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Die Fassadendiebe

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
464 Seiten
Deutsch
Berlin Verlagerschienen am01.09.20171. Auflage
Auch weil um ihn herum alles zu bröckeln beginnt - seine Familie, genau wie seine Stadt - hilft der dreizehnjährige Griffin seinem Vater bei dessen Mission als »Gebäuderetter«. Der schmale, wendige Junge bekommt die Aufgabe, möglichst viele steinerne Art-Deco-Skulpturen und Wasserspeier zu stehlen, ganz gleich ob von der Fassade eines unbekannten Mietshauses oder eines berühmten Wolkenkratzers. Denn - so der Vater - diese Zeugen Manhattans sind in Zeiten der »Sanierung« vom Aussterben bedroht. Auf ihren Touren kann Griffin dem Vater nah sein, und gleichzeitig das dringend benötigte Geld für die Hypothekenraten verdienen, damit er, seine Mutter und seine Schwester nicht aus ihrem Haus geworfen werden. Doch der Spleen seines Vaters wird zur Obsession; Griffins Freundschaften, seine erste Liebe drohen zu zerbrechen. Als er bei einem der nächtlichen Raubzüge in Lebensgefahr gerät, beginnt Griffin zu verstehen, dass man nicht alles im Leben bewahren kann.

John Freeman Gill ist gebürtiger New Yorker. Er schreibt seit Jahren, auch als Spezialist für Architektur und Architekturgeschichte für Zeitungen und Zeitschriften, darunter die New York Times, The Atlantic, The New York Times Magazine, The New York Observer, International Herald Tribune, Premiere, Avenue und The New York Times Book Review. Der in Yale promovierte Autor lebt mit Frau, drei Kindern und einer Handvoll Wasserspeier in New York. 'Die Fassadendiebe' ist sein erster Roman.
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Produkt

KlappentextAuch weil um ihn herum alles zu bröckeln beginnt - seine Familie, genau wie seine Stadt - hilft der dreizehnjährige Griffin seinem Vater bei dessen Mission als »Gebäuderetter«. Der schmale, wendige Junge bekommt die Aufgabe, möglichst viele steinerne Art-Deco-Skulpturen und Wasserspeier zu stehlen, ganz gleich ob von der Fassade eines unbekannten Mietshauses oder eines berühmten Wolkenkratzers. Denn - so der Vater - diese Zeugen Manhattans sind in Zeiten der »Sanierung« vom Aussterben bedroht. Auf ihren Touren kann Griffin dem Vater nah sein, und gleichzeitig das dringend benötigte Geld für die Hypothekenraten verdienen, damit er, seine Mutter und seine Schwester nicht aus ihrem Haus geworfen werden. Doch der Spleen seines Vaters wird zur Obsession; Griffins Freundschaften, seine erste Liebe drohen zu zerbrechen. Als er bei einem der nächtlichen Raubzüge in Lebensgefahr gerät, beginnt Griffin zu verstehen, dass man nicht alles im Leben bewahren kann.

John Freeman Gill ist gebürtiger New Yorker. Er schreibt seit Jahren, auch als Spezialist für Architektur und Architekturgeschichte für Zeitungen und Zeitschriften, darunter die New York Times, The Atlantic, The New York Times Magazine, The New York Observer, International Herald Tribune, Premiere, Avenue und The New York Times Book Review. Der in Yale promovierte Autor lebt mit Frau, drei Kindern und einer Handvoll Wasserspeier in New York. 'Die Fassadendiebe' ist sein erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783827079497
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum01.09.2017
Auflage1. Auflage
Seiten464 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1611 Kbytes
Artikel-Nr.2367182
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
PROLOG
Gespenster von
New York

Warum bleiben wir? Was hält uns Volk von Exzentrikern namens New Yorker Jahrzehnt um Jahrzehnt hier, obwohl um uns herum so viel von der Stadt, die wir lieben, der Stadt, die uns in all unserer besserwisserischen, großtuerischen Überspanntheit geprägt hat, bis zur Unkenntlichkeit zerstört wird?

