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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
606 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am17.10.20161. Auflage
Die Kulturgeschichte des Fliegens von der Antike bis zur Gegenwart beschränkt sich nicht etwa auf die Darstellung der Geschichte der technischen Verwirklichung, sondern sie zeigt auch, daß die Geschichte des Fliegens zugleich eine Geschichte des Traumes vom Fliegen ist. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Wolfgang Behringer studierte Geschichte und Germanistik in München und promovierte über ?Hexenverfolgung in Bayern?. Er ist Professor für Frühe Neuzeit an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken.
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Produkt

KlappentextDie Kulturgeschichte des Fliegens von der Antike bis zur Gegenwart beschränkt sich nicht etwa auf die Darstellung der Geschichte der technischen Verwirklichung, sondern sie zeigt auch, daß die Geschichte des Fliegens zugleich eine Geschichte des Traumes vom Fliegen ist. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Wolfgang Behringer studierte Geschichte und Germanistik in München und promovierte über ?Hexenverfolgung in Bayern?. Er ist Professor für Frühe Neuzeit an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105614174
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum17.10.2016
Auflage1. Auflage
Seiten606 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse9298 Kbytes
Artikel-Nr.2103656
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

»Ich flog empor als ein göttlicher Falke« - Flugvorstellungen im Alten Ägypten

Im Alten Ägypten sind Flugvorstellungen hauptsächlich als Bilder von Seelenreisen bekannt; der Flug ist Sinnbild des Todes und der Reise in außerweltliche Bereiche. »Wer fliegt, der fliegt!«, heißt es in den Pyramidentexten. »Er fliegt fort von euch, ihr Menschen. Er ist nicht mehr auf Erden, er ist am Himmel ... Er ist zum Himmel gestürmt als Reiher, er hat den Himmel geküßt als Falke, er ist zum Himmel gesprungen als Heuschrecke.«[4]

Die Pyramidentexte, die ältesten religiösen Texte Ägyptens, schmücken die Sargkammern und Gänge der Pyramiden aus der 5. und 6. Dynastie und wurden in der Zeit von 2350 bis 2175 v. Chr. abgefaßt. Inhaltlich handelt es sich um Sammlungen von Sprüchen, die dem verstorbenen Herrscher helfen sollten, erfolgreich ins Jenseits zu gelangen: »Er ist zum Himmel gestiegen und hat den Re gefunden.«[5]

Himmelfahrten waren im ägyptischen Kulturraum lange ein Privileg des Königs. Während die Menschen auf der Erde blieben, stieg der König auf, sein Platz war der Himmel:


»Es verbergen sich die Menschen (in ihren Gräbern?), es fliegen empor die Götter.«[6]


Die Pyramidentexte geben Auskunft darüber, wie man sich eine solche Himmelsreise vorstellte. Der Aufstieg wird als Vogelflug beschrieben[7]. Für die Metamorphose des Königs kamen allerdings nur bestimmte Vogelarten in Frage; allen voran fungiert der Falke, als Beherrscher des Luftraums und Inkarnation des Himmelsgottes Horus, als Seelenvogel. (Eine Sonderform der Falkengestaltigkeit des Horus ist die geflügelte Sonnenscheibe als Himmels- und Schutzsymbol, die später auch zu rein dekorativen Zwecken verwendet wurde.) Der Falke als Verkörperung eines Gottes wurde, in Metall gegossen, im Allerheiligsten aufbewahrt, aber auch als lebendiger Vogel gehalten, obwohl es im ägyptischen Kulturraum Falknerei nie gab; die hohe sakrale Bedeutung des Vogels ließ eine so profane Verwendung wohl nicht zu. Aber auch Reiher, Kranich und Ibis konnten die aufsteigende Gestalt des Königs symbolisieren. So genoß der Ibis, das Symbol des Mondgottes Thot, als heiliger Vogel große Verehrung, und in Hermopolis Magna wurden lange Grabgänge aufgedeckt, in denen unzählige mumifizierte Ibisse, in Tonkrügen beigesetzt, gefunden wurden. Der Geier dagegen tritt bevorzugt als Symboltier der Königin in Erscheinung, eine Zuordnung, die bildlich bezeugt ist in Form der Geierhaube, die seit dem Alten Reich von ägyptischen Königinnen getragen wurde. Auch die Göttinnen Mut und Nut wurden mit dieser Kopftracht abgebildet: Der Kopf des ausgestopften Geierbalgs ragt über der Stirn der Trägerin hervor, während die Flügel an den Seiten herabgezogen sind. Der Balg war vermutlich mit Stoff und Goldplättchen dekoriert. Eine andere Darstellungsform des Symboltieres bildet den fliegenden Geier über dem menschengestaltigen Königspaar gemeinsam mit dem Falken ab. Nicht mehr aus dem Naturreich stammend ist die Vorstellung des Ba-Vogels, einem mischgestaltigen Vogelwesen mit Menschenkopf, das die aufsteigende Seele symbolisierte. Der Ba-Vogel übernahm auch die Funktion eines Seelengeleiters (Psychopompos). In Spruch 78 des »Ägyptischen Totenbuches« heißt es:


