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Gebrauchsanweisung fürs Skifahren

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am02.11.20161
Ob Arlberg, Feldberg oder Norwegens Weiten: Viele Orte rühmen sich, die Wiege des Skisports zu sein - und alle haben irgendwie recht. Die Autorin stellte in ihrer Jugend Schanzenrekorde auf, lieferte sich unzählige Rennen, schwingt leidenschaftlich gern, bis der Powder stiebt, und hat die Königsdisziplin aller Langläufe, den schwedischen Vasalauf, absolviert. Sie geht den Eigenheiten besonderer Regionen und Skifahr-Stile nach. Begegnet Flachlandtirolern, Kinderskikursen und Pistensäuen, Amateuren und Profis, Helm- und Mützenträgern, Asketen und Partylöwen. Widmet sich modischen Auswüchsen und kulinarischen Angeboten am Pistenrand. Und findet heraus, wie man richtig wachst und wie einst die Zukunft des weißen Sports aussehen könnte.

Antje Rávik Strubel, 1974 in Potsdam geboren, aufgewachsen in Ludwigsfelde, arbeitet nach Ausbildung zur Buchhändlerin und Studium als Übersetzerin und Schriftstellerin. Sie lebt in Potsdam und veröffentlichte u.a. die Romane »Tupolew 134«, »Kältere Schichten der Luft«, »Plunge of Days into the Night« und »In den Wäldern des menschlichen Herzens«. Bei Piper erschienen von ihr die »Gebrauchsanweisung für Schweden«, »Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg« sowie »Gebrauchsanweisung fürs Skifahren«. Antje Rávik Strubel wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Deutschen Buchpreis 2021 für ihren neuen Roman »Blaue Frau«.
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Produkt

KlappentextOb Arlberg, Feldberg oder Norwegens Weiten: Viele Orte rühmen sich, die Wiege des Skisports zu sein - und alle haben irgendwie recht. Die Autorin stellte in ihrer Jugend Schanzenrekorde auf, lieferte sich unzählige Rennen, schwingt leidenschaftlich gern, bis der Powder stiebt, und hat die Königsdisziplin aller Langläufe, den schwedischen Vasalauf, absolviert. Sie geht den Eigenheiten besonderer Regionen und Skifahr-Stile nach. Begegnet Flachlandtirolern, Kinderskikursen und Pistensäuen, Amateuren und Profis, Helm- und Mützenträgern, Asketen und Partylöwen. Widmet sich modischen Auswüchsen und kulinarischen Angeboten am Pistenrand. Und findet heraus, wie man richtig wachst und wie einst die Zukunft des weißen Sports aussehen könnte.

Antje Rávik Strubel, 1974 in Potsdam geboren, aufgewachsen in Ludwigsfelde, arbeitet nach Ausbildung zur Buchhändlerin und Studium als Übersetzerin und Schriftstellerin. Sie lebt in Potsdam und veröffentlichte u.a. die Romane »Tupolew 134«, »Kältere Schichten der Luft«, »Plunge of Days into the Night« und »In den Wäldern des menschlichen Herzens«. Bei Piper erschienen von ihr die »Gebrauchsanweisung für Schweden«, »Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg« sowie »Gebrauchsanweisung fürs Skifahren«. Antje Rávik Strubel wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Deutschen Buchpreis 2021 für ihren neuen Roman »Blaue Frau«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492975339
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum02.11.2016
Auflage1
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2424 Kbytes
Artikel-Nr.2098186
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Warum Skifahren göttlich ist

Alle wollen die Ersten gewesen sein

Schnee von gestern

Die Angst kommt vor dem Fall

Abfahrer oder Langläufer¿? Eine kleine Typologie

Kleider machen Skifahrer: Wollrock,Zwiebellook oder Vier-Wege-Stretch

Wie kommt ein Skifahrer auf den Berg¿?

Skigebiete I: Wo die Luft brennt, bis der Schnee glüht

Skigebiete II: Weißes Gold, Sushipuder und der Disney-Code

Wie kommt die Loipe in den Schnee¿?

Ski laufen wie die Engel

Was kommt in einen Ski alles rein¿?