Da sind wir nun an so viel Chaos, so viel tägliche exotische Ablenkung gewöhnt, und doch erstaunt und schmerzt es uns jedes Mal aufs Neue, wenn eine Wunde in die Straßenlandschaft geschlagen wird. Das Gekreisch der vorbeirasenden Krankenwagen oder den Mann im Tintenfischkostüm, der alle seine Arme durchs Subway-Drehkreuz zu zwängen versucht, nehmen wir kaum noch wahr, aber lass sie das Howard Johnson´s am Times Square, das Cedar Tavern oder Rizzoli abreißen, lass sie H&H Bagels, CBGB oder das Ziegfeld verrammeln, und wir zucken zusammen, als würde uns selbst eine Gliedmaße abgetrennt.

»Überall diese verdammten Gespenster, Block für Block«, sagte meine große Schwester Quigley letztes Jahr zu mir, als sie es endgültig satthatte und beschloss, der Stadt für immer den Rücken zu kehren. »Ich habe keine Lust mehr, in New York ständig Heimweh nach New York zu haben.«

Und warum bin ich, dessen Gespenster mindestens so aufsässig sind wie ihre, dann immer noch da? Warum ist diese aberwitzige, sich selbst verschlingende, herzzerreißende Stadt der einzige Ort, an dem ich das Gefühl habe, ich zu sein?

Und Sie? Wenn Sie schon lange genug in New York leben, um sich über ein funkelnagelneues Apartmenthaus aufzuregen, das mit Ihrem Lieblingsrestaurant oder -deli oder -buchladen Godzilla gegen Bambi gespielt hat, dann ist dies auch Ihre Stadt, mit Ihren höchstpersönlichen, maßgeschneiderten Gespenstern.

Was mich und meine Geister betrifft, spielten sich die Dinge, von denen ich erzählen muss, größtenteils in den 1970er Jahren ab. Aber schon Ende 1965, kurz bevor ich fünf wurde, bekam ich zum ersten Mal zu spüren, was es bedeutet, eine Stadt zu lieben, die diese Liebe nie so richtig erwidert.

Dabei waren wir bei der Gelegenheit gar nicht in New York City. Wir saßen vor Morgengrauen in unserem VW Käfer und machten eine Fahrt ins Blaue, deren Ziel mein Vater uns partout nicht verraten wollte. Ich wachte von der scharfen Linkskurve beim Schlachthaus auf, durch deren Schwung mein Kopf sich noch tiefer in die geriffelte Wärme seiner Cord-Achselhöhle grub. Vor dem Fenster unseres kleinen Autos, in einer Insel aus gelbem Licht, in dem alle Dinge Verstecken spielten, spritzten Männer in blutverschmierten Kitteln das Straßenpflaster ab, und Dampfwolken stiegen in die Nacht auf. An einer breiten Mauer, über die unsere Scheinwerfer hinwegglitten, das verblasste Bild eines grinsenden Cartoonschweins mit Sprechblase: »Schwein gefällig? Schwein gehabt!«

Wir fuhren ein paar Minuten weiter durch die immer noch eher dunkle als helle Welt. Ich hörte Mom und Quigley hinten todmüde miteinander murmeln. An einer verzauberten Stelle, die für mich haargenau so aussah wie der Rest des Highways, fuhr Dad entschlossen an den Rand und parkte auf morastig weichem Grund. Drei oder vier weitere Wagen folgten seinem Beispiel, doch Dad rannte zu Fuß los, ohne die anderen zu rufen oder auf sie zu warten. Er brachte die Leute lieber dazu, mit ihm Schritt zu halten.