»Ich habe meine Gestalt zu seiner Gestalt gemacht, damit er nach Busiris ausziehe, ausgestattet mit meinem Ba, damit er dir mein Anliegen vortrage.«[8]


Federn als Pars pro toto deuten auch in Ägypten symbolisch auf das göttliche Prinzip. Die Beflügelung der ägyptischen Götter weist auf ihre Stellung als Himmelsgötter, die geflügelte Sonnenscheibe symbolisiert den Sonnengott. Federn wurden ausgiebig für kultische Zwecke verwendet, etwa in den Aufbauten der Kompositkronen, wo sie neben einer Vielzahl symbolischer Elemente den Aspekt der Himmelsgottheit vertreten. Dem gleichen Zweck dienten Falkenabbildungen auf dem königlichen Ornat oder das aus Federn hergestellte Falkenleibchen, das bei Zeremonien getragen wurde. Die Feder als Schriftzeichen stellt »Maat«, die gottgegebene Weltordnung, dar.

Der Pharao konnte auf verschiedene Weise physisch in den Himmel gelangen. Eine Möglichkeit war, daß er »auf dieser Leiter« hinaufsteigt, »die ihm sein Vater Re gemacht hat«[9]. Die Himmelsleiter ist bereits in den ältesten religiösen Texten Ägyptens bekannt[10]. Sie ist plaziert, wo Himmel und Erde sich berühren, und wird dem verstorbenen Herrscher von dem im Morgen geborenen Sonnengott errichtet: Wer auf der Leiter emporstieg, wurde in die Reihe der Götter aufgenommen. Die Pyramidentexte beschreiben die Himmelsleiter mit hölzernen Seitenpfählen, deren Sprossen und Staffeln mit ledernen Stricken zusammengebunden waren, auf einem Stützkissen ruhend[11]. Als geknotete Strickleiter[12] oder als eine Art Strahlenleiter konnte sie auch vom Himmel herniedergelassen werden, eine Form, die in der späteren christlichen Adaption dieser Vorstellung keine Entsprechung fand[13].

Interessant ist, daß der sakrale Herrscher auch in seiner leibhaftigen Gestalt auffahren konnte. Dazu bediente er sich diverser Naturkräfte, zum Beispiel der Hilfe des Windes; er konnte aber auch, auf Wolken gebettet, in die Höhe fliegen. Als Voraussetzung für die Auffahrt ins Jenseits galt generell, daß der physische Körper unversehrt bleiben mußte[14], was dadurch gewährleistet war, daß der Leib des verstorbenen Pharaos einbalsamiert wurde. Das sogenannte »Mundöffungsritual« sollte die Unversehrtheit bestätigen. Im Rahmen einer rituellen Handlung, die von einem Priester vorgenommen wurde, mußte der Mund des Verstorbenen geöffnet werden, um die Verfügung über den Körper zu gewährleisten[15]. Am Ende seiner Reise erwarteten den König bei der Ankunft weit geöffnete Himmelstore[16]. Himmelsreisen bewerkstelligen konnte auch »Schu«, der Gott des Luftraumes, der einstmals in Urzeiten Himmel und Erde getrennt hatte[17]. Auf Abbildungen erscheint er als langgezogene, männliche Gestalt, auf die Erde gestützt und den Himmel über sich; zuweilen wird er aber auch mit weit ausgebreiteten Flügeln dargestellt[18].

