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Der Mann mit den schönen Füßen

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am18.07.20141. Aufl. 2014
Aulis Rävänder ist ein erfolgreicher Unternehmer, er hat volle Auftragsbücher, eine schöne Wohnung in einem teuren Stadtteil Helsinkis und ? nicht zuletzt - eine attraktive Frau und zwei Kinder. Alles steht zum Besten, bis ihm seine Frau eines Tages eröffnet, dass sie einen anderen Mann kennengelernt hat und die Scheidung will. Fassungs- und ratlos zieht sich Rävänder auf eine Insel zurück. Einsam wie er ist, ruft er bei der Telefonseelsorge an, verwählt sich, aber landet stattdessen bei der resoluten Geschäftsfrau Irene Oinonen. Und damit kommt sein Leben erst so richtig in Schwung -



Der neue Roman vom finnischen Meister des skurrilen Humors. Pures Lesevergnügen!
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Produkt

KlappentextAulis Rävänder ist ein erfolgreicher Unternehmer, er hat volle Auftragsbücher, eine schöne Wohnung in einem teuren Stadtteil Helsinkis und ? nicht zuletzt - eine attraktive Frau und zwei Kinder. Alles steht zum Besten, bis ihm seine Frau eines Tages eröffnet, dass sie einen anderen Mann kennengelernt hat und die Scheidung will. Fassungs- und ratlos zieht sich Rävänder auf eine Insel zurück. Einsam wie er ist, ruft er bei der Telefonseelsorge an, verwählt sich, aber landet stattdessen bei der resoluten Geschäftsfrau Irene Oinonen. Und damit kommt sein Leben erst so richtig in Schwung -



Der neue Roman vom finnischen Meister des skurrilen Humors. Pures Lesevergnügen!
Details
Weitere ISBN/GTIN9783838753232
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum18.07.2014
Auflage1. Aufl. 2014
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2189303
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2

Rävänder fuhr heim nach Kaivopuisto in die Laivanvarustajankatu, die Schiffsreederstraße, zu dem großen gelben Haus, gebaut nach der Jahrhundertwende. Ein schönes Haus! Eine gute Adresse! Rävänder residierte in der fünften, der obersten Etage, wo er eine Wohnung mit fünf Zimmern, Bad und Küche besaß. Obwohl er kein sehr bedeutender Reeder war, wohnte er dennoch zufälligerweise in der Schiffsreederstraße in Helsinki, und nicht in einer kleinen Gasse in Mariehamn, so wie gewisse Reeder-Kollegen von den Åland-Inseln. Rävänder hatte es weit gebracht, er war ein glücklicher Mann mittleren Alters, ein wirklich tüchtiger Kerl.

Nicht immer war sein Leben in so geordneten Bahnen verlaufen. In den Fünfzigerjahren hatte Aulis, genannt Allu, zusammen mit seinen Kumpels die Straßen und Gassen im Stadtzentrum unsicher gemacht, hatte sich herumgetrieben und gerauft, was das Zeug hielt, in spitzen Stiefeln, Lederjacke und mit Pomade im Haar. Dann hatte er zwei Jahre die Handelsschule besucht, hatte herumgesoffen und das Studium abgebrochen. Aber als sein Vater 1961 an Herzinsuffizienz gestorben und ihm bald darauf auch die Mutter gefolgt war, aus Kummer vermutlich, hatte Rävänder sein Lotterleben beendet und sich am Riemen gerissen. Die Eltern hatten ihm zum Glück eine Zweizimmerwohnung im Stadtteil Katajanokka hinterlassen, passenderweise komplett abbezahlt, und als Rävänder sie zunächst vermietet und später verkauft hatte, war er auf den Geschmack des Geldverdienens gekommen.

Zu jener Zeit strömten Leute vom Lande nach Helsinki, auf der Suche nach Arbeit. Sie kamen aus Ostbottnien, Savo, Kainuu und sogar aus Lappland, waren schüchtern und unglücklich, aber sehr fleißig. Die heranrückenden Menschenmassen füllten ganze Personenzüge. Eine wahre Völkerwanderung hatte eingesetzt, man nannte es Landflucht. Und wie Flüchtlinge verhielten sich diese Menschen auch. Sie fürchteten sich vor dem Verkehr und vor der Obrigkeit, nahmen jede Arbeit an, jede Unterkunft. Zahlten horrende Mieten und hockten in ihren Löchern wie stumme Ratten. Hatten sie mal Schnaps getrunken, zückten sie ihre Messer. So waren die Leute vom Lande damals in jenen Jahren. Die zähesten von ihnen sparten Geld, nahmen Kredite auf, wenn sie welche bekamen, und kauften sich eigene Wohnungen. Die Preise stiegen ins Unermessliche. Eine kleine Einzimmerwohnung im Stadtzentrum kostete nach Ablauf von zwei Jahren unter Umständen schon das Doppelte. Während dieser Zeit spekulierte Rävänder mit Wohnungen, machte ungeniert Geschäfte und gewann jedes Mal. Und es gewannen alle, die etwas besaßen, mit dem sie gewinnen konnten.

