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Der Club der geschiedenen Frauen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am04.04.2024
Nevada in den 1950er Jahren: Die junge Lois reist von Chicago nach Reno mit der Aussicht, nach sechs Wochen als geschiedene Frau ein neues Leben zu beginnen, wie es das Gesetz hier erlaubt. Im Golden Yarrow, der eigens für Frauen wie sie geführten Pension, vertreiben die Bewohnerinnen die Hitze am Pool und im Salon, abends stürmen sie die Casinos und Bars, trinken, flirten und versuchen alle Zukunftsängste zu vergessen. Lois, eher verschlossen, findet zunächst wenig Anschluss. Das ändert sich, als die geheimnisvolle Greer zu der Gruppe stößt und ausgerechnet Lois' Nähe sucht. Zusammen schmieden die beiden Pläne, nach L. A. durchzubrennen. Doch Greer ist nicht die, die sie scheint, und plötzlich steht für Lois alles auf dem Spiel ...

Rowan Beairds Texte sind in verschiedenen US-amerikanischen Medien wie The Kenyon Review, The Southern Review und The Common erschienen. Für ihre Arbeiten wurde sie mit dem Ploughshares Emerging Writer Award ausgezeichnet und für den Pushcart Prize nominiert. Außerdem erhielt sie Stipendien von der Bread Loaf Writers' Conference und von StoryStudio. Zurzeit arbeitet sie am School of the Art Institute of Chicago, der Stadt, in der sie mit ihrer Familie auch lebt. Der Club der geschiedenen Frauen ist ihr erster Roman.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextNevada in den 1950er Jahren: Die junge Lois reist von Chicago nach Reno mit der Aussicht, nach sechs Wochen als geschiedene Frau ein neues Leben zu beginnen, wie es das Gesetz hier erlaubt. Im Golden Yarrow, der eigens für Frauen wie sie geführten Pension, vertreiben die Bewohnerinnen die Hitze am Pool und im Salon, abends stürmen sie die Casinos und Bars, trinken, flirten und versuchen alle Zukunftsängste zu vergessen. Lois, eher verschlossen, findet zunächst wenig Anschluss. Das ändert sich, als die geheimnisvolle Greer zu der Gruppe stößt und ausgerechnet Lois' Nähe sucht. Zusammen schmieden die beiden Pläne, nach L. A. durchzubrennen. Doch Greer ist nicht die, die sie scheint, und plötzlich steht für Lois alles auf dem Spiel ...

Rowan Beairds Texte sind in verschiedenen US-amerikanischen Medien wie The Kenyon Review, The Southern Review und The Common erschienen. Für ihre Arbeiten wurde sie mit dem Ploughshares Emerging Writer Award ausgezeichnet und für den Pushcart Prize nominiert. Außerdem erhielt sie Stipendien von der Bread Loaf Writers' Conference und von StoryStudio. Zurzeit arbeitet sie am School of the Art Institute of Chicago, der Stadt, in der sie mit ihrer Familie auch lebt. Der Club der geschiedenen Frauen ist ihr erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455017137
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum04.04.2024
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1576 Kbytes
Artikel-Nr.12577079
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverTitelseiteFür meine Mutter, meine [...]»Überall lauern Fallstricke. So [...]*********1 Sechs Wochen zuvor2345678910111213141516171819202122232425262728293031323334353637383940414243444546 Sechs Wochen später47484950DanksagungÜber Rowan BeairdImpressummehr
Leseprobe

1 Sechs Wochen zuvor

Im Zug riecht es nach Schweiß, warm und säuerlich. Sobald sie Nevada erreicht hatten, mussten die Passagiere die Fenster schließen, weil der Wüstenwind roten Sand hereinpeitschte, der ihre Augen und Ohren überzog. »Der erste Sandsturm des Jahres«, sagte der Schaffner. Jetzt kann niemand mehr dem Schmutz entkommen. Die Luft stinkt wie ein Sumpf und lässt alles anschwellen: die hölzernen Geländer, die rotbraunen Sitze, das blasse Gesicht des Fahrkartenkontrolleurs. Alles dehnt sich und birst, während die Wüste vor den Zugfenstern hart wie Glas ist.

