Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Atemübungen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Kein + Abererschienen am30.08.20161. Auflage, neue Ausgabe
'Atemübungen' schildert einen einzigen Tag im Leben von Maggie und Ira Moran, beide sind um die fünfzig und seit achtundzwanzig Jahren ein Ehepaar. Am frühen Morgen steigen sie ins Auto, um Maggies bester Freundin bei der Beerdigung ihres Mannes beizustehen, sie haben eine lange Fahrt vor sich. Auch wenn es kein Tag ist wie jeder andere, auch wenn er Erinnerungen weckt und sie ihn dazu nutzen, ihren gemeinsamen Lebensweg zu rekapitulieren, so bleibt er doch ganz im Rahmen dessen, was das Ehepaar für Normalität hält. Mit ihrer außergewöhnlichen Beobachtungsgabe, psychologischem Feinsinn, Witz und erzählerischer Kraft fängt Anne Tyler Muster und Rituale dieser Ehe ein und spürt dabei Gesetzmäßigkeiten von verblüffender Allgemeingültigkeit auf.

Anne Tyler wurde 1941 in Minneapolis, Minnesota, geboren und ist 'eine der erfolgreichsten Autorinnen der amerikanischen Gegenwartsliteratur' (ZEITmagazin). Sie ist Preisträgerin des Pulitzerpreises und des Sunday Times Awards für ihr Lebenswerk. Bei Kein & Aber erschienen bislang ihre Romane 'Verlorene Stunden' (2010), 'Abschied für Anfänger' (2012), 'Dinner im Restaurant Heimweh', 'Im Krieg und in der Liebe' (beide 2014) und 'Der leuchtend blaue Faden' (2015). Anne Tyler lebt in Baltimore.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

Klappentext'Atemübungen' schildert einen einzigen Tag im Leben von Maggie und Ira Moran, beide sind um die fünfzig und seit achtundzwanzig Jahren ein Ehepaar. Am frühen Morgen steigen sie ins Auto, um Maggies bester Freundin bei der Beerdigung ihres Mannes beizustehen, sie haben eine lange Fahrt vor sich. Auch wenn es kein Tag ist wie jeder andere, auch wenn er Erinnerungen weckt und sie ihn dazu nutzen, ihren gemeinsamen Lebensweg zu rekapitulieren, so bleibt er doch ganz im Rahmen dessen, was das Ehepaar für Normalität hält. Mit ihrer außergewöhnlichen Beobachtungsgabe, psychologischem Feinsinn, Witz und erzählerischer Kraft fängt Anne Tyler Muster und Rituale dieser Ehe ein und spürt dabei Gesetzmäßigkeiten von verblüffender Allgemeingültigkeit auf.

Anne Tyler wurde 1941 in Minneapolis, Minnesota, geboren und ist 'eine der erfolgreichsten Autorinnen der amerikanischen Gegenwartsliteratur' (ZEITmagazin). Sie ist Preisträgerin des Pulitzerpreises und des Sunday Times Awards für ihr Lebenswerk. Bei Kein & Aber erschienen bislang ihre Romane 'Verlorene Stunden' (2010), 'Abschied für Anfänger' (2012), 'Dinner im Restaurant Heimweh', 'Im Krieg und in der Liebe' (beide 2014) und 'Der leuchtend blaue Faden' (2015). Anne Tyler lebt in Baltimore.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783036993447
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum30.08.2016
Auflage1. Auflage, neue Ausgabe
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3530 Kbytes
Artikel-Nr.2080952
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Maggie und Ira Moran mussten zu einer Beerdigung nach Deer Lick in Pennsylvania. Maggies Jugendfreundin hatte ihren Mann verloren. Deer Lick lag an einer kleinen Landstraße ungefähr neunzig Meilen nördlich von Baltimore, und die Beerdigung sollte am Samstagmorgen um halb elf stattfinden; so hatte sich Ira ausgerechnet, dass sie um acht losfahren müssten. Das machte ihn mürrisch. (Er war kein Morgenmensch.) Außerdem war samstags im Geschäft am meisten zu tun, und er hatte niemanden, der ihn vertreten konnte. Und obendrein war ihr Wagen in der Karosseriewerkstatt. Er hatte eine gründliche Überholung gebraucht, und sie konnten ihn frühestens am Samstagmorgen Punkt acht abholen, wenn die Werkstatt öffnete. Ira meinte, es sei vielleicht besser, nicht zu fahren, aber Maggie meinte, sie müssten. Sie und Serena waren eine Ewigkeit miteinander befreundet, oder fast eine Ewigkeit: seit zweiundvierzig Jahren, seit der ersten Klasse bei Miss Kimmel.

