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Stumme Seelen

Psychothriller
dtv Deutscher Taschenbuch Verlagerschienen am01.07.2017
Deutsche Erstausgabe Ein schauriges Lesevergnügen Die Legende von der »Herzesserin«, einer zahnlosen Alten, die vorlaute Kinder tötet und ihr Herz verspeist, ist in der finnischen Kleinstadt Suvikylä seit Generationen lebendig. Sogar ein Initiationsritus ist daraus entstanden. Doch ist was Wahres dran an dieser Gruselgeschichte? Das möchte die Religionswissenschaftlerin Maisa herausfinden - nicht nur wegen ihrer Doktorarbeit über Volksglauben. Sie stammt aus Suvikylä, und die Initiation war für sie als Jugendliche ein traumatisches Erlebnis. Maisa begibt sich auf Spurensuche, fest entschlossen, das düstere Geheimnis des Ortes zu lüften. Raffiniert und suggestiv erzählter Psychothriller mit einem unerwarteten Dreh am Ende. Im Kleinstadtidyll lauert das Grauen: Wer >Twin Peaks< mochte, wird dieses Buch lieben!  

Marko Hautala, 1973 im finnischen Kauhava geboren, ist Lehrer für englische Sprache und Literatur und gibt Kurse für kreatives Schreiben. 2010 erhielt er den Kalevi-Jäntin Preis für junge Autoren, eine der wichtigsten Auszeichnungen in Finnland.
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Produkt

KlappentextDeutsche Erstausgabe Ein schauriges Lesevergnügen Die Legende von der »Herzesserin«, einer zahnlosen Alten, die vorlaute Kinder tötet und ihr Herz verspeist, ist in der finnischen Kleinstadt Suvikylä seit Generationen lebendig. Sogar ein Initiationsritus ist daraus entstanden. Doch ist was Wahres dran an dieser Gruselgeschichte? Das möchte die Religionswissenschaftlerin Maisa herausfinden - nicht nur wegen ihrer Doktorarbeit über Volksglauben. Sie stammt aus Suvikylä, und die Initiation war für sie als Jugendliche ein traumatisches Erlebnis. Maisa begibt sich auf Spurensuche, fest entschlossen, das düstere Geheimnis des Ortes zu lüften. Raffiniert und suggestiv erzählter Psychothriller mit einem unerwarteten Dreh am Ende. Im Kleinstadtidyll lauert das Grauen: Wer >Twin Peaks< mochte, wird dieses Buch lieben!  

Marko Hautala, 1973 im finnischen Kauhava geboren, ist Lehrer für englische Sprache und Literatur und gibt Kurse für kreatives Schreiben. 2010 erhielt er den Kalevi-Jäntin Preis für junge Autoren, eine der wichtigsten Auszeichnungen in Finnland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423430470
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum01.07.2017
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse891
Artikel-Nr.2146561
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

SAGAL YUSUFS GEHEIMNIS


Das war total abartig«, flüsterte Mira Sagal zu, als sie aus dem Luftschutzkeller im A-Haus an die frische Luft gekommen waren.

Sagal war das einzige Mädchen, das Miras Hand halten durfte, ohne dass es irgendwie lesbisch wirkte. Die anderen hatten sich schon auf den Weg zur Landzunge gemacht, denn da sollte gefeiert werden, obwohl es ein ganz normaler Wochentag war. Sie hatten gelacht und Witze gerissen und sich total unbeeindruckt gegeben. Männchen und Weibchen sind wir jetzt, haha. Dennoch war es Sagal vorgekommen, als wäre sie aus einem Albtraum erwacht. Die unsteten Blicke der anderen hatten ihr verraten, dass sie sich ebenso fühlten. Sie schafften es nur schneller, in die normale Welt zurückzukehren.

Alle hatten Mira angesehen und auf ihre Reaktion gewartet. Niemand wagte es, die Predigt zu kommentieren, bevor sie ihr Urteil abgegeben hatte. Doch Mira hatte ihnen lediglich befohlen, sie mit Sagal allein zu lassen. Jeder gehorchte Mira, immer. Und Sagal wurde beneidet, weil sie die Einzige war, die sich traute, ehrlich zu Mira zu sein. Die Einzige, um die Mira sich kümmerte.

»Ja«, antwortete Sagal und blickte sich um. »Ich hatte Angst, dass irgendwer im Dunkeln meinen Nacken berührt und ich aufschreie. Ich hätte so laut geschrien.«

Sie sah, dass im Treppenhaus das Licht ausging.

»Im Ernst?«, fragte Mira. »Ich fand es abartig kindisch. Ich hatte die ganze Zeit bloß Angst, dass ich lachen muss.«

Sie war dabei gewesen, sich eine Zigarette anzustecken, hielt aber inne, um sich zu vergewissern, ob Sagal es ernst meinte. Ihr Gelächter klang fast wütend, als sie merkte, dass es tatsächlich so war. So pflegte Mira zu lachen, wenn Sagal Gefahr lief, sich mit irgendeinem blöden Moslemsatz vor den anderen zu blamieren. Ein Moslemsatz war alles, worüber Mira, und mit ihr alle anderen, eine andere Auffassung hatten. Aber jetzt war von den anderen keiner da.

