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Hundert Stunden Nacht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Carlsen Verlag GmbHerschienen am24.03.2017Auflage
Eine spannende Coming-of-Age-Geschichte vor der einmaligen Kulisse von New York. Emilia hat sich die Kreditkarte ihres Vaters geschnappt und einen Flug nach New York gebucht. Sie will einfach nur weg. Aber das Apartment, das sie übers Internet gemietet hat, gibt es gar nicht und zu allem Überfluss kündigt sich Wirbelsturm Sandy an. Zum Glück lernt sie Seth, Abby und den ziemlich verrückten Jim kennen. Zusammen finden sie eine Bleibe in SoHo. Inzwischen hat der Sturm die Stadt fest im Griff: das Haus beginnt zu wackeln, dann fällt der Strom aus. Die vier müssen immer enger zusammenrücken, ob sie wollen oder nicht.

Anna Woltz wurde 1981 in London geboren und wuchs in Den Haag auf. Sie studierte Geschichte in Leiden und arbeitet seither als Autorin und Journalistin. In den Niederlanden und Deutschland sind ihre Bücher bereits vielfach ausgezeichnet worden, u.a. mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis, dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis, dem Silbernen und Goldenen Griffel. Sie hat inzwischen neun Bücher bei Carlsen veröffentlicht.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR7,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextEine spannende Coming-of-Age-Geschichte vor der einmaligen Kulisse von New York. Emilia hat sich die Kreditkarte ihres Vaters geschnappt und einen Flug nach New York gebucht. Sie will einfach nur weg. Aber das Apartment, das sie übers Internet gemietet hat, gibt es gar nicht und zu allem Überfluss kündigt sich Wirbelsturm Sandy an. Zum Glück lernt sie Seth, Abby und den ziemlich verrückten Jim kennen. Zusammen finden sie eine Bleibe in SoHo. Inzwischen hat der Sturm die Stadt fest im Griff: das Haus beginnt zu wackeln, dann fällt der Strom aus. Die vier müssen immer enger zusammenrücken, ob sie wollen oder nicht.

Anna Woltz wurde 1981 in London geboren und wuchs in Den Haag auf. Sie studierte Geschichte in Leiden und arbeitet seither als Autorin und Journalistin. In den Niederlanden und Deutschland sind ihre Bücher bereits vielfach ausgezeichnet worden, u.a. mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis, dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis, dem Silbernen und Goldenen Griffel. Sie hat inzwischen neun Bücher bei Carlsen veröffentlicht.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783646927894
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum24.03.2017
AuflageAuflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2319 Kbytes
Artikel-Nr.2144313
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


6

Es ist, als würde ich aus dem Taxi mitten in einen Filmset steigen. Ein Filmset, an dem fünfzig Leute wochenlang gearbeitet haben, um sogar dem dümmsten Zuschauer der Welt klarzumachen: Diese Geschichte spielt in New York.

Aber das hier ist echt.

Während das Taxi wegfährt, schaue ich mich aufgeregt um. Meine Straße wird von hohen, schlanken Bäumen in flammenden Herbstfarben gesäumt.

Die meisten Häuser sind fünf Stockwerke hoch. Sie sind rotbraun und ockergelb und grau, mit Flachdächern und elegant geschwungenen Feuertreppen aus Metall vor den Fassaden. Zwei Mädchen kommen vorbei und ich weiß sofort: Das sind Models. Ihre Beine sind endlos lang und sehr dünn. Sie ziehen gelangweilte Gesichter und halten große Pappbecher mit Kaffee in den Händen. Mit so einem Plastikdeckel darauf. Ich schaue zu den Hausnummern. Mein Apartment muss in der obersten Etage von dem blutroten Gebäude sein. Neben der Haustür ist eine chaotische Reihe Klingeln angebracht, mehr, als es Etagen gibt - es dauert eine Weile, bis ich den Namen finde, den ich brauche.

Da steht er, in verblichenen Buchstaben: Greenberg.

Ich bin zu müde, um noch nervös zu sein, also zieh ich mir den Ärmel über den Finger und klingle einfach.

Nichts geschieht.

Ich versuche es noch einmal, aber hinter der Haustür bleibt es still.

Und um mich herum ist New York gerade absurd laut. Sirenen kommen aus drei verschiedenen Richtungen und überall wird gehupt: lang und kurz und oft eine ganze Weile ununterbrochen. Dann donnert ein Lastwagen durch die schmale Straße, den man in den Niederlanden sofort verbieten würde: Der Motor keucht und aus dem spuckenden Auspuff steigen schwarze Wolken.

Ich fange an zu husten, und genau in dem Moment wird die Haustür aufgerissen.

