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Eine Liebe in Afrika

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am26.05.20171. Auflage
Eingebettet zwischen grünen Hügeln, im Herzen Afrikas, liegt Bujumbura. Hier arbeitet die Amerikanerin Anne seit zwei Jahren für eine Menschenrechtsorganisation. Das Land und seine Menschen faszinieren sie und ziehen sie an, zugleich fühlt sie sich jedoch oft fremd und zurückgestoßen. Als sie sich mit Haut und Haar in Jean-Pierre Bukimana verliebt, Abkömmling der alten burundischen Königsdynastie und Regierungsbeamter, fegt die Liebe alle Unterschiede hinweg. Jean-Pierre erschließt ihr neue Welten, und sie erreicht eine Nähe wie zu keinem Menschen zuvor. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Sarah Stone, geboren 1961 in San Francisco, studierte an der University of Michigan Creative Writing. Von 1991 bis 1993 lebte sie in Bujumbura, Burundi, wo sie am Jane Goodall Institute Englisch lehrte und Berichterstatterin in Menschenrechtsfragen war.
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Produkt

KlappentextEingebettet zwischen grünen Hügeln, im Herzen Afrikas, liegt Bujumbura. Hier arbeitet die Amerikanerin Anne seit zwei Jahren für eine Menschenrechtsorganisation. Das Land und seine Menschen faszinieren sie und ziehen sie an, zugleich fühlt sie sich jedoch oft fremd und zurückgestoßen. Als sie sich mit Haut und Haar in Jean-Pierre Bukimana verliebt, Abkömmling der alten burundischen Königsdynastie und Regierungsbeamter, fegt die Liebe alle Unterschiede hinweg. Jean-Pierre erschließt ihr neue Welten, und sie erreicht eine Nähe wie zu keinem Menschen zuvor. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Sarah Stone, geboren 1961 in San Francisco, studierte an der University of Michigan Creative Writing. Von 1991 bis 1993 lebte sie in Bujumbura, Burundi, wo sie am Jane Goodall Institute Englisch lehrte und Berichterstatterin in Menschenrechtsfragen war.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105617496
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum26.05.2017
Auflage1. Auflage
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2382057
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Es begann als ganz normale Mittagspause. Jedes Geschäft, jede Regierungsstelle hatte für zwei oder drei Stunden zugemacht, und Jean-Pierre war zu mir gekommen. Wir waren bereits im Schlafzimmer verschwunden, als Deo, mein Haushälter, das Mittagessen kochte. Während wir uns liebten, waren die ganze Zeit seine missbilligenden Hymnen aus der Küche zu uns gedrungen. Jetzt saßen wir auf der Veranda und labten uns an in Palmöl schwimmendem Nilbarsch, umgeben von grünen Bananen, die weich, fettig und klebrig vor Öl waren. Es hatte vor kurzem geregnet, und dicke Wolken ballten sich dramatisch über den schwarzen Bergen Zaires, die sich am anderen Seeufer erhoben; Licht und Wasser leuchteten in einer harmonischen Einheit intensiver Grautöne.

Beiläufig stocherten wir in unserem Reis und suchten kleine Steinchen heraus, als Jean-Pierre in seinem weichen, kirundi-gefärbten Französisch sagte: «Ich habe eine Überraschung für dich.»

«Eine Überraschung?»

«Nimm dir für das Wochenende nichts vor. Halt am Freitag nach der Arbeit Ausschau nach meinem Fahrer. Was würdest du dazu sagen, mal ein paar Tage ohne andere Leute mit mir zu verbringen?»

«Da würde ich sagen: O ja! Soll ich etwas mitbringen?»

«Es wird alles da sein, was du brauchst. Deo und ich haben eine Abmachung. Aber versuch nicht, etwas aus ihm herauszukriegen. Er kennt nur einen Teil der Geschichte.» Er verschränkte die Arme.

Ich kannte seine Arten zu lächeln auswendig: sein privates, spöttisches Lächeln voller Geheimnisse, sein offizielles Lächeln, vernünftig und formell - die Lippen schmal, die Zähne bedeckt -, und ein unbekümmertes, breites Grinsen, das mich vor Verlangen nach ihm fast verrückt machte.

Die Nachbarshunde begannen zu kläffen, alle acht gleichzeitig. Wie liebend gern ich diese Köter vergiftet hätte! Manchmal, wenn ich allein im Bett lag und von ihrem Gebell und Gejaule am Schlafen gehindert wurde, malte ich mir aus, wie ich es tun würde, auch wenn ich früher Tiere immer gern gehabt hatte. Draußen, auf dem geborstenen Asphalt der Straße, rumpelte ein Panzer vorbei. Aber es war nur einer, und Jean-Pierre schenkte ihm keine Beachtung, deshalb wusste ich, dass er nichts zu bedeuten hatte. Ich wohnte nicht allzu weit von einer militärischen Anlage entfernt.

