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Blutwechsel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
724 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am01.07.20152015
Eine in Erdöl konservierte Leiche mit einem sonderbaren Branding auf der Brust. Eine Explosion, die eine Raffinerie in Hamburg in Stücke reißt. Eine geheimnisvolle Sekte, aus der ein Erlöser oder der Mörder hervorgeht. Kommissar Pohlmanns verzweifelter Weg zu sich selbst.

Jörg S. Gustmann studierte Zahnmedizin und promovierte 1990 in Hamburg. Beruflich als Spezialist für zahnärztliche Implantologie bekannt, ist er nebenbei als Fachjournalist tätig. Er schrieb zahlreiche Fachartikel für nationale und internationale Verlage und weitete seit 1998 seine schriftstellerischen Ambitionen auf Lyrik, Kurzgeschichten und Romane aus. Acht seiner Bücher für Kinder und Erwachsene wurden bisher erfolgreich verlegt.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR15,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
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E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextEine in Erdöl konservierte Leiche mit einem sonderbaren Branding auf der Brust. Eine Explosion, die eine Raffinerie in Hamburg in Stücke reißt. Eine geheimnisvolle Sekte, aus der ein Erlöser oder der Mörder hervorgeht. Kommissar Pohlmanns verzweifelter Weg zu sich selbst.

Jörg S. Gustmann studierte Zahnmedizin und promovierte 1990 in Hamburg. Beruflich als Spezialist für zahnärztliche Implantologie bekannt, ist er nebenbei als Fachjournalist tätig. Er schrieb zahlreiche Fachartikel für nationale und internationale Verlage und weitete seit 1998 seine schriftstellerischen Ambitionen auf Lyrik, Kurzgeschichten und Romane aus. Acht seiner Bücher für Kinder und Erwachsene wurden bisher erfolgreich verlegt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839248522
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum01.07.2015
Auflage2015
Reihen-Nr.3
Seiten724 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2430819
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 2

23. September 1993, Israel, Golanhöhen

Das Bemerkenswerte an Joshua Horowitz war, dass er die Dinge des Lebens und des Sterbens mit anderen Augen betrachtete als die meisten seiner Freunde, Verwandte oder alle Menschen, mit denen er je zusammenkam und zusammenkommen sollte und dies nicht erst im bestehenden Alter von siebenunddreißig Jahren, sondern schon seit seiner Geburt.

Das Ereignis, das Joshuas Leben für eine Weile aus dem gewohnten Tritt reißen sollte, geschah an einem Donnerstag, dem 23. September 1993, zehn Tage nachdem sich Yassir Arafat und Yitzhak Rabin auf dem Rasen vor dem Weißen Haus die Hände geschüttelt hatten.

Da die Erklärung das Ergebnis von Geheimverhandlungen war, die unter norwegischer Schirmherrschaft in Oslo stattfanden, wurde vom »Oslo-Friedensprozess« gesprochen.

Die historische Übereinkunft, die die Welt über die Maßen erstaunte, wurde in jeden Winkel der Erde ausgestrahlt. Man sei zu der Ansicht gelangt, Jahrzehnte der Konfrontation und des Konfliktes zwischen Israelis und Palästinensern beenden zu wollen. Man nannte es die Prinzipienerklärung über vorübergehende Selbstverwaltung. Während sich im Blitzlichtgewitter, von scheinheiligem Lächeln begleitet, Arafats und Rabins misstrauische Blicke trafen, anerkannten sie gegenseitig ihre legitimen und politischen Rechte. Sie wollten offiziell die Welt glauben machen, nach einem Leben in friedlicher Koexistenz, Würde und Sicherheit Ausschau zu halten. Dies war der Start zu einer Reihe von Gesprächen und Abkommen, die das Ende des Nahostkonfliktes einläuten sollten. Dass diese Aussöhnung nur vorläufiger Natur war, wusste jeder der beiden, denn es ging um mehr als nur um oberflächlichen Frieden. In Wahrheit ging es um die Verteilung von Macht und Reichtum, um die Sicherstellung vorhandener Ressourcen, vor allem um jene fossilen Brennstoffe unter den Golanhöhen, die dort seit Jahrmillionen schlummerten und auf ihre Exploration warteten. Ein Schatz in der Erde, um den sich der Nahe Osten noch zwanzig Jahre später zanken sollte.

An diesem Donnerstagmorgen nun begrüßte die Sonne den Tag über dem See Genezareth mit beständigem Gleichmut, als Joshua das schwere Tor beiseiteschob und hineinschlich. Neben seinen Füßen raschelte es leise, Mäuse huschten davon. Sofort wehte ihm die wohlige Duftmischung aus Stroh und Tier entgegen, nur dass sie diesmal mit einer bitteren Note angereichert war.