Helsinki war zu jener Zeit wie Aas, das hilflose Provinzler anzog. Nutznießer waren sowohl Rucksackfirmen und Gründer als auch Menschen vom Schlage Rävänders. Der Strom der Provinzler schien endlos, die Menge der Beute wuchs von Jahr zu Jahr. Als Rävänder etwa fünf Jahre lang mit Wohnungen spekuliert hatte, war er bereits so reich, dass er in der Lage war, die Hälfte einer Bugsier-Reederei zu kaufen, die einem gewissen Kosunen gehörte. Seine eigene Firma gründete er Ende des Jahrzehnts, zur selben Zeit, da Gleichaltrige ihre Zeit damit verbrachten, vor den Botschaften der Großmächte Fahnen zu verbrennen und lautstark Demokratie einzufordern.

Rävänders erster eigener Schlepper war die kleine Elsa gewesen, die er bald gegen die etwas größere Karhu eintauschte, und dann konnte er auch schon die Vulcanus erwerben. Heute besaß Rävänder eine hochpreisige Wohnung im feinen Stadtteil Kaivopuisto, einen vorzüglichen Schlepper am Kai vor dem Packhaus, ein Auto und dazu noch ein Haus auf den Schären vor Helsinki. All das hatten ihm die Leute vom Lande eingebracht. Aus dem finnischen Hinterwald waren Geld und Menschenmassen gekommen, und Rävänder hatte für die Vermehrung des Geldes gesorgt. Wer sollte sich da beklagen, und es beklagte sich ja auch niemand. Rävänder empfand nicht einmal Dankbarkeit gegenüber jenen Massen von Provinzlern, die ihm den Aufstieg zum Schiffsreeder ermöglicht hatten. Seit den Sechzigerjahren war von einem Umbruch in der Gesellschaft geredet worden, die Roten hatten Demonstrationen veranstaltet, Sprechchöre geschmettert und ihre Spruchbänder geschwenkt. Und was hatten sie erreicht? Nicht mal eine läppische Apotheke war verstaatlicht worden. Einige Gesundheitszentren behandelten die Patienten jetzt kostenlos, und den Arbeitslosen wurde Tagegeld gezahlt. Das war schon so ziemlich alles.

Anfang der Siebzigerjahre, als der Strom der Flüchtlinge weiter anhielt, beschloss Rävänder nachzuforschen, woher all diese Menschen eigentlich kamen. Er fuhr mit dem Auto eine Woche lang durch Finnland, besuchte Häme, Savo, Karjala, Kainuu und schließlich auch Lappland. Dort stieg er auf die höchste Erhebung des Pallastunturi, um sich die Landschaft anzusehen. Ödnis, so weit das Auge reichte. Rävänder wunderte sich, dass in dieser Einsamkeit überhaupt Menschen leben konnten. Schon allein die Mücken! Sie füllten in dicken Schwärmen die Luft, dass es einem den Atem benahm. Von der Ausdehnung des Landes und der Einsamkeit der Provinz konnte sich Rävänder auch andernorts überzeugen. Auf der Rückfahrt besuchte er in Loimaa einen Kuhstall. Die Kühe stanken schlimmer als die Trunkenbolde an Helsinkis Ufern. Rävänder wurde Zeuge, wie die Kühe gemolken wurden. Er fand den Anblick abstoßend. Es dauerte Wochen, ehe er wieder imstande war, Sahne zum Kaffee zu nehmen.

Nach dieser Reise verspürte Rävänder keine Lust mehr, aufs Land zu fahren. Ihm war klar, dass kein vernünftiger Mensch irgendwo im Kainuuer Hinterwald ausharrte, wenn er in der Hauptstadt noch irgendwie unterkommen konnte.

Rävänder genügten Helsinki und das Meer. Er war ein Hauptstädter und wollte es auch bleiben.

