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Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am24.06.20161. Auflage
Vom dichterischen Schaffen Ingeborg Bachmanns nicht zu trennen sind ihre essayistischen Texte. Philosophische Reflexionen, Reden anlässlich ihrer Preisverleihungen, Städteimpressionen und Porträts ihrer Zeitgenossen geben im Skizzenhaften Einblick in die »Werkstatt« der Schriftstellerin. Die essayistischen Texte geben ein eindrucksvolles Zeugnis unermesslicher Belesenheit.

Ingeborg Bachmann gilt als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen und Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts.  Sie wurde am 25. Juni 1926 in Klagenfurt, Österreich geboren. Bachmanns Karriere als Schriftstellerin Nach ihrem ersten Studienjahr in Innsbruck und Graz (1945/46) gelang ihr mit der Erzählung »Die Fähre« die erste Veröffentlichung. Sie setzte ihr Studium der Philosophie, Germanistik und Psychologie in Wien fort, wo sie unter anderen Paul Celan, Hans Weigel, Ilse Aichinger und Victor Kraft traf. Nach ihrer Promotion mit einer Dissertation über »Die kritische Aufnahme der Existentialphilosophie Martin Heideggers« im Jahr 1949 veröffentlichte sie erste Gedichte in der Zeitschrift Lynkeus und Erzählungen in der Wiener Tageszeitung. Bachmann arbeitete auch an einem ersten, unveröffentlichten und verschollenen Roman »Stadt ohne Namen«. Nach ihrem Studium arbeitete sie für den amerikanischen Sender Rot-Weiß-Rot und schrieb Dramen, Rundfunkessays und Hörspiele, darunter »Ein Geschäft mit Träumen« (1952), »Die Zikaden«(1955) und»Der gute Gott von Manhattan« (1958). Bachmanns Überzeugung, dass nur Literatur und Kunst die existenziellen Grunderlebnisse des modernen Menschen ausdrücken können, entstand aus der Perspektive der Wiener Schule, der neopositivistischen Wissenschaftstheorie ihres Doktorvaters Victor Kraft und der Sprachkritik Ludwig Wittgensteins. Ihre Beschäftigung mit Viktor E. Frankls psychotherapeutischer Forschung und ihrer Freundschaft mit dem Dichter Paul Celan, dessen Familie zu den Opfern des Holocaust gehörte, führten zu einer »tiefgreifenden Verwandlung ihres Denkens und Schreibens« im Sinne eines kritischen Ethos. Lyrik und Musik Bachmanns erster Lyrikband »Die gestundete Zeit« (1953), für den sie den renommierten Preis der Gruppe 47 erhielt, appellierte an das kritische Gewissen der Zeitgenossen angesichts des Kalten Krieges und der gesellschaftlichen Restauration. In ihrem zweiten Gedichtband »Anrufung des Großen Bären«(1956) kehrte sie zu traditionelleren lyrischen Formen zurück. Bachmanns Synthese von Zeitkritik, literarischer Moderne und lyrischer Tradition bildete die Grundlage ihres raschen Aufstiegs zur wichtigsten deutschsprachigen Dichterin der Nachkriegszeit. Auf Einladung des Komponisten Hans Werner Henze brach Bachmann im Sommer 1953 nach Italien auf, um dort eine Existenz als freie Schriftstellerin zu begründen. Die Freundschaft und Zusammenarbeit mit Henze, der sie insbesondere in die Welt der Oper einführt, schlägt sich u.a. in den Opernlibretti »Der Prinz von Homburg« (1958) und »Der junge Lord« (1965) sowie in theoretischen Überlegungen zum Verhältnis von Musik und Dichtung nieder. Die Rolle der Literatur in der Nachkriegszeit In den zehn Jahren nach dem Aufbruch aus Wien lebte sie in Rom, München, Neapel und Zürich und eröffnete im Wintersemester 1959/60 die Frankfurter Vorlesungen zur Problematik zeitgenössischer Dichtung. Dabei fasste sie ihre poetologischen Überlegungen erstmals systematisch zusammen und verortete sie im Prozess der Moderne literarhistorisch. Bachmann vertraute der Fähigkeit der Literatur, angesichts der verzweiflungsvollen »Dunkelhaft der Welt« unsere Möglichkeiten zu erweitern. Diese Haltung spiegelt sich in ihren Erzählungen des Bandes »Das dreißigste Jahr« wider. Beziehung mit Max Frisch Zwischen 1958 und 1962 waren sie das Traumpaar der deutschen Literatur. Die Trennung von Max Frisch 1962 fiel mit einer Lebenskrise zusammen, die den Ausgangspunkt für einen literarischen Neuansatz bildete. Die Erfahrungen von Schmerz und existenziellen Krisen fanden sich u.a. in ihrem »Todesarten«-Projekt. Am 17. Oktober 1973 starb Ingeborg Bachmann im Alter von 47 Jahren in Rom an den Folgen eines Brandunfalls.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextVom dichterischen Schaffen Ingeborg Bachmanns nicht zu trennen sind ihre essayistischen Texte. Philosophische Reflexionen, Reden anlässlich ihrer Preisverleihungen, Städteimpressionen und Porträts ihrer Zeitgenossen geben im Skizzenhaften Einblick in die »Werkstatt« der Schriftstellerin. Die essayistischen Texte geben ein eindrucksvolles Zeugnis unermesslicher Belesenheit.