Sie nahmen sich vor, um sieben aufzustehen, aber Maggie musste den Wecker falsch gestellt haben, und deshalb verschliefen sie. Sie mussten sich hastig anziehen und das Frühstück herunterschlingen, Nescafé mit warmem Wasser aus der Leitung und kalte Getreideflocken. Dann machte sich Ira zu Fuß auf den Weg zum Geschäft, um einen Zettel für die Kundschaft anzubringen, und Maggie ging zur Werkstatt. Sie trug ihr bestes Kleid - mit einem Zweigmuster in Blau und Weiß und weiten Ärmeln - und neue schwarze Pumps, wegen der Beerdigung. Die Schuhe hatten nur halbhohe Absätze, aber sie kam in ihnen langsamer voran als sonst; sie war eher an Kreppsohlen gewöhnt. Außerdem war ihr die Strumpfhose ziemlich weit nach unten gerutscht, und nun musste sie kurze, unnatürlich staksende Schritte machen, wie ein kleines, klobiges Aufziehspielzeug, das den Gehweg entlangholpert.

Zum Glück war die Werkstatt nur ein paar wenige Blocks entfernt. (In diesem Teil der Stadt war alles bunt gemischt - kleine Holzhäuser wie ihr eigenes standen zwischen Ateliers von Porträtfotografen, kleinen Schönheitssalons, Fahrschulen und Pediküre-Instituten.) Und das Wetter war wunderschön - ein warmer, sonniger Septembertag, es wehte ein Lüftchen, das gerade ausreichte, ihr das Gesicht zu kühlen. Sie strich sich den Pony glatt, wo er sich zu einer Stirnlocke kräuseln wollte. Ihre modische Handtasche, passend zum Kleid, hatte sie unter den Arm geklemmt. Sie bog links um die Ecke, und gleich dahinter lag »Harbors Karosseriewerkstatt«, die abblätternden grünen Werkstatttore waren schon hochgezogen, und aus dem höhlenartigen Inneren drang stechender Farbgeruch hervor, der sie an Nagellack erinnerte.

Sie hatte den Scheck schon ausgefüllt, und der Meister sagte ihr, die Schlüssel seien im Wagen, sodass sie im Nu fertig war. Der Wagen war im hinteren Teil der Halle abgestellt, ein älterer, graublauer Dodge. Seit Jahren hatte er nicht mehr so gut ausgesehen. Sie hatten die hintere Stoßstange gerichtet, den kaputten Kofferraumdeckel ersetzt, an verschiedenen Stellen ein halbes Dutzend Beulen ausgebügelt und Rostflecken an den Türen überstrichen. Ira hatte recht: eigentlich unnötig, einen neuen Wagen zu kaufen. Sie setzte sich hinter das Lenkrad. Als sie den Zündschlüssel drehte, tönte das Radio los - AM Baltimore mit Mel Spruce, eine Talkshow, bei der die Hörer anrufen konnten. Sie stellte nicht gleich ab. Sie schob den Sitz zurecht, den jemand zurückgestellt hatte, der größer als sie war, bog den Rückspiegel nach unten. Ihr Gesicht blitzte ihr entgegen, rund und leicht glänzend, die blauen Augen an den Innenwinkeln zusammengekniffen, als würde sie sich wegen irgendetwas Sorgen machen, während sie sich in Wirklichkeit nur bemühte, im Halbdunkel etwas zu erkennen. Sie legte den Gang ein und rollte langsam aus der Halle hinaus. Draußen stand der Meister vor seinem Büro und blickte mit gerunzelter Stirn auf einen Schreibblock.

