgeburt hatte sich schon nach zehn Minuten vollzogen, Komplikationen waren kaum zu erwarten, doch um ganz sicher zu sein, würde Gisela noch anderthalb Stunden auf die Mutter achtgeben.

Etwas an der jungen Hebamme erinnerte Henny an Käthe, obwohl Gisela Suhr rotblondes Haar hatte und Sommersprossen. Wahrscheinlich, weil sie ein solcher Querkopf war. «Das wandelnde Widerwort», hatte der junge Dr. Unger damals vor vielen Jahren Käthe genannt, als diese gemeinsam mit Henny ihre Ausbildung zur Hebamme an der Finkenau begann.

Gestern hatte sie gesehen, wie Gisela ein Stück Sunlicht Seife in ihren Einkaufsbeutel gleiten ließ. Klinikeigentum, die Seife. Gisela schien nicht bemerkt zu haben, dass sie beobachtet worden war.

Käthe hatte früher oben in der Küche der Privatstation Schokoladenflocken geklaut und die kleinen Portionspäckchen Butter. Henny hatte es all die Jahre gewusst und dennoch geschwiegen.

Nein. Sie hatte sich am Silvestertag nicht geirrt. Auch wenn Theo das zu glauben begann. Käthe war in der Straßenbahn gewesen, sie hatten Blickkontakt gehabt. Doch Henny hatte verpasst, in den Waggon zu steigen, zu überraschend war der Augenblick, das Zeichen zur Abfahrt längst gegeben, das Klingeln hing ihr heute noch in den Ohren. Ein hilfloses Hinterherlaufen über nasses Kopfsteinpflaster, aber die Straßenbahn der Linie 18 hatte die Mundsburger Brücke bereits verlassen.

«Eine Halluzination», hatte Theo gesagt. «Eine Halluzination, aus der Hoffnung geboren.» Doch Henny sah noch das Erschrecken in Käthes Augen. Das war keine Sinnestäuschung gewesen. Warum erschrak ihre Freundin, als sie einander endlich wiedersahen? Seit dem siebten Lebensjahr hatten sie das Leben der anderen begleitet. Warum kam Käthe nach dieser unverhofften Begegnung nicht zu ihr? Warum hielt sie sich verborgen? In ganz Hamburg keine Spur von Käthe.

Ein Januar und ein Februar waren seitdem vergangen und dreizehn Tage des März. Der Gedanke, dass Käthe nicht nur Neuengamme überlebt hatte, sondern nach der Evakuierung des Konzentrationslagers auch die Todesmärsche, hatte am Anfang ein hinreißendes Glück in Henny ausgelöst. Doch nun war da nur noch Verwirrung und eine Ahnung, die sie nicht zulassen wollte.

Die Tür ging auf, Gisela kehrte mit Dr. Geerts in den Kreißsaal zurück.

«Kann ich Sie mitnehmen, Henny? Ich fahre nach Winterhude und könnte Sie an der Ecke Körnerstraße absetzen.» Geerts war schon lange dabei, beinah so lange wie Theo, der seit Jahren zu den leitenden Ärzten gehörte, wenn er auch kaum noch Klinikchef werden würde. Vielleicht weil er nicht an Hierarchien glaubte.

«Woher wissen Sie, dass ich da hinwill?», fragte Henny.

«Nur eine Vermutung», sagte Geerts. Er lächelte dabei.

 

Hennys...
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