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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
160 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am18.08.20171. Auflage
Der erste Roman der französischen Autorin Julie Estève steht in der feministischen literarischen Tradition von Virginie Despentes und Elfriede Jelinek. Es ist ein aufmüpfiges Buch über Erotik, Sex und eine Frau, die in kein Schema passt. Lola zieht auf High Heels, in Minirock und Netzstrümpfen durch Paris. Sie sucht Sex - und findet ihn. Sex als Mittel zum Vergessen. Als Lola acht Jahre alt war, starb ihre Mutter bei einem Verkehrsunfall, Lola wurde aus einer idyllischen Kindheit gerissen und hat diesen Verlust nie überwunden. Sex als Mittel gegen den Schmerz. Sex aber auch als Kampfansage an die Doppelmoral der feinen Franzosen. Für Frauen wie Lola gibt es keinen Platz in der feinen französischen Gesellschaft, und dafür rächt sie sich. Ob Schuster, Geschäftsführer oder Kritiker, sie bekommt sie alle. Und sie erniedrigt sie alle, denn ihre Wut ist groß. Auch ihr Nachbar - Dove mit den bernsteinfarbenen Augen - will es mit ihr aufnehmen und bringt ihr ein Stück feiner selbstgemachter Schokolade. Der Duft steigt ihr in die Nase: Es ist der Beginn einer kriegerischen Freundschaft. Dove ist das Gegenteil von ihr, herzlich, häuslich, und er hat einen festen Lebensplan, in dem Lola eine Rolle spielen soll, die ihr fremder nicht sein könnte ... Julie Estève schreibt über weibliches Begehren, über Lust und ihre Nähe zum Hass. Über Eleganz, Charme und Verführung. Voller Ironie und tiefschwarzem Humor spielt sie gekonnt mit allen erdenklichen französischen Klischees. Ein fesselnder Debütroman, dessen Sog man sich nicht entziehen kann. Provokant, gewagt, zeitgenössisch.

Julie Estève wurde 1979 in Paris geboren, wo sie auch lebt. Sie studierte Jura und Kunstgeschichte, spezialisierte sich auf moderne Kunst und arbeitet für verschiedene Museen und Magazine. 'Lola' ist ihr erster Roman.
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Produkt

KlappentextDer erste Roman der französischen Autorin Julie Estève steht in der feministischen literarischen Tradition von Virginie Despentes und Elfriede Jelinek. Es ist ein aufmüpfiges Buch über Erotik, Sex und eine Frau, die in kein Schema passt. Lola zieht auf High Heels, in Minirock und Netzstrümpfen durch Paris. Sie sucht Sex - und findet ihn. Sex als Mittel zum Vergessen. Als Lola acht Jahre alt war, starb ihre Mutter bei einem Verkehrsunfall, Lola wurde aus einer idyllischen Kindheit gerissen und hat diesen Verlust nie überwunden. Sex als Mittel gegen den Schmerz. Sex aber auch als Kampfansage an die Doppelmoral der feinen Franzosen. Für Frauen wie Lola gibt es keinen Platz in der feinen französischen Gesellschaft, und dafür rächt sie sich. Ob Schuster, Geschäftsführer oder Kritiker, sie bekommt sie alle. Und sie erniedrigt sie alle, denn ihre Wut ist groß. Auch ihr Nachbar - Dove mit den bernsteinfarbenen Augen - will es mit ihr aufnehmen und bringt ihr ein Stück feiner selbstgemachter Schokolade. Der Duft steigt ihr in die Nase: Es ist der Beginn einer kriegerischen Freundschaft. Dove ist das Gegenteil von ihr, herzlich, häuslich, und er hat einen festen Lebensplan, in dem Lola eine Rolle spielen soll, die ihr fremder nicht sein könnte ... Julie Estève schreibt über weibliches Begehren, über Lust und ihre Nähe zum Hass. Über Eleganz, Charme und Verführung. Voller Ironie und tiefschwarzem Humor spielt sie gekonnt mit allen erdenklichen französischen Klischees. Ein fesselnder Debütroman, dessen Sog man sich nicht entziehen kann. Provokant, gewagt, zeitgenössisch.