Die Himmelfahrt des verstorbenen Pharaos ist auch in der Geschichte des Sinuhe bezeugt und in einem Text, der im Zusammenhang mit dem Regierungsantritt Amenophis´ II. (1438-1412 v. Chr.) auf die Himmelfahrt seines Vaters König Thutmosis III. (1490-1439/36 v. Chr.) hinweist:


»König Thut-mose ging hinauf zum Himmel; er vereinigte sich mit der Sonnenscheibe. Der Leib des Gottes verband sich mit dem, der ihn geschaffen hat.«[19]


Bedeutsam ist hier die Verbindung mit der Sonnenscheibe. Der Pharao galt nach ägyptischer Anschauung als Sohn des Sonnengottes Re, von dem er in Gestalt des regierenden Königs mit der Königin gezeugt worden war. Als Sohn des Gottes kehrte der König nach seinem Tod zu seinem Ursprungsort zurück: Die Himmelfahrt des Pharao erscheint deshalb in diesem Zusammenhang als folgerichtiger Vorgang.

Die Berufung des eigentlich für den Priesterstand vorgesehenen Thutmosis III. zum König durch Gott Amon ist ein Beispiel für eine zeitlich begrenzte Entrückung zu Lebzeiten. Über diesen Vorgang gibt eine Inschrift auf dem Amontempel von Karnak (um 1450 v. Chr.) Auskunft, die die Zeremonie der Einsetzung in die Königswürde von der Erde in den Himmel verlegt. In Ich-Form wird von der Himmelfahrt als Vogelflug berichtet:


»[...] Er [tat] mir [auf] die Pforten des Himmels, er öffnete mir die Tore seines [des Himmels] Horizontes. Ich flog empor zum Himmel als ein göttlicher Falke, um sein Mysterium, das im Himmel ist, zu sehen.«[20]


Dort tritt er vor den Sonnengott hin und wird mit den Kronen und dem Uräus geschmückt. Als Pharao mit göttlichen Eigenschaften ausgestattet, findet er sich übergangslos in seinem irdischen Amt, und die Inschrift erzählt von seinen Leistungen und Erfolgen. Über die Auffahrt Thutmosis´ werden in der Fachliteratur divergierende Meinungen geäußert. So läßt die Gestalt des Falken zum Beispiel darauf schließen, daß der König als Inkarnation des falkengestaltigen Horus galt[21], andererseits wird der Flug, bedingt durch die Ich-Form, als Vision des Königs gesehen[22]. Der Begriff »Himmel« wird in der Fachliteratur in Beziehung gesetzt zur Wohnung Gottes im Tempel, also dem Allerheiligsten des religiösen Rituals, das nur der König betreten durfte[23]. Die kosmische Funktion des Tempels findet Ausdruck in seiner architektonischen Gestaltung, das Tempeldach wird häufig als Sternenhimmel ausgestaltet, und die Wände zieren göttliche Gestalten. Sicher kann man jedenfalls die Einsetzung und Krönung zum Pharao als eine zeitlich begrenzte Entrückung darstellen, da der König selbst diese Aussage vor seinem Hofstaat macht. Die zeitlich begrenzte Entrückung ist ein Zeichen für die besondere Gunst der Götter und unterstreicht die Bedeutung und Wichtigkeit einer bestimmten Situation[24].

In der 1. Zwischenzeit als einer Periode sozialer, politischer, vor allem aber auch religiöser Veränderungen wandelten sich die altägyptischen Jenseitsvorstellungen tiefgreifend. Die Umschichtungsprozesse in der Gesellschaft...
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