Als Lois vor zwei Tagen in Chicago in den Zug gestiegen ist, sahen alle aus wie für den Kirchgang zurechtgemacht, gestärkt und gebügelt. Ein Mann mit einem marineblauen Anzug und Filzhut trug ihr galant das Gepäck ins Abteil. Sie kam an Frauen vorbei, die genau wie die Matronen aus dem Onwentsia Club aussahen, die jeden Versuch ihrer Mutter, beizutreten, abgewehrt hatten. Erst nach der Hochzeit mit Lawrence hatte man Lois dort Einlass gewährt. Im Speisewagen wurde um sie herum laut und fröhlich geplaudert, und beim Abendessen bestellte Lois, von der gemeinschaftlichen Aufbruchsstimmung aufgekratzt, zwei Desserts - eine vorübergehende Extravaganz und zweifellos nicht die Art Ausgabe, die ihr Vater für sein Geld im Sinn gehabt hatte. In der Nacht lag sie wach und lauschte dem rauen Gelächter der Männer, die auf dem Gang Zigaretten rauchten, fasziniert von dem Gedanken, dass sie sich hinzugesellen könnte, ohne dass jemand davon erfahren würde. Sie war noch nie so weit von zu Hause weg.

Aber die Hitze macht sie ebenso missmutig und klaustrophobisch wie alle anderen, der Zuckerrausch flacht zu vertrauter Ruhelosigkeit ab. Nachdem die Fenster geschlossen wurden, rieb sich Lois anfangs alle paar Stunden ihre milde Ivory-Seife unter die Achseln, bespritzte sie am Waschbecken mit Wasser. Schließlich stellte sie fest, dass es ein sinnloses Unterfangen war. Alle vernachlässigen inzwischen ein wenig ihre Umgangsformen. Im Speisewagen sagen die Leute kaum ein Wort zueinander. Kinder kratzen an ihren Bäuchen und winseln wie überhitzte Hunde. Selbst die Kellnerinnen bemühen sich nicht länger um Konversation, während sie die Mahlzeiten auftischen, sie füllen wortlos Wassergläser und verteilen lasche belegte Brote. Lois sieht, wie eine Kellnerin einen Eiswürfel in ihr BH-Körbchen gleiten lässt.

In ihrem Abteil träumt Lois von der Dusche mit den minzgrünen Kacheln in ihrem Haus. Die Kacheln müssen wir rausreißen, hatte Lawrence gesagt. Sie werden nie sauber aussehen. Lois hatte erwidert, das ergebe keinen Sinn. Farbe beschmutzt nichts. In ihrem erhitzten Zustand ertappt sie sich dabei, wie sie ihre Worte ein ums andere Mal wiederholt, obwohl er schon so weit weg ist.

 

Etwa eine Stunde bevor sie die Endhaltestelle erreichen, macht sich bei allen eine fast manische Erleichterung breit. Die Passagiere schauen in anderen Abteilen vorbei, um zu plaudern, versprechen einander, in Reno gemeinsam abendessen zu gehen. Vor Lois´ Abteil erklärt ein Mann zwei anderen Männern, wie man am besten Karten zählt.

»Und machen Sie sich auf die Frauen gefasst«, sagt er, während er die Stimme zu einem lauten Flüstern senkt. »In den Casinos wimmelt es von Revuetänzerinnen und Geschiedenen.«

Lois zieht die Vorhänge am Fenster zu, das zum Gang hinausgeht, und blendet die Stimmen der Männer aus. Mit einem Kugelschreiber malt sie Betty Grables Lippen auf der Titelseite des Silver Screen-Magazins schwarz. Dann zupft sie ihre Augenbrauen, bis die Haut gereizt ist und anschwillt. Die Wüste vor dem Fenster wirkt ausgebleicht und karg, wie die Kulisse eines Filmsets, und Lois stellt sich vor, dass sie die Hand ausstreckt und sie umstößt. Es ist ein himmelweiter Unterschied zu den üppigen Wiesen von Lake Forest, wo Spatzen auf den Buchsbäumen hocken.

