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Der Berg der Erleuchtung

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
170 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am15.07.20161. Auflage
Der Zauber und die große geistige Tradition Balis sind in diesem Roman meisterhaft eingefangen und zu einer spannenden Erzählung verdichtet. Auch im modernen Bali ist noch viel Exotisches und Magisches lebendig, wo die Menschen eine uralte, auf tiefer Weisheit gegründete Religion sowohl in starker Verinnerlichung wie auch in farbenprächtigen Ritualen praktizieren. So begegnet man in Siladri einem sinnsuchenden Grübler, der vor den Auswüchsen der technischen Zivilisation zu einem alten Meister und Asketen in die Berge flieht - beseelt von dem Streben nach Vollkommenheit. Für Siladris Familie indes bringt sein Weggang einige Schwierigkeiten mit sich ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Bevor Diana Darling ihren ersten Roman »Der Berg der Erleuchtung« schrieb, war sie Bildhauerin. Die Amerikanerin erhielt ihre Ausbildung in Paris und Carrara, dem Ort der berühmten Marmorsteinbrüche in Italien. Diana Darling hat dann über zehn Jahre lang auf Bali gelebt, wo sie die Kultur der Insel eingehend kennengelernt und die Sprache fließend beherrschen gelernt hat.
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Produkt

KlappentextDer Zauber und die große geistige Tradition Balis sind in diesem Roman meisterhaft eingefangen und zu einer spannenden Erzählung verdichtet. Auch im modernen Bali ist noch viel Exotisches und Magisches lebendig, wo die Menschen eine uralte, auf tiefer Weisheit gegründete Religion sowohl in starker Verinnerlichung wie auch in farbenprächtigen Ritualen praktizieren. So begegnet man in Siladri einem sinnsuchenden Grübler, der vor den Auswüchsen der technischen Zivilisation zu einem alten Meister und Asketen in die Berge flieht - beseelt von dem Streben nach Vollkommenheit. Für Siladris Familie indes bringt sein Weggang einige Schwierigkeiten mit sich ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Bevor Diana Darling ihren ersten Roman »Der Berg der Erleuchtung« schrieb, war sie Bildhauerin. Die Amerikanerin erhielt ihre Ausbildung in Paris und Carrara, dem Ort der berühmten Marmorsteinbrüche in Italien. Diana Darling hat dann über zehn Jahre lang auf Bali gelebt, wo sie die Kultur der Insel eingehend kennengelernt und die Sprache fließend beherrschen gelernt hat.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105611067
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum15.07.2016
Auflage1. Auflage
Seiten170 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1987587
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Erstes Kapitel

Tief im Herzen von Bali, im Dorf Mameling, zu einer Zeit, als das Leben noch geruhsam war und alle Dinge irgendwie heilig, jedes auf seine eigene Art, und das Wissen um diese Heiligkeit von allen geteilt wurde, lebten einst zwei Brüder. Der ältere hieß Siladri, der jüngere Madé Kerti.

Bali war damals wie ein fruchtbar wachsender Bienenstock, der vom Nachhall der Zimbeln und Gongs und der kleinen Sopranhandglocken vibrierte. Es war ein duftender Ort. Es gab den Wohlgeruch von Mangos, Mist und Frangipani und die zarteren Düfte von Gußformen, von heißem Wachs und von Holzrauch auf der Haut der Liebenden. Bali war ein schimmerndes Universum, schwebend zwischen Himmel und Hölle, und seine Menschen waren ausdrucksvoll in ihrer Kunst, grausam im Krieg und liebevoll zu denen, die ihnen übergeordnet waren, wozu man nicht nur die Fürsten und die demütigen, tempelfegenden Priester zählte, sondern auch kleine Kinder und die Verstorbenen.

***

Ni Sabuk, die Mutter von Siladri und Madé Kerti, hatte keine Zeit für Firlefanz. Sie hielt es zum Beispiel für Firlefanz, aus Tieren Schoßtiere zu machen oder sich die Haare zu färben oder nach drinnen zu gehen, wenn es regnete. Verzückung und Raserei konnte sie nicht ausstehen. Wenn bei Mysterienspielen die rituelle Trance zu heftig wurde - halbnackte Männer, besessen von den sich bekämpfenden Göttern der Ordnung und des Chaos, schluchzten und schrien und richteten Messer gegen ihre Bäuche -, war Ni Sabuk alles andere als beeindruckt.

»Angeber«, sagte sie dann und stand mittendrin auf, um nach Hause zu gehen. »Wo sind meine Sandalen?«

Solange sich ihre Söhne erinnern konnten, war Ni Sabuk Witwe. Ihren Mann hatte der Schlag getroffen, als er ihr bei der Entbindung von Madé Kerti half. Wenn jemand höflich fragte, wie sie ihren Mann verloren hatte, sagte sie immer: »Er starb im Kindbett.« Sie sorgte für ihre heranwachsenden Söhne, indem sie ihre kleinen Reisfelder umsichtig bewirtschaftete und feines Tuch wob, das im nahen Palast hoch geschätzt wurde.

