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Morgen stirbst du

Kriminalroman
dtv Deutscher Taschenbuch Verlagerschienen am01.07.2016
Damals hat sie alles verloren. Jetzt kämpft sie ums Überleben. Ein Jahr ist vergangen, seit Hauptkommissarin Lena Larcher Mann und Sohn bei einem Autounfall verloren hat. Nur mühsam kämpft sie sich zurück ins Leben und in den Beruf. In einer Trauerbewältigungsgruppe begegnet sie einem Mann, der ihr Interesse weckt. Doch kurz darauf wird dieser tot in einem heruntergekommenen  Hotel in Köln aufgefunden. Lena ist die Einzige, die nicht an einen Selbstmord glaubt. Beharrlich verfolgt sie eine gefährliche Spur und erkennt zu spät, dass sie in eine Falle gelockt wird.

Reinhard Rohn, 1959 in Osnabrück geboren, lebt in Köln und Berlin und arbeitet als Verlagsleiter. Er hat zahlreiche Kriminalromane ins Deutsche übersetzt, bevor er selber mit dem Schreiben von Spannungsromanen begann. Unter dem Pseudonym Arne Blum hat er außerdem drei Romane mit Kim, dem Detektivschwein, veröffentlicht.
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KlappentextDamals hat sie alles verloren. Jetzt kämpft sie ums Überleben. Ein Jahr ist vergangen, seit Hauptkommissarin Lena Larcher Mann und Sohn bei einem Autounfall verloren hat. Nur mühsam kämpft sie sich zurück ins Leben und in den Beruf. In einer Trauerbewältigungsgruppe begegnet sie einem Mann, der ihr Interesse weckt. Doch kurz darauf wird dieser tot in einem heruntergekommenen  Hotel in Köln aufgefunden. Lena ist die Einzige, die nicht an einen Selbstmord glaubt. Beharrlich verfolgt sie eine gefährliche Spur und erkennt zu spät, dass sie in eine Falle gelockt wird.

Reinhard Rohn, 1959 in Osnabrück geboren, lebt in Köln und Berlin und arbeitet als Verlagsleiter. Er hat zahlreiche Kriminalromane ins Deutsche übersetzt, bevor er selber mit dem Schreiben von Spannungsromanen begann. Unter dem Pseudonym Arne Blum hat er außerdem drei Romane mit Kim, dem Detektivschwein, veröffentlicht.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423430531
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum01.07.2016
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1174
Artikel-Nr.2081981
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
2.


Montag, 16. November


Der Hass überfiel ihn, als der Sarg aus der winzigen Kapelle getragen wurde. Da stand er, der Mann, der seine Ehe zerstört hatte, er stand da, rotgesichtig, aufgeschwemmt, ein Alkoholiker, und am liebsten hätte er eine Waffe gezogen und ihm eine Kugel in den Schädel gejagt, genau zwischen die Augen.

Kuhn wandte sich ab, als er an ihm vorbeiging. So war es schon früher gewesen, dass er keinem Blick standhielt, dass er sich klein machte, obwohl er mit fast ein Meter neunzig viel größer war, als es schien.

Als der Sarg in die Erde herabgelassen wurde, spürte er, dass ihm ein Schluchzen entfuhr; es war ein fremder Laut, den er so noch nicht gehört hatte und der ihn erschreckte. Er trauerte um Linda, er tat es wirklich, obwohl sie ihn betrogen hatte, mit Kuhn, mit anderen.

Dann baute er sich neben dem Grab auf, als wäre er wahrhaftig der Witwer, als wären Linda und er noch ein Paar gewesen. Berit trat auf ihn zu, Lindas älteste Freundin. Stumm drückte sie ihm die Hand, kein bisschen verwundert, dass er hier aufgetaucht war. Dann kamen Reimerts, ihre alten Nachbarn, Fischers, Möllns. Die halbe Straße hatte sich versammelt. Er hatte sie seit zwei Jahren nicht mehr gesehen, seit dem Tag, als er ausgezogen war. Er schüttelte Hände, die Gesichter verschwammen vor seinen Augen. Lindas Kolleginnen aus der Redaktion, ältlich gewordene, verhärmte Feministinnen, die er nie hatte leiden können. Auch Heinz, Lindas Onkel, war gekommen, der ehemals stolze Banker, nun ein alter gebeugter Mann, der an einem Stock dahinkroch, eine junge Frau, wahrscheinlich seine Pflegerin, neben ihm. Er mochte sich wundern, dass kein Priester die Zeremonie geleitet hatte, sondern ein profaner Trauerredner, den der Bestatter engagiert hatte.

Zuletzt trat Kuhn an das Grab. Er hatte sich einen Kinnbart wachsen lassen, der lächerlich aussah. Er blickte an ihm vorbei, reichte ihm nicht die Hand. Sein aufgeschwemmtes Gesicht war voller Tränen. »Na, mimst du den traurigen Witwer?«, zischte er ihm zu.

