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Romane und Erzählungen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
3200 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am08.12.20161. Auflage
Zum ersten Mal in einer großen, geschlossenen Ausgabe: Sämtliche Romane und Erzählungen von Virginia Woolf in der Neuedition von Klaus Reichert. Diese Ausgabe bietet erstmals die Gelegenheit, das gesamte erzählerische Werk von Virginia Woolf (wieder) zu entdecken. Unter den zehn Romanen und drei Erzählbänden finden sich die berühmtesten Werke dieser bedeutenden Autorin der literarischen Moderne: ?Mrs Dalloway?, ?Zum Leuchtturm?, ?Orlando? und ?Die Wellen?.

Virginia Woolf wurde am 25. Januar 1882 als Tochter des Biographen und Literaten Sir Leslie Stephen in London geboren. Zusammen mit ihrem Mann, dem Kritiker Leonard Woolf, gründete sie 1917 den Verlag The Hogarth Press. Ihre Romane stellen sie als Schriftstellerin neben James Joyce und Marcel Proust. Zugleich war sie eine der lebendigsten Essayistinnen ihrer Zeit und hinterließ ein umfangreiches Tagebuch- und Briefwerk. Virginia Woolf nahm sich am 28. März 1941 in dem Fluß Ouse bei Lewes (Sussex) das Leben.
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Produkt

KlappentextZum ersten Mal in einer großen, geschlossenen Ausgabe: Sämtliche Romane und Erzählungen von Virginia Woolf in der Neuedition von Klaus Reichert. Diese Ausgabe bietet erstmals die Gelegenheit, das gesamte erzählerische Werk von Virginia Woolf (wieder) zu entdecken. Unter den zehn Romanen und drei Erzählbänden finden sich die berühmtesten Werke dieser bedeutenden Autorin der literarischen Moderne: ?Mrs Dalloway?, ?Zum Leuchtturm?, ?Orlando? und ?Die Wellen?.

Virginia Woolf wurde am 25. Januar 1882 als Tochter des Biographen und Literaten Sir Leslie Stephen in London geboren. Zusammen mit ihrem Mann, dem Kritiker Leonard Woolf, gründete sie 1917 den Verlag The Hogarth Press. Ihre Romane stellen sie als Schriftstellerin neben James Joyce und Marcel Proust. Zugleich war sie eine der lebendigsten Essayistinnen ihrer Zeit und hinterließ ein umfangreiches Tagebuch- und Briefwerk. Virginia Woolf nahm sich am 28. März 1941 in dem Fluß Ouse bei Lewes (Sussex) das Leben.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104901473
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum08.12.2016
Auflage1. Auflage
Seiten3200 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse6899 Kbytes
Artikel-Nr.2147229
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Die Fahrt hinaus

1. Kapitel

Da die Straßen, die vom Strand zum Embankment hinabführen, sehr schmal sind, geht man dort besser nicht Arm in Arm entlang. Tut man es dennoch, werden Kanzleischreiber mit hastigen Sprüngen in den schmutzigen Rinnstein ausweichen müssen, junge Schreibfräulein genötigt sein, hinter einem den Schritt zu verhalten. In den Straßen von London, wo die Schönheit unbemerkt geht, muß die Exzentrik die Zeche bezahlen, und man tut gut daran, nicht sehr groß zu sein, kein langes blaues Cape zu tragen und nicht mit der Linken in der Luft herumzufuchteln.