Wie Abfahren geht: Jetschwünge, Wedelstars und Katapultstürze

Von FIS bis V-Stil. Kleines olympisches Lexikon

Wie Langlaufen geht: kühler Diagonalgang oder heißer Schlittschuhschritt

Persönliche Bestzeit. Das Leben ist herrlich, wenn das Wachs stimmt

Warum der Schnee ein Spiegel der Sonne ist. Oder: Was uns blüht

Eiskristall aus hundert TrillionenWassermolekülen. Ein Nachruf

Literatur
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Leseprobe


Warum Skifahren göttlich ist

Ein verblasstes Schwarz-Weiß-Foto von Schellerhau im Erzgebirge: Ich versuche, mit meinen Holzski einen Hügel hinunterzurutschen. Meine Eltern - auf Bambusstöcke gestützt - feuern mich an; sie hoffen, dass ich beim nächsten Mal hinunterkomme, ohne zu fallen. Erst dann bin ich zufrieden, kann die Skiwanderung fortgesetzt werden. Ich trage eine selbst gestrickte Bommelmütze und Wollhosen. Meine Mutter trägt Steghosen und einen Anorak mit kunstpelzbesetzter Kapuze, mein Vater eine Laufjacke, die sich vor der Brust beult von Schokolade, Skiwanderkarte, Fotoapparat. Noch ist nicht die Rede von atmungsaktiven, wasserabweisenden, wärmespeichernden Membranen. Noch wird richtig geschwitzt und gefroren, noch vereisen Schweißdampf und Luftfeuchtigkeit als kristallines Muster auf Mütze und Schal.

Meine ersten Rutschversuche auf Ski fanden in den Siebzigerjahren statt. Wir liefen im Thüringer Wald, im Riesengebirge, am Fichtelberg Ski, manchmal im Vogtland, wenn es einen strengen Winter gab. Es gab damals öfter strenge Winter als heute. Winter, in denen der alte Skoda meiner Eltern auf der Fahrt im Schnee stecken blieb, nachdem wir uns auf der vereisten Straße gedreht hatten. Eine Schneefräse musste uns befreien.

Wir wohnten in den Fremdenzimmern von Gaststätten oder in Privathäusern unterm Dach, wo es keine Heizung gab, nur einen provisorisch aufgestellten Heizlüfter, vor dem die nassen Skiklamotten trockneten. Mein Vater war Sportlehrer. Er liebte Langlaufen. Er war es, der auf dem jährlichen Winterurlaub bestand, er brachte mir die Technik bei. Meine Mutter hatte die nötige Geduld, um mich auf den langen Tagestouren bei Laune zu halten, trotz kalter Zehen. Ein Ski, ein Stock, ein Ski, ein Stock. Dieses Mantra höre ich noch heute.

Seither weiß ich: Keine Sportart ist schöner.

Oder anders. Es gibt viele schöne Sportarten. Eistanzen zum Beispiel. Synchronspringen. Voltigieren. Die Sache ist nur: Alles, was die Eistänzer, Voltigierer und Synchronspringer mit ihren Gliedmaßen und mit denen anderer Lebewesen anstellen, wurde dem Skilaufen abgeschaut. Das Skilaufen war zuerst da. Irgendwann haben sich die verschiedenen Elemente, die das Skilaufen ergeben, zu eigenen Sportarten weiterentwickelt.

Glühende Ski-Enthusiasten wissen: Man kann mit Ski auch Schlittschuh laufen, das nennt sich »Skating«. Pirouetten lassen sich gut im Tiefschnee drehen oder bei Sprüngen über gefährlich hohe Felskanten. Man braucht keine Schwimmhalle, um synchron zu wedeln. Ein Bein lässt sich in vollem Galopp nicht nur auf einem Pferderücken, sondern auch auf einem Bergrücken in die Luft strecken. Wer aber auch im Winter von seinem Ross nicht lassen kann und es gern zum Skilaufen mitbringen möchte, spannt es einfach vor die Ski; das haben die Urahnen der Norweger und Schweden, zwei der großen Skinationen, beim Skijöring so gemacht.

