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Der Schwur des Maorimädchens

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am07.04.20121. Aufl. 2012
Auckland 1920. Vivian ist nicht freiwillig nach Neuseeland gereist. Es war der letzte Wille ihrer Mutter, dass sie bis zur Volljährigkeit bei ihrem Vater lebt. Einem Mann, der sich nach ihrer Geburt aus dem Staub gemacht hat und der sie nun nicht gerade herzlich empfängt. Deswegen kommt es Vivian gelegen, dass sein Adoptivsohn Frederik sie auf eine Reise in die Bay of Islands mitnimmt. Er soll einen Artikel über einen alten Maori schreiben, dessen merkwürdiges Gebaren für einiges Aufsehen sorgt. Warum wehrt er sich so verbittert gegen das Denkmal zu Ehren jenes Missionars, der sich um die Maori so verdient gemacht hat? Während Vivian immer tiefer in die Geschichte des alten Mannes eintaucht, erkennt sie, dass diese eng mit ihrem eigenen Schicksal verknüpft ist -mehr

Produkt

KlappentextAuckland 1920. Vivian ist nicht freiwillig nach Neuseeland gereist. Es war der letzte Wille ihrer Mutter, dass sie bis zur Volljährigkeit bei ihrem Vater lebt. Einem Mann, der sich nach ihrer Geburt aus dem Staub gemacht hat und der sie nun nicht gerade herzlich empfängt. Deswegen kommt es Vivian gelegen, dass sein Adoptivsohn Frederik sie auf eine Reise in die Bay of Islands mitnimmt. Er soll einen Artikel über einen alten Maori schreiben, dessen merkwürdiges Gebaren für einiges Aufsehen sorgt. Warum wehrt er sich so verbittert gegen das Denkmal zu Ehren jenes Missionars, der sich um die Maori so verdient gemacht hat? Während Vivian immer tiefer in die Geschichte des alten Mannes eintaucht, erkennt sie, dass diese eng mit ihrem eigenen Schicksal verknüpft ist -
Details
Weitere ISBN/GTIN9783838715322
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum07.04.2012
Auflage1. Aufl. 2012
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2187344
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
PROLOG

Der Missionar beschleunigte seinen Schritt. Wenn er das Boot nach Paihia noch rechtzeitig erreichen wollte, musste er sich beeilen. Er schnaufte ein wenig, als er den Bergkamm überquerte, um die Abkürzung am Fluss entlang zu nehmen. Wie immer im Frühjahr hatte sich das ruhige Gewässer in einen reißenden Strom verwandelt. Er mochte die Wildheit der Natur. Das war einer der Gründe, warum er trotz der immerwährenden Sehnsucht seiner Frau nach den sanften, lieblichen Feldern der alten Heimat nicht zur Rückkehr zu bewegen war. Nein, am anderen Ende der Welt empfand er jene grenzenlose Freiheit, die ihm in England nicht vergönnt gewesen war. Einmal abgesehen davon, dass er hier eine überaus befriedigende Aufgabe zu erfüllen hatte. Was konnte schöner sein, als in die feierlich glänzenden dunklen Augen der Einheimischen zu blicken, wenn er sie taufte? Und er durfte nicht ohne Stolz von sich behaupten, dass er schon viele von ihnen zum christlichen Glauben bekehrt hatte. Ein markerschütternder Schrei riss ihn aus seinen Gedanken. Erschrocken blieb er stehen und blickte sich nach allen Seiten um. Als er sah, was dort ein paar Schritte vor ihm am Flussufer vor sich ging, durchfuhr ihn ein eiskalter Schauer.

Mit Musketen bewaffnete Maori trieben einen Jungen vor sich her und zwangen ihn, ins Wasser zu gehen. Der Reverend kämpfte mit sich. Sollte er sich bemerkbar machen und das Unglück verhindern? Das konnte gefährlich werden, denn er erkannte auf einen Blick, dass die Männer Fremde waren. Noch nie zuvor hatte er diese Art von Tattoos gesehen, die jene Maori wie einen edlen Schmuck und voller Stolz im Gesicht trugen. Gewöhnlich fürchtete er die Begegnung mit fremden Stämmen nicht, aber diese Männer machten keinen freundlichen Eindruck. Im Gegenteil, immer wenn der Junge sich umdrehte und um sein Leben schrie, schnitten sie Furcht erregende Grimassen, die fatal an jene erinnerten, die Maori-Krieger beim Haka zogen.