»Wie kannst du vor so was erschrecken?«, rief Mira. »Das waren doch Babygeschichten. Ein Mund anstelle der Fotze und was weiß ich noch. Pervers. Albern und pervers.«

Sagal zuckte die Achseln und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie starrte auf die Tür zum Treppenhaus. Rechts von ihr schlug das Feuerzeug Funken.

Im Luftschutzkeller hatte Sagal Miras Hand gedrückt. Mira hatte die Geste erwidert. Sagal hatte die Augen geschlossen, obwohl es so dunkel gewesen war, dass sie auch mit offenen Augen nichts gesehen hätte.

»Und die Maske«, sagte Mira, die Kippe zwischen den Lippen. »Echt peinlich. Ein Riesenzirkus vorher, und dann irgendwelche â¦ Wieselgeschichten. Scheiße, was ist das überhaupt, ein Wiesel? Oder ein Knorren?«

Ein Wiesel ist ein Raubtier, das vor allem Vögeln gefährlich wird, und ein Knorren ist eine Missbildung an einem beschädigten Baum, dachte Sagal, sprach es aber nicht aus.

Der Zigarettengeruch stieg ihr in die Nase, bevor der Rauchschleier durch ihr Gesichtsfeld zog. Der Wind trug ihn im Nu davon. Sagal trat einen Schritt zurück, damit der Geruch sich nicht an ihr Kopftuch heftete. Ihre Mutter würde ihn sofort bemerken.

»Außerdem hab ich den Oberpriester erkannt«, sagte Mira ein wenig ruhiger.

Sagal drehte sich zu ihr um.

»Hast du nicht.«

»Doch, doch«, lachte Mira. »Das war Tuure. Der Kondomwäscher.«

»Der was?«

»Der Kondomwäscher. Tuure Aulanko aus dem B-Haus. Der hat seinem Vater einen gebrauchten Pariser geklaut, weil es ihm zu peinlich war, welche zu kaufen. Er hat ihn gewaschen und zum Trocknen im Bad aufgehängt. Jonna ist mal zum Ficken zu ihm gegangen, als seine Eltern in der Kneipe waren. Und als sie aufs Klo ging, sah sie den Pariser an der Wäscheleine hängen. Sie hat Tuure danach gefragt, und der hat es ihr erzählt. Rat mal, wie schwer es ihr fiel, ernst zu bleiben. Sie hat mich schon im Treppenhaus angerufen, um die Story loszuwerden.«

»Ach.«

Mira schwieg einen Moment. Dann trat sie direkt vor Sagal.

»Was hast du?«

»Nichts«, antwortete Sagal und blickte an Mira vorbei. In letzter Zeit hatte sie es immer seltener gewagt, Mira in die Augen zu sehen. Mira folgte ihrem Blick und drehte sich um.

»Was guckst du?«

Sagal seufzte.

»Warum kommt er nicht raus?«, fragte sie.

»Wer?«

»Der Oberpriester. Dieser Tuure.«

Mira zuckte die Schultern und zog an ihrer fast aufgerauchten Zigarette.

»Vielleicht kriegt er die Tür nicht auf«, meinte sie. »Geschieht ihm recht. Soll er doch da unten hocken mit seiner Gummimaske und den Pariser von seinem Vater aufpusten. Ansku hat mir vorher Angst gemacht, die Predigt wäre so schrecklich, dass sie immer noch eine Gänsehaut kriegt, wenn sie daran denkt. Fuck, was für eine Memme. Sie geht schon in die Neunte und hat angeblich immer noch Angst.«

»Er ist allein im Dunkeln geblieben«, sagte Sagal.

Es dauerte einen Moment, bis Mira begriff, dass sie vom Oberpriester sprach.

»Scheint so«, gab sie zurück und überlegte kurz. »Oder er wohnt in dem Haus und braucht nur ein paar Stockwerke höher zu gehen.«

»Nee. Du hast selbst gesagt, er wohnt im B-Haus.«

Mira schnaubte.

»Es klang wie Tuure, aber vielleicht war er es nicht. Sein Gesicht hab ich nicht gesehen.«

Sagal blickte noch eine Weile ins Treppenhaus, dann nickte sie.

»Er wird wohl in dem Haus wohnen«, sagte sie und pustete die Asche weg, die der Wind auf ihr Kopftuch geweht hatte. »Ich muss los.«

»Kommst du nicht zur Landzunge?«

Natürlich wäre Sagal gern dabei gewesen. »Nein«, antwortete sie. »Ich muss gehen. Wir sehen uns morgen.« Sie wollte gehen, doch Mira hielt sie an der Schulter fest.

»Du hast dich doch nicht wirklich erschreckt?«, fragte sie.