Julie Estève wurde 1979 in Paris geboren, wo sie auch lebt. Sie studierte Jura und Kunstgeschichte, spezialisierte sich auf moderne Kunst und arbeitet für verschiedene Museen und Magazine. 'Lola' ist ihr erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644000551
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum18.08.2017
Auflage1. Auflage
Seiten160 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse909 Kbytes
Artikel-Nr.2375770
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Freitag

Ihr Rock liegt eng an den Schenkeln an. Er ist wie immer zu kurz. Der Stoff kräuselt sich. In der Regel kauft sie ihre Röcke eine Nummer zu klein. Sie hat eine Schwäche für knallige Farben. In ihrem Alter setzt man Neongelb noch mit der Sonne und Ferrarirot mit Granatapfelsaft gleich.

Sie verlässt das Haus, siegesgewiss lächelnd. Die langärmlige, kragenlose weiße Bluse ist bis zu dem Spalt zwischen den Brüsten aufgeknöpft. Die Bluse klebt an ihrer Haut. Die Absätze klackern, hämmern über den Asphalt. In Sachen Blickfang fährt sie das volle Programm. Sie hat eine ganze Farbpalette Lidschatten aufgetragen. Das Schwarz an den Augenrändern zieht Furchen ins Gesicht. Die Wangen haben eine weiche Butterfarbe. Auch ihre Lippen sind stark geschminkt, aber sie weiß gar nicht, was sie eigentlich vorhat, was sie mit dem Abend anfangen soll. Ihr Schritt passt sich ihrer bleiernen Unruhe an. In einer angestaubten Schaufensterscheibe nimmt sie ihr Spiegelbild wahr: Diese Tussi ist nicht mehr die Jüngste.

Lola geht die gepflasterte Rue des Artistes hinunter. Sie wohnt in einem mit vielen Teppichen ausgelegten Appartement im 14. Arrondissement, auf einem kleinen Hügel am Parc Montsouris. Eine bezaubernde Gegend, von außen betrachtet sehr ruhig. Schöne Fassaden, Bäume, mit Blumen bepflanzte Rondelle. Das Viertel ist als «Grünzone» ausgewiesen. Sie kommt an den Gärten von Issoire vorbei. Les Jardins d´Issoire, das ist der Name einer Kneipe. Er klingt wie das Paradies, doch drinnen sitzen nur runzelige, ziemlich rotgesichtige Gestalten, die wie Trockenobst vor sich hin schrumpeln. Sie winken, die Zunge im Mundwinkel. Durch die Scheibe wirken sie unscharf und fern. Sie nehmen die verdorbenen Weine und Weiber, wie sie kommen. Und wenn Lola auftaucht, werden ihre Blicke unruhig, das hat für sie fast etwas von Hollywood. Lola hält den Kopf gerade, grüßt.

Sie geht langsam weiter, ohne großes Ziel. Die Avenue René-Coty ist menschenleer. Hunde pissen an die Stämme der ineinander verschlungenen Kastanien. Ein Stück weiter ist die Gare Denfert-Rochereau, Lola spürt das schrille Geräusch der quietschenden Züge an den Zähnen. An einer Anschlagsäule entdeckt sie ein Plakat, das sie aufheitert. Ein mit Hut und Umhang ausstaffiertes Mäuschen hält den Daumen hoch und gerät beim Anblick einer sattgrünen Wiese, auf der im Hintergrund ein Riesenrad steht, tierisch aus dem Häuschen. In geschwungenem Rosa ist der Schriftzug La Fête des Loges zu lesen. Ein Rummel. Lola beschleunigt ihren Schritt. Sie hat ein Ziel gefunden. Sie liebt die fliegenden Bauten, die Berge von Plüschtieren, die nach Spucke und Frittieröl riechen, die durch die Luft wirbelnden Schaukeln und die Schreie und Grimassen der Fahrgäste. Sie liebt die Schönheit des Elends, den Zauber des Dreckigen. Auf dem Rummel kann sie den Leuten stehlen, was ihnen noch geblieben ist: das Vergessen.

 

Im Zug nach Saint-Germain-en-Laye setzt sie ein starres Lächeln auf. Bei Einbruch der Nacht steht sie vor dem Eingang zum Jahrmarkt und wirft ihr dunkles Haar zurück. Sie lässt sich durch eine bedrückende Menge von Wahnsinnigen treiben. Das Gewühl spornt sie an, sie stakst in ihren hochhackigen Pumps mittendrin dahin.