Jemand klopft an die Scheibe der Abteiltür, und Lois setzt sich auf, knöpft ihre Bluse wieder zu, damit ihr BH nicht zu sehen ist.

»Verzeihung«, sagt ein Mädchen, als es die Tür öffnet.

»Ja?«, sagt Lois.

Das Mädchen betritt das Abteil und schiebt die Tür hinter sich zu. Sie ist etwa in Lois´ Alter, Anfang zwanzig, von der unverbraucht frischen Schönheit, die mit den Jahren verblassen wird, und hat sich ganz offensichtlich gerade ein sauberes Kleid mit schwingendem Rock angezogen und sich geschminkt. Die Form ihrer Oberlippe beschreibt ein perfektes halbes Herz. In einem unschuldigen Nelkenrosa. Lois wird sich ihrer fettigen Gesichtshaut und des geöffneten Koffers bewusst, über dessen Ränder dreckige Unterwäsche quillt.

»Bist du Lois Saunders?«, fragt das Mädchen. Sie spricht mit Südstaatenakzent, bedächtig und besonnen.

»Ja«, erwidert Lois und kneift die Augen zusammen. »Woher weißt du -?«

»Entschuldige, dass ich dich belästige«, sagt das Mädchen und setzt sich auf den Rand der Lederbank. »Ich heiße Mary Elizabeth Shores, ich meine Brown - Mary Elizabeth Brown. Ich komme aus Lexington und bin auch auf dem Weg zum Golden Yarrow. Man hat mir gesagt, dass wir im selben Zug anreisen, und endlich konnte ich einen der Kontrolleure überreden, mir zu sagen, in welchem Abteil du bist. Ich hoffe, das ist nicht unhöflich.«

Lois erinnert sich, Mary Elizabeth am ersten Reisetag im Speisewagen gesehen zu haben, als sie auszumachen versuchte, wer aus dem gleichen Grund wie sie unterwegs sein könnte. Ein Umstand, den die meisten sicher verbergen wollten, weil sie wussten, in welchem Licht es sie dastehen ließ. Sie hatte nach Mädchen Ausschau gehalten, die allein waren und entweder tieftraurig oder überglücklich aussahen, auch wenn keins dieser Gefühle Lois´ eigenes Vakuum beschrieb, das Knistern eines leeren Einzelbilds in einem Film. Mary Elizabeth hatte am anderen Ende des Waggons gesessen, ihre Traurigkeit umgab sie mit einer eigenen Aura, und still an einer Tasse Tee genippt. Ihr Reichtum offenbarte sich anhand der Schwere ihrer Seidenbluse und des engmaschig verwobenen Baumwollrocks, der einstudierten Choreographie, mit der sie die Hände bewegte. Zeichen, die Lois vertraut sind. Sie kennt diese Art Mädchen, und genau deshalb hat sie kein Interesse daran, das Mädchen kennenzulernen.

»Du lässt dich scheiden?«, fragt Lois.

»Ähm - ja.« Die junge Frau blickt zur Tür, um sich zu vergewissern, dass sie geschlossen ist und niemand zuhört. »Alle auf der Ranch tun das, denke ich. Darauf habe ich mich ehrlich gesagt gefreut: nicht diejenige zu sein, über die alle tuscheln.«

»Da hast du wohl recht. Warum lässt du dich scheiden?«

»Oh.« Mary Elizabeth runzelt die Stirn. »Es gab Probleme - mit meinem Mann.«

»Ah.« Lois´ forsche Frage war etwas voreilig, und in ihrem Magen regt sich das vertraute Schamgefühl, etwas Falsches gesagt zu haben.

