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Luana

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am17.02.2017
»Wunderbar vielschichtig und mitreißend erzählt.« Elle Selbst nach Jahrzehnten in London kann André seine Heimat nicht vergessen: Rio de Janeiro und den sonnengetränkten Strand von Ipanema. Besonder verfolgen ihn die Erinnerungen an den Sommer 1985. Es war der Sommer, als seine Mutter starb. Und der Sommer, als er sich in das Dienstmädchen Luana verliebte. Eine geheime, eine unmögliche Liebe. Dreißig Jahre später schreibt Luana ihm einen Brief, und André reist nach Brasilien. Er will sich endlich der Verantwortung stellen, vor der er als junger Mann geflohen war, und muss die schmerzhafte Erfahrung machen, dass manche Versäumnisse endgültig sind.

Luiza Sauma, geboren in Rio de Janeiro, wuchs in London auf und arbeitete viele Jahre für die Independent on Sunday. Sie studierte Creative & Life Writing am Goldsmiths College in London und wurde 2014 mit dem Pat Kavanagh Award ausgezeichnet. Luana ist ihr erster Roman.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

Klappentext»Wunderbar vielschichtig und mitreißend erzählt.« Elle Selbst nach Jahrzehnten in London kann André seine Heimat nicht vergessen: Rio de Janeiro und den sonnengetränkten Strand von Ipanema. Besonder verfolgen ihn die Erinnerungen an den Sommer 1985. Es war der Sommer, als seine Mutter starb. Und der Sommer, als er sich in das Dienstmädchen Luana verliebte. Eine geheime, eine unmögliche Liebe. Dreißig Jahre später schreibt Luana ihm einen Brief, und André reist nach Brasilien. Er will sich endlich der Verantwortung stellen, vor der er als junger Mann geflohen war, und muss die schmerzhafte Erfahrung machen, dass manche Versäumnisse endgültig sind.

Luiza Sauma, geboren in Rio de Janeiro, wuchs in London auf und arbeitete viele Jahre für die Independent on Sunday. Sie studierte Creative & Life Writing am Goldsmiths College in London und wurde 2014 mit dem Pat Kavanagh Award ausgezeichnet. Luana ist ihr erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455000047
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum17.02.2017
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1476 Kbytes
Artikel-Nr.2150331
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverTitelseite1234567891011121314151617181920212223242526272829DankÜber Luiza SaumaImpressummehr
Leseprobe
1


Lieber André,

vor ein paar Wochen habe ich zum ersten Mal im Internet nach Dir gesucht. Es war kinderleicht, Dich zu finden. Zwar gibt es viele André Cabrals auf der Welt, aber nicht in Londres. Ich habe ein Foto von Dir gesehen. Du siehst noch genauso aus wie früher - nur alt. Ich bin auch alt, leider. Ich habe Deine Büroadresse und Deine E-Mail-Adresse gefunden, aber nach so vielen Jahren erschien mir eine E-Mail unpassend - zu direkt. Deshalb schreibe ich Dir einen Brief.

Denkst Du manchmal an uns? Vermutlich nicht, aber das solltest Du.

Ich weiß, dass Du schon seit vielen Jahren in Londres lebst und Arzt bist. Wie könnte es auch anders sein. Du hast zwei Töchter, nicht wahr? Das hat mir Dein Vater vor seinem Tod erzählt. Zwei inglesinhas, wer hätte das gedacht? Bestimmt ist es kalt bei Euch.

Ich war noch nie in Europa. Ich habe noch nicht einmal Brasilien verlassen, aber das ist schon in Ordnung - ich hatte nie damit gerechnet. Und ich kann wirklich nicht klagen. Wenn man bedenkt, wo ich lebe. Es ist wunderschön hier und sicher. Die Kinder wachsen vollkommen frei auf, wie Indianer. Und wo man auch hingeht, riecht man den Urwald. Im Moment bin ich allerdings nicht zu Hause. Ich bin in Belém, zu Besuch bei meiner Tochter.

Eines Tages werde ich nach Europa reisen: Paris, Londres, Irland, Deutschland. Meine Tochter Iracema wäre begeistert. (Sie studiert auch Medizin. Lustig, oder?) Dort zieht es mich hin: an Orte, an denen es kalt ist, weil mir noch nie kalt war. Wir werden sehen. Wobei die wenigen Gringos, die hierherkommen, mir versichern, es sei die lange Reise nicht wert; ihnen ist Brasilien lieber. Unser Land verführt sie, macht sie verrückt. Sie wissen nicht, wie es wirklich ist.

Ich werde Dir wieder schreiben. Ich habe Dir eine Menge zu erzählen. Ich werde Dich warten lassen, so wie Du uns hast warten lassen.

