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Hasensterben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
437 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am04.02.20151. Auflage
Ein Mädchen verschwindet aus der Badi Bichelsee und der Bademeister steckt tot im Kamin. Unfall, Zufall, Mordfall, fragt sich Noldi. »Mord«, sagt sein kleiner Sohn, der früh in die Fußstapfen des Vaters tritt. Als plötzlich auch noch der Dorfmetzger eine Leiche in der Tiefkühltruhe entdeckt, wird der Fall für Noldi zur tödlichen Gefahr.

Roswitha Kuhn studierte Germanistik und Slawistik in Graz. Neben der Tätigkeit als Bibliothekarin in Graz, Wien und am Tibet-Institut Rikon schrieb sie Romane, Erzählungen, Gedichte und Hörspiele. Sie lebt mit ihrem Mann, Jacques Kuhn, in Rikon und Zürich. Jacques Kuhn trat nach einem Ingenieurstudium in Zürich und in den USA in die väterliche Firma ein und führte die Kuhn Rikon AG mit seinem Bruder Henri für viele Jahre. Nach dessen Tod übernahm er die Gesamtverantwortung für das Familienunternehmen. Jacques Kuhn gründet 1968 mit seinem Bruder auf Wunsch des XIV. Dalai Lama das Tibet-Institut in Rikon, das einzige tibetisch-buddhistische Kloster im Westen. Nach ihrer späten Heirat sind KuhnKuhn mit großer Begeisterung unter die Krimi-Schreiber gegangen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextEin Mädchen verschwindet aus der Badi Bichelsee und der Bademeister steckt tot im Kamin. Unfall, Zufall, Mordfall, fragt sich Noldi. »Mord«, sagt sein kleiner Sohn, der früh in die Fußstapfen des Vaters tritt. Als plötzlich auch noch der Dorfmetzger eine Leiche in der Tiefkühltruhe entdeckt, wird der Fall für Noldi zur tödlichen Gefahr.

Roswitha Kuhn studierte Germanistik und Slawistik in Graz. Neben der Tätigkeit als Bibliothekarin in Graz, Wien und am Tibet-Institut Rikon schrieb sie Romane, Erzählungen, Gedichte und Hörspiele. Sie lebt mit ihrem Mann, Jacques Kuhn, in Rikon und Zürich. Jacques Kuhn trat nach einem Ingenieurstudium in Zürich und in den USA in die väterliche Firma ein und führte die Kuhn Rikon AG mit seinem Bruder Henri für viele Jahre. Nach dessen Tod übernahm er die Gesamtverantwortung für das Familienunternehmen. Jacques Kuhn gründet 1968 mit seinem Bruder auf Wunsch des XIV. Dalai Lama das Tibet-Institut in Rikon, das einzige tibetisch-buddhistische Kloster im Westen. Nach ihrer späten Heirat sind KuhnKuhn mit großer Begeisterung unter die Krimi-Schreiber gegangen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839246283
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum04.02.2015
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.2
Seiten437 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2430485
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2. Blaue Wiener

Am nächsten Morgen fährt Noldi mit Meret nach Turbenthal und setzt sie vor der Schule ab. In der letzten Woche vor den Herbstferien haben die Lehrer alle Hände voll zu tun.

Das Sekundarschulhaus liegt etwas zurückgesetzt an der Feldstraße gegenüber dem Gehörlosendorf. Vor dem relativ neuen Bau stehen ein paar Bäume, deren Blätter sich bereits rot und gelb verfärbt haben. Nachdem Meret ausgestiegen ist, beugt sie sich noch einmal zum offenen Fenster neben dem Fahrersitz und küsst ihren Mann. Sie weiß, dass ihre Berufstätigkeit für ihn nicht einfach ist. Aber, so hofft sie, er wird sich schließlich daran gewöhnen. Liebevoll kneift sie ihn in die Wange. »Bis heute Abend. Ich koche uns etwas besonders Gutes.«