Die heutige Frage in AM Baltimore lautete: »Was macht die ideale Ehe aus?« Gerade hatte eine Frau angerufen und verkündet, gemeinsame Interessen seien das Wichtigste. »Zum Beispiel, wenn beide die gleichen Sendungen im Fernsehen mögen«, erläuterte sie. Es war Maggie völlig gleichgültig, was die ideale Ehe ausmacht. (Sie war seit achtundzwanzig Jahren verheiratet.) Sie kurbelte ihr Fenster herunter und rief: »Tschüss denn!«, und der Meister sah von seinem Block hoch. Sie glitt an ihm vorüber - eine ausnahmsweise einmal selbstständige Frau, mit geschminkten Lippen und halbhohen Absätzen, in einem Auto ganz ohne Beulen.

Im Radio sagte eine sanfte Stimme: »Ja, also ich heirate jetzt zum zweiten Mal. Beim ersten Mal war es rein aus Liebe. Es war echte, wahre Liebe, und es hat überhaupt nicht funktioniert. Nächsten Samstag heirate ich aus Sicherheit.«

Maggie blickte auf die Senderskala des Radios und sagte: »Fiona?« Sie wollte bremsen, aber stattdessen beschleunigte sie und schoss aus der Werkstatteinfahrt direkt auf die Straße. Ein von links kommender Pepsi-Lastwagen krachte ihr in den linken vorderen Kotflügel, die einzige Stelle, an der bisher noch nie das Geringste kaputt gewesen war.

Früher, wenn Maggie mit ihren Brüdern Baseball spielte, tat sie sich oft weh, aber sie sagte immer, es sei alles in Ordnung, aus Angst, sie würden sie sonst nicht mehr mitspielen lassen. Sie riss sich dann zusammen und rannte, ohne zu humpeln, weiter, auch wenn ihr das Knie ganz schrecklich wehtat. Jetzt fiel es ihr wieder ein, denn als der Meister herbeigelaufen kam und rief: »Was zum ...? Ist alles in Ordnung?«, da blickte sie höchst würdevoll geradeaus und sagte ihm: »Gewiss doch. Warum fragen Sie?«, und fuhr davon, bevor noch der Pepsi-Fahrer aus seinem Wagen steigen konnte, was in Anbetracht der Miene, die er aufgesetzt hatte, vielleicht auch das Beste war. Aber ihr Kotflügel gab wirklich ein sehr beunruhigendes Geräusch von sich, es klang wie ein Stück Blech, das über Kies schleift, und sobald sie um die Ecke gebogen war und die beiden Männer - der eine sich am Kopf kratzend, der andere winkend - aus ihrem Rückspiegel verschwunden waren, hielt sie an. Fiona war nicht mehr im Radio. Stattdessen stellte eine Frau mit einem rauchigen Tenor Vergleiche zwischen ihren fünf Ehemännern an. Maggie schaltete den Motor ab und stieg aus. Sie sah, wo das Problem lag. Der Kotflügel war nach innen gegen den Reifen gedrückt worden; es wunderte sie, dass sich das Rad überhaupt noch drehen konnte. Sie hockte sich an den Bordstein, packte die Unterkante des Kotflügels mit beiden Händen und zog. (Jetzt fiel ihr ein, wie sie sich dann in das hohe Gras im Außenfeld geduckt und heimlich und vorsichtig ihre Jeans über die blutige Stelle am Knie hochgekrempelt hatte.) Graublaue Lacksplitter fielen ihr in den Schoß. Auf dem Gehweg ging jemand vorüber, aber sie tat so, als würde sie nichts bemerken, und zog noch einmal. Diesmal ruckte der Kotflügel, aber nicht so weit, dass der Reifen frei gewesen wäre. Sie stand auf und klopfte sich den Staub von den Händen. Dann stieg sie wieder in den Wagen, aber eine Minute lang saß sie bloß da. »Fiona!«, sagte sie noch einmal. Als sie den Motor wieder anließ, brachte das Radio Reklame für Bankdarlehen, und sie schaltete ab.