Luana


Das war der erste Brief. Ich erzählte niemandem davon. Nicht einmal meiner Frau Esther. Das Papier roch holzig, feucht, leicht tropisch. Die Vergangenheit besitzt einen bestimmten Geruch, nicht wahr? Für mich riecht sie nach Brasilien. Ich hielt mir den Brief vors Gesicht, atmete ein und spürte, wie die Jahre dahinschmolzen. Mit einem Mal war ich wieder siebzehn, noch ein Junge. Seit fast dreißig Jahren hatte ich Luana nicht mehr gesehen. Auf dem Umschlag stand kein Absender.

Ich las den Brief auf der Arbeit, zwischen zwei Patientengesprächen, las ihn noch einige weitere Male und steckte ihn in die Tasche meiner Anzugjacke. Dort blieb er für einige Wochen. Manchmal griff ich danach, schob die Hand in die Tasche, berührte die Kanten des Briefes und spürte, wie meine Haut taub wurde. Ich wollte im Internet nach ihr suchen, konnte mich aber nicht an ihren Nachnamen erinnern - hatte ich ihn vielleicht nie gekannt? Papai hätte ihn gewusst, aber er war schon lange tot. Für mich war sie einfach Luana. Luana Costa? Luana Santos? Ich versuchte es mit einigen gängigen Nachnamen. Dutzende andere Luanas starrten mich von meinem Bildschirm an, mit Schmollmund vor dem Spiegel posierend, jünger, als Luana heute wäre, älter, als sie damals gewesen war.

Wäre Mamãe nicht gestorben, wäre das alles nicht passiert. Ich würde immer noch in Rio de Janeiro leben, wäre mit einer Brasilianerin aus gutem Hause verheiratet, würde in unserer alten Wohnung mit Blick auf den Strand wohnen. Meine Frau und ich würden unsere Kinder auf die gleiche Weise erziehen lassen, wie wir erzogen worden waren - von liebevollen schwarzen Frauen, die in einem kleinen Zimmer hinter der Küche schliefen. Dinnerpartys in Ipanema, Leblon und Copacabana, Wochenendausflüge nach Teresópolis und Búzios und Urlaubsreisen nach Europa, wo wir davon träumen würden, dort zu leben.

Stattdessen wohne ich allein in einer Zweizimmerwohnung auf der Albion Road in Stoke Newington, London. Esther wohnt immer noch in unserem Haus auf der Winston Road, zwei Minuten zu Fuß entfernt - in dem Haus, das wir nach unserer Hochzeit gekauft haben, vor zwanzig Jahren, als die Gegend noch verhältnismäßig erschwinglich war. Ihre Familie ist von Grund auf anders als meine - englisch und jüdisch, Letzteres zumindest halbwegs, wie sie zu sagen pflegt. Wir haben zwei Töchter, Beatriz und Hannah. Beatriz ist nach Mamãe benannt. Ich nenne sie Bia; alle anderen rufen sie Bee. Es gäbe sie nicht, wäre Mamãe nicht gestorben. Jeden Tag gehe ich in die Praxis, kehre nach Hause zurück, esse allein zu Abend. Mein Leben ist klein und überschaubar. Mein Schlafzimmer geht zur Straße hinaus, und im Schlaf höre ich die Autos. Unglaublich, was ich für dieses Dreckloch bezahle. Ich bin Hausarzt und behandle all die verrückten Leute mit ihren Pseudo-Krankheiten, was mich rund fünfundvierzig Stunden pro Woche beschäftigt hält, aber was ist mit den übrigen einhundertdreiundzwanzig?

Mamãe starb im Januar 1985 bei einem Autounfall auf der Straße, in der ich aufgewachsen bin. Alles, was danach passierte, war zweitrangig. Die Militärdiktatur endete in jenem Jahr, aber ich kann mich nicht erinnern, was ich darüber dachte. Mamãe war tot. Was war da noch wichtig? Papai kehrte in seine Schönheitsklinik zurück. Mein Bruder Thiago und ich gingen wieder zur Schule. Die Leute bemerkten anerkennend, wie gut wir mit der Situation zurechtkämen. Doch das taten wir nicht. Ihre Abwesenheit war so unterschwellig und doch beharrlich präsent wie Tinnitus. Unsere Wohnung wirkte leer, obwohl wir zu fünft darin wohnten. Manchmal meinte ich zu hören, wie sie mit ihrer fröhlichen, rauen Stimme nach unseren Dienstmädchen rief: »Rita! Luana!«, oder ich nahm aus den Augenwinkeln ein Aufblitzen von Rosa und Orange wahr. Sie hatte leuchtende Farben geliebt. Sie hatte immer gelächelt. Nachts hörte ich, wie Thiago, der damals sechs Jahre alt war, in seinem Zimmer weinte, während Rita ihn in den Schlaf sang. Weinen war etwas für Frauen und Kinder, also weinte ich nicht. Ich sah mich nicht mehr als Kind. Ich war ein Mann ohne Mutter. Mein siebzehnter Geburtstag verstrich beinahe unbemerkt.