Mit schweren Schritten und klopfendem Herzen näherte er sich dem Tod.

Eine Abfolge rhythmischer Laute hatte ihn geweckt, wie schon in den sieben langen Nächten zuvor. Jämmerliche Töne vom Ende der Dinge.

Er hatte erst einige Minuten auf seinem Bett verharrt, die Luft für eine kurze Weile angehalten und gelauscht, ob die Geräusche verstummen würden. Er hatte es inständig gehofft, es herbeigefleht, doch stattdessen nahmen sie an Intensität zu. Dann traf er eine Entscheidung, voller Zorn, doch wild entschlossen. Er warf sich einen Mantel über, zog eine Schublade im Flur auf und griff nach der Waffe.

Der kalte Stahl schmerzte in seiner Hand, als er das Haus verließ. Sein ausgestoßener Atem bildete feinen Nebel in der kühlen, friedlichen Morgenluft.

Nun stand er da, die 9 mm Jericho 941 schlaff in seiner Hand hängend, unschlüssig, was zu tun sei. Er zitterte leicht. Der, dem diese Waffe gehörte, nannte sie, wie die meisten Insider, Baby Desert Eagle. Ein netter Spitzname für die halbautomatische Selbstladepistole, die in der Lage war, sechzehn Schuss in weniger als einer Minute abzufeuern.

Ein Mann schlich herzu, und, wie es anfangs schien, voller Respekt. Er stellte sich neben Joshua und betrachtete mit ihm die Szene zu ihren Füßen.

»Ich weiß, es klingt grausam, aber ich sehne den Moment herbei, in dem er stirbt und gleichzeitig will ich ihn nicht ziehen lassen«, flüsterte Joshua, als wolle er den Tod bei seiner Arbeit nicht stören.

Samuel nickte schwach und verschränkte die Arme vor der Brust. Es wirkte überheblich. »Wird nicht mehr lange dauern, wie es aussieht.« Seine Stimme klang unbeteiligt, kalt.

»Das ist doch kein Leben mehr für ihn. Es ist die Verlängerung des Leidens, nicht des Lebens. Er hat es verdient, in Frieden zu sterben. Es tut mir weh, ihn so zu sehen.«

»Dann erlöse ihn doch einfach. Du hältst schließlich die Waffe in deiner Hand.«

Die Männer starrten auf das Röcheln und den flehenden Blick zu ihren Füßen. Niemand würde ihnen einen Vorwurf machen, wenn ein Schuss fallen würde. Alle auf dem Gut würden es verstehen, allen hatte es Joshua in einem persönlichen Gespräch erklärt, diese scheußliche Sache mit dem Sterben, und doch würde für die meisten nur ein kleines Maß an Trauer die Stimmung überschatten.

»Ich kann nicht. Es ist nicht meine Aufgabe, Leben zu beenden, nicht das eines Menschen und nicht das eines Tieres.«

»Warum hast du dann die Waffe mitgenommen?« Spott dominierte in Samuels Stimme.

Joshua wandte den glasigen Blick von dem Sterbenden ab. »Weil es mir eben erst wieder klar geworden ist. Ich wollte es tun, aber es liegt nicht in meiner Verantwortung, ihn zu erlösen.« Joshua deutete mit einem flüchtigen Blick nach oben. »Es ist seine Aufgabe.«

»Ach Unsinn. Das seh ich anders. Das Töten überlässt er uns Menschen. Er delegiert gern solche Sachen, wie du weißt.« Ein Schimmer von Wut und Verbitterung huschte über Samuels Gesicht, als er sich zu der Hand seines Bruders hinunterbeugte und nach der Pistole tastete. Erst noch erwartete ihn halbherziger Widerstand, dann lockerte sich der Griff. Samuel hielt die Waffe mit der rechten Hand, die linke Hand stützend darunter gelegt, die Arme ausgestreckt. Er wusste, wie man es macht. Schnell muss es vor allem gehen. Wer zögert, hat verloren. Er schloss ein Auge, zielte kurz und drückte sechsmal hintereinander ab. Einmal hätte genügt, um das Leben fortzujagen, vielleicht zweimal.

