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Dornenjahre

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
384 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am06.07.20162023
Eine Generation, die nie zur Ruhe kommt: Sophie, Johanna und Luise kämpfen während der Zeit des Nationalsozialismus für unterschiedliche Ziele. Sophie, die bei ihrem Mann in Frankreich lebt, wird zur Widerstandskämpferin. Luise, die gerade das elterliche Gut in Ostpreußen wiederaufgebaut hat, muss erneut alles zurücklassen und vor dem Feind fliehen. Und Johanna profitiert als Firmenchefin von den Nazis, doch ihre Tochter liebt einen Juden und gerät in Gefahr. Um sie zu retten, trifft Johanna eine folgenschwere Entscheidung.

Eva-Maria Bast, Jahrgang 1978, ist Journalistin, Autorin und Leiterin des »Bast Medien Service«. 2012 begann sie sich auch der Belletristik zu widmen. Nach zwei Krimis, die beim Gmeiner-Verlag erschienen sind, legt sie nun den dritten Teil ihrer »Mondjahre-Jahrhundertsaga« vor. Seit 2015 ist Eva-Maria Bast Gastdozentin an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Für ihre Arbeiten erhielt sie mehrere Auszeichnungen, u.a. mit dem Südkurier den Deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung (Kategorie Geschichte) für die Geheimnisse der Heimat. Eva-Maria Bast lebt mit ihrer Familie am Bodensee.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
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E-BookPDF0 - No protectionE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextEine Generation, die nie zur Ruhe kommt: Sophie, Johanna und Luise kämpfen während der Zeit des Nationalsozialismus für unterschiedliche Ziele. Sophie, die bei ihrem Mann in Frankreich lebt, wird zur Widerstandskämpferin. Luise, die gerade das elterliche Gut in Ostpreußen wiederaufgebaut hat, muss erneut alles zurücklassen und vor dem Feind fliehen. Und Johanna profitiert als Firmenchefin von den Nazis, doch ihre Tochter liebt einen Juden und gerät in Gefahr. Um sie zu retten, trifft Johanna eine folgenschwere Entscheidung.

Eva-Maria Bast, Jahrgang 1978, ist Journalistin, Autorin und Leiterin des »Bast Medien Service«. 2012 begann sie sich auch der Belletristik zu widmen. Nach zwei Krimis, die beim Gmeiner-Verlag erschienen sind, legt sie nun den dritten Teil ihrer »Mondjahre-Jahrhundertsaga« vor. Seit 2015 ist Eva-Maria Bast Gastdozentin an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Für ihre Arbeiten erhielt sie mehrere Auszeichnungen, u.a. mit dem Südkurier den Deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung (Kategorie Geschichte) für die Geheimnisse der Heimat. Eva-Maria Bast lebt mit ihrer Familie am Bodensee.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839252048
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum06.07.2016
Auflage2023
Reihen-Nr.3
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2431348
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

3. Kapitel

Paris, Frankreich, Anfang November 1938

Sophie lächelte still in sich hinein, als sie auf der Champs Élysées in Richtung Arc de Triomphe eilte. Seit 13 Jahren lebte sie nun schon mit ihrem Pierre in Frankreich. Und sie dachte, dass ihr dieses Land inzwischen viel mehr Heimat geworden war als ihr ursprüngliches Zuhause, Deutschland, es je gewesen war - wenn das Leben in der Pariser Gesellschaft auch manchmal alles andere als einfach war. Das dachte sie nicht zum ersten Mal, sondern dieser Gedanke war allgegenwärtig, seit fünf Jahren, seit die Nationalsozialisten in jener kalten Januarnacht 1933 die Macht ergriffen hatten und wenige Wochen später der Reichstag brannte. Und sie dachte es jedes Mal aufs Neue, wenn sie wieder jemanden traf, der aus der Heimat geflohen war. Immer mehr Menschen aus Deutschland kamen an, immer größer wurde der Kreis. Juden, Intellektuelle, Künstler, Schriftsteller.

Anfangs war es besonders schwer für sie gewesen, hier in Frankreich. Pierres Familie war ihr mit offener Feindseligkeit begegnet und hatte dafür gesorgt, dass man sie aus den Kreisen, zu denen sie durch ihre Heirat nun mal gehörte, ausschloss. Nicht offiziell, versteht sich. Nach außen hin war man Sophie mit ausgesuchter, aber eiskalter Höflichkeit begegnet. Aber sie hatte die hämischen Blicke und das Getuschel sehr wohl bemerkt und auch, dass man sie zu wichtigen Ereignissen einzuladen vergaß. Pierre hatte immer versucht, sie aufzuheitern. Ihr weismachen wollen, dass es gewiss keine Absicht gewesen sei. Beide wussten, dass es leere Worte waren. Um seiner und ihrer Ohnmacht etwas entgegenzusetzen, hatte er ihr schließlich empfohlen, selbst eine Gesellschaft zu geben.