Als Siladri seiner Mutter Kadek als seine künftige Braut vorstellte, war die junge Frau so verängstigt, daß sie kaum sprechen konnte.

Ni Sabuk saß mit nacktem Oberkörper im Schneidersitz an ihrem Webstuhl, auf ihrer schattigen Veranda. Kadek stand neben Siladri und duckte sich unterwürfig in der Sonne. In einer respektvollen Geste faltete sie ihre Hände und hob sie vors Gesicht. Ni Sabuk schickte die Dienstboten nach Betelnuß und nahm das Mädchen über den Rand ihrer Brille hinweg in Augenschein.

»Wer ist dein Vater, Kleines?« fragte sie. Kadek nannte seinen Namen. (Er war ein bescheidener Bauer aus einem Dorf in der Nähe.) Dann schaute sie die alte Dame an und lächelte.

Kadek wußte es nicht, aber ihr Lächeln war wie die Sonne, die durch die Wolken bricht, oder wie der Klang wunderbarer Musik - es war, wie wenn man sich verliebt. Ni Sabuk lächelte zurück.

Dann setzten sich die drei zusammen in den Schatten. Man brachte ihnen Tabletts mit Erfrischungen und Betelnuß, und Kadek machte einen Betelpfriem für die alte Dame. Siladri sah ihr dabei zu und jauchzte innerlich. Kadek glühte immer noch zu sehr vor Furcht und Glück, um sprechen zu können; sie lächelte einfach weiter, während sie den Pfriem wickelte, und genoß den pfeffrigen Duft der Blätter und das Gefühl, so nahe am Ursprung ihres Geliebten zu sein. Ihre ovalen Wangen waren leicht gerötet. Sie hatte große, gleichmäßige Zähne, wie Spielmarken aus bleichem Elfenbein. Ni Sabuk sah sich die junge Frau genau an. Sie betrachtete ihre üppigen, weichen Lippen, die immer noch so reizend lächelten, und vermutete, daß die Vagina des Mädchens ebenso sinnlich und ausdrucksvoll war. Allerdings fand sie ihre Knochen zu zart.

»Kannst du weben?« fragte Ni Sabuk.

Kadek lachte. »O nein. Ich weiß nicht, wie das geht.«

»Dann werde ich es dir beibringen. Hier, trink einen Kaffee. Siladri, gib ihr ein bißchen Obst und Gebäck. Sie ist dünn wie eine Stechmücke.«

 

Ni Sabuk war erfreut, als Madé Kerti ankündigte, daß er ebenfalls heiraten wolle, und zwar Kadeks ältere Schwester Rajin.

Rajin war eine hagere, unsentimentale und tüchtige junge Frau, die - anders als ihre Schwester - selten lächelte. Die Mädchen hatten ihre Mutter verloren, als Kadek noch ein Baby war, und Rajin, damals neun Jahre alt, hatte die Pflichten einer Hausfrau übernommen. Das Leben hatte ihr ein herbes, gutes Aussehen verliehen.

Madé Kerti fand sie hinreißend. Als er zum erstenmal zusammen mit Siladri Kadeks Vater besuchte, sah er Rajin, wie sie an der Küchentür den Reis von den Spelzen trennte. Sie hatte ein Tuch lose um ihr Haar geschlungen, und ihre Augen lagen im Schatten. Madé Kerti konnte nur ihre zarte Nase und den entschlossenen Mund sehen. Rajin hatte die Gäste noch nicht bemerkt, und Madé Kerti bewunderte, wie sie mit sehnigen Armen das runde Tablett mit dem Reis herumschwang, und er verliebte sich auf der Stelle in sie.

Ni Sabuk amüsierte sich über das Paar: Madé Kerti war so rundlich und vergnügt, wie Rajin ernsthaft und hager war. Er betete seine Frau an und fand immer eine Ausrede, ihr beim Wassertragen oder beim Versorgen der Tiere zu helfen oder sich zu ihr zu setzen, wenn sie die Opfergaben vorbereitete. Was Rajin anging, so fühlte sie sich in seiner beinahe weiblich anmutenden Gegenwart sehr wohl. Es kam Ni Sabuk vor, als würden die Ecken und Kanten von Rajins Wesen durch den Kokon von Madé Kertis Liebe gepolstert.

Der Haushalt wurde lebendig, jetzt, wo zwei junge Frauen den Hof verschönten. Sie zogen Ferkel und Hühner auf und machten Reisfladen, um sie auf dem Markt zu verkaufen. Madé Kerti grub ein Gartenbeet um, wo sie Chilischoten, Spinat und Kletterbohnen pflanzten. Nahe der Mauer des zum Haus gehörenden Tempels pflanzte Siladri einen Cempaka-Baum, dessen wachsartige, weiße Blüten man wegen ihres Duftes schätzte, und die Frauen steckten sie sich beim Beten ins Haar.