Wir hatten zu Ende gegessen. Ich wollte zurück ins Bett, es aber andererseits auch nicht übertreiben und jede Hoffnung auf eine gemeinsame Nacht verspielen. «Wollen wir spazieren gehen?»

«Du kannst Gedanken lesen. Mal wieder.» Er grinste, und ich grinste zurück - im Bewusstsein, dass zwei völlig verschiedene Wesen sich verhalten können, als wären sie eins. Er nahm meine Hand in seine.

Mein Haus war nur zehn Minuten Fußweg vom Tanganjikasee entfernt, aber es gab keine Tageszeit, zu der ich gefahrlos allein dorthin hätte laufen können. Alle Geschäfte und Straßenstände waren über Mittag geschlossen. Wir kamen am Musée Vivant mit seinem Nachbau traditioneller Hütten und einem angeschlossenen Reptilienpark vorbei, in dem es ein altes Krokodil in einem flachen Becken gab, Glaskästen voller Mambas und eine aus Kalifornien importierte, teilnahmslose Königsschlange. Sie hauste zwischen einem Ast und ein paar Steinen und wurde ab und zu herausgeholt und verängstigten Touristen und Kindern vorgeführt, die eine Giftschlange nicht von einer harmlosen unterscheiden konnten.

«Ich will die Flughunde sehen», sagte ich, und Jean-Pierre gehorchte höflich und schlug die entsprechende Richtung ein. Wir liefen in Richtung Bildungsministerium und Flughunde.

Die Erde war unerträglich rot. Die Bananenpalmen, Jacarandas und Papayastauden wucherten erschreckend üppig an der matschigen, schlaglochübersäten Straße. Dieses Stück Zentralafrika war der traurigste Ort der Welt, Schauplatz einer schrecklichen Geschichte - deutsche und belgische Kolonialisierung, die Teilung Ruanda-Urundis in zwei Länder: Ruanda und Burundi. Ein gewaltsamer Umsturz nach dem anderen. Und vor allem natürlich der Konflikt zwischen Tutsi und Hutu: Machtübernahme, Verrat, Betrug, Tod, nach Zaire flüchtende Menschen. Und doch fühlte ich mich in Burundi immer mehr zu Hause. Die Blätter und Blüten leuchteten jade- und smaragdgrün, rosen- und zinnoberrot vor silbernen und ebenholzschwarzen Stämmen. Ich atmete die Gerüche der feuchten Erde, des Dieselmotors eines vorbeirumpelnden Lastwagens, von Jean-Pierre neben mir, durchdringend und vertraut. Er schwitzte, und der Geruch seiner Haut erregte mich unpassenderweise.

Im Gehen erzählten wir uns, was am Morgen vorgefallen war. Jean-Pierre war Regierungsbeamter im Innenministerium und beherrschte die Landes-, Handels- und Kolonialsprachen Burundis - Kirundi, Kisuaheli und Französisch - fließend, Englisch sprach er mit Mühe. Ich konnte mich außer auf Englisch nur mit meinem flüssigen, aber ungeschliffenen Französisch und ein wenig Kisuaheli verständigen, weswegen wir immer Französisch mit eingeworfenen Brocken Kisuaheli miteinander sprachen.

Jean-Pierre erzählte mir gerade von einem Kollegen, der nicht da gewesen war, als wichtige Dokumente unterzeichnet werden mussten (in Burundi mussten alle Unterschriften in der korrekten Reihenfolge gesammelt werden), und dann hatte sich herausgestellt, dass jemand den Beamten morgens und nachmittags im Bally-Schuhgeschäft gesehen hatte - der Staatssekretär hatte den gesamten Tag mit dem Anprobieren von Schuhen verbracht. Ich konnte mich vor Lachen kaum halten und schlug die Hände vors Gesicht. Der Armreif aus schweren, gehämmerten Goldgliedern, den Jean-Pierre mir zum Geburtstag geschenkt hatte, rutschte mir ins Gesicht. Jean-Pierre sah mich an und sagte nichts mehr. Oft wusste ich nicht, wie ich sein Schweigen verstehen sollte.

«Woran denkst du?»

Ich hatte nicht fragen wollen. Seit sechs Monaten waren wir ein Paar. Er war der erste Mann, bei dem ich jemals länger als zwei Wochen an Ehe und Kinder gedacht hatte.