Der Junge stand bereits bis zu den Knien im kalten Wasser. Ein paar Schritte noch, und er würde vom Strom mitgerissen werden und jämmerlich ertrinken. Das konnte der Reverend trotz der Furcht vor diesen Männern nicht mit seinem Gewissen vereinbaren.

»Lasst den Jungen los!«, brüllte er so forsch wie möglich. Etwa ein Dutzend Gesichter drehte sich auf einmal zu ihm um. Der Häuptling in seinem schmückenden Federmantel gab seinen Leuten ein Zeichen zu schweigen. Dann trat er einen Schritt vor und schrie etwas zurück, was der Missionar nicht sofort verstand. Das bewies ihm endgültig, dass diese Maori Fremde waren, denn die Sprache der örtlichen Stämme war ihm inzwischen vertraut. Gut sogar, denn er unterrichtete schließlich in der Missionarsschule ihre Kinder. Überdies sprachen die meisten von ihnen inzwischen eine Art Maori-Englisch, sodass sie sich problemlos mit den Pakeha verständigen und vor allem Handel mit ihnen treiben konnten.

Wenngleich dem Reverend nicht wohl war, trat er scheinbar unerschrocken auf den Häuptling zu. Nun versuchte er, ihn auf dem in der Bay of Island üblichen Kauderwelsch anzusprechen.

»Woher kommt ihr?«

Der Häuptling zögerte, doch dann erwiderte er schroff: »Wir sind hier, um die Ahnen zu rächen.«

»Das ist nicht wahr!«, rief der Junge, der zitternd im kalten Wasser stand.

Er spricht gutes Englisch, stellte der Reverend erstaunt fest. Und er erkannte an dessen Kleidung, dass er offenbar der Sohn eines Häuptlings war. Sein Mantel war aus prächtigen Emufedern gefertigt. Der Junge hatte ihn nach oben gezogen, damit sich die Federn nicht voller Wasser saugten.

»Geh deines Weges!«, befahl der Häuptling und funkelte den Reverend aus seinen glühenden Augen an.

»Ich bewege mich nicht von der Stelle, bevor ich nicht weiß, was hier geschieht«, erwiderte er entschieden.

»Sie haben das Dorf meiner Eltern niedergebrannt und alle umgebracht!«, brüllte der Junge verzweifelt.

»Sein Vater und seine Männer haben einst unser Dorf überfallen und sich die schönsten Mädchen genommen. Und nun haben wir sie endlich aufgespürt, und das war die Strafe, doch unsere Ahnen werden erst Ruhe geben, wenn der Sohn des Häuptlings vom Fluss Kerikeri verschluckt wird.«

Ein lautes Aufheulen - ähnlich dem eines verletzten Tieres - ließ dem Reverend das Blut in den Adern gefrieren. Es kam nicht von dem Jungen, wie er irritiert feststellen musste.

»Was ist das?«, fragte er.

In diesem Augenblick trat hinter einem der Maori ein Mädchen hervor. Sie besaß große braune Augen, aus denen die nackte Angst sprach. Ihr Haar war lang, glatt und dunkel glänzend. Der Reverend schätzte sie auf acht oder neun Jahre, und er hatte noch niemals zuvor ein so hübsches Kind gesehen.

»Und was habt ihr mit dem Mädchen vor?«, wollte er wissen, ohne den Blick von der kleinen Schönheit zu wenden, doch da wurde sie bereits von einem der Männer an der Hand gepackt und hinter die Gruppe zurückgestoßen, sodass er sie nicht mehr sehen konnte.

»Wir werden sie mitnehmen und später mit einem der Unseren verheiraten. Wir haben zu wenig Frauen, seit sie uns überfallen haben«, erklärte der Häuptling ungerührt.

»Aber was können wir dafür? Du hast unsere Eltern getötet. Du gehörst in den Fluss!«, schrie nun der vor Kälte am ganzen Körper bebende Junge voller Wut.

»To wahe hakirara!«, brüllte der Häuptling zurück und machte seinen Männern ein Zeichen, den Jungen zu packen. Er hatte ihn soeben als Lügenmaul bezeichnet, und der gekränkte Maori schien nun kurzen Prozess mit dem verfeindeten Häuptlingssohn machen zu wollen.

Der Reverend atmete ein paarmal tief durch. Was sollte er nur tun? Gegen ein Dutzend zu allem entschlossener Krieger konnte er nichts ausrichten. Und mit Worten war der Häuptling offenbar nicht zu besänftigen. Oder doch? Der Reverend musste es versuchen.

»Gib ihn mir!«, verlangte er in scharfem Ton.