Ein letztes Aufbäumen des ausgemergelten Körpers, und die Lider schlossen sich. Ein bizarres Schnauben ertönte, während die grellen Schüsse von den Scheunenwänden dumpf geschluckt wurden. Joshua erschrak, sechsmal durchfuhr es ihn, obwohl er auf das durchdringende Krachen vorbereitet war. Auch er wusste, wie es sich anhört, wenn eine Waffe abgefeuert wird. Nur zu gut wusste er es, schließlich lebten sie auf den Golanhöhen in sehr fragiler Koexistenz zu ihren nördlichen Nachbarn. Er zuckte, wand sich hin und her, wie von einem Marionettenspieler geführt, und wandte sich ab, als es vorbei war. Er wollte nicht länger Zeuge sein, und doch war er zum Mittäter geworden, weil er es zugelassen hatte. Die Tötung eines wehrlosen Wesens, wenn auch alt und gebrechlich und von Schmerzen gepeinigt, bereitete ihm die grausamste Pein.

»Ich war fünf, als er genau hier geboren wurde«, beteuerte er mit Tränen in den Augen. »Er war mein Freund.«

Samuel gab Joshua entschieden die gesicherte Waffe zurück. Wie Beifall spendend klatschte sie in seine Handfläche. »Nun hör schon auf mit dem rührseligen Gejammer. Du bist ein erwachsener Mann und flennst wie ein Mädchen. Er war ein alter Klappergaul, der seinen Job gemacht hat. Mit zweiunddreißig Jahren war er längst überfällig. Du hast recht, hier wurde er geboren, ich erinnere mich auch, und hier geht es für ihn zu Ende. So ist das eben.« Samuel klopfte seinem zwei Jahre jüngeren Bruder auf die Schulter. »Alles hat einen Anfang und ein Ende. Mehr muss ich nicht wissen, weil es auch nicht mehr gibt, was man wissen muss. Reine Biologie; man wird geboren, um zu sterben. Schluss, aus. Nichts davor und nichts danach. So und nun komm; lass uns hochgehen. Wir haben eine Menge Arbeit.«

Joshua hielt den Kopf gesenkt und blickte zurück auf das viele Blut, wie es aus der durchsiebten Schläfe sickerte und das Stroh tränkte. »Was geschieht mit ihm? Wir können ihn nicht so liegen lassen. Vor allem Aaron und Ruth dürfen ihn nicht so sehen.«

»Der Veterinär ist schon unterwegs. Ich hab ihn angerufen, dass er heute kommen kann, um ihn abzuholen. Bevor die beiden aus der Schule zurück sind, wird alles erledigt sein.«

Joshua hob die Brauen. »Wie konntest du wissen â¦?«

»Als ich die offen stehende Kommode sah, wusste ich, wo ich dich finden würde.«

»Und du wusstest auch, dass ich es nicht tun kann.«

»Wenn du es könntest, wärest du nicht mein kleiner, sonderbarer Bruder.« Samuel lachte auf. »Du bist eben anders als die meisten.«

*

»Ist er tot?«, fragte Judith mit Gleichmut, als Joshua zurückkam. Sie ließ dabei von ihrer Arbeit am Herd nicht ab. »Hast du es wirklich getan?« Ein Hauch von Polemik schwang in ihrer Frage mit.

Joshua warf ihr einen zornigen Blick zu. »Nach acht Jahren Ehe solltest du mich besser kennen. Es war natürlich Samuel. Was denkst du denn?« Joshua streifte den Mantel ab und warf ihn über einen Haken im Eingangsbereich. Er starrte zu Boden und griff sich zitternd an die Stirn. Der Schock steckte ihm tief in den Gliedern. »Er hat ihm nicht einen Gnadenschuss versetzt, sondern seinen Kopf regelrecht durchlöchert. Er hat es sichtlich genossen.« Noch in dem T-Shirt und der Unterhose, die er in der Nacht getragen hatte, schlurfte er in die Küche.

Judith wandte sich von ihrer Tätigkeit zu ihrem Mann um und tätschelte mit ihrer fleischigen Hand seine Wange. Eine halbherzige Geste des Verständnisses. »Ach, das bildest du dir nur ein.«

Joshua wich zurück. Er mochte...

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Autor

Jörg S. Gustmann studierte Zahnmedizin und promovierte 1990 in Hamburg. Beruflich als Spezialist für zahnärztliche Implantologie bekannt, ist er nebenbei als Fachjournalist tätig. Er schrieb zahlreiche Fachartikel für nationale und internationale Verlage und weitete seit 1998 seine schriftstellerischen Ambitionen auf Lyrik, Kurzgeschichten und Romane aus. Acht seiner Bücher für Kinder und Erwachsene wurden bisher erfolgreich verlegt.