Ingeborg Bachmann gilt als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen und Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts.  Sie wurde am 25. Juni 1926 in Klagenfurt, Österreich geboren. Bachmanns Karriere als Schriftstellerin Nach ihrem ersten Studienjahr in Innsbruck und Graz (1945/46) gelang ihr mit der Erzählung »Die Fähre« die erste Veröffentlichung. Sie setzte ihr Studium der Philosophie, Germanistik und Psychologie in Wien fort, wo sie unter anderen Paul Celan, Hans Weigel, Ilse Aichinger und Victor Kraft traf. Nach ihrer Promotion mit einer Dissertation über »Die kritische Aufnahme der Existentialphilosophie Martin Heideggers« im Jahr 1949 veröffentlichte sie erste Gedichte in der Zeitschrift Lynkeus und Erzählungen in der Wiener Tageszeitung. Bachmann arbeitete auch an einem ersten, unveröffentlichten und verschollenen Roman »Stadt ohne Namen«. Nach ihrem Studium arbeitete sie für den amerikanischen Sender Rot-Weiß-Rot und schrieb Dramen, Rundfunkessays und Hörspiele, darunter »Ein Geschäft mit Träumen« (1952), »Die Zikaden«(1955) und»Der gute Gott von Manhattan« (1958). Bachmanns Überzeugung, dass nur Literatur und Kunst die existenziellen Grunderlebnisse des modernen Menschen ausdrücken können, entstand aus der Perspektive der Wiener Schule, der neopositivistischen Wissenschaftstheorie ihres Doktorvaters Victor Kraft und der Sprachkritik Ludwig Wittgensteins. Ihre Beschäftigung mit Viktor E. Frankls psychotherapeutischer Forschung und ihrer Freundschaft mit dem Dichter Paul Celan, dessen Familie zu den Opfern des Holocaust gehörte, führten zu einer »tiefgreifenden Verwandlung ihres Denkens und Schreibens« im Sinne eines kritischen Ethos. Lyrik und Musik Bachmanns erster Lyrikband »Die gestundete Zeit« (1953), für den sie den renommierten Preis der Gruppe 47 erhielt, appellierte an das kritische Gewissen der Zeitgenossen angesichts des Kalten Krieges und der gesellschaftlichen Restauration. In ihrem zweiten Gedichtband »Anrufung des Großen Bären«(1956) kehrte sie zu traditionelleren lyrischen Formen zurück. Bachmanns Synthese von Zeitkritik, literarischer Moderne und lyrischer Tradition bildete die Grundlage ihres raschen Aufstiegs zur wichtigsten deutschsprachigen Dichterin der Nachkriegszeit. Auf Einladung des Komponisten Hans Werner Henze brach Bachmann im Sommer 1953 nach Italien auf, um dort eine Existenz als freie Schriftstellerin zu begründen. Die Freundschaft und Zusammenarbeit mit Henze, der sie insbesondere in die Welt der Oper einführt, schlägt sich u.a. in den Opernlibretti »Der Prinz von Homburg« (1958) und »Der junge Lord« (1965) sowie in theoretischen Überlegungen zum Verhältnis von Musik und Dichtung nieder. Die Rolle der Literatur in der Nachkriegszeit In den zehn Jahren nach dem Aufbruch aus Wien lebte sie in Rom, München, Neapel und Zürich und eröffnete im Wintersemester 1959/60 die Frankfurter Vorlesungen zur Problematik zeitgenössischer Dichtung. Dabei fasste sie ihre poetologischen Überlegungen erstmals systematisch zusammen und verortete sie im Prozess der Moderne literarhistorisch. Bachmann vertraute der Fähigkeit der Literatur, angesichts der verzweiflungsvollen »Dunkelhaft der Welt« unsere Möglichkeiten zu erweitern. Diese Haltung spiegelt sich in ihren Erzählungen des Bandes »Das dreißigste Jahr« wider. Beziehung mit Max Frisch Zwischen 1958 und 1962 waren sie das Traumpaar der deutschen Literatur. Die Trennung von Max Frisch 1962 fiel mit einer Lebenskrise zusammen, die den Ausgangspunkt für einen literarischen Neuansatz bildete. Die Erfahrungen von Schmerz und existenziellen Krisen fanden sich u.a. in ihrem »Todesarten«-Projekt. Am 17. Oktober 1973 starb Ingeborg Bachmann im Alter von 47 Jahren in Rom an den Folgen eines Brandunfalls.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492974585
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum24.06.2016
Auflage1. Auflage
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1109 Kbytes
Artikel-Nr.1956521
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Ludwig Wittgenstein - Zu einem Kapitel der jüngsten Philosophiegeschichte