Er hätte ihn am liebsten ins Gesicht geschlagen. »Sie war meine Frau«, sagte er, »immer noch. Bist du an dem Unfall schuld? Habt ihr euch gestritten?«

»Halt s Maul«, sagte Kuhn voller Hass. »Was weißt du schon? Verschwinde!« Er starrte in das dunkle Grab und fingerte an einem weißen Taschentuch herum.

Eine Glocke erklang. Der Bestatter wandte sich dem Grab zu. Gleich würde man es mit schwarzer Erde schließen und es mit den Kränzen aus der Kapelle schmücken.

Linda war mit ihrem Golf auf gerader Strecke von der Straße abgekommen - irgendwann in der Nacht in der tiefsten Eifel. Vielleicht hatte sie noch gelebt, aber erst nach Stunden, im Morgengrauen, hatte man sie gefunden. Er mochte sich gar nicht vorstellen, ob sie gelitten hatte.

Kuhn wandte sich ab. Ein Weinkrampf schüttelte ihn. Auch dessen Frau entdeckte er nun, ein fahles, unscheinbares Wesen mit dünnen grauen Haaren, das offenbar alles ertrug, was ihm widerfuhr.

»Ich gehe in das Haus zurück«, sagte er. »Alles, was ich von dir finde, werde ich auf den Müll werfen.« Dann verließ er den Friedhof.

Erst im Auto, während er sich eine Zigarette ansteckte, begriff er, was er gesagt hatte. Er würde ins Haus zurückkehren. Ja, warum nicht? Wieso sollte er seine winzige Wohnung mit dem einen Dachfenster in der Mainzer Straße nicht aufgeben und wieder in dem Haus leben, das er einmal gebaut hatte? Köln-Fühlingen, eine ehrbare, grundsolide Adresse. Das Haus gehörte nun ihm allein. Schließlich waren Linda und er auf dem Papier noch immer verheiratet.

Wie glücklich waren sie gewesen, als sie dort eingezogen waren. Dreizehn Jahre war das her - sie hatten ihr Leben noch vor sich gehabt, zwei erfolgreiche dreißigjährige Journalisten in einem schneeweißen Haus mit riesigen Fenstern und einem Garten, in dem ein mächtiger Kirschbaum stand, der im Frühling voller Blüten war. Auf dem nackten Holzboden hatten sie sich in der ersten Nacht im Haus geliebt, er konnte den Geruch des Öls noch wahrnehmen, wenn er die Augen schloss. Lindas blonde Haare an seiner Schulter, ihr Atmen an seinem Ohr, ihr melodisches Summen â¦ sie keuchte nicht, wenn sie einen Orgasmus hatte, sie summte, summte ein wirres, chaotisches Lied.

Er verlor sich in Erinnerungen. Nun war Linda tot. Die Affäre mit Kuhn, der sich nicht entscheiden konnte, ob er sie liebte oder bei seiner grauhaarigen, unscheinbaren Frau bleiben sollte, hatte sie getötet. Auch dafür hatte Kuhn eine Kugel zwischen die Augen verdient.

Er beobachtete, wie die kleine Trauergemeinde den Friedhof verließ. Nun hatte Kuhn die Führung übernommen, allein, ohne seine Frau, ging er voran. Er würde alle in den Gasthof an der Neußer Straße einladen, die halbe Straße und Lindas Freundinnen und Kolleginnen - Kuhn wusste, was sich gehörte. Er war schließlich Professor - Pädagoge und Professor. Gab es etwas Schlimmeres?

Rauchend blickte er ihnen nach, wie sie die Straße hinaufgingen. Manchmal in der letzten Zeit war er so voller Wut, dass er sich vorstellte, mit Handgranaten um sich zu werfen - hinein in laute, pöbelnde Menschenmengen.

Er war nicht mehr mit sich im Reinen, seit er Linda verlassen hatte - oder sie ihn.

Es war elf Uhr am Vormittag, ein trüber Montag im November. Er sollte in die Redaktion fahren, an seiner Serie über die Brücken von Köln arbeiten, doch zuvor würde er sich ein Frühstück im Café Central gönnen.

Seine Frau war tot. Den Gedanken konnte er immer noch nicht begreifen. Er hatte erst gestern Abend, kaum zwei Tage nach ihrem Unfall, davon erfahren.

Noldens Nummer leuchtete auf dem Display seines Smartphones auf.

Niemand beim Express wusste, dass seine Frau ums Leben gekommen war.

Lustlos meldete er sich. Wenn Nolden jemanden vor zwölf Uhr mittags anrief, bedeutete es für gewöhnlich, dass Ärger ins Haus stand.