Sie hatte die Idee begeistert aufgegriffen, es war ihr Rettungsanker gewesen, sie hatte sich enorm angestrengt, Wochen mit der Planung verbracht. Dann war der große Tag angebrochen - und mit ihm eine Absage nach der anderen ins Haus geflattert. Die Gründe waren allesamt fadenscheinig, manchmal waren gar keine genannt worden. Es war eine offene Provokation.

Sophie hatte stundenlang in Pierres Armen geweint, dann kam der Trotz. Sie werde diesen arroganten Personen nicht länger hinterherlaufen, hatte sie erklärt und Pierre mit blitzenden, zornigen Augen angesehen. Er hatte gelächelt, denn das war Sophie, seine Sophie. Dieses zarte, zähe Wesen, diese liebliche, widerspenstige Frau. Sophie war ins Schreiben geflohen, wie sie das früher schon getan hatte. Damals wie heute trug sie immer ein kleines silbernes Notizbüchlein um den Hals, in dem sich in den Zeiten, als sie von Pierre getrennt war, auch dessen Foto befunden hatte. Ihrem Notizbuch vertraute sie alles an. Das Glück, trotz aller Ablehnung eine neue Heimat gefunden, und den Schmerz, die alte verloren zu haben.

Es tat noch immer weh, so weit entfernt von ihren Lieben zu sein - und sie sorgte sich auch um sie, denn das, was dieser Tage in Deutschland passierte, gefiel ihr ganz und gar nicht.

Auch darüber schrieb sie, und lang schon war ihr das Schreiben viel mehr als nur eine Flucht geworden. Die Welten, die sie auf dem Papier erschaffen konnte, zogen sie mehr und mehr in ihren Bann. Bessere Welten. Friedlichere Welten. Aber auch Welten voller Gegensätze. Auf dem Papier, fand sie, erklärte sich vieles, das im Leben eigentlich nicht erklärbar war, wie von selbst.

Sophie schrieb Gedichte, Erzählungen, schließlich sogar einen Roman. Als 1933 die ersten Flüchtlinge aus ihrer alten Heimat in Frankreich angekommen waren und sich die deutschenfeindliche Stimmung noch verstärkt hatte - man wahrte Sophie gegenüber inzwischen nicht einmal mehr den Schein der Höflichkeit, ließ sie die Verachtung offen spüren -, hatte sie auch diesen Schmerz ihrem Tagebuch anvertraut. Die nationalistische Presse schürte den Hass gegen die Deutschen nun ganz offen, und Pierre, ebenfalls Journalist, wurde nahegelegt, zu kündigen, da man nicht dulden könne, dass er eine Deutsche zur Frau habe.

Er war hocherhobenen Hauptes gegangen, hatte zuvor aber noch erklärt, er habe ohnehin kündigen wollen, da er die Richtung, in die sich das Blatt entwickelt habe, nicht im Geringsten vertreten könne. Zu Hause hatte er versucht, Sophie zu trösten, ihr zu erklären, woher diese Ablehnung kam. »Sie sind unsicher, Chérie«, hatte er gesagt, als er sie abends im Bett in den Armen hielt. »Sie haben Angst vor den Deutschen, sie haben das Leid des Kriegs noch lang nicht vergessen.« Sophie schmiegte sich enger in seine schützende Umarmung. »Was sollen ihnen diese armen, hungernden Menschen denn tun? Sie haben ja nichts außer einem Koffer.«

»Sie sind misstrauisch, mon amour.« Pierre küsste sie auf die Stirn. »Und sie haben Angst, dass sie mit ihnen teilen müssen. Ihre Nahrung. Ihre Arbeitsplätze.«

»Und nun hast du also auch keine Arbeit mehr«, seufzte Sophie. »Und ich bin schuld.«

Pierre lächelte in sich hinein. »Auch ohne dich hätte ich diese Arbeit niedergelegt. Ich muss hinter dem stehen, was ich tue. Du weißt, dass wir nicht verhungern werden.«

Pierre hatte zwar aufgrund der Abneigung, die seine Mutter Sophie entgegenbrachte, endgültig mit ihr gebrochen, sein verstorbener Vater und seine Großmutter hatten ihm jedoch ein stattliches Vermögen hinterlassen. Pierre arbeitete, weil er es wollte, nicht, weil er musste. Sie lebten in einem eleganten, stuckverzierten Stadthaus nahe der Champs Élysées, das schon immer viel zu groß für sie beide und das Personal gewesen war und das völlig überdimensioniert wirkte, seit Raphael, ihr Sohn, ausgezogen war mit der Begründung, er müsse nun lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Zu groß oder nicht: Sie hätten sich nie vorstellen können, es zu verkaufen, es war ihnen in den letzten 15 Jahren ein Zuhause gewesen. Und das würde es immer bleiben.