Ira wartete vor seinem Laden, er wirkte fremd und seltsam elegant in seinem marineblauen Anzug. Ein Schwall borstiger, von grauen Strähnen durchzogener schwarzer Haare hing ihm in die Stirn. Über ihm schwang ein Blechschild in der leichten Brise: sam´s rahmenladen. bilderrahmung. zierrahmen. ihre handarbeit professionell präsentiert. Sam war Iras Vater, der mit dem Geschäft nichts mehr zu tun hatte, seit sich vor dreißig Jahren herausgestellt hatte, dass er ein »schwaches Herz« hatte. Maggie setzte dieses »schwache Herz« immer in Anführungszeichen. Sie hatte es sich zum Prinzip gemacht, nicht zu den Fenstern der Wohnung über dem Laden hinaufzusehen, wo Sam seine Tage in beengter und von Nörgelei erfüllter Untätigkeit zusammen mit Iras beiden Schwestern verbrachte. Wahrscheinlich stand er auch jetzt dort oben und sah hinunter. Sie parkte neben dem Bordstein und schob sich hinüber auf den Beifahrersitz.

Wie sich der Ausdruck auf Iras Gesicht veränderte, während er sich dem Wagen näherte, war sehenswert. Zunächst war er erfreut und hochzufrieden, dann bog er um den Kühler und hielt kurz inne, als er den linken Kotflügel erblickte. Sein langes, hageres, olivbraunes Gesicht wurde länger. Seine Augen, die ohnehin so schmal waren, dass man kaum sagen konnte, ob sie schwarz oder nur dunkelbraun waren, verwandelten sich in verständnislos dreinblickende, schräge Schlitze. Er öffnete die Tür, stieg ein und warf ihr einen bekümmerten Blick zu.

»Es gab eine unerwartete Situation«, erklärte Maggie.

»Auf dem Weg zwischen hier und der Werkstatt?«

»Ich habe Fiona im Radio gehört.«

»Das sind fünf Blocks! Bloß fünf oder sechs Blocks!«

»Ira, Fiona heiratet.«

Mit Erleichterung stellte sie fest, dass er von den Gedanken an den Wagen abließ. Irgendetwas auf seiner Stirn klarte auf. Er sah sie einen Augenblick an und sagte dann: »Fiona - und wie noch?«

»Deine Schwiegertochter Fiona, Ira. Wie viele Fionas kennen wir denn? Fiona, die Mutter deines einzigen Enkelkindes, und jetzt will sie einen wildfremden Mann heiraten, bloß aus Sicherheit.«

Ira rückte den Sitz weiter nach hinten und fuhr los. Er schien auf irgendetwas zu hören - vielleicht auf das Schleifgeräusch des Rades. Aber offenbar hatte sie es mit dem Ruck am Kotflügel geschafft. Er sagte: »Wo hast du das gehört?«

»Im Radio, beim...

mehr

Autor

Anne Tyler, geboren 1941 in Minneapolis, Minnesota, ist Autorin von zahlreichen Romanen und Trägerin des Pulitzerpreises. Für ihr Lebenswerk erhielt sie den Sunday Times Award. Sie ist Mitglied der American Academy und des Institute of Arts and Letters. Bei Kein & Aber erschienen unter anderem ihre Bestseller Eine gemeinsame Sache, Launen der Zeit, Der leuchtend blaue Faden, mit dem sie auf der Shortlist des Man Booker Prize und des Women's Prize for Fiction stand, sowie Der Sinn des Ganzen, der für den Booker Prize nominiert war. Anne Tyler lebt in Baltimore.