Kadek blühte in der Ehe auf, das konnte jeder sehen. Wenn sie ihren täglichen Pflichten nachging, erfüllte sie den Hof mit Scherzen und kleinen Melodien. Sie war ganz vernarrt in ihre Schwiegermutter und hüllte ihren Mann in den Rausch ihrer Liebe ein. Ihre ältere Schwester behandelte sie weiterhin mit Ehrerbietung, und bald gewann sie auch ihren Schwager lieb.

Junge Liebe sucht immer nach Einsamkeit. Siladri und Kadek lebten nur dafür, in der Nacht miteinander allein sein zu können. Eines Abends, als er in ihrem Zimmer ihr Haar kämmte, sagte Siladri: »Wie kommt es, Kleines, daß ein einziger Gott so viele Namen hat?«

»Was meinst du damit?«

»Gott hat so viele Namen, daß es unmöglich ist, sie alle zu kennen. Jedes Haar auf deinem Kopf trägt einen anderen Namen Gottes, und jedes Haar auf Kertis Kopf hat wieder einen anderen Namen.«

»Und jedes Haar auf deinem Kopf auch, aber ich glaube, es sind längere und großartigere Namen«, flüsterte sie lächelnd und berührte vorsichtig die Spitzen seines Haars, das ihm bis über die Schultern fiel.

»Und auch das hat einen Namen Gottes«, sagte er und ließ seine Finger über ihren Schoß gleiten, »aber den kann ich nicht aussprechen.«

»Warum nicht?« Ihre Augen strahlten, und sie hielt seine Hand in ihrem Schoß fest.

»Weil er nur aus Vokalen besteht.«

Kadek ließ sich kichernd hintenüberfallen. »Und wie ist es damit?« Sie hielt ihre Hand hoch wie eine Paradiesvogelblüte und zeigte auf seine Genitalien.

»Oh, das hat einen kurzen, unangenehmen Namen«, neckte Siladri.

»Ich glaube, es kann auch einen langen, ehrwürdigen, gewichtigen Namen haben«, sagte Kadek mit schalkhaftem Lächeln.

»Einen langen, liturgischen Namen«, murmelte Siladri würdevoll. Kadek intonierte, halb lachend und halb singend, die Parodie eines bekannten Hymnus. Siladri packte sie sanft im Nacken. »Ungezogenes Mädchen, das kannst du nicht verwenden. Du wirst etwas Neues erfinden müssen. Also los ... jetzt gleich ...«

»Ich kann nicht.« Kadek begann prustend loszulachen.

»Mach schon. Eine Prozessionshymne. Also gut, laß es bleiben. Komm her, und danach erzähle ich dir, wieso alle Namen Gottes zu einem werden. Wirklich. Was gibt es da zu lachen? Du ungezogenes Mädchen ...«

Aber bald lag Kadek ausgestreckt in tiefem Schlaf wie ein Kind und konnte nicht sehen, wie Siladri im Dunkeln lag, zum Himmel hinaufstarrte und dort nach dem einen Namen Gottes forschte.

***

Ni Sabuk, Siladris Mutter, lehrte Kadek den Rejang-Tanz, den würdevollen, monotonen Tempeltanz, den für gewöhnlich Jungfrauen und alte Frauen aufführten. Sie verlangte oft von Kadek, daß sie für sie tanzte, besonders, als Kadeks Schwangerschaft so fortgeschritten war, daß sie nicht mehr für längere Zeit am Webstuhl sitzen konnte. »Das ist gut für dich«, sagte die alte Dame, denn sie kannte sich aus. »Du darfst es nur niemandem erzählen.« Ni Sabuk sah Kadek gern beim Tanzen zu. Sie genoß Kadeks steife Anmut, und sie liebte es zuzusehen, wie Kadek ihren dünnen Arm in weitem Bogen zum Boden führte. Ihre Hände und Füße wirkten wie schmale Flaggen. Auf ihrem Gesicht stand ein strahlendes Lächeln.

Kadek paßte zu Siladri wie Blattgold auf die Statue eines Königs. Ni Sabuk kannte ihren Sohn, aber Kadek war zunächst nicht klargewesen, daß ihr Mann ein schwieriger, unruhiger Mensch war. Ihr Blick war voller Versprechen, die für ein ganzes Leben gelten sollten; ihre Hände falteten und besiegelten diese Versprechen jedesmal, wenn sie kochte oder einen Wasserkrug hoch auf ihren Kopf hob. Schwanger wirkte sie wie ein...
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Bevor Diana Darling ihren ersten Roman »Der Berg der Erleuchtung« schrieb, war sie Bildhauerin. Die Amerikanerin erhielt ihre Ausbildung in Paris und Carrara, dem Ort der berühmten Marmorsteinbrüche in Italien. Diana Darling hat dann über zehn Jahre lang auf Bali gelebt, wo sie die Kultur der Insel eingehend kennengelernt und die Sprache fließend beherrschen gelernt hat.