Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Weihnachtsgeschichten am Kamin 32

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am20.10.20171. Auflage
Schneeflocken, Lichterglanz - und eine besinnliche Weihnachtsgeschichte Sanft legt sich der Schnee auf Äste und Zweige, er lässt die Spuren von Schlitten und Kinderfüßen unter einer weißen Decke verschwinden. Im Sternenschein vor dem Fenster macht es sich eine Spatzenfamilie im Vogelhäuschen gemütlich. Drinnen duftet es nach Tee, nach Zimt und Anis. Am Weihnachtsbaum leuchten die Kerzen. Die Großen und die Kleinen rücken eng aneinander und freuen sich, wieder beisammen zu sein. Nun ist endlich Zeit für eine Weihnachtsgeschichte!

Für Barbara Mürmann ist als Herausgeberin der «Weihnachtsgeschichten am Kamin» das ganze Jahr Weihnachten. Zum Glück, denn sie liebt dieses besondere Fest. Seit vielen Jahren besorgt sie mit Hingabe und Sorgfalt die Auswahl für die erfolgreiche Anthologie. Barbara Mürmann, geboren in Goslar, lebt in Hamburg. Dort leitet sie den Arezzo Musikverlag.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextSchneeflocken, Lichterglanz - und eine besinnliche Weihnachtsgeschichte Sanft legt sich der Schnee auf Äste und Zweige, er lässt die Spuren von Schlitten und Kinderfüßen unter einer weißen Decke verschwinden. Im Sternenschein vor dem Fenster macht es sich eine Spatzenfamilie im Vogelhäuschen gemütlich. Drinnen duftet es nach Tee, nach Zimt und Anis. Am Weihnachtsbaum leuchten die Kerzen. Die Großen und die Kleinen rücken eng aneinander und freuen sich, wieder beisammen zu sein. Nun ist endlich Zeit für eine Weihnachtsgeschichte!

Für Barbara Mürmann ist als Herausgeberin der «Weihnachtsgeschichten am Kamin» das ganze Jahr Weihnachten. Zum Glück, denn sie liebt dieses besondere Fest. Seit vielen Jahren besorgt sie mit Hingabe und Sorgfalt die Auswahl für die erfolgreiche Anthologie. Barbara Mürmann, geboren in Goslar, lebt in Hamburg. Dort leitet sie den Arezzo Musikverlag.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644402102
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum20.10.2017
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.32
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2376500
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Das wächserne Jesuskind

Friederike Steinborn

Ich bin auf dem Land aufgewachsen, in einem Bauerndorf mit einem prächtigen Kloster, damals Anfang der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Wir waren sechs Kinder, und heute noch ist es mir unbegreiflich, wie unsere Eltern es an Weihnachten schafften, uns mit mehr als nur ein paar dringend notwendigen Anziehsachen zu beschenken: Neben handgestrickten, kratzigen Wollstrümpfen und mollig warmen «Unaussprechlichen» mit Gummis an Bauch und Knien gab es auch eine Mundharmonika, einen Malkasten, ein Nähkörbchen oder ein Märchenbüchlein. Der höchste Luxus war, wenn jedes von uns Kindern eine Tafel Schokolade ganz für sich allein bekam. Ach, wir fühlten uns so reich!

Das Herrlichste jedoch war die Krippe. Vater hatte sie selber gebaut, und sie nahm gut ein Viertel der Stube in Anspruch. Sie war mit einer wilden, romantischen Gebirgslandschaft ausgestattet, sogar mit einem See neben dem windschiefen Stall. Moos, Rinden und Heu wurden jedes Jahr neu ausgelegt. Die heilige Familie und die Stalltiere hatte der Vater selber geschnitzt. Aber nach und nach bevölkerten wir Kinder die Idylle auch mit stilwidrigen Exoten. Aus Stroh geflochtene Kamele gingen ja noch an. Aber meinen auf dem Jahrmarkt gewonnenen Löwen wollte der Vater nicht in der Krippe dulden. Gewiss, der Löwe war dreimal so groß wie der Ochse. Sicher ist er traurig, dachte ich mir, dass er nicht bei den anderen Tieren sein darf, und wenn der Vater in der Werkstatt war, stellte ich meinen Löwen so hinter dem Stall auf, dass er wenigstens durch einen Spalt das Jesuskindlein sehen konnte.

«Du darfst ihm aber nichts tun», ermahnte ich ihn vorsorglich und beruhigte auch den kleinen Jesus und seine Mutter.

