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Die Fährte der Wölfe

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
307 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am04.03.20151. Auflage
Dezember 1423. Eigentlich wollte Bruder Hilpert, Bibliothekar und Kriminalist aus Leidenschaft, dem Kloster Bronnbach nur einen kurzen Besuch abstatten. Doch dann wird Arnold von Stettenberg, Herr über die Gamburg im Taubertal, schwer verletzt aufgefunden. Sein Freund Berengar bittet Bruder Hilpert um Hilfe. Dieser willigt ein, nicht ahnend, dass etwas Schreckliches auf ihn zukommen wird ...

Uwe Klausner, Jahrgang 1956, geboren und aufgewachsen in Heidelberg, hat in Mannheim und Heidelberg Geschichte und Anglistik studiert und lebt heute mit seiner Familie in Bad Mergentheim. Neben seiner Tätigkeit als Autor hat er bereits mehrere Theaterstücke verfasst.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextDezember 1423. Eigentlich wollte Bruder Hilpert, Bibliothekar und Kriminalist aus Leidenschaft, dem Kloster Bronnbach nur einen kurzen Besuch abstatten. Doch dann wird Arnold von Stettenberg, Herr über die Gamburg im Taubertal, schwer verletzt aufgefunden. Sein Freund Berengar bittet Bruder Hilpert um Hilfe. Dieser willigt ein, nicht ahnend, dass etwas Schreckliches auf ihn zukommen wird ...

Uwe Klausner, Jahrgang 1956, geboren und aufgewachsen in Heidelberg, hat in Mannheim und Heidelberg Geschichte und Anglistik studiert und lebt heute mit seiner Familie in Bad Mergentheim. Neben seiner Tätigkeit als Autor hat er bereits mehrere Theaterstücke verfasst.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839245743
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum04.03.2015
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.6
Seiten307 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2430523
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

PROLOG

Gamburg im Taubertal, am Tag vor Sankt Martin

(Dienstag, 10.11.1405)
I. Kapitel

Krappentor, kurz vor Sonnenaufgang; 07:15 h

Es war Zeit, mit dem Leben abzuschließen.

Wann seine Galgenfrist ablaufen würde, wusste er nicht. Aber er wusste, dass ihm eine höllische Tortur bevorstand. Er war dazu verdammt, wie ein Straßenköter zu verrecken, und es gab nichts, was er tun konnte, um sein Schicksal abzuwenden.

Das Urteil lautete auf Tod.

Ein Tod, wie er grausamer nicht sein könnte.

Er war noch ein Knabe gewesen, als ihm vor Augen geführt wurde, wie wenig das Leben eines Menschen zählte. Damals, vor sieben Jahren, war er mit dem Vater auf die Jagd gegangen, aber es war keine Jagd wie jede andere geworden. Der Vater, wie im Übrigen auch sein Bruder, hatten ihm eine Lektion erteilen wollen und da waren ihnen die Wilddiebe, die auf frischer Tat ertappt worden waren, wie gerufen gekommen.

Er, der als verzärtelt und furchtsam galt, hatte zunächst nicht glauben können, was er sah. Arnold, knapp zwei Jahre jünger als er, hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, die Jagdfrevler zur Rede zu stellen, sondern hatte ihnen gezeigt, was es hieß, ein ganzer Kerl zu sein. Es hieß, Angst und Schrecken zu verbreiten, selbst dann, wenn die Wilderer ein paar zerlumpte Halbwüchsige aus dem Nachbardorf waren. Nur wer nicht zögerte, von seinem angestammten Recht Gebrauch zu machen, dem wurde Respekt gezollt. Nur wer mit dem Schwert umzugehen verstand, würde es zu etwas bringen. Nur wer sich einen Dreck um das Leben von ein paar Leibeigenen scherte, war aus dem Holz geschnitzt, das es brauchte, damit man nicht unter die Räder geriet. So oder so ähnlich hatten die Lehren gelautet, die sein Vater den Söhnen eingebläut hatte. Worte, die bei Arnold auf fruchtbaren Boden gefallen waren. Gerade einmal zehn Jahre alt, hatte er die Meute von der Leine gelassen, allen voran Zerberus, den gefürchtetsten Bluthund weit und breit. Er hatte nicht hinsehen wollen, aber der Vater, nicht minder gefürchtet als die nach Blut lechzenden Bestien, hatte ihn dazu gezwungen. Und so geschah es, dass er Zeuge eines Spektakels wurde, wie er es noch nie erlebt hatte - und während der folgenden sieben Jahre auch nicht mehr erleben sollte.