Rävänder betrat seine Wohnung, hängte die Jacke in die Garderobe und ging in die Küche. Die Räume waren leer, Tochter Piia war in der Schule und Gattin Liisa in der Stadt. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel, auf dem Liisa mitteilte, dass sie zum Mittag zurück sein würde. Im Kühlschrank und im Backofen wäre etwas zu essen, falls er Hunger hätte. Rävänder aß ein belegtes Brot, trank danach ein wenig Mineralwasser und ging anschließend unter die Dusche. Er wusste, dass er zu Hause nicht nach Öl und Meer riechen durfte. Das Heim war nicht der Maschinenraum des Schleppers, so viel stand fest.

Als Rävänder sich Rasierwasser aufs Kinn rieb, kam ihm unwillkürlich der Gedanke, dass in der Flasche wohl ein Geist wohnen musste. Und wenn nicht ein Geist, dann ein lebendiges Wesen. Seit Jahresbeginn hatte es nämlich mehrmals recht seltsame Vorkommnisse gegeben. Die Rasierwasserflasche, die Rävänder stets auf dem rechten oberen Bord des Badezimmerschrankes, ziemlich dicht an der Wand, abstellte, bewegte sich während seiner Abwesenheit. Manchmal war sie nur fünf Zentimeter von ihrem Platz weggerutscht, manchmal hatte sie aber auch größere Strecken zurückgelegt, sogar einen Sprung gemacht bis aufs unterste Bord. Rävänder versuchte sich die Situation vorzustellen, in der die Flasche gesprungen war. Wie sie nachts im dunklen Schrank bis an den Rand des Bords vorrutscht, eine Weile zögert und dann kühn entschlossen nach unten springt. Wie fand sie da an der Kante bloß Halt?

Außerdem war der Verschluss nachlässig zugeschraubt. Jemand hatte sich in den letzten Monaten an seiner Rasierwasserflasche zu schaffen gemacht, dessen war er sich ziemlich sicher.

Aber vielleicht war er ja auch paranoid. Möglicherweise hatte Liisa das Wasser benutzt, nachdem sie sich die Achseln - oder die Beine - rasiert hatte. Es war so typisch für Frauen, die Flasche nur lose zu verschließen. Auf diese Art und Weise verdunstete die teure Flüssigkeit, dachte Rävänder ein wenig ärgerlich. Er würde das seiner Frau einmal sagen müssen. Konnte sie sich nicht mit ihrem eigenen Kosmetikzeugs begnügen? Das stand schließlich meterweise im Bad herum, die Fächer quollen geradezu über von all den Flaschen und Tiegeln.

Als er ins Schlafzimmer ging, um sich umzuziehen, registrierte er fremde Gerüche. Im Allgemeinen roch es im Schlafzimmer nur nach seiner Frau, aber jetzt mischte sich da noch etwas anderes hinein. So ähnlich roch es im stickigen Salon des Herrenfriseurs oder spätnachts in den Ambulanzen der Krankenhäuser. Für Rävänder entstand der Eindruck, als wären Äther und Fußschweiß in einer Flasche miteinander vermischt und daraus dann einige Tropfen in seinem Schlafzimmer versprüht worden. Er öffnete das Fenster und lüftete gründlich.

Vielleicht habe ich einfach nur schwache Nerven. Auf dem Meer schärft sich der Geruchssinn unnötig, belehrte er sich selbst.

Liisa Rävänder, die Gattin des Reeders, saß im Café Ekberg auf dem Boulevard und trank Tee. Sie schlug die Zeit tot. Es war die typische Beschäftigung für eine Hausfrau, die nur ein einziges minderjähriges Kind zu betreuen hat, das außerdem gerade in der Schule ist. Die Zeit totzuschlagen ist keine wirklich blutige Tat, sodass man sie durchaus am helllichten Tag und in einem vornehmen Café verüben kann. Obwohl alle ringsum sehen, was im Gange ist, greift niemand ein, denn die Zeit totzuschlagen ist nicht gesetzeswidrig. Es ist das einzige Tötungsdelikt, von dem Amnesty International kein Aufhebens macht.

Liisa Rävänder sah sich lustlos um. Am Nachbartisch tratschten zwei junge Frauen miteinander. Oder vielmehr unterhielten sie sich über die Grundfragen des Lebens, und in ihrem Falle waren das der morgendliche Transport der Kinder in die Kita, dann ein langer und langweiliger Arbeitstag im Büro und abends das schreckliche Kochen und der Hausputz. Die beiden waren berufstätig und warfen ab und zu verächtliche Blicke in...

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