»Was wirst du jetzt tun?«

»Ich will eine eigene Zeitung gründen«, verkündete Pierre. »Eine Zeitung, die sich offen und ehrlich mit dem auseinandersetzt, was um uns herum geschieht. Und wer weiß, vielleicht schreibst du ja eines Tages für mich.«

Sophie strahlte. Seine Worte verliehen ihr Flügel, sie schrieb mehr und immer mehr, und je mehr sie schrieb, desto mehr fand sie zu sich selbst. Sie lernte sich beim Schreiben kennen, stellte sie fest. Manchmal saß sie da und starrte staunend auf das, was sie da gerade verfasst hatte, nicht wissend, woher all die Gedanken und Einfälle kamen. Wenn sie schrieb, war sie ganz frei, ganz weit.

Sie schleuderte ihre Wut auf Papier, als sie von den Bücherverbrennungen der Nazis im Mai 1933 hörte. Und so schwer es ihr fiel, sich von diesen ihren kostbaren Büchern zu trennen, trug sie sie ein Jahr später doch in die deutsche Freiheitsbibliothek, die der ebenfalls emigrierte Alfred Kantorowicz in Paris gründete. Mit diesem Tag eröffnete sich Sophie eine ganz neue Welt. In der deutschen Freiheitsbibliothek trafen sich Exilanten, tauschten sich aus - die meisten von ihnen waren dem Schreiben ebenso verfallen wie Sophie. Sie lernte Heinrich Mann kennen, den Journalisten Egon Erwin Kisch, Anna Seghers. Jeder Tag, jede Stunde, jede Minute mit ihnen war Sophie Inspiration, sie sah die Welt immer mehr mit den Augen einer Schriftstellerin. Wenn sie durch die Straßen streifte, bemerkte sie Dinge in einer Detailgenauigkeit, die sie beinah schmerzte, sie rang um Worte, weil sie zu Papier bringen wollte, was sie sah. Manchmal sprudelte es nur so aus ihr heraus, manchmal verzweifelte sie, weil sie keinen Begriff fand. Und manchmal sah sie sich der Flut der Worte und der Eindrücke, die auf sie einströmten, beinahe hilflos gegenüber und geriet in Panik, weil ihr Füller nicht schnell genug schrieb, um all das, was sie sagen wollte, zu Papier zu bringen. Sophie schrieb von den Augen der Menschen, die erst im KZ gewesen und dann geflohen waren, Menschen, die sie in der Hilfsorganisation für Flüchtlinge kennenlernte, in der sie sich engagierte. Sie schrieb von dem Kind, das jeden Tag auf der Kante des Bürgersteigs saß, traurig vor sich hinstarrend, mit gebrochenen Augen. Sie schrieb von ihrem Sohn Raphael - von dem sie zu wissen glaubte, dass er Frauen nicht liebte, sondern Männer. Raphael hatte zwar eine Freundin, war aber nicht glücklich, und mit der Intuition einer Mutter vermutete sie, warum, dachte auch, dass er es sich nie eingestehen und deshalb sein Leben lang unglücklich sein würde.

Sophie hatte sich lang gegen ihren Verdacht gewehrt, es war ihr fremd gewesen und sie sprach darüber auch nicht mit Pierre, sie wollte es erst selbst begreifen, und sie war sich fast sicher, dass er es nicht verstehen, vermutlich sogar verurteilen würde. Ihr selbst schien es in dieser offenen, dieser freien Welt der exilierten Schriftsteller, in der sie nun lebte, begreiflich zu sein, dass ein Mann auch Männer lieben konnte. Und eine Frau Frauen. So weit schienen ihre Gedanken mit einem Mal zu sein - denn sie war ja nun in der Lage, mit ihren Worten Welten zu schaffen -, dass ihr auch die Liebe zwischen Menschen unendlich weit schien. Das Einzige, was sie irritierte, war, dass man sich zwischen den Geschlechtern entscheiden sollte. Sophie grübelte darüber nach, ob es nicht eher so wäre, dass es auf den Menschen ankam statt auf das Geschlecht. Auf ihren Streifzügen durch Paris sah sie sich die Gesichter von Liebenden, die ihr begegneten, genau an und sie fragte sich, was sie zueinander hinzog. Sie wusste, dass sie Pierre liebte, immer lieben würde, aber sie dachte nun darüber nach, was passiert wäre, wenn Pierre eine Frau gewesen wäre und sie in einer Welt gelebt hätte, in der nicht klar definiert war, dass Männer Frauen zu lieben hatten und Frauen...

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Autor

Eva-Maria Bast, Jahrgang 1978, ist Journalistin, Autorin und Leiterin des »Bast Medien Service«. 2012 begann sie sich auch der Belletristik zu widmen. Nach zwei Krimis, die beim Gmeiner-Verlag erschienen sind, legt sie nun den dritten Teil ihrer »Mondjahre-Jahrhundertsaga« vor. Seit 2015 ist Eva-Maria Bast Gastdozentin an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Für ihre Arbeiten erhielt sie mehrere Auszeichnungen, u.a. mit dem Südkurier den Deutschen Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung (Kategorie Geschichte) für die Geheimnisse der Heimat. Eva-Maria Bast lebt mit ihrer Familie am Bodensee.