Der Skilauf ist so etwas wie eine Ursportart, jedenfalls nördlich des Äquators. Ski sind das älteste Fortbewegungsmittel der Menschheit. Das Skifahren (bergab), das Skilaufen (geradeaus) und das Skitouren (bergauf und bergab) sind Fortbewegungsarten, die sämtliche körperlichen Fähigkeiten umfassend beanspruchen. Und Fridtjof Nansen hatte völlig recht, als er nach seiner Durchquerung von Grönland auf Ski feststellte: Skilaufen »ist anderen Sportarten weit überlegen in seiner Förderung von Geistesgegenwart und Mut«.

Besonders gesund am Skilaufen ist der Winter.

Die kalte und dunkle Jahreszeit ist bekanntlich die, in der Bewegung im Freien die größte Erholung bringt. Auf Ski wirkt der Winter nicht mehr bedrohlich, und kalt ist er nicht, weil man so schwitzt. Außerdem ist Skilaufen gelenkschonender als Joggen (in der nordischen Variante und solange man nicht stürzt), trockener als Schwimmen (wenn man die passende Kleidung trägt), und anders als beim Radfahren ist nie die Luft raus. Und wenn der Eiswind auf Kamm oder Gipfel so richtig weht, ist die Gesichtsmassage inklusive.

Gegenüber landläufigen Sportarten wie Boxen oder Handball hat das Skifahren eine weitere Besonderheit. Es braucht dazu gewisse orografische und meteorologische Voraussetzungen. Genauer gesagt: Skifahren geht nur in einer speziell geformten Landschaft und dank jener Form des festen Niederschlags, die am häufigsten auftritt, dem Schnee. Während Boxen oder Handball nie in Gefahr sein werden auszusterben, weil man auch in hundert Jahren noch Mehrzweckhallen mit Boxringen und Toren errichten kann, sind Skiläufer von unwägbaren Kräften der Natur abhängig. Sie müssen sich einstellen auf Klima und Witterungsverhältnisse, auf Schneebeschaffenheit und Geologie. Aus dem Bestreben, diese Kräfte zu verstehen, ja sogar sie zu beschwören, erwächst eine außerweltliche Euphorie. Wenn alles grandios zusammenkommt und einen perfekten Skitag ergibt, wähnen sie sich im Einklang mit dem Universum, mit der reinen, göttlichen Existenz.

Eine solche Euphorie lässt einen nie wieder ganz los. Das Skifieber krempelt den gesamten Lebensstil um. Ich habe das an mir beobachtet. Natürlich räume ich meine Ski den Sommer über in den Keller und lasse sie nicht wie die Leute in Lappland gleich in der Flurgarderobe stehen, bis die lästigen heißen Tage vorbei sind.

Ansonsten aber sprechen die Zeichen für sich: Die Menge an Fleecepullovern, Softshelljacken und Funktionsunterhosen in meinem Kleiderschrank nimmt jedes Jahr zu. Statt einer Mütze liegen dort vier. Ich würde nie einen Fahrradhelm kaufen, besitze aber zwei Skihelme. Im Keller gibt es ein eigenes Regal fürs Skiwachs. Ich bin Abonnentin einer Skizeitschrift, im Portemonnaie steckt die Kundenkarte eines einschlägigen Sportfachhandels, und ich denke immer wieder ernsthaft darüber nach, einem Skiclub beizutreten. Auf meinem Handy finden sich Apps von Skigebieten, die die Schneehöhen der nächsten Saison am besten schon ab August täglich prognostizieren, die Bronzeplastik eines Skiläufers steht auf meinem Schreibtisch, und unter den Büchern neben meinem Bett häufen sich Titel wie »Skitouren-Know-how«, »Lawinenkunde«, »Two Planks and a Passion« oder »Bretter, die die Welt bedeuten«.

Im Internet wurde ich als Zielgruppe ausgespäht und bekomme regelmäßig Angebote für Skiurlaube, die ich mir sehnsüchtig anschaue, weshalb ich noch regelmäßiger noch mehr und teurere Angebote bekomme. An meiner Küchenwand hängt ein auf Plakatgröße gezogenes Foto von einem Schlepplift am Stubaier Gletscher. Auch im Arbeitszimmer Winterbilder. Verschneite Pisten. Loipen. Gischtender Schnee. Ein glitzernder Kältetraum durchzieht die Wohnung, den ich ganzjährig träume. Hätte ich das verfügbare Kleingeld, würde ich mir ein Haus in der Nähe eines Gipfels kaufen oder wenigstens ein Apartment für die Saison mieten. Ist die Saison vorbei, fahre ich trotzdem Ski: Rollski.