Als vor zwei Jahren Ludwig Wittgenstein in Cambridge starb, erschien in einigen Wiener Blättern eine kurze Notiz: »Im Alter von. . . verschied in ... der bekannte Philosoph ...« Nun, er war keineswegs bekannt; er war eigentlich der unbekannteste Philosoph unserer Zeit, ein Mann, auf den ein Wort seines Landsmannes Karl Kraus zutrifft, der von sich einmal sagte: »Ich bin berühmt, aber es hat sich noch nicht herumgesprochen.« Daß es sich nicht herumspreche, dafür hat Wittgenstein selbst gesorgt. Auch trägt das einzige Buch, das er zu seinen Lebzeiten herausgab, einen Titel so ohne »appeal«, daß sich, mit Ausnahme eines kleinen Kreises von Fachgelehrten, niemand dran vergriff. War er in seinem Werk nur wenigen erreichbar, so in seinem Leben keinem; er mied nach Abschluß des Tractatus logico-philosophicus [1] die Welt und den Ruhm, verwischte seine Spuren, zog für Jahre als Dorfschullehrer auf das Land, und von seinen letzten Jahren in Cambridge, wo er als Nachfolger von G. E. Moore den Lehrstuhl für Philosophie innehatte, erzählte man, daß er eine Hütte bewohnt habe und darin nur einen einfachen Stuhl als Ausstattung duldete. So hat die Legende sein Leben abgelöst noch zur Zeit, als er lebte, eine Legende von freiwilliger Entbehrung, vom Versuch eines heiligmäßigen Lebens, vom Versuch, dem Satz zu gehorchen, der den Tractatus beschließt: »Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.« Und es war - um es vorwegzunehmen - der Versuch, die Philosophie schweigend zu vollziehen, ein absurder Versuch, wie es scheint, aber der einzig legitime für ihn, nachdem er alles Sagbare klar dargestellt hatte (wie er es von der Philosophie forderte), alles Denkbare, das das Undenkbare von innen begrenzt und so auf das Unsagbare deutet.