Vor zwei Tagen hatte er einen Artikel über einen ehemaligen Fernsehmoderator verfasst, der nun jeden Tag in sein leeres Studio fuhr und sich alte Sendungen anschaute, Quizshows mit Prominenten, die er einmal moderiert hatte. Teffy hatte er sich genannt, ein lächerlicher Name, der nun, da er vollkommen erfolglos war, noch lächerlicher anmutete. Bis hinauf zum Verleger hatte Teffy sich beschwert und eine Klage wegen Rufschädigung angekündigt.

»Wo bist du?«, fragte Nolden ohne jede Begrüßung. »Sitzt du noch im Central?«

»Ja«, log er. »Ich bin aber schon auf dem Weg.«

»Nicht nötig«, erwiderte Nolden. »Ich komme. Ich muss mit dir reden.«

Nolden hatte die Figur eines Marathonläufers, obwohl er viel rauchte und Sport verabscheute, ein Windhund, der auch zubeißen konnte. Seit zehn Jahren führte er den Express , hockte von zehn Uhr morgens bis spät am Abend an seinem Schreibtisch und überwachte die Redaktion. Er hatte eine Frau und zwei Kinder, aber er schien sich nichts aus ihnen zu machen. Nie hatte man ihn mit seiner Familie gesehen.

Das Café Central lag in dem Hotel Chelsea, ein paar Schritte vom Rudolfplatz entfernt. Nolden saß schon da und wischte an seinem iPad herum. Wie die meisten Journalisten war er ein Nachrichtenjunkie.

Er setzte sich. Nolden blickte mürrisch auf. Seine Augen hinter seiner modischen Hornbrille funkelten wütend.

»Tut mir leid«, sagte er. »Hatte noch was zu erledigen. Ist was mit Teffy? Bei wem hat er sich jetzt beschwert? Beim Erzbischof oder beim Oberbürgermeister?« Ein schwacher Scherz.

Nolden griff nach seiner Kaffeetasse. Er trank nur schwarzen Kaffee, jeden Tag mindestens zwei Kannen - eine Journalistenkrankheit. »Teffy geht mir am Arsch vorbei«, sagte er. »Es geht um was anderes - es geht um dich. Ich möchte, dass du Urlaub machst, einen langen Urlaub, ein paar Wochen, irgendwo im Ausland, Karibik, Lanzarote, und danach hast du keinen Schreibtisch mehr in der Redaktion.«

Er brauchte ein paar Momente, um zu begreifen, dass Nolden ihn soeben gefeuert hatte - auf eine für ihn wohl freundliche, geradezu zuvorkommende Art und Weise.

Maria, die junge Kellnerin, kam an den Tisch, sie hatte seinen Milchkaffee, den er hier immer trank, schon dabei. Er nickte ihr lächelnd zu.

Nolden blickte wieder auf sein iPad und schnaufte dann, offenbar unwillig, weil er noch keine Antwort erhalten hatte.

Ich habe vor einer Stunde meine Frau begraben, hätte er beinahe gesagt, und jetzt wirfst du mich raus, nach mehr als zehn Jahren?

»Es geht nicht mehr«, sagte Nolden dann und starrte ihm ins Gesicht. »Du weißt, wie schlecht die Geschäfte laufen. Die Auflage sinkt und sinkt, der Verleger steht mir auf den Füßen und fordert mich auf, die Kosten zu senken, und du hast schon lang nichts Richtiges mehr geliefert. Eine Serie über die Brücken von Köln - mein Gott!« Er hob die Hände und atmete theatralisch ein und aus. »Mit den Fernsehleuten hast du dich verkracht, und zum FC kann ich dich auch nicht schicken.«

»Ich mache keinen Sport mehr«, erwiderte er viel zu leise. »Habe ich dir schon oft gesagt.«

Noldens Telefon dudelte einen Van-Halen-Song. Verächtlich blickte er auf das Display, ohne das Gespräch anzunehmen.

»Du weißt, dass ich an einer ganz großen Geschichte arbeite - das Material bietet Stoff für eine Serie, sechs, sieben Folgen â¦ Das Ganze wird großes Aufsehen erregen. Das schwöre ich dir.« Es war eine Lüge, und er begriff, dass er auch nicht allzu überzeugend klang.

»Ja, über die große Weltverschwörung â¦ Ich weiß. Hast du mir letzte Woche schon erzählt.« Nolden kippte...
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Autor

Reinhard Rohn, 1959 in Osnabrück geboren, lebt in Köln und Berlin und arbeitet als Verlagsleiter. Er hat zahlreiche Kriminalromane ins Deutsche übersetzt, bevor er selber mit dem Schreiben von Spannungsromanen begann. Unter dem Pseudonym Arne Blum hat er außerdem drei Romane mit Kim, dem Detektivschwein, veröffentlicht.