Eine andere Krippe indes hat mir in meinem Kindergarten großen Kummer verursacht. Brennender Schmerz und bohrende Zweifel an der Gerechtigkeit der Erwachsenen entstanden in dieser Zeit. Unsere Kindergartenleiterin war eine Nonne. Ich hielt sie allein schon deshalb für heilig und die oberste Instanz für alles Wundersame, das sie vom Himmel erzählte, und der begann für mich damals direkt über den Bäumen. Jene Krippe war bar jeglichen Beiwerkes, ein blecherner Futtertrog und darin ein gelblich weißes wächsernes Jesulein mit gerade einem Tüchlein um die heikle Stelle. Sie wurde pünktlich zum Ersten Advent im Spielzimmer des Kindergartens aufgestellt. Daneben stand eine Kiste mit auf die Länge der Krippe zugeschnittenem Stroh.

Wen hätte dieses Kindlein im Stall nicht erbarmt! Die Nonne eröffnete uns, dass das Jesulein zwar arg friere, aber es dürfe nur von ganz braven Kindern gewärmt werden. Und so sollte also jeden Tag das folgsamste Kind ein paar Strohhalme in die Krippe legen dürfen. Das leuchtete mir ein, und ich fing an, ganz brav zu sein. Gehorchte aufs Wort, mäßigte mein dauernd plapperndes Mundwerk, teilte mein Spielzeug und meine gezuckerten Schmalzbrote, aber Stroh durfte ich nicht in die Krippe legen. Immer wählte die strenge Gottesfrau ein anderes Kind aus. Als ich vor Bravsein fast umkam und mich schämte, weil das Christkind mich für ein sehr böses Kind halten musste, weinte ich mich bei meiner Mutter aus. Sie nahm mich auf den Schoß, tröstete mich still und bekam feuchte Augen.

Viele Jahre später erzählte mir mein Vater, dass er in ebenjenem Dezember bei den Nonnen in Ungnade gefallen war. Er war Zimmermann, und im Winter, wenn Eis und Schnee das Arbeiten im Freien unmöglich machten, führte er oft Reparaturen im Kloster durch. Meist wurde er nur mit Kartoffeln oder Mehl entlohnt und musste sich demütig und dankbar zeigen.

Als nun jene Kindergartennonne, zugleich die Finanzverwalterin des Klosters, den Vater mit einem «Vergelt´s Gott im Himmel» abspeisen wollte, wurde er zornig und sagte, dass er so lange nicht warten könne, er müsse seine Kinder auf dieser Welt satt kriegen. Ohne angemessene Entlohnung wolle er nicht mehr zu Diensten sein. So konnte ich also erst viel später erkennen, dass die Nonne lieber mich anstelle des Vaters bestraft hatte.

Jahrzehnte später sollte sich diese Geschichte mit einer ganz anderen auf versöhnliche Weise verbinden. Es war in einem besonders kalten Winter, als die Leute im Gebirge über den vielen Schnee stöhnten, der die Dörfer in der weißen Pracht versinken ließ und die Straßen fast unpassierbar machte. Am frühen Morgen des Heiligen Abends machten ein Freund und ich uns auf die Reise zu unserem Ferienort an der österreichischen Grenze. Nachmittags um fünf Uhr wollten wir unbedingt oben sein in dem kleinen evangelischen Bergkirchlein zur Christmette.

Weihnachtslieder klangen aus dem Autoradio, und wir schwelgten in Vorfreude, aber heftiges Schneegestöber und immer dichtere Staus verlängerten unsere Anreise. Es dunkelte schon, als wir Rosenheim hinter uns ließen. Die Enttäuschung über den durchkreuzten Plan war meinem Freund mehr und mehr anzumerken, und er erklärte mir, dass der Besuch einer Christmette für ihn eine ganz besondere Bedeutung habe, sogar ein fester, unumstößlicher Termin zu Weihnachten war. Er begann nun, seine ganz persönliche Weihnachtsgeschichte zu erzählen:

Es war in der Heiligen Nacht im Kriegsjahr 1943 geschehen. Er war Pilot gewesen. Entgegen dem Brauch, dass an allen Fronten für ein paar Stunden die Feindseligkeiten ruhen sollten, hatte ein Vorgesetzter den Befehl zu einem Aufklärungsflug über jugoslawisches Partisanengebiet gegeben. Eine freiwillige Meldung war erwartet worden. Er hatte sich gemeldet und war also hineingeflogen in die mondhelle Nacht, ideal für seinen Auftrag, und war über das weiß schimmernde Karstland im ungewohnten Frieden dieser Nacht geflogen. Die Maschine war schon heimwärts gedreht worden, als Flaksalven durch die Nacht gepeitscht waren. Plötzlich hatten die Nadeln der Messgeräte geflattert, die Maschine hatte Sprit verloren und war getrudelt. Die Geräte hatten ausgesetzt, die Grenze war nicht mehr zu orten gewesen. Norden war, wo die Senkrechte vom Polarstern zum Horizont fiel. Doch alle Sterne hatten wie Irrlichter um die beschädigte Maschine getanzt, die den Frieden der Heiligen Nacht durchbrochen hatte. Die Maschine hatte nicht mehr gehorcht, der Absturz war unvermeidlich geworden, und Bruchteile von Sekunden hatten über Absprung und Ziehen des Fallschirmes entschieden. In dieser Notlage hatte er um sein Leben gebetet und dem Herrgott ein Gelübde getan, dass, wenn er heil davonkommen würde, er sein Leben lang niemals die Christmette versäumen würde, unter welchen Umständen auch immer. Die Maschine war zerschellt, er ohne nennenswerte Blessur auf freiem Feld aufgekommen, im befreundeten Gebiet.