Dem Namen Wittgenstein begegnet man in der philosophischen Literatur durchwegs im Zusammenhang mit dem »Wiener Kreis«, der einzigen originalen Neuschöpfung der empiristischen Philosophie in der Gegenwart, der einst angefeindeten und gefürchteten »Vienna Dynasty« der logischen Positivisten, die, zu einem Teil wenigstens, von diesem eigenartigen Denker angeregt, eine neue Schule begründeten. Doch wäre es falsch, Wittgenstein - was fortwährend geschieht - mit dieser Schule zu identifizieren und neben seinem fundamentalen Beitrag zur symbolischen Logik und zu einer »mathesis universalis« (neu formuliert als »Einheitssystem der wissenschaftlichen Erkenntnis«) zu übersehen, was seinem Werk den höchsten Rang sichert. Nicht die klärenden, negativen Sätze, die die Philosophie auf eine logische Analyse der naturwissenschaftlichen Sprache beschränken und die Erforschung der Wirklichkeit an die naturwissenschaftlichen Spezialgebiete preisgeben, sondern seine verzweifelte Bemühung um das Unaussprechliche, die den Tractatus mit einer Spannung auflädt, in der er sich selbst aufhebt - sein Scheitern also an der positiven Bestimmung der Philosophie, die bei den anderen Neopositivisten zur fruchtbaren Ignoranz wird -, ist ein erneutes, stets zu erneuerndes Mitdenken wert.

Als im Jahre 1929 der Wiener Arbeitskreis um Moritz Schlick mit der Broschüre Der Wiener Kreis - Wissenschaftliche Weltauffassung an die Öffentlichkeit trat und mit seinem kühlen, sachlichen Programm eine Protestwelle in der deutschen Philosophie auslöste, lag Wittgensteins Tractatus schon acht Jahre vor. Im selben Jahr erschien die zweite Auflage von Heideggers Sein und Zeit , die der Arbeitsgemeinschaft in ihrem Kampf gegen den von Deutschland, dem Land der Depression, aus um sich greifenden Irrationalismus Recht zu geben schien. In Wien, und dies war vonnöten, kam die erbitterte Gegnerschaft der Gruppe zum österreichischen Klerikalismus, etwa in Form der Doktrinen des Staatsphilosophen Othmar Spann, hinzu. Es braucht nicht verschwiegen zu werden, daß die Aggressivität, die scharfen Polemiken gegen alle metaphysischen Richtungen, vor allem von seiten Neuraths, manchmal zu engstirnig waren oder zum Selbstzweck wurden: Doch rechtfertigten die aus echter Leidenschaft nach Genauigkeit und Richtigkeit gewonnenen Erkenntnisse der meisten Mitarbeiter den Anspruch, den der Kreis als internationale Schule von hohem Niveau geltend machte.

Für die Entstehung des Neopositivismus war Wien ein günstiger Boden. Seit für Ernst Mach Ende des neunzehnten Jahrhunderts an der Wiener Universität eine Lehrkanzel für »Philosophie der induktiven Wissenschaften« errichtet worden war, gab es in Österreich eine langjährige Tradition empiristischer Wissenschaft, die sich nahezu ausschließlich mit den Grundlagenproblemen der Naturwissenschaften beschäftigte. 1922 wurde Moritz Schlick auf diesen Lehrstuhl berufen; er hatte bei Planck studiert und stand mit Einstein und Hilbert in persönlichem Verkehr. Ähnlich seinen Vorgängern Boltzmann und Mach kam er also von der Physik her zur Philosophie, doch hatte er ihnen eine eingehende Kenntnis der Philosophie voraus. Um ihn bildete sich bald ein Kreis von Schülern und philosophisch interessierten Gelehrten: Rudolf Carnap, der puristische Logistiker, und die berühmten Mathematiker Menger und Hahn zählten zu ihnen. Schlick war überdies der einzige Gelehrte der Arbeitsgemeinschaft, den Wittgenstein hin und wieder bei sich sah und am stärksten beeinflußte: Die Stellung des Kreises Wittgenstein gegenüber war jedoch nicht einhellig. Es konnte nicht übersehen werden, daß der führende positivistische Logistiker, der dem Durchschnittsdenken das Recht auf jedes »Rätsel« absprach, von einem mystischen Erlebnis des Unsagbaren erschüttert, seine Skepsis nur gegen dessen Gewicht hielt. Der »unio mystica« des Forschers, der die unsagbare Gegenwart des Realen in wenigen Augenblicken der Gnade empfindet, galten auch die letzten Worte Schlicks, dessen Ermordung im Jahre 1934 für den Kreis einen unersetzlichen Verlust bedeutete. Nach seinem Tod wurde ein immer strengerer, »physikalistischer« Kurs eingeschlagen, und Carnap und Neurath verbanden sich zu einer Absage an Schlicks und Wittgensteins »Urerlebnisse«.