Auf Miras schwarz gefärbten Haaren funkelte Nieselregen. Der Wind trug Meeresgeruch vom Ufer heran. Aus irgendeinem Grund verband Sagal ihn mit den Wassertropfen auf Miras Haaren. Sie schüttelte den Kopf.

»Ich hab mich nicht erschreckt.«

»Sorry, dass ich gelacht hab«, sagte Mira. An den funkelnden Augen hinter der Glut ihrer Zigarette war zu erkennen, dass sie wirklich besorgt war. Sagal freute sich so sehr darüber, dass sie lächelte.

»Krieg keine Albträume. Das war bloß eine beschissene Geschichte. So was tut man hier. Man macht anderen Angst und so, aber damit will man nur was Gutes erreichen. Weißt du noch, was ich dir über Ida erzählt hab?«

Sagal nickte.

»Wie wir sie auf dem Uferweg erschreckt haben?«

»Ja.«

»Wir mussten bestimmt drei Stunden warten, ehe sie kam, aber es hat sich gelohnt.«

Sagal schwieg.

»So was macht man hier eben«, fuhr Mira fort. »Streiche spielen. Und wenn man dir einen Streich spielt, dann weißt du, dass du eine von uns bist. Stimmt s?«

»Ja.«

»Na, jetzt hat man dir im Märchenkeller einen Streich gespielt. Kein Grund, dich zu fürchten. Außerdem pass ich auf dich auf.«

»Ich hab mich nicht erschreckt«, sagte Sagal.

»Wirklich nicht?«

»Wirklich nicht«, antwortete sie. »Aber trotzdem danke, Mira. Amüsiert euch gut.«

»Werden wir, aber denk dran: Wenn du Albträume hast, rufst du mich an und dann klingele ich bei euch, mitten in der Nacht.«

Sagal lächelte. »Ich denke dran.«

»Und rufst an.«

»Ja, ich ruf an.«

»Ehrlich, ich bin wie der Blitz bei euch. Dann sagt dein Vater wieder, was du wollen, biste verrückt.«

Sagal lachte.

Mira umarmte Sagal. Alles Schreckliche war vergessen. Sagals Vater verabscheute Mira. Mira hatte immer Geld. Neue Kleider, ein neues Handy, eine neue Haarfarbe. Vater hielt das für ein schlechtes Zeichen, da Miras alleinstehende Mutter arbeitslos war. Woher kam das Geld? Die Mieten wurden ständig erhöht, woher also das Geld?

Sagal hätte in Miras feuchten Haaren schlafen mögen. Sie rochen nach seltsamen Chemikalien und nach abgestandenem Rauch und nach Wissen über all das, worüber Sagal zu wenig wusste. Mira küsste sie auf die Wange und ging.

Sagal spazierte auf ihre Haustür zu, bis Mira nicht mehr zu sehen war. Der Zigarettengeruch, der sich an ihre Kleider geheftet hatte, stieg ihr in die Nase, als sie den mp3-Player aus der Brusttasche zog. Er war kleiner als eine Streichholzschachtel und hatte ein Kabel mit Tasten am anderen Ende. Sagal zog das Kabel aus dem Ärmel. Sie hatte die ganze Zeit Angst gehabt, Mira würde es entdecken. Oder einer der anderen, obwohl im Dunkeln keiner etwas sehen konnte.

Sie warf einen Blick auf das Fenster ihrer Wohnung. In der Küche brannte Licht, aber wahrscheinlich saßen Vater und Mutter im Wohnzimmer und der kleine Bruder schlief. Der große Bruder würde nach Hause kommen, wann immer er es für richtig hielt. Jungen durften tun, was sie wollten. Bald würde Vater merken, wie spät es war, und Mutter auffordern, Sagal am Handy anzurufen.

Sagal wickelte das Kabel um den mp3-Player, verbarg ihn in der Faust und steckte ihn dann in die Tasche. Der Treppenaufgang im A-Haus war immer noch dunkel. Vor der Tür wirbelte der Wind Laub auf. Sagal machte einen Schritt nach vorn, ohne genau zu wissen, ob sie zum Parkplatz oder zurück in den Luftschutzkeller wollte. Der Gedanke an den Keller löste eine stechende Welle aus, die sich vom Kreuz über die Schulterblätter bis in die Arme ausbreitete. Es war eine Mischung aus Euphorie und Entsetzen, wie beim Eintauchen in kaltes Wasser. Sie ging schnurstracks weiter. Drehte sich nicht um. Dann stand sie vor dem Eingang und betrachtete ihr Spiegelbild in der Glastür. Hinter ihr schwankten die fast kahlen Äste der Bäume. Es sah aus, als versuchten sie mit kantigen Fingern nach ihrem Kopftuch zu greifen. Sagal trat so nah an die Tür, dass ihre...

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Autor

Marko Hautala, 1973 im finnischen Kauhava geboren, ist Lehrer für englische Sprache und Literatur und gibt Kurse für kreatives Schreiben. 2010 erhielt er den Kalevi-Jäntin Preis für junge Autoren, eine der wichtigsten Auszeichnungen in Finnland.