Ich hatte einen erwachsenen Mann mit einem Ziegenbart erwartet. Auf der Website war Mr Greenberg ein fröhlich lachender Mann mit zwei Chihuahuas und einem goldblonden Ziegenbart.

Aber auf der Türschwelle steht ein Junge. Er kann nicht viel älter sein als ich. Sein kurzes, dunkles Haar ist zerzaust, sein T-Shirt trägt er auf links und er hat keine Schuhe an.

Er lacht nicht.

»Nur zu«, sagt er auf Englisch. »Was ist es diesmal?«

Ich sehe ihn erstaunt an.

»Ich weiß, dass Abby dich geschickt hat.« Er klingt wütend. »Meine Tante hat schon angerufen.«

Er hält sein Smartphone in die Höhe. »Abby ist weg und dieses Kind verschwindet nie einfach nur so.«

»Ich ...«

»Hast du eine Banane dabei, in der ein Zettel versteckt ist?«

Er gibt mir keine Zeit zu antworten.

»Nein, natürlich nicht. Abby lässt sich nie zweimal dasselbe einfallen.« Er seufzt. »Willst du vielleicht was darstellen? Hast du einen Film für mich? Soll ich irgendwohin kommen?«

Ich schüttle den Kopf. Ich weiß gerade nicht mehr, wie sprechen geht.

»Okay, ich hab schon verstanden«, sagt der Junge. Seine Augen sind sehr dunkelbraun. »Ich muss genau das Richtige sagen, dann erst reagierst du. Wie eine Art Codewort.« Er runzelt die Stirn und schaut auf den Boden. Langsam werden seine Wangen rot.

»Abby will, dass ich mit dir rede. Dass ich aus dem Nichts ein echtes Gespräch mit dir führe. Das ist es, oder?« Er wischt sich mit dem Handrücken über die Nase. »Darum hat sie dich ausgewählt. Ein hübsches Mädchen, mit dem ich normalerweise niemals reden würde. Aber sie kapiert nicht, dass es so nicht funktioniert. Ich meine: Es gibt einen Grund, warum ich nicht mit hübschen Mädchen rede. Hübsche Mädchen und ich ...«

Er hält inne und ich starre ihn an. Ein hübsches Mädchen?

Der Junge seufzt. »Richte Abby nur aus, dass ich´s verbockt habe. Dieser Auftrag war zu schwierig.« Er will die Tür schon schließen.

»Warte!«, rufe ich. »Wer ist Abby überhaupt?«

Mit Schwung öffnet sich die Tür wieder.

»Meine kleine Schwester«, sagt er. »Als wenn du das nicht wü...«

Er schaut mich an und ich sehe, dass es ihm allmählich dämmert.

»Wirklich?«, fragt er dann, mit der Blassen-KartoffelbreiStimme, die ich so gut von mir selbst kenne. »Du weißt nicht, wer Abby ist?«

»Nein.«

»Du hast nichts mit ihren Aufträgen zu tun? Sie hat dir nicht gesagt, du müsstest hier so lange stehen bleiben, bis ich mit dir flirte?«

»Sorry«, sage ich. »Ich bin Emilia. Ich komme aus Holland und habe hier ein Zimmer gemietet.«

Er will noch etwas sagen, aber dann schüttelt er den Kopf und hält den Mund.

»Abby ist also verschwunden?«, frage ich.

»Sie sollte dieses Wochenende bei meiner Tante bleiben, aber sie ist weggelaufen.«

Er traut sich noch immer nicht, mich anzusehen. »Abby ist neun, und das ist bei Mädchen das allerschlimmste Alter. Sie hat nicht die geringste Ahnung, wie gefährlich die Welt ist, aber sie denkt, sie sei James Bond und könnte alle Probleme in New York mal eben kurz lösen.«

»Und, dass sie eine Freundin für dich besorgen kann.«

Sofort wünsche ich mir, dass ich nichts gesagt hätte, denn seine Wangen hatten gerade erst wieder eine normale Farbe angenommen.

»Ich rede zu viel«, sagt er.

»Ich auch«, erwidere ich schnell.

Das stimmt nicht, weil ich nämlich meist den Mund halte. Ich habe immer Angst, etwas Falsches zu sagen. Ich laufe schon seit vierzehn Jahren auf diesem Planeten rum, aber noch immer habe ich das Gefühl, die Regeln nicht zu kennen.

Es dauert eine Weile, ehe wir uns wieder trauen, weiterzureden.

Fürs Erste gellen nur die Sirenen im Hintergrund unaufhörlich. Die Taxis hupen und die Stadt rast flackernd weiter.

»Ich bin Seth Greenberg«, sagt er dann. Wie ein gut erzogener amerikanischer Roboter streckt er mir die Hand entgegen.