Der Häuptling wandte sich an seine Männer und übersetzte ihnen, was der Pakeha gerade von sich gegeben hatte. Ein lautes Lachen war die Antwort. Nein, mit frommen Worten oder gar einem Appell an die christliche Nächstenliebe kam der Reverend hier nicht weiter.

Er überlegte fieberhaft, womit er die Krieger sonst locken konnte. Da fiel ihm das Geld ein, das er sich soeben in der Missionsstation von Kerikeri hatte auszahlen lassen. Es war für die Bestellung neuer Bibeln aus London gedacht gewesen. Die müssen warten, sagte sich der Reverend. Er räusperte sich, bevor er dem kämpferischen Krieger ein Geschäft vorschlug.

Der Häuptling stutzte, dann brach er in lautes Gelächter aus, sodass dabei seine weißen Zähne hervorblitzten.

»Aber womit willst du handeln? Hast du Musketen?«

Der Reverend warf einen abschätzigen Blick auf die Reihe der Krieger, die bis unter die Haarspitzen bewaffnet waren.

»Wie ich sehe, habt ihr bereits ausreichende Waffengeschäfte getätigt.«

Der Häuptling lachte immer noch und bemerkte spöttisch: »In Kororareka bekommst du alles, was dein Herz begehrt.«

Der Reverend runzelte die Stirn. Ja, das Höllenloch des Pazifiks, wie dieser gottlose Ort inzwischen genannt wurde, war ihm seit Langem ein Dorn im Auge. Dort herrschte Gesetzlosigkeit. Hoffentlich hat der Häuptling bei seinem Aufenthalt in dem verfluchten Hafennest nicht mitbekommen, wie ehemals stolze Maori-Mädchen nachts zu den Schiffen rudern, um sich an die Seefahrer zu verkaufen, ging es dem Reverend durch den Kopf. Er war davon überzeugt, dass das den Zorn des fremden Häuptlings sicher noch verstärkt hätte, denn die Waffen nahmen sie gern, aber konnten sie auch mit den Schattenseiten der Käuflichkeit umgehen?

Die Männer hatten den Jungen mittlerweile von allen Seiten umzingelt, bereit, ihn in den Fluss zu werfen, falls er nicht freiwillig ging.

Wenn der Reverend ihn retten wollte, musste er endlich handeln, statt sich weiter tatenlos den Kopf zu zerbrechen. Vorsichtig zog er seine Börse aus der Umhängetasche und holte das Geld hervor. Und selbst wenn diese Kerle es in neue Musketen umsetzen würden, er musste es tun. Er konnte nicht zusehen, dass sie diesen Jungen wie eine Katze ersäuften.

Zögernd reichte er dem Häuptling das ganze Geld für die neuen Bibeln. Es war nicht gerade wenig.

»Gebt mir den Jungen, und es gehört euch«, erklärte er und versuchte kühl zu klingen. Wohl war ihm nicht, denn wie konnte er wissen, wie dieser Häuptling zu den Pakeha stand? Die Vertreter der örtlichen Stämme konnte der Reverend inzwischen einschätzen, aber dieser Stammesanführer, der offensichtlich aus dem Süden gekommen war, nur um sich an dem Stamm des Jungen zu rächen - wer weiß, wozu der imstande war? Was, wenn sie sich mein Geld nehmen und mich gleich mit ertränken?, schoss es dem Reverend durch den Kopf. Dann ist es Gottes Wille, versuchte er sich einzureden. Überzeugt davon war er allerdings nicht so recht, denn er hing an seinem Leben. Allein aus Liebe zu seiner Frau durfte er nicht im Kerikeri verschwinden. Ihm wurde ganz warm ums Herz bei dem Gedanken an sie. Er liebte sie mehr als sein Leben. Nein, das konnte er ihr nicht antun. Und er durfte sie auch nicht mit ihrem gemeinsamen Sohn allein zurücklassen. Sie war dem Bengel nicht gewachsen. Er war ein wilder Bursche, und wer konnte schon wissen, wo er endete, wenn ihm die väterliche Strenge fehlte? Wenn er nur daran dachte, dass der Kerl trotz all der Schläge immer wieder nach Kororareka durchbrannte, nur um sich mit dem Abschaum herumzutreiben. Dabei war der Bengel erst vierzehn. Sein eigenes Aufseufzen riss den Reverend aus seinen trüben Gedanken. Er straffte die Schultern. Handeln musste er, nicht grübeln.

»Nun entscheide dich! Ich habe nicht ewig Zeit. Willst du...
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