Das letzte Mal war ich zu Papais Beerdigung nach Brasilien gereist - an meinem vierzigsten Geburtstag hatte er einen Herzinfarkt erlitten. Wir sagten die Feier ab und flogen nach Rio, die ganze Familie. Und ich fragte mich, ob er das mit Absicht getan hatte, um meine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich war eine ganze Weile nicht da gewesen. Das liegt inzwischen sechs Jahre zurück. London ist jetzt mein Zuhause. Das ist es schon seit langem. Ich bin britischer Staatsbürger - bereits seit Jahren. Als ich Brasilien verließ, kam ich gar nicht auf den Gedanken, dass ich das Land vermissen könnte. Ich war damals erst achtzehn; was wusste ich schon? Ich wollte all die Dummheiten, die ich begangen hatte, und die Leute, die davon wussten, hinter mir lassen. Jetzt ertappe ich mich mehrmals am Tag dabei, wie ich an das üppige Grün der Bäume überall in den Straßen von Ipanema denke. An die dünnen Kletterpflanzen, die sich um Telefonleitungen ranken. An den Atlantik, der mir in den Augen brennt. An die Leute mit ihrer forsch-fröhlichen Art.

In meinen Träumen von Brasilien ist alles übertrieben. Die Blätter sind übertrieben grün und das Meer übertrieben blau. Ich hatte einen Traum, in dem es regnete und der Himmel grau war. Ich war in Badeshorts am Strand von Ipanema und spürte die Regentropfen auf mir. Ich wusste, dass ich zu den Cagarras-Inseln schwimmen musste, zu der unbewohnten Inselgruppe, die vom Ufer aus zu sehen ist. Ich watete ins Wasser und schwamm auf die Inseln zu, schwamm mit geöffneten Augen durch das Salzwasser. Ich ging an Land, streckte mich auf den Felsen aus und spürte meine Haut in der Sonne brutzeln wie Speck in der Pfanne.

Der Traum von den Cagarras-Inseln hat keine besondere Bedeutung. Ich habe ihn nur zwei Mal geträumt. Wichtiger ist der Traum, der von Luana handelt, Ritas Tochter. Noch bevor sie mir zu schreiben begann, hatte ich bereits mindestens einmal pro Woche von ihr geträumt. Es war zum Verrücktwerden. In meinem Traum schwimmen wir im Fluss, im Amazonas, und versuchen, ans andere Ufer zu gelangen. Ein unmögliches Unterfangen, weil der Fluss viel zu breit ist. Ich bin wieder siebzehn Jahre alt. Meine Arme sind dünn, meine Brust unbehaart, mein Bauch flach. Mein junger Körper erscheint mir wundersam. Luana schwimmt voran, ich kann nicht mir ihr mithalten. Ihre schwarzen Haare bewegen sich in einiger Entfernung vor mir auf und ab. Ich sinke auf das Flussbett hinab, und kaltes Wasser dringt in meine Lungen.

Diesen Traum hatte ich zum ersten Mal vor eineinhalb Jahren, letzten Juli, nach der Feier anlässlich meines fünfundvierzigsten Geburtstags. Ich hatte meinen Geburtstag nicht feiern wollen, doch Esther bestand darauf. Sie hatte schon immer ein Händchen für Partys, genau wie Mamãe. Sie schrieb die Gästeliste, organisierte das brasilianische Catering - salgadinhos, churrasco, Caipirinhas - und buchte die Band, die in unserem Wohnzimmer brasilianische Lieder spielte. Die Musiker, zwei Männer und eine Frau, trafen eine Stunde vor den Gästen ein und brachten ihre Instrumente und Verstärker mit. Esther war im oberen Stock und machte sich fertig, also nahm ich die Musiker in Empfang und schlüpfte in meine Rolle als Brasilianer unter anderen Brasilianern. Ich war aus der Übung, und es kostete mich gewisse Mühe. Wir lachten und scherzten, beklagten uns über das Wetter und redeten darüber, wo wir herkamen. Sie waren beeindruckt, dass ich schon so lange hier war und die britische Staatsbürgerschaft besaß. Ich erzählte...
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Autor

Luiza Sauma, geboren in Rio de Janeiro, wuchs in London auf und arbeitete viele Jahre für die Independent on Sunday. Sie studierte Creative & Life Writing am Goldsmiths College in London und wurde 2014 mit dem Pat Kavanagh Award ausgezeichnet. Luana ist ihr erster Roman.