Die Sumpfgräser waren exakt so hoch, dass sie mir beim Gehen andauernd ins Gesicht peitschten, und wie der feuchte Boden an meinen Keds saugte, behagte mir auch nicht besonders. Also nahm Dad mich auf den Arm und ließ mich an seiner Schulter dösen, wo ich zufrieden auf die Muskelerhebung unter seinem Hemd sabberte. Ich war ein Teil von ihm, mein ganzer schlaffer Körper hob und senkte sich mit seinen Atemzügen. Als ich die Augen wieder aufmachte, hatte sich die Dunkelheit gelichtet und wir gingen durch eine Schattenlandschaft, die mit gigantischen länglichen Formen übersät war. Wo ich hinsah, ragten sie in die Höhe, kreuz und quer übereinander wie riesige Mikadostäbe. Der Boden knirschte unter Dads Füßen, als er sich vorsichtig einen Weg über das trügerische Gelände bahnte, seine breite Hand flach auf meinem Rücken. Es roch verbrannt.

Vom Rand des Sumpflands her sickerte das Tageslicht jetzt sekündlich schneller in den Himmel, bis die kolossalen schrägen Schatten sich als Ruinen imposanter klassizistischer Säulen entpuppten, umgestürzt, zerbrochen und in einem Reich der Trümmer sich selbst überlassen. Dad setzte mich ab. Wir standen mitten zwischen den Überresten irgendeiner prächtigen untergegangenen Zivilisation - selbst ich, der Kleinste von uns, konnte das begreifen. Und wir würden hier ein Picknick machen.

Dad stellte einen Bastkorb auf den Boden, und Mom holte ein rot-weiß kariertes Tischtuch heraus und breitete es auf dem kegelförmigen Bruchstück einer Säule aus, das kaum höher war als unser runder Küchentisch in der Stadt. Ihre Freunde, der Rest unserer erweiterten Sippe, kamen jetzt nach und nach durch das majestätische Trümmerfeld gekraxelt und schauten sich mit breitem, dümmlichem Lächeln um.

Und es gab eine Menge zu sehen, zerbröckelte Ziegel, verbogene Eisengeländer, enorme, aus rosa-weißem Stein gemeißelte Blatt- und Schnörkelfragmente. Hier und da schwelte es, und Rauchfäden kräuselten sich himmelwärts. Aus einem Schutthaufen, nicht weit von Moms behelfsmäßigem Picknicktisch entfernt, stak diagonal ein weißer, kompliziert geäderter steinerner Frauenarm heraus, dessen Mittel- und Ringfinger am zweiten Gelenk abgebrochen waren.

Es war eine tolle Party. Quig und einige der anderen größeren Kinder rannten durch die Gegend und hüpften von Säule zu Säule, die Arme ausgebreitet, um das Gleichgewicht zu halten. Ein schlaksiger, bärtiger Mann zupfte mit Silberkrallen an einer Gitarre herum. Mom, dunkeläugig, in einem kurzen weißen T-Shirt-Kleid mit gelbem Schal als Gürtel, verteilte grinsend ein Sammelsurium von Trinkgefäßen - ein paar alte Mets-Becher aus dem Polo-Grounds-Stadion und jede Menge dieser kleinen Senfgläser ihrer Lieblingsmarke. Aber im Mittelpunkt stand Dad, unverkennbar der Kopf der Expedition, schenkte Rotwein aus, schnitt große Stücke Chorizo ab und warf den Leuten erstaunlich süße Feigen zu, die er in Little Italy aufgetrieben hatte.

Sein kleiner Sohn zu sein war was ganz Besonderes. Ich war zwar mit Abstand der Jüngste hier, dafür aber das Prinzchen, das direkt neben ihm saß, sich in seinem Glanz sonnte und ihm half, mit so einem Korkenzieher, der Hampelmann machte, die Weinflaschen zu öffnen. Alle schauten auf uns und wetteiferten um seine Aufmerksamkeit. Mir wuschelten sie durchs Haar.