»Ich dachte, wir könnten zusammen nach dem Fahrer Ausschau halten«, sagt Mary Elizabeth und überbrückt damit behutsam den Moment des Schweigens. »Charlie heißt er, wenn ich mich recht erinnere. Ich hatte wirklich nicht erwartet, dass außer mir noch jemand mit dem Zug hinfährt. Ich habe Flugangst. Ich verstehe einfach nicht, wie sich ein Flugzeug in der Luft halten kann.« Sie lacht über ihre Albernheit, als wäre ihre Angst nur ein Witz.

»Mein Vater traut Flugzeugen auch nicht, deshalb bin ich hier.«

Lois wäre lieber geflogen. Sie denkt an den Film Five Came Back, den sie mit neun Jahren gesehen hatte, als sie mit ihrer Mutter ins Kino gegangen war. Ein chromblitzendes Flugzeug stürzt ab, die Passagiere kommen in der feuchten, brodelnden Finsternis des Dschungels zu sich, ihr Standort ist unbestimmbar. Wie sehr sich Lois selbst in jenem jungen Alter nach einer solchen Flucht gesehnt hatte, so brutal sie auch vonstattenging. Die Augen zu öffnen und eine andere Welt vorzufinden.

»Also dann«, sagt Mary Elizabeth, steht auf und drückt die Handflächen an ihr Kleid. »Ich bin so froh, vor der Ankunft jemanden kennengelernt zu haben. Dann sehen wir uns in einer Stunde?«

Lois lächelt und richtet den Blick auf ihre Zeitschrift, begierig, in der stickigen Luft des Abteils ihre Bluse wieder aufzuknöpfen. Doch dann dreht sich Mary Elizabeth in der geöffneten Tür noch einmal mit einem Rauschen ihres Rocks um.

»Es ist schön, gleich zu Anfang eine Freundin zu haben. Ein bisschen wie im Ferienlager, nicht wahr?«

Lois nickt, und Mary Elizabeth lächelt verschwörerisch, als teilten sie ein Geheimnis, bevor sie die Tür zuschiebt. Lois spürt ein aufgeregtes Kribbeln. Sie hatte noch nie eine enge Verbindung zu einem Mädchen oder einer Frau, abgesehen von ihrer Haushälterin Ela und ihrer Mutter, deren Liebe aber nur in kurzen, hellen Flammen aufflackerte. Als Kind war Lois zu oft allein, dachte sich Geschichten und Freunde aus, zum Beispiel eine große Bulldogge namens Lacey, mit der sie jeden Vormittag Tee trank. Ihre Mutter brauchte viel Zeit für sich selbst. Ihre gemeinsamen Ausflüge beschränkten sich auf die Momente, in denen sie Lois von der Schule befreite, damit jemand sie nachmittags ins Kino begleitete. Sie entfernte Lois dadurch noch mehr von ihren Klassenkameradinnen, die feine Antennen für jegliche Andersartigkeit besaßen. Zweifellos ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch Mary Elizabeth diese Seltsamkeit an ihr wittert; sie wird andere Freundinnen finden, und Lois wird wieder einmal allein zurückbleiben.

Vielleicht ist es besser so, sagt sie sich. Daran ist sie gewöhnt. Als sie ihrem Vater erzählte, dass sie für sechs Wochen nach Reno fahren würde, um...
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Rowan Beairds Texte sind in verschiedenen US-amerikanischen Medien wie The Kenyon Review, The Southern Review und The Common erschienen. Für ihre Arbeiten wurde sie mit dem Ploughshares Emerging Writer Award ausgezeichnet und für den Pushcart Prize nominiert. Außerdem erhielt sie Stipendien von der Bread Loaf Writers' Conference und von StoryStudio. Zurzeit arbeitet sie am School of the Art Institute of Chicago, der Stadt, in der sie mit ihrer Familie auch lebt. Der Club der geschiedenen Frauen ist ihr erster Roman.