»Nice to meet you, Emilia.« Aber seine Hand ist kein blank geputzter Roboterarm. Seine Finger sind voller schwarzen Streifen, als hätte er gerade die Tintenpatrone eines Druckers aus grauer Vorzeit ersetzt. Oder vielleicht hat er vor einer Woche sein Fahrrad geflickt und sich seitdem nicht mehr die Hände gewaschen. Es ist blöd, das weiß ich. Aber ich kann es gerade nicht mehr ertragen. Ich bin zu müde. Ich komme nicht dagegen an.

»Sorry«, sage ich also. Hinter dem Rücken balle ich meine rechte Hand zu einer Faust. »Ich bin erkältet. Ich will dich nicht anstecken.«

Er zuckt die Achseln. »Aber wenn Abby dich nicht geschickt hat, was willst du dann hier?«

»Das Zimmer!«

Er sieht mich fragend an.

»Das habe ich doch gerade schon gesagt? Ich habe euer Studio gemietet.« Ich ziehe die Mappe aus meiner Tasche. »Ich habe mit einem Mr Greenberg gemailt. Das ist bestimmt dein Vater?«

»Bestimmt nicht«, sagt Seth. »Mein Vater ist schon seit zwei Jahren tot.«

Ich blättere durch die Papiere. Meine Hand mit dem Schnitt zittert wieder. Ich tue einfach so, als hätte ich das mit dem toten Vater nicht gehört. Ich will nur, dass Seth mich in mein Zimmer bringt. Ich will zur Toilette und duschen und schlafen.

»Hier.« Ich halte ihm die Papiere vor die Nase und er fängt schweigend zu lesen an. Die Beschreibung des Apartments. Die Mails, die ich Mr Greenberg geschickt habe. Seine Antworten.

»Du bist also ganz allein hier?«, fragt Seth nach einer Weile. »Du kommst aus Holland und hast ein Zimmer über Craigslist gemietet?«

Ich nicke.

»Holy shit!« Er schüttelt den Kopf. Nicht nur kurz, sondern eine ganze Weile. »Du bist ja noch schlimmer als neunjährige Mädchen.«

»Was meinst du?«, frage ich ziemlich schroff.

»Ich dachte wirklich, dass es bald besser laufen würde mit Abby! Ich dachte, in einem Jahr oder so würde sie damit aufhören, verloren zu gehen, und mit geheimen Missionen und all diesem Elend. Aber wenn ich dich so sehe ...« Er schaut mich an. »Das Zimmer gibt es überhaupt nicht.«

»Natürlich gibt es das«, sage ich sofort.

»Nein, echt nicht. Dieser Mr Greenberg ist ein Betrüger. Hier kann man kein Studio mieten. Der Mann hat einfach Fotos von einem ganz anderen Zimmer genommen. Als ob man von hier aus das Empire sehen könnte!«

»Aber sieh dir das doch mal an.« Meine Stimme klingt dünn. »Hier auf der Anzeige steht sein Name. Das stimmt doch? Greenberg, so heißt du doch?«

Seth zuckt die Schultern. »Den hat er dann halt von der Klingel abgeschrieben.«

Er sagt nichts mehr, sieht mich nur an. Er lässt mir alle Zeit der Welt, es zu begreifen.

In den vergangenen Tagen habe ich an alle Katastrophen seit der Geburt von Jesus gedacht. Und an alle Katastrophen, die noch kommen werden. Zugunglücke, Flugzeugabstürze - ich habe mit allem gerechnet.

Aber ich hätte niemals gedacht, dass es das Zimmer, das ich gemietet habe, einfach nicht gibt.

Seths Telefon fängt an zu klingeln. Eine nervige, leiernde Melodie. Er geht dran.

»Abby!«, ruft er ins Telefon. »Wo bist du? Tante Leah hat gerade heulend hier angerufen.« Dann hört er eine ganze Weile zu.

»Du bist verrückt! Bleib, wo du bist! Ich komm und hol dich.«

Er steckt das Telefon zurück in die Tasche. »Ich muss los. Dieses Kind ist lebensgefährlich.«

»Aber ...«

»Tut mir leid. Abby hat sich mit irgendeinem Typen aus dem Internet verabredet, ich muss da sofort hin. Du wirst dir was anderes suchen müssen. Zum Glück gibt´s in New York ja genügend Hotels.«

»Warte!«, rufe ich, aber die Haustür ist schon zu.

Ich höre seine schnellen Schritte...

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Autor

Anna Woltz wurde 1981 in London geboren und wuchs in Den Haag auf. Sie studierte Geschichte in Leiden und arbeitet seither als Autorin und Journalistin. In den Niederlanden und Deutschland sind ihre Bücher bereits vielfach ausgezeichnet worden, u.a. mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis, dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis, dem Silbernen und Goldenen Griffel. Sie hat inzwischen neun Bücher bei Carlsen veröffentlicht.