Irgendetwas Wichtiges, ein Schmortopf oder eine Kühlbox, war in einem der Autos vergessen worden. Mom erklärte sich bereit, es zu holen. Der Mann mit den Silberkrallen legte seine Gitarre beiseite, um sie zu begleiten. Ein Frisbee flog hin und her.

Die Erwachsenen hatten eine Menge Gesprächsstoff. Sie wanderten zu zweit oder zu dritt zwischen den Ruinen umher, stießen mit der Fußspitze halb vergrabene Gegenstände an und taten ihre Meinung dazu kund. Dad war der Einzige, der schon einmal hier gewesen war. Er führte mich und ein Ehepaar mit identisch gelockten Haaren einen von LKW-Spuren gefurchten Weg entlang, links, rechts, links, bis er gefunden hatte, was er suchte: das größte Zifferblatt, das ich je gesehen hatte. Es steckte schräg in einem Schutthaufen wie eine fliegende Untertasse nach der Bruchlandung, eine große weiße Scheibe mit eleganten Buchstaben aus schwarzem Metall anstelle der Zahlen: vor allem I, aber auch das eine oder andere V und X war dazwischen. Zeiger gab es nicht.

Dad kletterte den Schutthügel bis zu der Uhr hinauf und zog eine Gripzange aus der Gesäßtasche, deren glänzende Zähne mich immer an ein grinsendes Alligatormaul denken ließen. Mit Hilfe einer kleinen Schraube an einem der Griffe stellte er den Abstand zwischen den Zähnen richtig ein und packte damit ein I: das einzige, das ganz für sich stand.

»Versuch doch mal, es abzuzwacken, damit wir es deiner Mutter schenken können«, sagte er zu mir. »Wenn ich ein Loch oben reinbohre, kann sie es an einer Kette tragen.« Mom hieß Ivy.

An einer Seite des Schutthaufens, halb unter anderem Zeug begraben, war so etwas wie ein steinerner Adlerflügel. Diese schiefe Ebene benutzte ich als Rampe, um auf die Uhr zu klettern, die ungefähr doppelt so groß war wie ich. Zwei schwarze Metallringe umrandeten das Zifferblatt, einer innerhalb des anderen, wie die kreisförmige Strecke einer Spielzeugeisenbahn. Zwischen diesen Ringen steckten die Buchstaben. Sie waren kalt und ein bisschen scharf, aber ziemlich gute Haltegriffe, also kletterte ich vorsichtig an der Rundung der Uhr entlang bis zu dem I, das in Dads Gripzange klemmte. Von nahem konnte ich sehen, dass es oben und unten an den Metallringen befestigt gewesen war, bis jemand - bestimmt Dad bei seinem ersten Besuch - sie am oberen Ende losgesägt hatte. Man brauchte es nur noch mit der Gripzange hin und her zu bewegen, bis der Buchstabe unten abbrach.

Ich hielt das Werkzeug mit beiden Händen fest und drehte es abwechselnd nach links und rechts, links und rechts, während Dad dem gelockten Ehepaar erklärte, wie schwierig es gewesen war, diese Schutthalde auf der anderen Hudsonseite zu finden - das in Jersey ansässige Abbruchunternehmen der Bahn, »Lipsetts Leute« nannte er sie, halte den Standort aus Sicherheitsgründen geheim oder so ähnlich. Allmählich taten...
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Autor

John Freeman Gill ist gebürtiger New Yorker. Er schreibt seit Jahren, auch als Spezialist für Architektur und Architekturgeschichte für Zeitungen und Zeitschriften, darunter die New York Times, The Atlantic, The New York Times Magazine, The New York Observer, International Herald Tribune, Premiere, Avenue und The New York Times Book Review. Der in Yale promovierte Autor lebt mit Frau, drei Kindern und einer Handvoll Wasserspeier in New York. »Die Fassadendiebe« ist sein erster Roman.