Eines Nachmittags Anfang Oktober, als der Verkehr lebhaft wurde, schritt ein großer Mann mit einer Dame am Arm am Rand des Trottoirs entlang. Wütende Blicke trafen beider Rücken. Die kleinen, aufgebrachten Gestalten - denn im Vergleich mit diesem Paar sahen die meisten Menschen klein aus -, die mit Füllfederhaltern geschmückt und mit Aktenkoffern beladen waren, hatten Termine einzuhalten und bezogen Wochenlöhne, so daß der unfreundliche bohrende Blick, mit dem Mr Ambroses Länge und Mrs Ambroses Cape bedacht wurden, nicht ganz unbegründet war. Irgendein Zauber hatte jedoch Mann wie Frau unerreichbar für Boshaftigkeit und Abneigung gemacht. In seinem Fall ließen die Lippenbewegungen ahnen, daß es Gedanken waren; und in ihrem die Augen, die versteinert oberhalb der durchschnittlichen Blickhöhe vor sich hin starrten, daß es Kummer war. Nur indem sie alle, denen sie begegnete, mit Verachtung strafte, gelang es ihr, die Tränen zurückzuhalten, und die Berührung mit denen, die sie im Vorübergehen streiften, war ihr sichtlich unangenehm. Nachdem sie den Verkehr am Embankment ein Weilchen mit stoischem Blick betrachtet hatte, zupfte sie ihren Gatten am Ärmel, und sie überquerten die Straße mitten im lebhaften Fluß der Automobile. Als sie wohlbehalten auf der anderen Straßenseite angelangt waren, löste sie sanft ihren Arm aus seinem und ließ es zugleich geschehen, daß ihr Mund sich entspannte und zu zittern anfing; dann rollten Tränen herab, und die Ellbogen auf die Balustrade gestützt, schützte sie ihr Gesicht vor den Blicken Neugieriger. Mr Ambrose unternahm einen Versuch, sie zu trösten; er tätschelte ihr die Schulter; doch sie gab durch nichts zu verstehen, daß solches erwünscht sei, und da es ihn mit Unbehagen erfüllte, neben einem Kummer zu stehen, der größer war als sein eigener, verschränkte er die Arme hinter dem Rücken, wandte sich ab und schritt das Trottoir entlang.

Das Embankment weist in Abständen Vorsprünge auf, die an Kanzeln denken lassen; statt von Predigern werden sie jedoch von kleinen Jungen in Beschlag genommen, die von dort Schnüre hinabbaumeln lassen, Kiesel werfen oder zusammengeknülltes Papier auf Kreuzfahrt schicken. Ihr geschultes Auge machte in Mr Ambrose sofort den Exzentriker aus, und sie neigten zu der Schlußfolgerung, daß er furchteinflößend sei; der Aufgeweckteste schrie dennoch »Blaubart!«, als er vorüberging. Für den Fall, daß sie als nächstes seine Frau aufs Korn nehmen sollten, drohte Mr Ambrose ihnen mit dem Stock, woraufhin sie zu dem Schluß gelangten, daß er lediglich wunderlich sei, und statt des einen schrien nun vier »Blaubart!« im Chor.

Obwohl Mrs Ambrose völlig reglos stand und dies viel länger, als natürlich ist, ließen die kleinen Jungen sie in Ruhe. Irgend jemand schaut immer in der Nähe der Waterloo Bridge ins Wasser; da steht an einem schönen Nachmittag ein Paar eine halbe Stunde ins Gespräch vertieft; die meisten Menschen, die dort zu ihrem Vergnügen entlanglaufen, schauen drei Minuten lang nachdenklich hinab und gehen dann weiter, wenn sie diesen Anlaß mit anderen Anlässen verglichen haben oder ihre Lebensweisheit einen Schlußpunkt gesetzt hat. Zuweilen sehen die Wohnhäuser und Kirchen und Hotels von Westminster aus wie das Weichbild eines dunstverhangenen Konstantinopel; zuweilen ist der Fluß von sattem Purpurrot, zuweilen schmutzfarben, zuweilen glitzernd blau wie das Meer. Es lohnt sich stets, hinabzublicken und zu verfolgen, was gerade geschieht. Diese Dame schaute jedoch weder nach unten noch nach oben; das einzige, was sie gesehen hatte, seit sie dort stand, war ein kreisrunder schillernder Fleck, der, einen Strohhalm in der Mitte, langsam vorbeitrieb. Der Strohhalm und der Fleck schwammen wieder und wieder hinter dem zitternden Medium einer dicken aufsteigenden Träne vorbei, und die Träne quoll über den Lidrand und löste sich und fiel in den Fluß. Dann drangen ihr von ganz nah die Worte ins Ohr -


Lars Porsena of Clusium

By the nine Gods he swore -


und, schwächer werdend, so als wäre der Sprechende auf seinem Spazierweg an ihr vorübergegangen -


That the Great House of Tarquin

Should suffer wrong no more.[1]