Ein rothaariger Junge mit großen Ohren und offenem Hemd rempelt sie an. Er ist vielleicht fünfzehn oder noch nicht mal. Seine Freiheitsgefühle spiegeln sich in einem beschränkten Lächeln wider, wahrscheinlich ist er zum ersten Mal besoffen. Wie ein Hampelmann aus Holz fuchtelt er mit den Armen in der Luft, hartnäckig bemüht, den Takt der Musik zu halten. Als er wegen einer ungeschickten Bewegung ins Straucheln kommt, klammert er sich an Lolas herabhängendem Arm fest, nähert sich bis auf wenige Zentimeter ihrem Gesicht und presst ein feuchtes, beiseitegesprochenes «´tschuldigung, Madame» hervor. «Dale a tu cuerpo alegría, Macarena», brabbelt er weiter den Schlagertext. Einige Speicheltröpfchen sind in der Mundgegend der übermäßig geschminkten Passantin gelandet, die rasch die Zunge ausfährt und den unschuldigen Auswurf ableckt, bevor er trocknet. Sich mit der einen Hand die Stirn haltend, mit der anderen den Bauch, verzieht sich der Knabe in eine dunkle Ecke, wo er ein Gemisch aus sauren Bonbons, süßen Churros, Bier und billigem Whisky auskotzt.

Lola schaut dem torkelnden Trunkenbold hinterher, wendet sich dann ab und kommt zu einem Schießstand, an dem ein Muskelprotz zwei Eiskugeln, Erdbeere und Schokolade, aus einer Tüte aus Pappe schleckt. Er wartet auf einen freien Karabiner, möchte wohl gern die Luftballone aufs Korn nehmen. Sie flattern in ihren Käfigen wie Insekten im Licht einer Laterne. Lola tritt näher, vorsichtig, denn ihre Absätze versinken in der aufgeweichten Erde. Ihr Gang hat etwas Anrüchiges. Sie schnüffelt an seinem Nacken, ohne dass er es merkt. Er schwitzt hemmungslos unter seinen Acrylfasern, das Hemd pappt am Oberkörper. Sie wiegt sich in den Hüften und lockt ihn mit einem «Na? Alles klar?».

Der Typ dreht sich zur Hälfte um und scannt die Fremde von oben bis unten ab. Männer können in erschreckend wenigen Sekunden einen persönlichen Kriterienkatalog durchchecken und abschätzen, ob eine Frau für sie was taugt oder nicht. Mit den Jahren achten manche nicht mehr so sehr darauf, wie drall die Brüste sind, wie zart die Haut oder wie rund der Arsch ist. Dieser kommt zu dem Schluss, Lola ist der Hammer.

«Siehst du den da?» Er zeigt mit dem Finger auf einen Plüschdelphin im Regal, den fettesten Plüschdelphin weit und breit. «So einen hab ich letztes Jahr geschossen, und dieses Jahr gibt´s einen Flachbildfernseher zu gewinnen, voll das Home Cinema. Den Fernseher muss ich haben, den muss ich echt haben!»

«Yeah! Ich heiß Lola, und wie heißt du?»

«Thierry!»

Er schlingt den Rest seines Eises mit einem Happs hinunter. Hochstimmung perlt von seinen Schläfen.

«Super. Fährst du nach deinem Triumph Geisterbahn mit mir, Tommy?»

«Ich heiße Thierry!», meint der Typ.

Lola lässt es gern krachen auf solchen Volksfesten. Oft schnappt sie sich dort ihre Beute. Und Thierry sieht wirklich köstlich aus, wie ein Rebhuhn royal mit Goldarmbändchen. Während er in die Hocke geht und sich wie ein hüpfender Frosch aufwärmt, zündet sich Lola eine Marlboro an. Sie betrachtet ihn mit dem nötigen Ernst und der nötigen Verzückung, die Absätze im Boden versunken. Die Zigarette im Mundwinkel, streicht sie dem Monsieur über die Schulter und knetet ihn ein wenig durch, als würde sie einen Boxweltmeister bearbeiten, der gleich in den Ring steigt.