Zerberus und die Bluthunde, insgesamt acht an der Zahl, preschten los, gerade so, als sei der Teufel hinter ihnen her. Jedem, auch ihm selbst, war klar, dass die Halbwüchsigen nicht die geringste Chance hatten, aber darauf kam es in diesem Moment nicht an. Die Jagd auf Menschen, so schien es, war etwas völlig anderes, allemal lohnender, als Hasen, Rotwild oder Füchse zu erlegen.

Es war ein Wettlauf, bei dem der Sieger von vornherein feststand, ein Wettlauf mit dem Tod, der das Urteil über die drei Burschen längst gesprochen hatte. Merkwürdigerweise gaben diese jedoch nicht auf, rannten, was das Zeug hielt. Staub wirbelte empor und die abgeernteten Felder hallten wider vom Gebell der Meute. Kaum von der Leine gelassen, nahmen sie auch schon die Verfolgung auf und man musste kein Prophet sein, um zu erahnen, wie die Hetzjagd enden würde.

»Guck hin, du Memme, sonst setzt es eine Tracht Prügel!« Die Pranke seines Vaters im Nacken, blieb ihm nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Die Hoffnung, die Wildfrevler würden das Uferdickicht erreichen, erwies sich als illusorisch, und spätestens in dem Augenblick, als der Jüngste der drei ins Straucheln geriet, war das Schicksal der Burschen nicht mehr abzuwenden.

Von dem Moment an, als der flachsblonde Knabe der Länge nach hinfiel, hatte sich ihm alles so tief ins Gedächtnis eingeprägt, dass er sich selbst jetzt, sieben Jahre später, noch an jedes Detail erinnern konnte. Die Zeit, so schien es, war stehen geblieben, und plötzlich waren da nur noch er, Martin von Stettenberg, und der namenlose Junge aus dem benachbarten Niklashausen gewesen, der verzweifelt um sein Leben rannte. Alles, das Hohngelächter der Jagdgesellschaft, die spöttischen Zurufe, das Schnauben der Pferde, in das sich das erregte Keuchen seines Vaters mischte - all das nahm er in dem Moment, als Zerberus auf den gestrauchelten Knaben zupreschte, nicht mehr wahr. Jetzt, da es ans Sterben ging, da der Tod die Klauen nach seiner Beute ausstreckte, waren da nur noch er, der Junge und der Würgereiz, gegen den er verzweifelt anzukämpfen versuchte.

Mit dem, was dann geschah, hatten jedoch weder er noch sein Vater oder sein Bruder gerechnet. Wer gedacht hatte, Zerberus würde sich auf sein Opfer stürzen, wurde eines Besseren belehrt. Nur noch wenige Klafter davon entfernt, hielt die pechschwarze Bestie plötzlich inne, wedelte mit dem Schwanz und ließ die blutunterlaufenen Augen auf dem Knaben ruhen. Dieser wusste zunächst nicht, wie ihm geschah, rührte sich nicht und harrte der Dinge, die da kamen. Wider Erwarten geschah jedoch nichts, oder, akkurat ausgedrückt, nicht das, was der Vater und die anderen erwartet hatten.

Wie sich herausstellte, lag dies jedoch nicht daran, dass Zerberus den Gehorsam verweigerte. Nicht umsonst galt er als das gefürchtetste Monstrum weit und breit und wer konnte, mied seine Nähe, so gut es ging. Ein Wort seines Herrn, Peters von Stettenberg, und der Bluthund war zu jeder noch so gefährlichen Attacke fähig, ein Faktum, das er bereits mehrfach unter Beweis gestellt hatte.

»Jetzt komm schon, du Scheißköter - oder willst du, dass ich dir Beine mache?« Arnolds Zuruf verhallte ungehört und nicht nur er, um den sich der Griff seines Vaters zu lockern begann, wunderte sich über das Spektakel, welches sich seinen Blicken bot.

Verwunderung oder gar Hoffnung waren jedoch fehl am Platz. Weder hatte der Hund vor, sein Opfer zu verschonen, noch, wie alsbald klar wurde, den Knaben entwischen zu lassen. Nein, seine Absicht war eine andere und es währte nicht lange, bis sie offenkundig wurde.