Sie winkt noch einmal über die Schulter und verschwindet federnden Schrittes in der Tür. Es tut ihr gut, dass ihr Mann sie vermisst. Der schaut ihr nach, bis sie im Gebäude verschwunden ist, dann startet er den Motor und gibt Gas, biegt beim Gehörlosendorf rechts ab, streift die neue rostige Eisenplastik, die sie vor dem Schloss aufgestellt haben, mit einem verächtlichen Blick. Von dort bis in den Hof des Baugeschäftes, wo sich die Kantonspolizei eingemietet hat, braucht er nicht einmal eine Minute.

Im Büro schaltet er den Computer ein und sucht sofort das Unfallprotokoll Lewi Rindlisbacher. Es gibt nicht viel her. Was er liest, hat er im Prinzip schon gestern an der Sitzung erfahren. Er möchte nur sicher sein, dass er auf dem neuesten Stand ist. Da und dort notiert er sich etwas auf einem Blatt Papier und fragt sich gleichzeitig, wozu er das macht. Die Tatsache, dass es sich um einen Unfall handelt, wird von niemandem in Zweifel gezogen.

Einzig in Hubachers Gedächtnisprotokoll über die erste Befragung der Mutter findet er ein unbekanntes Detail. Mani Rindlisbacher habe ausgesagt, dass sie in der Nacht nur kurz weg gewesen sei. Der berühmte Professor Speiser habe ihren Jungen für ein Foto-Shooting nach Dussnang geholt. Sie könne sich absolut nicht erklären, wie Lewi um diese Zeit nach Hause gekommen sei. Und selbst wenn, habe sie betont, der Hausschlüssel liege unter dem ersten Blumentopf links. Das wisse Lewi. Also warum sollte er an die Töss gehen und dort irgendwo herumirren.

Die, denkt Noldi, ist öfter unterwegs und weiß gar nicht, was ihr Söhnchen so alles treibt.

Stirnrunzelnd schließt er das Dokument. Könnte das bedeuten, der kleine Lewi Rindlisbacher war allein an der Töss, ist ausgerutscht und ins Wasser gefallen? Oder er war doch nicht allein? Ist von jemand gestoßen worden. All diese Überlegungen ergeben keinen Sinn. Im letzten Fall wäre es Mord.

Er sucht in dem Dossier nach dem Obduktionsbefund und muss feststellen, dass es keinen gibt. Man wollte, heißt es, der Vollständigkeit halber eine Autopsie vornehmen, doch die Mutter habe ihre Zustimmung verweigert. Nach buddhistischem Verständnis solle ein Toter drei Tage nicht angerührt werden, damit sich sein Seelenwesen, so habe sie es genannt, in aller Ruhe ins nächste Leben aufmachen könne. Jede Störung sei schädlich und würde zu einer schlechteren Wiedergeburt führen.

Da die Frau sich völlig hysterisch aufführte, ließ man ihr den Willen. Fremdverschulden lag offensichtlich nicht vor, und das Kind war tot, so oder so.

Noldi schließt das das Protokoll auf dem Bildschirm. Schwer zu sagen, denkt er, was da wirklich passiert ist. Möglicherweise wird man das nie herausfinden. Er überfliegt noch einmal die paar wenigen Notizen, die er sich gemacht hat, und wirft nach kurzem Zögern das Blättchen in den Papierkorb. Was nicht heißen soll, dass er seine Nase nicht doch in diese Angelegenheit stecken wird. Dazu versucht er als Nächstes, etwas über Lewis Erzeuger herauszufinden, scheitert aber. In den Dokumenten, die er aufstöbern kann, heißt es nur Vater unbekannt .