«Na dann, leg mal los, Baby!», ermuntert sie ihn.

Thierry macht sich bereit, und mit einem Mal verwandelt er sich in Steve McQueen in Die glorreichen Sieben.

Der erste Luftballon: platzt. Der zweite: wird zerfetzt. Der dritte: fliegt in Stücke. Dem vierten, dem fünften und dem letzten ergeht es nicht anders. Thierry setzt das Gewehr ab, ballt die rechte Faust und reckt sie in den Himmel. «Yes! Wer ist hier der Beste? Na, wer wohl? Titi!»

Die erste Salve ist ruck, zuck verfeuert. Der Cowboy hat die Wahl, den Gewinn erneut einsetzen oder mit einem Donald-Schlüsselanhänger nach Hause gehen. Er macht natürlich weiter, nimmt die Luftballone unter Beschuss, knallt sie weg. Keine Kugel verfehlt ihr Ziel. Eine Menschentraube bildet sich um ihn. Alle bewundern Thierrys Heldentaten. Lola hat das große Los gezogen. Er ist der Star der Party, und er gehört ihr. Wer cool Gitarre spielen oder eben Luftballone über den Haufen schießen kann, erregt immer Aufmerksamkeit. Für ein paar Minuten ist Thierry ein begehrter Mann. Die große Attraktion. Die Augen der Familienmütter leuchten. Ihre Pupillen weiten sich. Sie glotzen gebannt. Auf den Leim gegangen. Die von Eifersucht gepackten Ehemänner versuchen, sie wegzuzerren.

«Ich hab Hunger, holen wir uns eine Crêpe?»

«Warte doch, ich schau hier gerade zu!»

In solch einem festlichen Rahmen kann Thierry gar nicht verlieren. Vielleicht spüren die weiblichen Fans in ihren Slips einen Kitzel der Wollust. Der Schausteller hat das Mikro in die Hand genommen und schreit hinein: «Achtung, jetzt gilt´s! Feuert den großen Meister an!»

In filmreifer Zeitlupe legt Thierry die Knarre an und zielt. Seine Haltung bringt das vordere Schulterblatt vorteilhaft zur Geltung. Peng, peng, peng, getroffen, er schließt für einen Moment die Augen, genießt seinen Sieg und das Geschrei der Frauen. Er hat - einen Flachbildfernseher gewonnen. GRUNDIG/19 Zoll steht in blutroten Lettern auf dem Pappkarton, den er an sich drückt. Achtundvierzig Zentimeter Glück. Die Menge hat sich schon aufgelöst, als er sich mit seinem Paket, mit dem er sich nun abschleppen darf, und einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen umdreht. Die Frauen haben wieder ihr sprödes Wesen angenommen, die Männer wenden sich ihren Nutella-Crêpes zu. Nur Lola ist noch da und klatscht aufopferungsvoll Beifall. Sie wittert ihre Beute und ruft «Bravo, Titi!».

«Jetzt musst du mit mir Geisterbahn fahren!», fügt sie hinzu.

 

In der Schlange klammert sie sich an den stählernen Bizeps ihres Champions. Gekreische und Gelächter dröhnen aus dem Spukschloss, wo Monster aus dem Fenster baumeln und allerlei Lichter blinken.

«Du gefällst mir, du bist ein richtiger Winner», sagt sie.

Thierrys Brust wölbt sich, er zeigt seine Muskeln, sagt kein Wort, zwinkert nur, ein Zwinkern, das einem fernen Jahrhundert zu entspringen scheint und so viel heißt wie: Dir werd ich´s besorgen.

«Zwei Karten, bitte.» Zehn Euro, er zahlt, ganz der Gentleman.

Die...
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Autor

Julie Estève wurde 1979 in Paris geboren, wo sie auch lebt. Sie studierte Jura und Kunstgeschichte, spezialisierte sich auf moderne Kunst und arbeitet für verschiedene Museen und Magazine. "Lola" ist ihr erster Roman.Christian Kolb wurde 1970 geboren und studierte französische Literatur und Filmwissenschaft in Berlin und Paris. Neben den Romanen von David Foenkinos übersetzte er u. a. auch Nicolas Fargues "Die Rolle meines Lebens". Er lebt in Berlin.