Die Hauptthesen des Neopositivismus finden wir im Tractatus logico-philosophicus vorgebildet, der, formal gesehen, eine Kuriosität ist. Er besteht aus losen, brillant geschriebenen, numerierten Aphorismen und beginnt mit dem lapidaren Satz: »Die Welt ist alles, was der Fall ist« (1). Wittgenstein geht von der Grundthese Bertrand Russells aus, wonach die Welt sich aus voneinander völlig unabhängigen Tatsachen zusammensetzt. Über die Gesamtheit der Tatsachen hinaus, in die sie zerfällt, ist sie nichts. Als Abbild dieser voneinander unabhängigen Tatsachen muß unsere Erkenntnis immer vereinzelt sein. Nun bilden wir aber allgemeine Sätze, die dies zu widerlegen scheinen. Etwa: »Alle Menschen sind sterblich.« Doch die Wahrheit einer solchen allgemeinen Aussage, auf deren Zuverlässigkeit wir uns stützen, wird bestimmt durch die Wahrheit etwa der Einzelaussagen »Peter ist sterblich« und »Hans ist sterblich«, wobei das verbindende »und« die Funktion hat, die Wahrheit des allgemeinen Satzes zu gewährleisten. Ein neuer Sinn, eine neue, allgemeine Wahrheit, über die Wahrheit der Einzelaussagen hinaus, entsteht jedoch bei einem allgemeinen Satz nicht.

Dieses harmlose Beispiel aus der Logik hat nun weniger harmlose Folgen. Denn es demonstriert, daß die Logik - dies ist wörtlich und banal zu verstehen - gar nichts besagt. Sie hat - um mit Wittgenstein zu sprechen - rein tautologischen Charakter. Somit kann die Logik die Wirklichkeit nicht erforschen und nichts über sie lehren. Da die Philosophie nun als logische Analyse der Sprache definiert wird, kann auch sie nichts über die Wirklichkeit aussagen; sie ist nur eine Tätigkeit und übt eine Art Kontrolle aus.

Ihr analytisches Werkzeug, die Logik, erfuhr schon gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts eine tiefgreifende Umgestaltung durch die Verwendung von Symbolen nach Analogie der Mathematik. Russell und Whitehead hatten in ihren Principia mathematica gezeigt, daß die mathematischen Grundbegriffe (die natürlichen und erweiterten Zahlen, die Begriffe der Analysis und der Mengenlehre) mit logischen Grundbegriffen, aufgrund logischer Grundsätze, konstituiert werden können, wenn man zwei neue Axiome - das Unendlichkeits- und das Auswahl-Axiom hinzunimmt. Die Mathematik war als Zweig der Logik entdeckt. »Die Logik der Welt, die die Sätze der Logik in den Tautologien zeigen, zeigt die Mathematik in den Gleichungen« (6.22), formuliert Wittgenstein. Verstehen wir es richtig: Wie die Zahlen in der Mathematik nicht Gegenstände unserer Erfahrungswelt bedeuten und die Geometrie nicht den wirklichen Raum beschreibt, so beschreiben die Symbole der Logik nicht die Gegenstände und deren Beziehungen. Wir...
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Autor

Ingeborg Bachmann wurde am 25. Juni 1926 als erstes von drei Kindern des Volksschullehrers Matthias Bachmann (1895-1973) und seiner Frau Olga (geb. Haas, 1901-1998) in Klagenfurt (Österreich) geboren. Ihre Mutter stammt aus dem an >BöhmenAnschlusseskleinererste Opfer Hitler-Deutschlands