Wie Noldi beschäftigt sich auch sein Sohn mit dem Tod des Jungen. Er glaubt nicht, dass Lewi allein an die Töss gegangen ist. Er hört sich um, was man über den kleinen Rindlisbacher erzählt. Der Unfall ist überall Gesprächsthema Nummer eins. Im Dorf munkelt man von Selbstmord. Kein Wunder, heißt es, dass der sich umbringt, wo seine Mutter sich einen Dreck um ihn gekümmert hat. Vor einigen Jahren hat es schon einmal den Selbstmord eines Kindes gegeben. Eine Elfjährige warf sich vor den Zug, weil der Stiefvater sie missbraucht hatte. In der Schule dagegen glaubt niemand so recht daran, dass Lewi die Aufsicht seiner Mutter vermisst hat. Die meisten sehen es ähnlich wie Pauli selbst.

»Der und sich umbringen«, sagen sie, »niemals. Der war viel zu unternehmungslustig und zu schlau.«

Als Pauli nachfragt, erfährt er lediglich, dass einer gesehen haben will, wie ein anderer dem Kleinen Geld zugesteckt habe.

»Einfach so?«, fragt Pauli interessiert. Doch sein Gesprächspartner zuckt nur mit den Achseln und schaut, dass er weiterkommt.

»Und wer?«, ruft Pauli ihm noch nach, erntet aber nur ein weiteres muffiges Achselzucken. Bei aller Verbundenheit von Noldi mit seinem Dorf war und bleibt er der Polizist. Man meidet seine Kinder nicht, doch gewisse Dinge hält man von ihnen sicherheitshalber fern.

Am dritten Tag, nach dem Lewi ertrunken ist, geht Pauli ins Kloster zu dem buddhistischen Todesgebet, welches von Frau Rindlisbacher für ihren Sohn organisiert worden ist. Die Urnenbeisetzung, heißt es, solle erst später im engsten Familienkreis stattfinden. Auf der Todesanzeige im Landboten und dem Tössthaler steht aber einzig ihr Name. Der Text lautet: Mein Engel ist von mir gegangen, um wieder in die Welt zu kommen.

Den Andachtsraum im untersten Geschoss des Klosters kennt Pauli schon. Er ist vor zwei Jahren auf der Suche nach dem abgängigen Hund seines Onkels hier gelandet und hat einen entscheidenden Hinweis in dem Fall erhalten, der seinem Vater so großes Kopfzerbrechen bereitete.

Jetzt ist der Altar üppig geschmückt mit Blumen, Lichtern, Plastikkörben und -trögen voll Opfergaben. Davor stehen auf einem niedrigen Tisch das Foto des toten Jungen mit einer weißen Glücksschleife darum und rechts und links Vasen mit Lilien. Mani Rindlisbacher, die Mutter, trägt heute nicht Schwarz, sondern einen weinroten langen Rock und eine gelbe Bluse, die Farben der Mönche. Die dunklen Locken, welche sie dem Sohn vererbt hat, sind verschwunden. Ratzekahl abgeschnitten. Nur ihr stets knallrot geschminkter Mund, der aussieht wie ein Blutfleck, ist derselbe geblieben. Sie hat einen tibetischen Rosenkranz ums Handgelenk geschlungen, rennt unruhig hin und her, begrüßt die Ankommenden. Von Zeit zu Zeit wischt sie sich mit ihrem Taschentuch die Augen. Auf Pauli wirkt sie, als wüsste sie nicht, ob sie sich freuen oder traurig sein soll. Er wählt einen Platz ganz hinten im Raum und mustert von dort der Reihe nach die Gäste. Lewis Klasse ist vollzählig angetreten. Aber auch aus anderen Klassen sind viele Schüler da. Ebenso fast alle Lehrer, der Schulleiter, Lewis Klassenlehrer. Sogar das Hauswartehepaar ist gekommen. Die beiden fühlen sich im Tempel sichtlich unwohl, sitzen auf ihren Stühlen und ziehen die Köpfe ein. Von den Leuten aus Rikon nehmen erstaunlich viele an der Zeremonie teil. Da kommt durch die Tür, die ins Freie führt, ein neuer Gast. Pauli kennt ihn so gut wie jeder im Dorf. Es ist der berühmte Professor, den alle Kinder nur den Veilchenfrosch nennen.