Ja, sie wußte, sie mußte zu all diesen Dingen zurückkehren, doch zuerst einmal mußte sie weinen. Sie schirmte ihr Gesicht ab und schluchzte stetiger, als sie es bis dahin getan hatte, so daß ihre Schultern sich ganz gleichmäßig hoben und senkten. Diese Gestalt erblickte ihr Gatte, als er sich, bei der polierten Sphinx angekommen, umwandte, nachdem er zunächst in die Fänge eines Ansichtskartenverkäufers geraten war; die Strophe riß unvermittelt ab. Er trat zu ihr, legte ihr die Hand auf die Schulter und sagte: »Liebste.« Seine Stimme klang flehend. Doch sie wandte das Gesicht ab, als wollte sie sagen: »Das kannst du eben einfach nicht verstehen.«

Da er sich jedoch nicht wegrührte, mußte sie sich die Augen wischen und den Blick zu den Fabrikschloten am anderen Ufer heben. Außerdem sah sie die Bögen der Waterloo Bridge und die Karren, die in einer Reihe über sie hinwegzogen wie die vorbeirückenden Tiere in einer Schießbude. Sie wurden zwar blicklos wahrgenommen, aber daß überhaupt etwas gesehen wurde, bewirkte natürlich, daß sie zu weinen aufhörte und sich in Bewegung setzte.

»Ich würde lieber laufen«, sagte sie, als ihr Gatte einer Droschke gewinkt hatte, die bereits mit zwei Geschäftsleuten besetzt war.

Die bloße Fortbewegung hatte zur Folge, daß sie sich ein wenig aus ihrer düsteren Stimmung löste. Die hin und her schießenden Automobile, Spinnentieren auf dem Mond ähnlicher als irdischen Objekten, die donnernden Rollwagen, die schellenklingelnden Hansoms und die kleinen schwarzen Broughams ließen sie an die Welt denken, in der sie lebte. Irgendwo dort oben über den Fialen, wo der Rauch als spitzer Hügel aufstieg, fragten in diesem Augenblick ihre Kinder nach ihr und erhielten eine beschwichtigende Antwort. Was die Masse der Straßen, Plätze und öffentlichen Gebäude anging, die sie voneinander trennten, so fiel ihr dazu in diesem Augenblick nur ein, wie wenig London getan hatte, um ihre Liebe zu gewinnen, obwohl sie doch dreißig ihrer vierzig Jahre in ein und derselben Straße verbracht hatte. Sie verstand es, die Menschen einzuschätzen, die an ihr vorübergingen; da waren die Reichen, die um diese Stunde zwischen den einschlägigen Häusern hin und her eilten; da waren die bigotten Arbeiter, die geradenwegs in ihre Gottesdienste strebten; da waren die Armen, die unglücklich und berechtigtermaßen übelwollend waren. Schon jetzt dösten, obwohl der Dunst noch von Sonnenlicht durchdrungen war, zerlumpte alte Männer und Frauen auf den Bänken dem Schlaf entgegen. Wenn man darauf verzichtete, die Schönheit zu sehen, die die Dinge umhüllte, dann hatte man es mit dem Skelett darunter zu tun.

Ein feiner Regen setzte ein und stimmte sie noch trübsinniger; Kastenwagen mit den seltsamen Namen der Angehörigen seltsamer Gewerbe - Sprules, Sägemehlhersteller; Grabb, dem kein Stück Altpapier entgeht - verfehlten ihre Wirkung wie ein schlechter Witz; kühne Liebende, die hinter nur einem Cape Zuflucht suchten, kamen ihr gemein vor, ihre Leidenschaft schal; die Blumenfrauen, ein vergnügtes Trüppchen, dem sich immer zuzuhören lohnte, waren durchnäßte Hexen; die roten, gelben und blauen Blumen mit ihren zusammengepreßten Köpfen wollten nicht leuchten. Und zu allem Überfluß war ihr Gatte, der rasch und rhythmisch ausschritt und gelegentlich mit der freien Hand eine schwungvolle Geste vollführte, entweder gerade ein Wikinger oder ein leidgeprüfter Nelson; die Möwen hatten ihn entsprechend eingestimmt.

»Ridley, wollen wir fahren? Wollen wir fahren, Ridley?«

Mrs Ambrose mußte einige Schärfe in ihre Stimme legen; er war mittlerweile weit weg.