Seine Geschichte beeindruckte mich tief. Und sie erklärte, warum meinem Freund der Besuch der Mette so wichtig war.

Als wir endlich ankamen, war die evangelische Mette längst vorbei. Aber zu Mitternacht, meinte ich, sei doch die wundervolle Mette in der katholischen Kirche. Doch das war für meinen Freund, einem linientreuen Lutheraner, völlig indiskutabel. Ob er wohl der himmlisch-katholischen Depeschenzustellung misstraute?

«Wir werden morgen ganz früh aufbrechen und ins Österreichische fahren.»

Ich bezweifelte das im Grunde, fiel doch der Schnee in dicken Flocken und zog schnell eine weiße Hülle über die Autos, die keinen Unterschlupf mehr fanden. Doch am nächsten Tag, dem Christtag, war die Hauptstraße zum Glück bereits geräumt, eine rötliche Wintermorgensonne zauberte ein Glitzern über die mit Raureif überzogenen Pflanzen.

Wir fuhren in die Richtung, in der ein Kirchturm aufragte. Festliche Musik aus dem Radio ließ das Verkehrschaos von gestern vergessen. Sahen wir zwei Kirchen, so strebten wir jeweils die kleinere, abgelegene an. Schlichtheit ist allemal evangelisch. Aber wohin wir auch kamen, eine Messe sollte erst wieder am nächsten Tag abgehalten werden.

Wir hatten schon beinahe den Wilden Kaiser umrundet, als wir auf einem Hügel am Rand des nächsten Ortes ein anmutiges Kirchlein sahen. Wir parkten in Sichtweite, stapften durch jungfräulichen Schnee zur Kirchentür und studierten den Aushang. Eine evangelische Messe werde es erst wieder am Silvestertag geben. Resigniert schickten wir uns zur Umkehr an.

Da näherte sich uns ein alter Herr und fragte, ob wir uns verirrt hätten. Dass wir den weiten Weg vom Bayerischen gekommen waren, um einen evangelischen Weihnachtsgottesdienst zu hören, beeindruckte ihn schließlich sehr, obwohl von der ganz persönlichen Weihnachtsgeschichte und dem Gelübde meines Freundes noch nicht einmal die Rede gewesen war.

Das müsste belohnt werden, er sei der alte Pfarrer, nun im Ruhestand, wohne aber noch im Pfarrhaus neben der Kirche. Er kramte einen Schlüssel aus seiner Manteltasche und öffnete mit Mühe die knarrende Tür zur Kirche.

«Kommts eina», lud er uns mit freundlicher Geste ein, und wir trotteten hinter ihm in den eisigen Raum hinein bis in die erste Bank.

«Wissts was, euer Eifer rührt mir´s Herz an. Ich werd für euch eine Mess´ halten. Aber ganz a kurze.»

Sprach´s, verschwand in der Sakristei und kam im Messgewand wieder. Stumm vor Rührung lauschten wir dem Evangelium nach Lukas, als hörten wir es zum ersten Mal.

Meine Augen betrachteten den prächtigen Christbaum, eine hohe Nordmanntanne mit kunstvollen Strohsternen und echten Wachskerzen geschmückt. Überzählige Zweige waren um den Stamm am Boden ausgebreitet. Daneben lag auf dem nackten Fußboden eine Puppe in der Größe eines neugeborenen Kindes, rosig und drall, aber bar jeglicher Textilien.

Aus der Tiefe meines Gedächtnisses löste sich ein scheinbar längst vergessenes Bild. Da war es plötzlich wieder, das gelbweiße wächserne...
mehr

Autor

Für Barbara Mürmann ist als Herausgeberin der «Weihnachtsgeschichten am Kamin» das ganze Jahr Weihnachten. Zum Glück, denn sie liebt dieses besondere Fest. Seit vielen Jahren besorgt sie mit Hingabe und Sorgfalt die Auswahl für die erfolgreiche Anthologie. Barbara Mürmann, geboren in Goslar, lebt in Hamburg. Dort leitet sie den Arezzo Musikverlag.