Längst habe ich vormals Ahnungslose angesteckt. Die mir engsten Menschen sind inzwischen komplett eingekleidet und ausgerüstet und fahren so begeistert Ski, dass sie vergessen haben, wie es war, bevor sie mich kannten.

Auch das vermag der Skisport; er begeistert die unterschiedlichsten Typen. Das Vergnügen an Loipe oder Piste vereint Menschen, die von so verschiedenem Charakter sind, dass ihr Zusammentreffen, geschähe es an gewöhnlichen Orten wie im Fußballstadion oder in einer Kneipe, im Faustkampf enden würde. Diese Sportart aber sorgt für friedliches Miteinander, trägt also zu nichts Geringerem bei als der Entwicklung sozialer Kompetenz. Skifahren wirkt zivilisatorisch.

Gruppendynamische, impulsive und extrovertierte Menschen laufen ebenso gern Ski wie introspektive Individualisten. Man findet den auf Elektrolyte schwörenden Asketen ebenso wie die adrenalinbewusste Partylöwin. Der Asket pirscht sich mit Fellen oder Harscheisen unter den Laufsohlen in blendend leere Gletscherlandschaften vor oder gleitet im Doppelstockschub über vereiste finnische Moore. Er liebt die einsame, funkelnde Loipe, das blaue Licht, das die Kälte aus der Landschaft treibt, wo nichts den stillen Lauf stört als das Geräusch des eigenen Atems.

Die Partylöwin bricht zum Heliskiing nach Lappland auf oder tobt sich im österreichischen Funpark aus. Sie liebt das morgendliche Anhosen in der Gruppe, Tiefschneefahren im Rudel, dass es nur so stiebt, und bei der abendlichen Gaudi auf der Hütte laufen alle mit den unwahrscheinlichsten Heldengeschichten zur Höchstform auf, bis zum gliederschweren schönen Hinabsinken aufs Bettenlager, das man mit elf Menschen teilt.

So unterschiedlich die sportlichen Interessen von Asket und Partylöwin sein mögen, beim Après-Ski trifft man sich wieder, er vorsichtig an der heißen Zitrone nippend, auch »Schiwasser« genannt, sie die Nachbeben des Kicks mit Lumumba oder Jagertee löschend. Als Schiwasser wird übrigens mitunter auch ein Kaltgetränk aus Himbeer- und Zitronensirup bezeichnet, die mit Wasser aufgegossen werden, früher auch mit getautem Schnee. Das zeigt, dass die Vielfalt des Skifahrens schon bei den Getränken beginnt, die man dabei zu sich nimmt.

Für jedes Alter gibt es den passenden Spaß. So kann die ganze Familie vom Opa bis zur Urenkelin am selben Ort Urlaub machen, ohne dass sich einer langweilt. Die Kleinste sitzt im kippsicheren Kinderpulka mit Windhaube und Klarsichtscheibe, vor den sich der Großvater auf der Skiwanderung ins Geschirr spannt. Der Erstklässer lernt auf der Skispielwiese »Schneepflug« - im Kinderjargon auch »Pizzaschnitte« genannt -, während sich der wild pubertierende Teenie beim Snowboarden auspowert und die trendbewusste Twen im Retro-Telemarkstil mit kleinen Knicksen den Berg hinunterschwingt. Mama kann mit ihren...

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Autor

Antje Rávik Strubel, 1974 geboren, Übersetzerin und Schriftstellerin, wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet. Sie lebt in Potsdam und veröffentlichte u.a. die Romane "Sturz der Tage in die Nacht" und zuletzt "In den Wäldern des menschlichen Herzens" sowie "Gebrauchsanweisung für Schweden" und "Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg". Sie ist begeisterte Skifahrerin - alpin ebenso wie Langlauf. antjestrubel.de