Die Droschke führte sie in gleichmäßigem Trab auf immer derselben Straße alsbald aus dem West End heraus und mitten nach London hinein. Wenn letzteres den Eindruck einer gewaltigen Manufaktur erweckte, in der die Menschen mit der Fertigung von Dingen beschäftigt waren, so stellte das West End mit seinen elektrischen Straßenlaternen, seinen großen Tafelglasfenstern, die durchweg gelb erstrahlten, seinen gediegen gebauten Häusern und den winzigen lebendigen Figuren, die auf dem Trottoir vor sich hin trabten oder auf Rädern die Straßen entlangrollten, das fertige Werkstück dar. Für eine so riesenhafte Fabrik schien ihr das ein sehr schmales Ergebnis zu sein. Aus irgendeinem Grund wirkte es auf sie wie eine kleine goldene Quaste am Saum eines weiten schwarzen Umhangs.

Als sie bemerkte, daß sie an keinem schmucken Hansom mehr vorbeikamen, sondern nur noch an Kastenwagen und Fuhrwerken, und daß nicht einer der tausend Männer und Frauen, die sie sah, ein Herr oder eine Dame war, wurde Mrs Ambrose klar, daß die Armut letztlich die Regel war und daß London die Stadt unzähliger Armer ist. Diese Entdeckung verstörte sie ebenso wie der Gedanke, daß sie sich jeden Tag ihres Lebens...

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Autor

Woolf, VirginiaWenner, ClaudiaÜbersetzungZerning, HeidiÜbersetzungZimmer, Dieter E.ÜbersetzungBoehlich, WalterÜbersetzungBosse-Sporleder, MariaÜbersetzungDormagen, AdelheidÜbersetzungFaden, HanneloreÜbersetzungFrisch, MarianneÜbersetzungKersten, KarinÜbersetzungViebrock, HelmutÜbersetzungWalitzek, BrigitteÜbersetzungWalter, MichaelÜbersetzung
Virginia Woolf wurde am 25. Januar 1882 als Tochter des Biographen und Literaten Sir Leslie Stephen in London geboren. Zusammen mit ihrem Mann, dem Kritiker Leonard Woolf, gründete sie 1917 den Verlag The Hogarth Press. Ihre Romane stellen sie als Schriftstellerin neben James Joyce und Marcel Proust. Zugleich war sie eine der lebendigsten Essayistinnen ihrer Zeit und hinterließ ein umfangreiches Tagebuch- und Briefwerk. Virginia Woolf nahm sich am 28. März 1941 in dem Fluß Ouse bei Lewes (Sussex) das Leben.Michael Walter, 1951 in Wiesbaden geboren, studierte Anglistik und Philosophie und arbeitet seit 1978 als freier Übersetzer. Er hat bislang über 60 Werke nahezu aller literarischen Genres übersetzt. 1988 wurde er in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung als ordentliches Mitglied gewählt. Für seine Übersetzungen erhielt er zahlreiche Preise. Michael Walter lebt und arbeitet seit 1980 in München.Claudia Wenner, Schriftstellerin, Publizistin und Übersetzerin. Sie lebt abwechselnd in Frankfurt und Pondicherry. Für S. Fischer übertrug sie die Tagebücher von Virginia Woolf, für die Neue Zürcher Zeitung schreibt sie regelmäßig über Indien.Heidi Zerning, geboren 1940 in Berlin, studierte Anglistik, Amerikanistik, Geschichte und Philosophie und ist seit 1990 hauptberuflich als Übersetzerin tätig. Neben Alice Munros Erzählungen hat sie Werke von Virginia Woolf, Truman Capote und Steve Tesich übersetzt. Heidi Zerning verstarb im Oktober 2022 in Berlin. Der Literaturkritiker, Essayist, Übersetzer und Verlagslektor Walter Boehlich, geboren 1921 in Breslau, gestorben 2006 in Hamburg, studierte Philologie in Bonn und wurde Assistent von Ernst Robert Curtius. Er schrieb über Jahrzehnte regelmäßig unter anderem für »Die Zeit«, die »FAZ« und »Titanic«. Bei S.Fischer erschienen die von ihm herausgegebenen >Jugendbriefe an Eduard SilbersteinMrs Dalloway