Lächelnd schüttelte er den Kopf. Für einen Augenblick sehnte ich mich nach dem Menschen, der ich gewesen war, bevor ich ihn kennen gelernt hatte, nach meinem energischen Auftreten, meiner Zielstrebigkeit und Entschiedenheit. Ich blickte ihn wieder an und versuchte ihn so zu sehen, wie ich das nach zwanzig Jahren Ehe tun würde, dann, als wäre er ein Unbekannter, an dem ich auf der Straße vorbeiginge.

Nach einer Pause sagte er langsam: «Was du mich vorhin gefragt hast. Über meine Familie.»

Widerstrebend hatte er mich einigen seiner Schwestern als Bekannte vorgestellt. Ich spielte bei der Maskerade mit, die sie geglaubt oder auch nicht geglaubt haben mochten, aber sehr aufrichtig oder nobel war es mir nicht vorgekommen. Nachdem ich wochenlang dagegen angekämpft hatte, hatte ich heute doch etwas gesagt, als wir wieder angezogen waren. Ich brachte zum Ausdruck, was mir auf dem Herzen lag: dass er sich meiner schäme. Seine offensichtliche Überraschung hatte mich beruhigt, aber wirklich geantwortet hatte er mir nicht.

Jetzt sagte er: «Du hast so viel Leben in dir. So viel Mut. Du denkst nicht: Wenn ich den Turm bewege, dann wird der Läufer in vier Zügen meinem König Schach bieten.» Er runzelte die Stirn und berührte mich am Arm, was das Höchste an Zärtlichkeit war, das er mir in der Öffentlichkeit zeigen würde. «Bevor ich dich kannte, war ich nur halb lebendig. Aber wenn einem das Bein einschläft und dann wieder aufwacht, tut es auch weh, oder nicht?»

«Aber nicht sehr lange, wenn man sich bewegt und den Blutkreislauf wieder in Gang bringt.»

«Und meiner Familie wird es auch wehtun. Sie denken jetzt schon, dass ich zu viel Zeit an der Sorbonne verbracht habe.» Ich wollte widersprechen, aber er traf plötzlich eine Entscheidung: «Dann werde ich es ihnen also bald sagen. Keine Angst.» Er strich mir schnell über die Wange und lächelte. «Du guckst wie Maria unter dem Kreuz, aber das brauchst du nicht.»

Mehr als einmal hatte er mir gesagt, dass ich mit meinem langen, ovalen Gesicht und den runden Augen aussähe wie eine italienische Madonna aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Ich war eigentlich überzeugt, dass ich meistens eher ein wenig dümmlich oder erstaunt wirkte. Vor zwei Jahren, an meinem fünfunddreißigsten Geburtstag, hatte ich mir die Haare ganz kurz schneiden lassen, um weltgewandter auszusehen. Doch das hatte nicht funktioniert, und jetzt ließ ich sie wieder wachsen.

Jean-Pierre sagte: «Die Flughunde», und wir überquerten den geschotterten Parkplatz, in dessen Mitte wir stehen blieben, ein wenig entfernt von den beiden riesigen Bäumen, die über fünfzehn Meter hoch waren und so voller Fledermäuse, dass die Bäume zu schillern und sich zu bewegen schienen. Der Boden war bedeckt mit Dreck, und vom Laub der Bäume war unter dem Gewicht der im Dutzend aneinander hängenden Flughunde nichts mehr zu sehen. Am Abend ließen sie sich klumpenweise abfallen, glitten davon und stießen beim Fliegen spitze Schreie aus. Selbst tagsüber gaben die kopfüber hängenden, rastlosen Schläfer einen summenden Dauerton hoher Schreie von sich.

Ich merkte, dass ich beobachtet wurde, und drehte mich um. Lächelnd sah Jean-Pierre mich an. Er streckte den Arm aus und zeigte auf ein besonders faszinierendes Gebilde. Wieder hatte ich das Gefühl, dass wir im Tandem sahen, fühlten und deuteten, als wären wir eins.

Als wir wieder gingen, drehte ich den Kopf, um die Flughunde, die mich zugleich begeisterten und beunruhigten, bis zur letzten Minute zu sehen. Um uns herum standen kleine Touristengruppen, die von der enormen, zusammengeballten Masse fasziniert waren, den Flughunden, die zwar schön, zugleich aber der Stoff von Albträumen waren.

Auf dem Nachhauseweg sagte...
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Autor

Sarah Stone, geboren 1961 in San Francisco, studierte an der University of Michigan Creative Writing. Von 1991 bis 1993 lebte sie in Bujumbura, Burundi, wo sie am Jane Goodall Institute Englisch lehrte und Berichterstatterin in Menschenrechtsfragen war.