Ronald Speiser, mit bürgerlichem Namen, ist ein kleiner, dicker Mann, elegant, nach teurem Rasierwasser duftend und immer gut gelaunt, selbst wenn es ihm schlecht geht. Nachdem sein jüngster Sohn mit vier Jahren aus dem Fenster fiel, dabei geistig und körperlich Schaden nahm, gründete er eine Stiftung zur Betreuung behinderter Kinder. Dort lebte auch sein Junge, bis er nach einigen Jahren starb. Neben seiner Leidenschaft, der Kinderfotografie, hat der Professor noch ein anderes Hobby. Er sammelt Autos und besitzt unter anderem eine Stretchlimousine. Obwohl sein Wohnort Dussnang nicht gerade ein Nachbardorf ist, kommt er von Zeit zu Zeit mit diesem Superauto auch ins Tösstal, lädt es voll Kinder und fährt die ganze Bande eine halbe Stunde spazieren. Dann setzt er sie wieder ab. Alle wissen das, und alles geht mit rechten Dingen zu. Auch Pauli war als kleines Kind das eine oder andere Mal mit von der Partie. Im Auto, erinnert er sich, gab es einen Sack voll Leckerbissen, welche den Kindern die Spazierfahrt zusätzlich versüßten. Der Veilchenfrosch strahlte und lachte bei dem Abenteuer mindestens so vergnügt wie seine kleinen Gäste.

Einmal im Jahr lädt er Lehrer samt ihren Klassen aus der Umgebung in seine Stiftung ein, wo sie einen Nachmittag mit den behinderten Kindern verbringen. Es gibt stets ein buntes Programm an Spielen, Kasperletheater und eine Tombola. Alle rühmen den großherzigen Spender. Sein beträchtliches Vermögen hat er zu einem Teil geerbt, zum anderen selbst verdient. Er ist ein begnadeter Kinderchirurg, dem schon das eine oder andere medizinische Wunder geglückt ist.

Das sonst immer fröhliche Gesicht des Veilchenfroschs wirkt jetzt ernst, fast gramverzerrt. Er geht mit seinen kurzen Schritten rasch zu Mani Rindlisbacher, drückt innig ihre beiden Hände. Die Frau schluchzt auf, dann zieht ein tapferes Lächeln ihre blutroten Lippen auseinander. Pauli beobachtet die beiden. Er kann nicht sagen, ob er selbst traurig ist über Lewis Tod, doch eines weiß er sicher, er wird herausfinden, warum er sterben musste. Das ist er dem Jungen schuldig, der ihm dieses geklaute Handy zugesteckt hat.

Der Gong ertönt, die Mönche kommen im Gänsemarsch die Treppe herunter, ziehen vor dem Tempeleingang die Schuhe aus...

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Autor

Roswitha Kuhn studierte Germanistik und Slawistik in Graz. Neben der Tätigkeit als Bibliothekarin in Graz, Wien und am Tibet-Institut Rikon schrieb sie Romane, Erzählungen, Gedichte und Hörspiele. Sie lebt mit ihrem Mann, Jacques Kuhn, in Rikon und Zürich.Jacques Kuhn trat nach einem Ingenieurstudium in Zürich und in den USA in die väterliche Firma ein und führte die Kuhn Rikon AG mit seinem Bruder Henri für viele Jahre. Nach dessen Tod übernahm er die Gesamtverantwortung für das Familienunternehmen. Jacques Kuhn gründet 1968 mit seinem Bruder auf Wunsch des XIV. Dalai Lama das Tibet-Institut in Rikon, das einzige tibetisch-buddhistische Kloster im Westen. Nach ihrer späten Heirat sind KuhnKuhn mit großer Begeisterung unter die Krimi-Schreiber gegangen.