Das Maul halb offen, machte die Bestie einen Schritt nach vorn. Wer gedacht hatte, dies sei das Ende, sah sich jedoch getäuscht. Zerberus ging nicht etwa auf den Halbwüchsigen zu, sondern schlug einen Haken und begann den auf die Hände gestützten Hüteknecht zu umkreisen. Aus der Ferne waren markerschütternde Schreie zu hören, doch niemand, den Vater mit eingeschlossen, kümmerte sich darum. Aller Augen, so schien es, waren auf das nach Blut lechzende Scheusal gerichtet und sei es nur, um den entscheidenden Moment nicht zu verpassen.

»So was erlebt man nicht alle Tage, was, großer Bruder?« Wahrhaftig, da musste er Arnold recht geben. So etwas hatte er noch nie erlebt. Und würde es so schnell auch nicht mehr erleben.

Seit damals, jenem verhängnisvollen Tag im Mai, hatte sein Leben eine schicksalhafte Wendung erfahren. Bis dahin war er seinem Vater mit Respekt und dem jüngeren Bruder mit einer Mischung aus Wohlwollen und Reserviertheit begegnet. Mit dem Tod des Hirtenjungen, der vor aller Augen zerfleischt wurde, war es damit jedoch vorbei gewesen. Aus und vorbei. Martin von Stettenberg hatte gelernt, zu hassen, mit aller Inbrunst, zu der ein Zwölfjähriger fähig war. Und er hatte gelernt, was es hieß, seinen Peinigern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein.

Der Tod aber war ein Mysterium für ihn geblieben. Auch jetzt, da die Reihe an ihm war, dem Unvermeidlichen ins Auge zu blicken. An der Tatsache, dass der seinige qualvoll sein würde, führte kein Weg vorbei, aber war die Tortur, welche vor ihm lag, erst überwunden, würde es niemals mehr Schikanen, Drangsal oder Hohn und Spott geben. Niemand würde ihm mehr sagen, dass er seiner Familie Schande gemacht und den Ruf derer zu Stettenberg besudelt habe. Wer weiß, vielleicht würde es sogar besser als das Leben werden, welches er bislang geführt hatte, frei von Hader, Zank oder der Verachtung, mit der ihm sein Vater und Arnold begegnet waren. Alles, was es brauchte, war ein wenig Mut, und dann, womöglich bereits in einer Viertelstunde, war alles vorbei.

Aus und vorbei.

»Erlebt man nicht alle Tage, was, großer Bruder?« Arnold, nicht nur zwei Jahre jünger, sondern auch ein Mann, von dem ihn eine Mauer und auch sonst Welten trennten. Ein Mann, dem Skrupel stets fremd gewesen und Menschen wie er zutiefst verhasst geblieben waren. Sein Bruder zwar, aber, wie dies des Öfteren der Fall zu sein pflegte, auch ein Mensch, der allem, was mit Büchern, dem Studium der Wissenschaften oder antikem Schrifttum zu tun hatte, mit unverhohlener Verachtung begegnete. Der jeden Auftrag, mit dem er betraut wurde, erledigte.

Der nicht zögern würde, ihn zu töten.

»Nicht meine Schuld, Bruderherz, sondern deine.«

Ein Vorwurf, auf den er nur allzu gerne geantwortet hätte. Mit einem Knebel im Mund, Fesseln an Händen und Füßen und Gelenken, die bei jeder noch so kleinen Bewegung schmerzten, war dies jedoch nicht möglich. Sinnlos war es allemal, stand das Urteil, das über ihn gesprochen worden war, doch bereits fest.

Tod durch Einmauern. Auf dass von ihm, der er Schande über das Haus derer von Stettenberg gebracht hatte, nichts mehr übrig bleiben würde. Auf dass die Erinnerung an Martin, das schwarze Schaf der Familie, für immer getilgt und aus dem Gedächtnis seiner Mitmenschen gelöscht sein möge.

Auge in Auge mit seinem Bruder, der ihn durch die zwei Fuß im Quadrat große Öffnung in der Mauer angrinste, nahm Martin von Stettenberg all seinen Mut zusammen. Die Nische, in die man ihn gezwängt hatte, roch nach Feuchtigkeit, Moder und kaltem Schweiß. Seinem Schweiß. Nur noch ein paar Handgriffe, reichlich...

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